Nebensätze sind nicht immer weglassbar

Immer wieder werden Fragen gestellt, die von der Annahme ausgehen, dass nur in Kommas gesetzt werden muss, kann oder darf, was weggelassen werden kann. Das ist nicht so, auch nicht bei Nebensätzen. Nebensätze können nämlich ganz verschiedene Funktionen haben und bei Weitem nicht immer weggelassen werden.

Frage

Welche Sätze in Kommas kann man weglassen? Wenn man sie weglässt, muss sich doch wohl ein sinnvoller Satz ergeben. Beispiel:

Es konnte ein Zusammenhang zwischen Eltern, die sich in der Pandemie allein mit ihren Kindern befanden, und dem wahrgenommenen Stress aufgezeigt werden.
Es konnte ein Zusammenhang zwischen Eltern und dem wahrgenommenen Stress aufgezeigt werden.

Hier geht es nicht. Aber gibt es Situationen, wo es geht?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

wenn man einen Nebensatz weglässt, muss nicht unbedingt ein vollständiger oder sinnvoller Satz übrig bleiben. Ein Nebensatz kann nämlich im übergeordneten Satz verschiedene Funktionen haben, die zum Teil obligatorisch sind. Hier ein paar Beispiele, in denen ohne Nebensatz weder grammatisch noch inhaltlich ein vollständiger Satz vorhanden ist:

– Nebensatz = Subjekt

Dass du mir zustimmst, erstaunt mich.
Erstaunt mich = kein vollständiger Satz

– Nebensatz = Objekt

Er sagt, dass du recht hast.
Er sagt = kein vollständiger Satz

– Nebensatz = obligatorische Adverbialbestimmung

Wir wohnen jetzt, wo wir schon immer wohnen wollten.
Wir wohnen jetzt = kein vollständiger Satz

– Nebensatz = Prädikativ

Werde nicht, wie dein Vater war!
Werde nicht = keine vollständiger Satz

Es gibt auch Nebensätze, die im Prinzip weggelassen werden können: Attributsätze und die Adverbialsätze. Attributsätze sind Relativsätze, die ein Wort im übergeordneten Satz näher bestimmen:

Kennst du die Frau, die dort drüben steht?
Kennst du die Frau?

Ich finde den Witz, über den ihr lacht, gar nicht lustig.
Ich finde den Witz gar nicht lustig.

Rein formal ist das Weglassen von Attributsätzen immer möglich. Bei der Bedeutung sieht es allerdings anders aus: Je nachdem wie wichtig die nähere Bestimmung für das Verständnis des Ganzsatzes ist, kann ein Relativsatz mehr oder weniger gut weggelassen werden. Wenn ein Relativsatz wichtige Informationen für das Verständnis des Ganzsatzes enthält, ist er nur schlecht weglassbar, weil dann kein allzu sinnvoller Satz mehr übrig bleibt. Das gilt auch für Ihren Beispielsatz:

Es konnte ein Zusammenhang zwischen Eltern, die sich in der Pandemie allein mit ihren Kindern befanden, und dem wahrgenommenen Stress aufgezeigt werden.

Rein formal ist der Satz auch ohne den Relativsatz „die sich in der Pandemie allein mit ihren Kindern befanden“ korrekt formuliert. Ohne den Relativsatz wird aber nur gesagt, dass ein Zusammenhang zwischen Eltern und Stress festgestellt wurde. Die meisten Mütter und Väter werden bestätigen, dass das Elterndasein mit Stress verbunden sein kann, aber die Aussage ist so zu allgemein und entspricht nicht mehr dem, was eigentlich ausgesagt werden soll.

Ähnliches gilt für die Adverbialsätze (Temporalsätze, Lokalsätze, Modalsätze, Begründungssätze usw.). Auch hier gilt: Je nachdem wie wichtig die Adverbialbestimmung für das Verständnis des Ganzsatzes ist, kann ein Adverbialsatz mehr oder weniger gut weggelassen werden.

Das bedeutet auch, dass die Weglassprobe bei der Kommasetzung nicht funktioniert. Auch wenn ein Nebensatz nicht weggelassen werden kann, muss er durch Kommas abgetrennt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp