Frage
Es geht um die Kommasetzung zwischen Adjektiven. Mit der folgenden Faustregel komme ich nicht klar. Wenn man ein „und“ zwischen die Adjektive setzen kann, steht ein Komma: „ein leichter, herber Rotwein“. Wenn das zweite Adjektiv mehr zum Substantiv gehört, steht kein Komma: „ein bekannter spanischer Autor“. Es gibt ja so viele Zweifelsfälle, und ich habe das Gefühl, dass es keiner mehr richtig weiß, abgesehen von den klaren Fällen. Hier noch einige Beispiele:
eine kleine vogelhafte Frau
ein zierlicher kleiner Kopf
ein alter rundlicher Kahn
ein großer runder Raum
ein riesiger halbmondförmiger Eichentisch
ein feiner halbkreisförmiger Schnitt
Antwort
Guten Tag Frau M,
Sie gehen offenbar etwas zu stark davon aus, dass es bei der Kommasetzung zwischen zwei Adjektiven immer nur eine richtige Lösung gibt. Das ist nicht so. Häufig sind beide Schreibungen vertretbar. Aus diesem Grund gibt es so viele Zweifel und keine eindeutige Regel. Auch ich halte die Faustregel mit „und“, die Sie zitieren, häufig nicht für allzu nützlich. Ich empfehle Ihnen deshalb ein einfache Faustregel, die mir am besten hilft: die Betonung.
Wenn in der gesprochenen Sprache eine deutliche Pause gemacht wird, setzt man ein Komma. Hört man zwischen den beiden Adjektiven keine Pause, wird auch kein Komma gesetzt:
a) ein anderes, umweltfreundliches Verfahren
(statt eines nicht umweltfreundlichen Verfahrens)b) ein anderes umweltfreundliches Verfahren
(ein weiteres umweltfreundliches Verfahren)
Hier gibt es einen Bedeutungsunterschied, den man in der gesprochenen Sprache mit Hilfe einer deutlich hörbaren Pause ausdrückt. Diese Pause entspricht in der geschriebenen Sprache einem Komma:
Wenn wie in a) eine Pause gemacht werden muss, muss ein Komma stehen. Wenn wie in b) keine Pause gemacht werden darf, darf kein Komma stehen. (Vgl. hier)
Und nun kommt das, was immer wieder für Unsicherheit sorgt: In vielen Fällen ist beides möglich. Manchmal ist es vom Kontext abhängig, ob man ein Komma schreibt oder nicht:
c) Ich mag keine schweren, süßen Weine. Ich will einen leichten, herben Rotwein.
(mit Pause gesprochen = der Rotwein soll leicht und herb sein)d) Ich will keinen schweren, sondern einen leichten herben Rotwein.
(ohne Pause gesprochen = der herbe Rotwein soll leicht sein)
Häufig ist sogar ohne wesentlichen Bedeutungsunterschied beides möglich:
e) eine kleine, vogelhafte Frau
(mit Pause gesprochen = eine Frau, die klein und vogelhaft ist)f) eine kleine vogelhafte Frau
(ohne Pause gesprochen = eine vogelhafte Frau, die klein ist)
Zwischen e) und f) gibt es keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied. Sie können schreiben, wie Sie betonen würden. Wenn beide Betonungen möglich sind, sind auch beide Schreibungen (mit und ohne Komma) richtig.
Fragen Sie sich also jedes Mal, wenn Sie zweifeln, ob Sie für die richtige Bedeutung eine Pause machen müssen. Wenn die Antwort ja lautet, setzen Sie ein Komma (Beispiele a und c). Wenn Sie für die Bedeutung keine Pause machen dürfen, setzen Sie kein Komma (Beispiele b und d). Ist eine Formulierung mit und ohne Pause richtig, kann sie auch mit und ohne Komma geschrieben werden (Beispiele e und f). Sie wählen dann einfach, was Ihnen „natürlicher“ erscheint.
Alle Beispiele in Ihrer Frage können im Prinzip mit und ohne Komma geschrieben werden, weil mit und ohne Pause gesprochen werden kann.
Zusammenfassend zum Komma zwischen zwei aufeinanderfolgenden Adjektiven:
- Pause obligatorisch = Komma obligatorisch
- Pause nicht möglich = kein Komma
- Pause möglich = Komma möglich
Ich hoffe, dass die bekannte leidige Frage oder eben die bekannte, leidige Frage nach dem Komma zwischen aufeinanderfolgenden Adjektiven nun für etwas weniger Unsicherheit sorgt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp