Frage
[…] Ich möchte meine Frage an Sie auf die von Ortsbezeichnungen abgeleiteten Namen der Bewohner zuspitzen. Oft genügt das Suffix „er“ zur Ableitung des Einwohnernamens. Es gibt aber auch Namensbildungen, bei denen die Ableitung mit „er“ zungenbrecherisch wirkt und keine geschmeidige Aussprache zulässt. Der Münsterer, der Jeverer, der Hanoverer, der Kasseler und auch der Weimarer – und selbstverständlich auch die Weimarerin – klingen nun wirklich nicht besonders gut. So hat man schon in alten Zeiten Münsteraner, Jeveraner, Kasselaner und selbstverständlich auch Weimaraner als Bezeichnung für die Einwohner verwendet.
Dass „Hannoveraner“ auch eine Pferderasse ist, stört offenbar niemanden; aber in Weimar will man seit geraumer Zeit den traditionellen Einwohnernamen Weimaraner nicht mehr gelten lassen, weil hier Ende des 19. Jahrhunderts eine Hunderasse – ein Vorstehhund – gezüchtet worden ist, der man den Namen „Weimaraner“ gegeben hat. Deswegen verkünden seit einiger Zeit übereifrige „Sprachhüter“ die Auffassung, man müsse Weimarer sagen, um nicht mit dem Hund verwechselt zu werden. In der Presse findet man lediglich noch die Schreibweise Weimarer für die Einwohner von Weimar. Und die Stadtführer getrauen es sich auch nicht mehr, Weimaraner zu sagen, weil sie angeblich von den Touristen nicht verstanden werden. Was sagt der Linguist zu dieser […] Meinung? […]
Antwort
Guten Tag Herr W.,
es gibt bei der Bildung von Einwohnernamen keine festen Regeln. Deshalb gilt: Richtig ist, was üblich ist.
Üblich scheint heutzutage vor allem (oder fast nur noch?) Weimarer zu sein. Da ich aus einer ganz anderen Gegend komme und leider noch nie auch nur in der Nähe von Weimar gewesen bin, kenne ich das Wort vor allem als Adjektiv in Weimarer Republik. Das heißt aber nicht, dass Weimaraner falsch ist. Es ist nur nicht mehr so gebräuchlich.
Das Argument, Weimaraner sei falsch, weil dieses Wort eine Hunderasse bezeichne und deshalb nicht auch Einwohnername sein könne, ist nicht sehr schlagkräftig. Schließlich sind nicht alle Rottweiler Hunde, nicht alle Hannoveraner Pferde, nicht alle Berliner Pfannkuchen, nicht alle Frankfurter Würstchen und nicht alle Perser Teppiche. Dass eine Einwohnerbezeichnung auch für etwas anderes verwendet wird, schließt also keineswegs aus, dass sie weiterhin auch als Einwohnerbezeichnung dienen kann.
Das gilt auch dann, wenn es für einen Ort mehr als nur eine Einwohnerbezeichnung gibt. So gibt es den Steinhäger, einen Wachholderschnaps, der aus Steinhagen kommt, einem Ort, in dem Steinhagener und Steinhagenerinnen oder eben Steinhäger und Steinhägerinnen wohnen.
Kurzum, in Weimar wohnen Weimaraner und Weimaranerinnen, die heutzutage allerdings meistens Weimarer und Weimarerinnen genannt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ein Freitag der Dreizehnte scheint doch irgendwie eine Wirkung zu haben. 😉
Dass es bei der Bildung von Einwohnernamen keine festen „Regen“ gibt, kann ja eventuell noch mit dem Wetterbericht zu tun haben. Aber der „Wachholderschnaps“ ist 38-(mindestens)-prozentig kein Schnaps, den ein Mädchen kredenzt, damit ihr „Holder wach“ bleibt.
Bitte um Nachsicht, ich konnte mir dieses kleine Schmunzeln nicht verkneifen.
Liebe Grüße aus Tirol
Danke für den Hinweis (oben steht jetzt Regeln, nicht mehr Regen).
Noch viel schöner wird es, wenn man von Städten auf Länder wechselt. Da gibt es zum Beispiel:
– Österreicher, aber keine Frankreicher, sondern Franzosen,
– Engländer, aber keine Deutschländer, sondern Deutsche,
– Andorraner, aber keine Maltaner und Kretaner, sondern Malteser und Kreter,
– Sansibarer, aber keine Madagaskarer, sondern Madegassen,
– Italiener, aber keine Syriener und Arabiener, sondern Syrer und Araber.
Chinesen, Libanesen, Bulgaren, Monegassen, Israelis, Bosnier, Kroaten, Esten und Litauer, Thais/Siamesen, Pakistani… und viele mehr.
Den armen Deutschlernenden hilft da wohl nur nachschlagen oder auswendig lernen.