Die poetische Note am Verschollensein

Frage

Wir zerbrechen uns seit einigen Tagen den Kopf über das Wort „verschollen“. Von welchem Wort leitet es sich ab? Gibt es nur diese eine Zeitform bei diesem Wort? Was ist der Infinitiv dieses Wortes? Kann etwas nur verschollen sein oder auch gerade dabei sein zu verschellen/verschallen/…. ?

Antwort

Guten Tag Herr H. und Herr B.,

das Adjektiv verschollen kommt tatsächlich von einem Verb, nämlich von verschallen. Es ist eine alte Perfektform – heute heißt es ja verschallen, verschallte/verscholl, verschallt –, die sich vom Verb gelöst und im 19. Jahrhundert die Bedeutung seit längerer Zeit mit unbekanntem Aufenthaltsort abwesend, unauffindbar erhalten hat. Man geht davon aus, dass die heutige Verwendung von verschollen, das ja eigentlich verklungen, verhallt bedeutete, als euphemistischer (beschönigender, verhüllender) Ausdruck für verschwunden, für Tot gehalten entstanden ist. Der, die oder das Verschollene ist also, poetisch ausgedrückt, verhallt und verklungen.

Das mag so besehen schön und dichterisch klingen, diese poetische Note ist aber leider ohne jeden Belang, wenn jemand konkret mit einer verschollenen Person oder Sache konfrontiert ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

2 Gedanken zu „Die poetische Note am Verschollensein“

  1. Das ist so ein ähnlicher Fall wie “auserkoren“. Hier taucht auch plötzlich ein Verb auf, von dem die meisten noch nie gehört haben.

  2. Das Verb auserkiesen gehört tatsächlich nicht zum alltäglichen Wortschatz. Es gibt noch weitere Adjektive, die von Verben stammen oder zu stammen scheinen, die es nicht (mehr) gibt. Hier ein paar Beispiele:

    abwesend/anwesend, bewusst, eingeboren, einverstanden, entlegen, erstunken, inbegriffen, umstritten, unbescholten, unverfroren, verlogen, verstohlen, verzwickt, zerschunden

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