Obligatorische Verbergänzung: Kann man etwas aufzwingen, ohne anzugeben, wem man es aufzwingt?

Frage

Meistens wird das Verb „aufzwingen“ mit einem Dativobjekt verwendet. Ist es grammatisch korrekt, dieses auch ohne ein solches Dativobjekt zu verwenden? Ein entsprechender Beispielsatz wäre: „Das Gesetz ist aufgezwungen“, oder: „Ich zwinge das Gesetz auf.“

Können Sie mir noch sagen, wie oder wo ich das selbst herausfinden kann, ohne Sie zu fragen?

Antwort

Guten Tag Frau B.,

das auf in aufzwingen gibt an, dass auf jemanden eingewirkt wird, um etwas zu erreichen (wie zum Beispiel auch in auferlegen oder aufschwatzen). Die Person oder die Personen, auf die eingewirkt wird, setzt man in den Dativ. Es ist deshalb nicht gut möglich, aufzwingen ohne Dativobjekt zu verwenden. Das Verb aufzwingen zwingt uns sozusagen ein Dativobjekt auf:

Ich zwinge dem Volk / dem Parlament/ ihnen das Gesetz auf.

Wenn nicht genannt wird, wem etwas auferlegt wird, ist es besser zum Beispiel erzwingen, durchsetzen oder etwas Ähnliches zu verwenden:

Ich erzwinge das Gesetz.
Ich führe das Gesetz mit Zwang ein.

Nur beim Partizip II wird das Dativobjekt häufiger weggelassen, wenn es als Adjektiv verwendet wird. In der Regel geht dann aus dem Kontext hervor, wem etwas aufgezwungen wird:

In seinem aufgezwungenen Exil schreibt der Autor …
(= dem Autor aufgezwungen)
mit freiwilligen oder aufgezwungenen Veränderungen fertig werden
(= jemandem / einem aufgezwungen)
Die Bevölkerung wehrt sich gegen das von der Regierung aufgezwungene Gesetz
(= der Bevölkerung aufgezwungen)

Ausführliche Angaben dazu, mit welchen Objekten und anderen Ergänzungen ein Verb stehen muss oder kann, sind schwierig zu finden. Ich behelfe mich normalerweise mit Quellen wie um Beispiel DWDS, Pons, Duden, LEO und anderen. Keines der Wörterbücher listet alle Möglichkeiten auf, aber zusammen ergeben sie ein besseres Bild. Eine umfassende Darstellung aller Möglichkeiten erhält man aber auch so kaum.

Es gibt auch sogenannte Valenzwörterbücher. Sie beschreiben, grob gesagt, mit welchen Ergänzungen Verben im Satz stehen können bzw. müssen. So ist zum Beispiel online das E-Valbu (Elektronisches Valenzwörterbuch deutscher Verben1) des IDS Mannheim verfügbar. Es ist wissenschaftlich gut fundiert, hat aber für durchschnittliche Sprachinteressierte zwei Nachteile: Viele Verben wie zum Beispiel aufzwingen sind nicht darin zu finden. Bei den Verben, die beschrieben sind, ist es schwierig, sich in den umfangreichen Informationen und zahlreichen Abkürzungen zurechtzufinden (siehe zum Beispiel den Eintrag zwingen). Das kann man allerdings weniger den Wörterbuchmacherinnen und -machern ankreiden als vielmehr der Komplexität der deutschen Verbstrukturen: So vieles ist möglich, dass es äußerst schwierig ist, alles ausführlich und übersichtlich zu beschreiben. Für stark linguistisch Interessierte ist es aber ein gutes Nachschlagwerk.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 E-Valbu basiert auf: Helmut Schumacher, Jacqueline Kubczak, Renate Schmidt, Vera Ruiter: VALBU – Valenzwörterbuch deutscher Verben, Gunter Narr Verlag, Tübingen, 2004