Letzte Woche ging es um den Bindestrich bei Präfigierungen mit anti-. Heute geht es gleich weiter mit dem Bindestrich bei Zusammensetzungen mit nicht. Wegen der vielen Beispiele sieht der Artikel nach mehr Leseaufwand aus, als er erfordert.
Frage
Soweit ich weiß, wird gemäß der deutschen Rechtschreibregeln bei Adjektiven bzw. adjektivisch gebrauchten Partizipien mit vorangestelltem „nicht“ entweder getrennt oder zusammengeschrieben. Die Schreibung mit Bindestrich trifft man zwar tagtäglich an, sie gilt aber meines Wissens als nicht regelkonform, also zum Beispiel:
nicht standardisiert/nichtstandardisiert (*nicht-standardisiert)
nicht infektiös/nichtinfektiös (*nicht-infektiös)
nicht immunisiert/nichtimmunisiert (*nicht-immunisiert)
usw.
Was ist im Falle von Substantivierungen zulässig oder zu empfehlen (Getrenntschreibung, Zusammenschreibung, Bindestrichschreibung)? Zum Beispiel:
die Nichtimmunisierten/nicht Immunisierten/Nicht-Immunisierten
das Nichtnormierte/nicht Normierte/Nicht-Normierte
das Nichtoffensichtliche/nicht Offensichtliche/Nicht-Offensichtliche
das Nichtthematisierte/nicht Thematisierte/Nicht-Thematisierte
Antwort
Guten Tag Herr K.,
Sie haben recht: Verbindungen von nicht mit einem Adjektiv bzw. adjektivischen Partizip kann man zusammen- oder getrennt schreiben. Die Schreibung mit Bindestrich ist gemäß der Rechtschreibregelung nicht vorgesehen. Das gilt auch dann, wenn solche Verbindungen substantiviert werden. Die folgenden Schreibweisen sind regelkonform:
nicht standardisiert / das nicht Standardisierte
nichtstandardisiert / das Nichtstandardisiertenicht infektiös / etwas nicht Infektiöses
nichtinfektiös / etwas Nichtinfektiösesnicht immunisiert / die nicht Immunisierten
nichtimmunisiert / die Nichtimmunisiertennicht nominiert / das nicht Normierte
nichtnominiert / das Nichtnormiertenicht offensichtlich / das nicht Offensichtliche
nichtoffensichtlich / das Nichtoffensichtlichenicht gewünscht / das nicht Gewünschte
nichtgewünscht / das Nichtgewünschte
Vgl.
allein erziehend / die allein Erziehenden
alleinerziehend / die Alleinerziehendenklein gedruckt / das klein Gedruckte
kleingedruckt / das Kleingedruckte
Substantivierungen dieser Art werden in der Rechtschreibung anders behandelt als Verbindungen von nicht mit einem „normalen“ Substantiv. Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv werden im Prinzip zusammengeschrieben:
die Nichtbeachtung
ein Nichtmetall
alle Nichtmütter
ein Nichteuropäer / eine Nichteuropäerin
die Nichtfachleute
der Nichttänzer / die Nichttänzerin
der Nichtmuttersprachler / die Nichtmuttersprachlerin
Anders als die substantivierten Adjektiv- und Partizipverbindungen oben können diese Substantivzusammensetzungen nicht getrennt geschrieben werden (nicht *die nicht Beachtung, nicht *die nicht Fachleute). Dafür ist hier die Schreibung mit „verdeutlichendem“ Bindestrich möglich. Sie kommt auch relativ häufig vor:
die Nicht-Beachtung
ein Nicht-Metall
alle Nicht-Mütter
ein Nicht-Europäer / eine Nicht-Europäerin
die Nicht-Fachleute
der Nicht-Tänzer / die Nicht-Tänzerin
der Nicht-Muttersprachler / die Nicht-Muttersprachlerin
Bei nicht und dem Bindestrich muss also zwischen (substantivierten) Adjektiv- und Partizipverbindungen mit nicht und Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv unterschieden werden. So viel zur Setzung und Nichtsetzung / Nicht‑Setzung des Bindestrichs. Ich hoffe, dass hier nicht zu viel nicht Nachvollziehbares / Nichtnachvollziehbares steht.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Das heißt, „das Nicht-Endliche“, „das Nicht-Gesetzte“ wären nicht regelkonform?
Auch nicht in einem Kontext, in dem betont werden soll, dass es sich um das jeweilige Gegenteil zum „Endlichen“ bzw. „Gesetzten“ handelt?
Und was ist eigentlich mit substantivierten Verben?
Das Nicht-Können / Nichtkönnen / nicht Können ? Welche Varianten sind hier möglich?
Das „Nichtbegreifenkönnen“?
Streng nach der Rechtschreibregelung sind die Schreibungen das Nicht-Endliche und das Nicht-Gesetzte nicht vorgesehen. Regelkonform ist:
Man sollte aber Rechtschreibung nicht wie mathematische Logik betreiben. Wenn Sie in einem Text das Endliche und das Gesetzte als substantivische Begriffe thematisieren, können als Gegenbegriffe auch das Nicht-Endliche und das Nicht-Gesetzte stehen. Ich würde dennoch das Nichtendliche und das Nichtgesetzte verwenden. Als Gegenbegriffe zu das Endliche und das Gesetzte sind diese Schreibungen auch ohne Bindestrich gut verständlich und einfach lesbar.
Substantivierte Infinitivgruppen, die aus zwei Elementen bestehen, schreibt man zusammen. Das gilt auch für einen Infinitiv mit nicht:
Substantivierte Infinitivgruppen, die aus mehr als zwei Elementen bestehen, schreibt man mit Bindestrichen:
Siehe auch diesen Blogartikel.
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Es ist sicherlich ein guter Hinweis, dass man von den amtlichen Regeln auch einmal leicht abweichen kann, wenn man es im konkreten Fall für sinnvoll hält.
Dennoch finde ich es, um eine informierte Entscheidung treffen zu können, interessant, was die amtlichen Regeln sagen. Daher auch noch einmal die Nachfrage:
Unter der Bedingung, dass ich im bei mir vorliegenden Fall die Getrenntschreibung einmal ausschließe (da diese m. E. hier teilweise zu leichten Bedeutungsverschiebungen führen könnte), müsste ich also (regelkonform) schreiben:
Das Nichtgroße, Nichtallgemeine, Nichtrote, Nichtdreieckige, Nichtgeistige, Nichtlebendige, Nichtwirkliche?
Wie ist es bei den Endungen -heit, -keit, -ung? Ist hier ggf. der Bindestrich „erlaubt“?
Die Nichtursprünglichkeit, Nichtwirklichkeit, Nichteinzelheit, Nichtabsolutheit, Nichtbesonnenheit, Nichtübereinstimmung?
Unklarheit besteht bei mir auch noch bei folgenden Zusammensetzungen:
Das Nicht-Andere
Das Nicht-Ansichsein
Das Nichtansichseiende
Zu guter Letzt:
Weshalb wird beim „Keine-Lust-haben“ das „haben“ klein geschrieben?
Gilt dies dann auch für „Nicht-getan-haben“ und „Nicht-gemocht-haben“?
Und wie ist es bei Formen von “sein” am Ende der Zusammensetzung? (Das „Nicht-gesehen-[W/w]erden“, „Nicht-zusammen-[S/s]ein“.)
Zuerst muss ich Sie um Enschuldigung für einen (hier ziemlich peinlichen) Flüchtigkeitsfehler bitten. Richtig ist:
Entsprechend auch:
Eine Reaktion zum Rest Ihrer Fragen folgt.
Eine Entschuldigung ist gar nicht nötig.
Ich bin froh, dass es sich lediglich um ein Missverständnis handelt und nicht etwa um ein mir bisher unbekanntes Regeldetail, das die Sache komplizierter machen würde …
Dann also noch zu den anderen Fragen:
Wenn man die Getrenntschreibung ausschließt, muss es tatsächlich sein:
Wörter auf -heit, -keit und -ung sind Substantive und werden zusammen- oder, wenn man etwas verdeutlichen will, mit Bindestrich geschrieben:
ABER: Wenn Sie mit zum Beispiel die Nichtursprünglichkeit eher das Nicht-usprünglich-Sein als die Verneinung von Ursprünglichkeit meinen, schreiben Sie am besten zusammen. Hier kann es also sein, dass der “verdeutlichende” Bindestrich eher für Undeutlichkeit sorgt.
Da das Indefinitpronomen und unbestimmte Zahlwort andere irgendwo zwischen den Adjektiven und den Substantiven steht (es hat Merkmale beider Worklassen) würde ich alle Schreibweisen für vertretbar halten:
Bei den letzen Beispielen gehe ich davon aus, dass Sie die Verbgruppe an sich sein meinen. Dann muss es lauten:
Zum Unterschied zwischen substantivierten Infinitvgruppen und substantivierten Partizpgruppen siehe einen Artikel mit dem Titel »Das Sich-sehr-Wundern und die sich sehr Wundernden«.