Frage
Gegeben ist ein einfacher Passivsatz:
In der Firma wurde immer so viel verlangt, dass ich abends todmüde war.
Die Frage ist, was das Subjekt des Hauptsatzes ist. Zunächst dachte ich, dass es das weggelassene „es“ sein muss: „Es wurde in der Firma so viel verlangt …“. Dann fiel mir ein, dass das Verb „verlangen“ ein Akkusativobjekt („viel“) hat. Dann müsste „viel“ das Subjekt im Passivsatz sein. Leider konnte ich dazu keine Erläuterung finden, mit der ich mit Sicherheit die eine oder andere Lösung als richtig oder falsch beurteilen konnte.
Antwort
Guten Tag Frau S.,
in Ihrem Satz ist tatsächlich die Pronomengruppe „so viel“ das Subjekt. Bei einem transitiven Verb (= einem Verb mit Akkusativobjekt) wird das Akkusativobjekt im Passiv zum Subjekt (vgl. hier):
Aktiv:
Man verlangte in der Firma so viel …
(Man verlangte wen oder was?)Passiv:
So viel wurde in der Firma verlangt …
(Wer oder was wurde verlangt?)
Dass „so viel“ das Subjekt ist, sieht man auch dann gut, wenn Sie „so viel“ durch „so viele Dinge“ ersetzen. Das Verb wird dann in den Plural gesetzt, weil es in Numerus und Person mit dem Subjekt übereinstimmen muss:
In der Firma wurde immer so viel verlangt, dass ich abends todmüde war.
In der Firma wurden immer so viele Dinge verlangt, dass ich abends todmüde war.
Das Subjekt ist hier also „so viel“. Aber wenn „so viel“ das Subjekt ist, was ist dann „Es“ am Anfang der folgenden Formulierung?
Es wurde in der Firma immer so viel verlangt …
Dieses „es“ ist das sogenannte Platzhalter-es. In einem deutschen Aussagesatz muss immer ein Satzteil vor dem gebeugten Verb stehen. Das ist eine der wenigen „ehernen Gesetzte“ der deutschen Grammatik. Es ist so stark, dass man den Satz mit einem völlig bedeutungslosen „es“ beginnt, wenn sonst nichts vor der gebeugten Verbform steht. Mehr dazu finden Sie hier und hier.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Das erwähnte “eherne Gesetz” der deutschen Grammatik kennt allerdings eine Ausnahme – wenn auch eine, die wahrscheinlich nicht in den offiziellen Grammatik auftaucht und für die ich keinen Namen weiß. Ich nenne sie mal den Witz-Aussagesatz: Kommt ein Mann zum Arzt …
🙂
Ausnahmen gibt es immer, aber ob dies wirklich eine ist, darüber ließe sich diskutieren. In der Standardsprache müsste es heißen:
Wenn es noch Telegramme gäbe, könnte man diesen Witzstil auch Telegrammstil nennen. Man findet ihn auch in E-Mails, Berichten auf Twitter, Whatsapp, Signal usw. und anderen kurzen Nachrichten, wenn “Ich” am Satzanfang weggelassen wird:
Solche Sätze sind weniger Ausnahmen zur allgemeinen Regel, als vielmehr unvollständige Formulierungen.
Selbst wenn man den Witzstil als Ausnahmen ansieht, ist “das eherne Gesetz” der Verbzweitstellung so stark, dass man im Normalfall ein sonst völlig bedeutungs- und funktionleeres “Es” vor das Verb setzt, wenn dort sonst nichts steht: