Frage
Beim Lesen eines älteren Buches bin ich auf folgenden Satz gestoßen:
Die Abgrenzung und Erforschung dieses Sondergebietes […] hat zu einer Entdeckung geführt, die der wissenschaftlichen Medizin äußerst unbequem war, nämlich zur Entdeckung der Seele als eines […] krankheitserregenden Faktors.
Meine Unklarheit betrifft vor allem den letzten Teil des Satzes: „zur Entdeckung der Seele als eines krankheitserregenden Faktors“. […] Mir ist nicht klar, weshalb die Wortgruppe nach „als“ im Genitiv steht. […] Gibt es dazu eine Grammatikregel?
Außerdem glaube ich, dass man in heutigem Deutsch diese Kasuskongruenz so gar nicht vorgenommen hätte. Ich wüsste gar nicht, wie man den Satz grammatikalisch korrekt in modernem Deutsch verfassen würde. Ich glaube jedoch in etwa so:
Die Abgrenzung und Erforschung dieses Sondergebietes […] hat zu einer Entdeckung geführt, die der wissenschaftlichen Medizin äußerst unbequem war, nämlich zur Entdeckung der Seele als ein […] krankheitserregender Faktor.
Zusammengefasst möchte ich also wissen:
- Warum ist die Angleichung im Genitiv und gibt es dazu Regeln/Erläuterungen?
- Wie würde man den Satz in heutigem Deutsch schreiben?
Antwort
Guten Tag Herr H.,
die als-Gruppen oder als-Attribute haben es in sich. Im Prinzip stehen sie im gleichen Fall wie ihr Bezugswort, aber zu dieser „Grundregel“ gibt es viele Ausnahmen. Das ist der Grund dafür, dass die meisten von uns bei solchen Formulierungen hin und wieder unsicher werden, insbesondere dann, wenn wir anfangen, genauer darüber nachzudenken. Für Ihren Fall gilt Folgendes:
Eine als-Gruppe, die sich auf ein Genitivattribut bezieht, steht nach der genannten Grundregel ebenfalls im Genitiv, wenn sie ein Artikelwort enthält. Hier bezieht sich die als-Gruppe auf das Genitivattribut „der Seele“ und enthält einen unbestimmten Artikel. Man kann also wie folgt formulieren:
… zur Entdeckung der Seele als eines krankheitserregenden Faktors
Und nun zur Ausnahme: Wenn sich die als-Gruppe auch auf das Wort beziehen kann, das dem Genitivattribut übergeordnet ist (hier „Entdeckung“), kann sie auch im Nominativ stehen:
… zur Entdeckung der Seele als ein krankheitserregender Faktor
Vgl.
… zu deren/ihrer Entdeckung als ein krankheitserregender Faktor
Es folgen noch zwei weitere Beispiele.
- Mit Angleichung an das Genitivattribut:
die Entlarvung des Butlers als des hinterlistigen Mörders der Gräfin
die Rolle Indiens als eines bedeutenden Handelspartners
- Mit Bezug auf das übergeordnete Substantiv:
die Entlarvung des Butlers als der hinterlistige Mörder der Gräfin
die Rolle Indiens als ein bedeutender Handelspartner
Ich vermute, dass hier im heutigen Deutsch der Nominativ häufiger vorkommt, ich verfüge aber über keine genaueren Angaben dazu. Wie dem auch sei, beide Formulierungsarten gelten als korrekt.
Weitere Angaben zu diesem Thema finden Sie auf dieser Grammatikseite.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp