Frage
Ich habe folgende Frage:
Wir haben als Ärzte die Verpflichtung zu helfen.
Das ist klar: kein Komma, weil kein erweiterter Infinitiv mit „zu“.
Wir haben als Ärzte die Verpflichtung, schnell zu helfen.
Das ist mir auch klar: ein Komma, weil erweiterter Infinitiv mit „zu“.
Jetzt die Frage:
Wir haben als Ärzte die Verpflichtung, zu helfen und zu heilen.
Steht hier nach „Verpflichtung“ ein Komma, wie ich es in der Zeitung gelesen habe?
Antwort
Guten Tag Frau S.,
Ihre Erklärung zu den ersten beiden Sätzen ist nicht ganz zutreffend. Nach der geltenden Rechtschreibregelungen kann eine Infinitivgruppe mit „zu“ immer durch Kommas abgetrennt werden, auch wenn sie nur aus „zu“ und einem reinen Infinitiv besteht. Es ist also immer richtig, Kommas zu setzen. Die Frage ist vielmehr, wo man das Komma weglassen darf.
In diesem Fall ist die Infinitivgruppe von „Verpflichtung“ abhängig. Wenn eine Infinitivgruppe von einem Substantiv abhängig ist, gilt nach § 75.2 der amtlichen Rechtschreibregelung, dass Kommas gesetzt werden:
der Plan, abzureisen
der Plan, heimlich abzureisenWir haben die Verpflichtung, zu helfen.
Wir haben die Verpflichtung, schnell zu helfen.
Wir haben die Verpflichtung, zu helfen und zu heilen.
Nach § 75 E1 können die Kommas hier weggelassen werden, wenn ein bloßer Infinitiv vorliegt und keine Missverständnisse entstehen können. Also auch:
der Plan abzureisen
Wir haben die Verpflichtung zu helfen.
Nun zum Fall, um den es Ihnen eigentlich geht: Man könnte sagen, dass zweimal ein bloßer Infinitiv vorliegt und dass deshalb das Komma auch entfallen kann. Ich interpretiere die Regel aber anders. Wir haben es nicht mit einem bloßen Infinitiv zu tun, sondern mit zwei bloßen Infinitiven und der Konjunktion „und“. Deshalb würde ich das Komma nicht weglassen. Also nur mit Komma:
Wir haben die Verpflichtung, zu helfen und zu heilen.
Sie hat die Fähigkeit, zuzuhören und zu schweigen.
Viele spüren heute die Sehnsucht, zu berühren und zu umarmen.
Und selbst wenn man diese Interpretation nicht teilt, ist gemäß den Rechtschreibregeln das Komma hier jedenfalls nicht falsch.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Zählt eine Passivkonstruktion als bloßer Infinitiv, z. B. „Gefahr[,] missverstanden zu werden“?
Bei der Kommasetzung gilt allgemein der einfache Infinitiv, also der Infinitiv Präsens Aktiv, als „bloßer Infinitiv“:
Aber:
Vielen Dank!