Behängt und behangen, verhängt und verhangen

Frage

Die Erklärung in meinem Grammatikbuch zu „hängen“ ist meiner Meinung nach nicht  vollständig: Es müsse „hing, gehangen“ heißen, wenn KEINE Ergänzung im Akkusativ vorliege. Liege eine Ergänzung im Akkusativ vor, so müsse es „hängte, gehängt“ heißen.

Das Problem ist, dass es Satzkonstruktionen gibt, bei denen weder ein Dativ- noch ein Akkusativobjekt in Erscheinung tritt, so dass man dann anhand dieser Regelung keine Entscheidung treffen kann:

Der Himmel war wolkenverhangen.
Er hat eingehängt (Telefon).
Der Baum war mit Kugeln behängt.
…, so muss ein -n angehängt werden.

Wie kann man hier die Verwendung der jeweiligen Form begründen bzw. erklären? […]

Antwort

Guten Tag Herr G.,

die Erklärung aus dem Grammatikbuch ist so, wie Sie sie zitieren, vielleicht etwas zu einfach formuliert. Es geht hier nicht so sehr darum, ob im Satz ein Akkusativobjekt vorhanden ist, als darum, ob das Verb transitiv ist. Transitive Verben sind Verben, die ein Akkusativobjekt fordern. Wo ist dann aber der Gegensatz, den ich soeben erwähnt habe? Auf den ersten Blick macht es keinen Unterschied, ob ein Akkusativobjekt vorhanden ist oder ob das Verb transitiv ist. Ganz so einfach ist es aber nicht immer.

Die schwachen Formen hängte, gehängt stehen beim transitiven Verb hängen (resp. anhängen, aufhängen, einhängen, behängen, verhängen …), also beim hängen, das ein Akkusativobjekt fordert:

Wir hängten das Bild an die Wand.
Wir hängten ein n an. [Das Akkusativobjekt ist hier „ein n“]
Er hat den Hörer eingehängt.
Sie behängten den Baum mit Kugeln.
Sie haben die Fenster (mit Tüchern) verhängt.

Und nun kommen wir zum oben erwähnten Unterschied. Beim transitiven Verb einhängen kann das Akkusativobjekt den Hörer auch weggelassen werden. Das Akkusativobjekt ist dann nicht mehr vorhanden, einhängen ist aber immer noch ein transitives Verb:

Er hat eingehängt.

Auch wenn wir die Sätze ins Passiv umwandeln, gibt es kein Akkusativobjekt mehr, denn es wird im Passiv ja zum Subjekt:

Das Bild wurde an die Wand gehängt.
Ein n wurde angehängt.
Der Hörer wurde eingehängt.
Der Baum wurde mit Kugeln behängt.
Die Fenster wurden mit Tüchern verhängt.

Das gilt auch für das sein-Passiv (soweit es möglich/sinnvoll ist):

Der Hörer ist eingehängt.
Der Baum war mit Kugeln behängt.
Die Fenster waren mit Tüchern verhängt.

Die schwachen Formen gehören also zu den transitiven Verben hängen, aufhängen, einhängen, behängen, verhängen usw.

Und nun wird es noch etwas komplizierter: Das Partizip Perfekt von behängen und verhängen wird auch in Sätzen verwendet, die wie ein sein-Passiv aussehen, die aber nicht in ein Aktiv umgewandelt werden können. Dann verwendet man in der Regel die starken Formen behangen und verhangen:

Der Baum war mit Früchten behangen.
mit Schnee behangene Zweige
Der Himmel ist mit Wolken verhangen (o. wolkenverhangen)
Der Keller war mit Spinnweben verhangen.

Etwas ist behängt oder verhängt, wenn ein Subjekt es aktiv behängt oder verhängt hat. Etwas ist behangen oder verhangen, wenn kein aktives Subjekt es behängt oder verhängt hat. Niemand hat den Baum mit Früchten behängt. Der Himmel wurde von niemandem mit Wolken verhängt und die Spinnen haben die Netz nicht gewebt, um den Keller damit zu verhängen (sondern um Beutetiere zu fangen).

So weit die Theorie. Die Unterscheidung zwischen den starken und schwachen Partizipien von behängen und verhängen wird in der Sprachpraxis nicht immer so eingehalten. Es ist auch schwierig, so schnell genau zu unterscheiden zwischen zum Beispiel mit Fähnchen behängten und mit Äpfeln behangenen Bäumen oder mit Tüchern verhängten und mit Efeu verhangenen Fenstern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp