Frage
Man kann zwar zum Beispiel einem Plan oder dem Alkohol zugeneigt oder abgeneigt sein, aber doch nur der Zukunft zugewandt und nicht entsprechend der Zukunft abgewandt, wie ich es in einer Zeitung las („Konservativ und der Zukunft abgewandt. Wie die Alten die Wahl entscheiden“). Müsste es nicht heißen „von der Zukunft abgewandt“, also „Konservativ und von der Zukunft abgewandt“?
Antwort
Guten Tag Frau B.,
standardsprachlich üblich ist gemäß den Wörterbüchern:
sich jemandem/einer Sache zuwenden
sich von jemandem/einer Sache abwenden
Entsprechend heißt es auch:
der Zukunft zugewandt sein
von der Zukunft abgewandt seindem Leben zugewandt
vom Leben abgewandtdie dem Wind zugewandte Seite
die vom Wind abgewandte Seite
Aber: Formulierungen ohne „von“ kommen auch bei „abgewandt“ recht häufig vor, wahrscheinlich in Analogie zur Formulierung mit „zugewandt“. Es gibt Buchtitel wie „Und der Zukunft abgewandt“ und Lexikoneinträge, in denen „Lee“ als „die dem Wind abgewandte Seite“ definiert wird.
Auch wenn ich nur „von einer Sache abgewandt“ für empfehlenswert halte, würde ich Formulierungen ohne „von“ deshalb dennoch nicht als grundsätzlich falsch bezeichnen. Man muss dann davon ausgehen, dass sich „abgewandt“ so weit verselbstständigt hat, dass es mit einer anderen Konstruktion verwendet werden kann, als das ihm zugrunde liegende Verb. Doch wie gesagt, ich halte „von der Zukunft abgewandt“ für besser – allerdings nur die Formulierung mit „von“, nicht die Geisteshaltung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Alternativ dazu, dass “der Zukunft abgewandt” in Analogie zu “der Zukunft zugewandt” gebildet ist, scheint mir auch in Betracht zu kommen, dass es sich um eine Hyperkorrektur handelt. Mich erinnert der Ausdruck an Formulierungen wie “abhängig des Winkels” oder “in Abhängigkeit des Winkels”, die mir in letzter Zeit in technischen Texten häufiger begegnen. Ich vermute, dass die Präpositionalgruppe mit “von” für eine umgangssprachliche Ersetzung eines Genitivattributes gehalten wird und dieser vermeintliche Fehler dann “korrigiert” wird.
Wie Sie richtig bemerken, kommen häufiger „überkorrekte“ Genitive vor, wo sie nicht stehen sollten. Das könnte hier auch eine Rolle spielen. Dieser standardsprachlich nicht korrekte Genitiv findet sich allerdings vor allem bei Formulierungen, in denen das Substantiv oder die Substantivgruppe nachgestellt ist:
statt korrekt:
Das ist bei „abgewandt“ nicht der Fall, denn es bleibt nachgestellt. Außerdem kommen keine Formulierungen mit männlichen oder sächlichen Substantiven im Genitiv vor (nicht: „des Windes abgewandt“).
Vielleicht haben wir es hier mit einem „überkorrekten“ Dativ zu tun.