Frage
Woher kommt bitte der Ausdruck „Uhr“ als Zeitangabe (z. B. „Es ist ein Uhr“)? Handelt es sich um eine Abkürzung? Denn „Uhr“ mit Großbuchstaben ist nach wie vor Substantiv, aber als Zeitangabe im Gegensatz zum Ding „die Uhr“ ist die Zeitangabe ja unveränderlich und ohne Pluralform. Wie sind die Zusammenhänge, vielleicht von „Es ist eins an der Uhr“ […] zu „Es ist ein Uhr“?
Antwort
Guten Tag Frau T.,
Sie stellen eine berechtigte Frage: Warum verwenden wir das Wort Uhr bei der Angabe der Stunde des Tages? Wenn wir beim Ursprung (dieses Wort konnte ich mir hier einfach nicht verkneifen) von Uhr anfangen, wird die Sache nicht auf Anhieb deutlicher. Es zeigt sich dann nämlich, dass man die Frage eigentlich umgekehrt formulieren muss: Weshalb verwenden wir Uhr für ein Zeitmessgerät?
Das Wort Uhr kam vom griechischen ὥρα über das lateinischen hora zu uns und bedeutete wie dieses Stunde (vgl. eng. hour, frz. heure, ital. ora, span. u. port. hora, nld. uur). Uhr wurde für Zeitangaben verwendet und dabei häufig auch gebeugt (eine Uhr, zwei Uhren). Im Laufe der Zeit war in Zeitangaben nur noch die ungebeugte Singularform Uhr gebräuchlich (ein Uhr, zwei Uhr). Dann verschiebt sich die Bedeutung vom Gemessenen auf das Messende, das heißt, seit dem 15. Jahrhundert wird Uhr auch für Stundenmesser und Uhrwerk verwendet. Im heutigen Deutschen ist Uhr mit der ursprünglichen Bedeutung Stunde nur in Zeitangaben bewahrt geblieben.
Für den Begriff Stunde gab es nämlich auch schon ein Wort: stunta bedeutete schon im Althochdeutschen Stunde, Zeit, Zeitpunkt. Man nimmt an, dass es eine Ableitung des Stamms stand (zu stehen) ist. Ursprünglich soll es stehender Punkt, Haltepunkt im Zeitverlauf bedeutet haben, später festgesetzte Zeit, bestimmter Zeitraum. Seit etwa dem 15. Jahrhundert bezeichnet Stunde wie heute den auf der Uhr markierten Zeitabschnitt des 24-stündigen Tages.
Etwas gar grob zusammengefasst haben sich Uhr und Stunde im gleichen Bedeutungsfeld bewegt, bis ab etwa dem 15. Jahrhundert jedes Wort seine eigene Aufgabe erhielt. Bei der Zeitangabe Uhr für die Stunde des Tages kommen sie einander auch heute noch sehr nahe.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Man könnte sagen, dass es Uhr einmal als Substantiv und einmal als Zähleinheitswort gibt. Dann würde es nicht mehr wie eine Ausnahme aussehen, sondern sich zu Mann, Stück, Sack etc. gesellen. Interessant zu lesen, wie ein Wort die Entwicklung vom Substantiv zum ZEW durchmacht.
Man kann es tatsächlich so interpretieren und ein Zusammenhang ist wahrscheinlich. Aber auch als „Zähleinheitswort“ bleibt Uhr eine Ausnahme. Die nach Zahlenangaben unveränderlichen Mengen-, Maß- und Münzeinheiten wie Mann, Stück, Sack, Glas sind männlich oder sächlich (vgl. hier). Weibliche Einheiten wie Tonne, Elle, Krone, Schachtel werden normalerweise gebeugt (vgl hier). Zusammen mit der Währungseinheit Mark ist Uhr dann eine der ganz wenigen Ausnahmen. Außerdem bleibt anders als bei anderen Einheiten ein vor Uhr immer ungebeugt.
Zu den männlich/sächlichen bzw. weiblichen Einheiten (Kommentar von Dr. Bopp) fällt mir auf:
Bei den weiblichen Einheiten ist die Plural-Endung immer “-n”, bei den männlich/sächlichen hingegen unterschiedlich (Männer, Stücke, Säcke, Gläser…).
Ist diese Unterscheidung also vielleicht nur der “sprachlichen Denkfaulheit” geschuldet?
Es könnte sein, dass auch hier „sprachliche Denkfaulheit“ eine Rolle spielt (sie liegt mancher Sprachveränderung zu Grunde), aber das ist reine Spekulation.