Frage
Letztens sprach ich mit meinem Onkel, der mir anbot am späten Nachmittag bei ihm vorbeizukommen. Ich wollte aber lieber im späten Nachmittag bei ihm reinschauen. Können Sie mir sagen, wann ich bei ihm reinschauen soll?
Antwort
Guten Tag Frau H.,
im Standarddeutschen (und soweit die Coronaregeln es zurzeit zulassen) besucht man den Onkel am späten Nachmittag. Ich kenne die Wendung „im Nachmittag“ oder „im späten Nachmittag“ nicht. Es könnte sein, dass es sich hier um eine regionale oder mundartliche Wendung handelt. Ebenfalls möglich sind Einflüsse aus einer anderen Sprache, die Sie kennen (zum Beispiel engl. in the afternoon, nld. in de (na)middag, frz. dans l’après-midi, sp. en la tarde, ital. nel pomeriggio). Im Deutschen werden solche Tageszeitangaben, nach denen mit „wann“ gefragt werden kann, mit „am“ gebildet:
Es geschah am frühen Morgen.
Sie werden am Vormittag in Frankfurt landen.
Ich besuche meinen Onkel am späten Nachmittag.
Du kannst auch noch am Abend anrufen.
Natürlich geht es nicht ohne Ausnahme. Wenn die Tageszeitangabe weiblich ist, verwendet man doch „in“:
in der Frühe
in der Nacht
Anders sieht es aus, wenn die Tageszeitangabe im Akkusativ steht, weil sie im weitesten Sinne das „Ziel“ ist. Dann kommt auch bei männlichen Tageszeitangaben „in“ zum Zuge:
Sie haben weit in den Morgen hinein geschlafen.
Die Sitzung dauerte bis in den späten Nachmittag (hinein).
Er schwang sich auf sein Ross und ritt in den Abend hinaus.
So viel zu dem, was üblich ist. Ob Sie nun standardsprachlich „am Nachmittag“ oder unüblich „im Nachmittag“ bei Ihrem Onkel vorbeischauen, ist für einen angenehmen Besuch nicht so wichtig (vorausgesetzt, dass Sie sich nicht darüber streiten, ob es „am“ oder „im“ heißen muss …).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp