Frage
Wir sagen „am nächsten Tag“, aber „in der nächsten Woche“. Weshalb?
Antwort
Guten Tag Herr M.,
Sie haben recht. Es heißt:
in der kommenden Woche
in der letzten Stunde
in der nächsten Minute
in der folgenden Nacht
Und mit „an“ stehen diese Formulierungen:
am nächsten Tag
am kommenden Morgen
am nächsten Vormittag/Mittag/Nachmittag
am folgenden Abend
am letzten Dienstag
Man könnte nun „auf die Schnelle“ schließen, dass bei Zeitangaben mit männlichen Substantiven „an“ steht und bei weiblichen Substantiven „in“. Es stimmt zwar, dass „an“ nicht bei Zeitangaben mit weiblichen Substantiven steht, aber sonst scheitert diese „Regel“ bereits an der folgenden Formulierung:
im nächsten Monat
im kommenden Dezember
Und diese sächlichen Zeitangaben stehen ebenfalls mit „in“:
im letzten Jahr
im vergangenen Jahrzehnt
im nächsten Jahrhundert
Ich kenne keinen „logischen“ Grund, warum das so ist. Die für Regelfans wenig befriedigende Antwort lautet: Es ist im Deutschen einfach so üblich. Wer Deutsch als Muttersprache hat, macht es automatisch richtig. Wer Deutsch lernt, muss auch das lernen (wie so vieles andere!).
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Hat es vielleicht was mit der Dauer zu tun? In der heutigen, schnelllebigen Zeit geschieht zwar vieles im Sekundentakt, aber “früher” war evtl. alles bis zu einem Tag (24 h) ein so knapper/genauer Zeitpunkt, dass hier “an” verwendet wird und nicht, wie bei längeren Zeiträumen “im”?
Ist nur eine spontane Vermutung… 🙂
VG,
Christian
Die Länge des bezeichneten Zeitraums könnte eine Rolle spielen, aber gegen diese spontane Vermutung (kurz “an”, lang “in”) sprechen die folgenden Beispiele kürzerer Zeiträume:
Ich vermute, dass der Unterschied zwischen “an” und “in” daher kommt, dass sich etwas “in einem bestimmten Zeitrahmen” = in der letzten Woche, im nächsten Jahr usw. ereignen kann, oder “an einem bestimmten Zeitpunkt” = am Sonntag, am gestrigen Morgen, am 17. Dezember usw.
Dabei ist die tatsächliche Dauer wohl nicht entscheidend, sondern nur, ob etwas als ein Zeitrahmen oder ein relativer Zeitpunkt gedacht wird: am Weihnachtsfest oder in/innerhalb einer Sekunde.
Der gedachte Zeitpunkt kann auch eine abstrahierende Zusammenfassung eines längeren Zeitrahmens sein: am Montag als Zeitpunkt innerhalb der Woche, oder am Weihnachtsfest als Zeitmarke im Jahreslauf.
Einen Monat, ein Jahr oder eine Woche kann man sich vermutlich schlecht als Zeitmarke vorstellen, deshalb gibt es wohl kein “am Jahr X”. Andererseits sind Stunden, Minuten und Sekunden schon definitionsgemäß Zeiträume, da kann es dann auch kein “an Minute Y” geben. Aber es gibt dafür “um 7 Uhr”.
So fühlt es sich jedenfalls für mich als Muttersprachlerin an.
Aber eine lebende Sprache ist eben nie hundertprozentig regelbasiert. Da ist vieles Gewohnheitssache.
Sonja: Und um das noch ein bisschen komplizierter zu machen, gibt es ja auch die regionalen Unterschiede. In meiner Umgebung sagt man z.B.
Zu Mittag, am Morgen, um Mitternacht, zu Weihnachten, Ostern oder Pfingsten.
Zu Mitternacht oder an Mittag klingt für uns sehr norddeutsch. An Weihnachten kennen wir nur im Zusammenhang: Wenn ich an Weihnachten denke…, aber nicht als Zeitbestimmung.
Dass wir uns trotzdem (fast) immer gut verstehen, ist also beinahe ein kleines Weihnachtswunder. 🙂
Danke fürs Mitdenken! Es gibt gewisse Tendenzen und Regelmäßigkeiten, aber die eine “logische” Erklärung für die unterschiedlichen Präpositionen bei Zeitangaben (“wann?”) kann ich immer noch nicht entecken.
Ich wünsche AN diesem vorletzten Tag des alten Jahres, dass es allen IM neuen Jahr 2021 gutgehen möge!