Wie „luftig-leicht“, „schaurig-schön“ und „schwarz-rot-golden“ substantiviert werden sollten

Frage

Wenn ein aus zwei Adjektiven zusammengesetztes Adjektiv wie „luftig-leicht“ oder „schaurig-schön“ substantiviert wird, wie ist dann die korrekte Schreibweise? Zum Beispiel: „In dieser Geschichte ist viel Schaurig-schönes/Schaurigschönes/schaurig Schönes“

Antwort

Guten Tag Frau S.,

ein eindeutige Antwort muss ich Ihnen leider schuldig bleiben. Hier sollte man meiner Meinung nach einmal eine Regel ganz wörtlich nehmen, auch wenn das Resultat für manches Auge bestimmt sonderbar aussieht. Nach § 55.1 der amtlichen Rechtschreibregelung gilt die Großschreibung „für nichtsubstantivische Wörter, wenn sie am Anfang einer Zusammensetzung mit Bindestrich stehen, die als Ganzes die Eigenschaften eines Substantivs hat“. Wenn eine Adjektivverbindung wie „luftig-leicht“, „schaurig-schön“ oder das berühmte Beispiel „süß-sauer“ (neben bindestrichlosem „süßsauer“) substantiviert wird, schreibt man entsprechend das Wort am Anfang der Zusammensetzung groß. Der zweite Teil der Zusammensetzung bleibt klein (weil ich keine Regel finden kann, die hier die Großschreibung verlangt):

etwas Luftig-leichtes
viel Schaurig-schönes
nichts Süß-saures
nichts Schwarz-rot-goldenes

Häufig sieht man allerdings bei dieser Art von Zusammensetzungen, dass beide Teile großgeschrieben werden, wenn substantiviert wird. Das ist nicht unverständlich (im Gegenteil!), es widerspricht aber meiner Meinung nach den Angaben der amtlichen Rechtschreibregelung, in der leider nur Fälle wie „das Entweder-oder“ und „das In-den-Tag-hinein-Leben“ ausdrücklich erwähnt werden. Ersteres legt „etwas Schaurig-schönes“ nahe, Letzteres deutet eher auf „etwas Schaurig-Schönes“ hin. Wirklich eindeutig ist die Lage hier also nicht, und entsprechend ist hier „meiner Meinung nach“ als solches zu verstehen, wenn ich schreibe, dass „etwas Schaurig-schönes“ meiner Meinung nach die richtige Wahl ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

4 Gedanken zu „Wie „luftig-leicht“, „schaurig-schön“ und „schwarz-rot-golden“ substantiviert werden sollten“

  1. In der Tat knifflig. Einerseits könnte man eine Analogie zu In-den-Tag-hinein-Leben sehen:

    das In-den-Tag-hinein-Leben – das Leben in den Tag hinein

    nichts Süß-Saures – nichts Saures, was auch süß ist

    (Dagegen kaum ein Als-auch mit einem Sowohl; es ist nicht sinnvoll, den sowohl-Teil eines Satzes und den als auch-Teil einzeln zu betrachten, die Teile sowohl und als auch stehen zusammen für eine logische Verknüpfung und es geht ja auch nicht unbedingt um den konkreten Wortlaut, sondern um das Zutreffen mehrerer Sachen, entsprechend schreiben wir das Sowohl-als-auch. Vor der Rechtschreibreform galt hingegen Sowohl-Als-auch.)

    Andererseits haben wir es bei etwas Süßsaures mit syntaktischer statt morphologischer Konversion zu tun. Während In-den-Tag-hinein-Leben sogar als Kompositum aus dem Substantiv Leben gesehen werden kann statt als Substantivierung von in den Tag hinein leben, ist Saures kein „waschechtes“ Substantiv, sondern das Adjektiv süßsauer wird einfach ohne Bezugswort gebraucht; man könnte argumentieren, dass die Großschreibung am Wortanfang ausreicht und es hier nicht von Belang ist, dass auch sauer einzeln substantivisch gebraucht werden kann.

    In der Tat steht im Duden Perpetuum mobile. Der Bemerkung „Richtig wäre Perpetuum Mobile (das ewig Bewegliche) <…>“ von Stefan Stirnemann (der Freitag) könnte entgegnet werden, dass dem substantivischen Gebrauch bereits mit der Großschreibung von Perpetuum Rechnung getragen wird.

    Wieder andererseits: Geschrieben wird laut dem amtlichen Regelwerk der 8-Jährige statt der 8-jährige und Top Ten statt Top ten. Müsste es also auch Perpetuum Mobile und eben etwas Süß-Saures heißen? Das kann ich nicht mit Gewissheit sagen, denn bei der 8-Jährige könnte argumentiert werden, dass acht mit Ziffer geschrieben wird und die Großschreibung des Teils -Jährige der Abgrenzung vom nichtsubstantivischen Gebrauch von 8-jährige/achtjährige dient. Man könnte also das Eins-Komma-vier-fache (statt das Eins-Komma-vier-Fache) trotz der 8-Jährige schreiben. Bei Top Ten ist wiederum bereits kurios, dass nicht top ten geschrieben wird, zumal es die besten zehn heißt (zehn in Kleinschreibung gemäß § 58 (6)). Die Großschreibung könnte damit begründet werden, dass man nicht nur zu den Top Ten gehören sagen kann, sondern auch in den Top Ten landen; im letzteren Fall bedeutet Top Ten nicht wörtlich ‘beste zehn’, sondern steht für eine Liste.

    Zur Abgrenzung vom nichtsubstantivischen Gebrauch wäre auch der Napoleon-Freundliche statt der Napoleon-freundliche angebracht. Es erscheint mir aber doch unschön, einerseits der Napoleon-Freundliche und andererseits der Nicht-abhängige (da nicht im Gegensatz zu Napoleon selbständig kleingeschrieben wird) zu schreiben.

    Hinzu kommt allerdings, dass süßsauer als Kopulativkompositum aufgefasst werden kann (das Wort kommt denn auch mit Hauptbetonung auf der zweiten Silbe vor). Selbst unter der Annahme, dass es Nicht-Abhängige heißt, könnte also für Süß-saures und Schwarz-rot-goldenes argumentiert werden – die Adjektive schwarz, rot und golden sind gleichrangig, von dem her wäre Schwarz-rot-Goldenes (rot klein, aber Goldenes als letztes Glied groß) recht seltsam. Fasst man süßsauer dagegen als Determinativkompositum auf, ist der Gebrauch des Bindestrichs nicht so sinnvoll.

    Hm.

  2. Heute bin ich jedoch darauf gestoßen, dass der Duden (wie schon vor der Reform) das Schaurig-Schöne schreibt. Das passt für mich nicht zu Perpetuum mobile (statt Perpetuum Mobile).

  3. Hier zeigt sich wieder einmal, dass man bei “Randfällen” wie diesen aufgrund derselben Regeln zu unterschiedlichen Interpretationen kommen kann. Es gilt dann, den Rotstift nicht oder mit sehr viel Nachsicht zu hantieren.

Kommentare sind geschlossen.