Freie Relativsätze und ihr Platzhalter: Wer nicht hören will, [der] muss …

Frage

Gerne wende ich mich wieder einmal mit einer Frage an Sie. Es geht um folgenden Satz:

Von A wie Avocado bis Z wie Zucchini: Wer den Genießerpass hat, der profitiert von zahlreichen Angeboten.

Wir sind uns intern nicht einig darüber, ob das „der“ nach dem Komma überhaupt notwendig ist. Wäre der Satz nicht flüssiger und vor allem genderneutraler, wenn nach dem Komma kein „der“ kommt?

Antwort

Guten Tag Herr K.,

Ihr Satz kommt gut ohne „der“ aus. Der mit „wer“ eingeleitete Nebensatz hat im Gesamtsatz die Funktion des Subjekts. Er kann im übergeordneten Satz durch „der/die“ vertreten sein:

Wer nicht hören will, der muss fühlen.
Wer Fisch mag, der wird dieses Restaurant lieben.
Wer den Genießerpass hat, der profitiert von zahlreichen Angeboten.

Es ist aber nicht notwendig, dieses „der“ im übergeordneten Satz einzufügen. Die oben stehenden Sätze können auch ohne diesen Platzhalter formuliert werden:

Wer nicht hören will, muss fühlen.
Wer Fisch mag, wird dieses Restaurant lieben.
Wer den Genießerpass hat, profitiert von zahlreichen Angeboten.

Häufig klingt es so tatsächlich etwas flüssiger.

Solche Sätze werden freie Relativsätze oder kopflose Relativsätze genannt. Es sind Relativsätze, die anders als „gewöhnliche“ Relativsätze im übergeordneten Satz kein Bezugswort haben. Das Wort, auf das sich ein freier Relativsatz bezieht, muss im übergeordneten Satz hinzugedacht werden. Zum Beispiel:

Derjenige, der nicht hören will, muss fühlen.

Freie Relativsätze werden meist mit w-Wörtern (Fragepronomen und Frageadverbien, die mit w beginnen) eingeleitet, im gehobenen Sprachgebrauch selten auch mit „der/die/das“:

Wer nicht hören will, muss fühlen. (Derjenige, der …)
Nimm dir, was du brauchst! (… das, was …)
Was mich am meisten ärgert, ist eure Gleichgültigkeit. (Das, was …)
Worüber ich mich wundere, ist diese Satzart. (Das, worüber …)
Wo man singt, lass dich ruhig nieder. (Dort, wo …)
Ihr müsst empfangen, wen ihr eingeladen habt. (denjenigen …, den …)

Das versteht nur, wer/der sie kennt. (… derjenige, der …)
Die sparen wollen, kommen zu uns. (Diejenigen, die …)

Wenn der freie Relativsatz an erster Stelle steht, kann, wie oben bereits gesagt, im übergeordneten Satz ein Stellvertreter stehen (hier in eckigen Klammern):

Wer nicht hören will, [der] muss fühlen.
Was du brauchst, [das] kannst du dir nehmen.
Was mich am meisten ärgert, [das] ist eure Gleichgültigkeit.
Worüber ich mich wundere, [das] ist diese Satzart.
Wo man singt, [dort] lass dich ruhig nieder.
Wen ihr einladet, [den] müsst ihr auch empfangen.
Wer/Der sie kennt, [der] versteht das.

Wenn es um Personen geht, ist es recht praktisch, dass dieser Platzhalter nicht obligatorisch ist. Dadurch lassen sich sowohl das maskuline „der“ als auch eher umständliche genderneutrale Formulierungen mit „der/die“ oder „der oder die“ vermeiden. Wer das weiß, formuliert einfacher, flüssiger und doch passend.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

3 Gedanken zu „Freie Relativsätze und ihr Platzhalter: Wer nicht hören will, [der] muss …“

  1. Ist es nicht so, dass, wenn sich die Fälle von Haupt- und Nebensatz unterscheiden, das Relativpronomen genannt werden muss? Z.B.:
    Wem das nicht gefällt, der muss das nicht machen.
    Und nicht:
    *Wem das nicht gefällt, muss das nicht machen.
    ?
    Und ist generell die genderneutrale Formulierung
    Wem das nicht gefällt, der oder die muss das nicht machen.
    bzw.
    Wem das nicht gefällt, der/die muss das nicht machen.
    nicht sehr holprig, da das Fragepronomen “Wem” (=dem) ja quasi ‘maskulin’ daherkommt und nicht einfach in “Wer” (=der) umgewandelt werden kann? (Ganz provokativ gefragt…)

  2. Nein, diese Einschränkung gibt es so nicht. Möglich (aber nicht gleichermaßen üblich) sind auch Sätze wie diese:

    Wen das stört, soll zu Hause bleiben.
    Wem das nicht gefällt, muss das nicht machen.
    Wessen ihr bedürft, können wir liefern.

    Solche Sätze sind dann nicht möglich, wenn das hinzuzudenkende Wort im übergeordneten Satz einen spezielleren Kasus hat als des Relativpronomen im Hauptsatz.

    Die Reihenfolge ist wie folgt:

    Nominativ – Akkusativ – Dativ – Genitiv

    Dabei ist der Nominativ am wenigsten “speziell” und der Genitiv am speziellsten.

    In den folgenden Sätzen ist der Kasus im übergeordneten Satz HS weniger speziell als oder gleich speziell wie im Relativsatz NS:

    Wer recht hat, muss gehört werden (NS:Nom + HS: Nom)
    Wen das stört, soll zu Hause bleiben (NS: Akk + HS: Nom)
    Wem es nicht gefällt, muss das nicht machen (NS: Dat + HS: Nom)

    Die folgenden Sätze sind nicht möglich. Der Kasus im übergeordneten Satz NS ist spezieller als der Kasus im Relativsatz NS:

    *Wer recht hat, müsst ihr anhören (NS: Nom + HS: Akk)
    *Wer nicht mitmacht, geben wir keine Chance (NS: Nom + HS: Dat)
    *Wen das stört, dürft ihr nicht vertrauen (NS: Akk + HS: Dat)

    Hier muss immer ergänzt werden:

    Wer recht hat, den müsst ihr anhören (NS: Nom + HS: Akk)
    Wer nicht mitmacht, dem geben wir keine Chance (NS: Nom + HS: Dat)
    Wen das stört, dem dürft ihr nicht vertrauen (NS: Akk + HS: Dat)

    Gendergerecht mit “der oder die”, “den oder die”, “dem oder der”. Es ist weniger schwerfällig, auf andere Formulierungen auszuweichen:

    Die recht haben, [die] müsst ihr anhören
    Die nicht mitmachen, denen geben wir keine Chance
    Die das stört, denen dürft ihr nicht vertrauen

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