Es gibt viele Möglichkeiten, die Wiederholung von Wörtern durch Weglassen zu vermeiden. Diese sprachliche „Sparmethode“ ist wichtig, hilfreich und effizient, aber sie hat ihre Grenzen. So sträubt sich zum Beispiel das zu einem Infinitiv gehörende zu erfolgreich dagegen, weggelassen zu werden:
Frage
In einem Buch habe ich diesen Satz gelesen: „Ein Beispiel wäre ein Computer, der fähig ist, Probleme relativ selbständig zu bearbeiten und lösen.“ Ich verstehe nicht, warum kein „zu“ vor dem Verb „lösen“ steht […].
Antwort
Guten Tag Herr S.,
Ihr Zweifel ist berechtigt, denn der Satz ist so nicht richtig formuliert. Ein zum Infinitiv gehörendes zu kann auch bei Aufzählungen nicht weggelassen werden, das heißt, es muss immer bei jedem Infinitiv wiederholt werden:
nicht: Ich freue mich darauf dich zu sehen und sprechen.
sondern: Ich freue mich darauf, dich zu sehen und zu sprechen.nicht: Es begann zu stürmen, donnern und blitzen.
sondern: Es begann zu stürmen, zu donnern und zu blitzen.nicht: der geeignete Zeitpunkt, eine Immobilie zu kaufen oder verkaufen
sondern: der geeignete Zeitpunkt, eine Immobilie zu kaufen oder zu verkaufen
Der Satz, den Sie zitieren, lautet also richtig:
Ein Beispiel wäre ein Computer, der fähig ist, Probleme relativ selbständig zu bearbeiten und zu lösen.
So einfach kann es manchmal sein. Diese und weitere Einschränkungen beim Weglassen von gemeinsamen Wörtern in Zusammenziehungen finden Sie auf dieser Seite in der LEO-Grammatik.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Hm, schon wieder ein Fall, wo mein Sprachgefühl definitiv anders gelagert ist – und ich bin mir relativ sicher, dass z. B. »eine Immobilie zu kaufen oder verkaufen« in meinem sprachlichen Umfeld mit Abstand die häufigste Variante wäre, das zu formulieren, egal ob mündlich oder schriftlich. Gibt es da einen Unterschied je nach Dialektraum?
Auch hier widerspricht Ihr Sprachgefühl dem, was die verschiedenen Grammatiken angeben (und übrigens auch dem, was für mich üblich und richtig klingt). Vielleicht noch wichtiger ist, dass es auch dem widerspricht, was in der Sprachrealität üblich zu sein scheint. Ein schneller, mit der nötigen Vorsicht zu behandelnder Google-Blick ins Internet zeigt, dass „zu kaufen oder zu verkaufen“ viel häufiger vorkommt als „zu kaufen oder verkaufen“. Etwas beweiskräftiger als Google sind zum Beispiel die frei zugänglichen Korpora des DWDS. Dort findet man insgesamt:
Davon in Zeitungskorpora:
Auch hier zeigt sich, dass die Wiederholung des „zu“ viel üblicher ist. Ob es hierbei regionale Unterschiede gibt, weiß ich leider nicht.