Frage
Seitdem ich im Osten von Deutschland wohne (ich komme aus Hamburg), höre ich öfter für mich seltsame Konstrukte:
Ich habe hier Herrn Meier zu sitzen.
Die Unterlagen habe ich im Büro zu liegen.
Meiner Meinung nach ist das „zu“ hier falsch. Natürlich gibt es andere Sätze, wo dies korrekt wäre: „Ich habe noch viel zu tun.“
Für mich ist der Unterschied, daß sich das „tun“ auf das Subjekt bezieht, das „sitzen“ oder „liegen“ sich aber auf das Objekt bezieht. Ich konnte eine Begründung bislang aber nicht grammatikalisch einwandfrei auflösen …
Antwort
Guten Tag Herr E.,
es handelt sich bei diesem zu tatsächlich um eine regionalsprachliche Erscheinung bei einer besonderen Konstruktion.
In der Standardsprache steht der Infinitiv der Verben stehen, liegen, hängen u. a. ohne zu, wenn er von haben abhängig ist, wenn eine Ortsangabe gemacht wird und wenn ausgesagt wird, dass jemand oder etwas an diesem Ort in gewisser Weise zur Verfügung steht (vgl. hier). Zum Beispiel:
Ich habe den Wagen vor der Tür stehen.
Sie hat viel Geld auf der Bank liegen.
Ich habe noch ein schwarzes Kleid im Schrank hängen.
Was hast du denn alles in deiner Tasche stecken?
Er hat seine Mutter bei sich wohnen.
Dabei entspricht der Akkusativ hier tatsächlich dem Subjekt des Infinitivs: Wagen ist Subjekt zu stehen, Geld Subjekt zu liegen usw. Wir haben es mit einem Akkusativ mit Infinitiv (a. c. i.) zu tun wie zum Beispiel bei Ich höre ihn kommen und Wir lassen die Kinder draußen spielen.
Entsprechend sollten auch Ihre Beispielsätze standardsprachlich ohne zu stehen:
Ich habe hier Herrn Meier sitzen.
Die Unterlagen habe ich im Büro liegen.
Bei dieser Konstruktion ist in gewissen Regionalsprachen die Verwendung von zu üblich (gemäß den Angaben in der Variantengrammatik vor allem im Osten Deutschlands), sie gilt standardsprachlich aber als nicht korrekt. Es heißt also standardsprachlich besser nicht:
Ich habe hier Herrn Meier zu sitzen.
Die Unterlagen habe ich im Büro zu liegen.
Wer sich in diesen Regionen der örtlichen Umgangssprache statt der Standardsprache bedient, macht hier aber auch mit zu nicht wirklich etwas falsch.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp