Der Nominativ in „als strategischer Fehler bezeichnet werden“

Frage

Welche der beiden Varianten ist richtig und warum?

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischer Fehler bezeichnet werden.
Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischen Fehler bezeichnet werden.

Der erste Satz klingt für mich richtig. Wenn ich den Satz umformuliere, tauchen jedoch Zweifel auf:

Ich muss ihre Kandidatur als strategischen Fehler bezeichnen.

Antwort

Guten Tag Herr J.,

richtig ist hier, was für Sie richtig klingt:

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischer Fehler bezeichnet werden.

Warum steht hier der Nominativ und nicht wie in Ihrem dritten Beispielsatz der Akkusativ? – Das liegt daran, dass als nicht mit einem festen Fall steht. Die als-Gruppe steht im gleichen Fall wie das Wort, auf das sie sich bezieht. Hier steht Kandidatur (der Kern der Wortgruppe ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium) im Nominativ. Die als-Gruppe bezieht sich auf das Subjekt des Satzes:

Wer oder was muss als strategischer Fehler bezeichnet werden?

Wenn man den Satz vom Passiv ins Aktiv umsetzt, lautet er so:

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss man als strategischen Fehler bezeichnen.

Die als-Gruppe steht dann wie „Kandidatur“ im Akkusativ. Sie bezieht sich auf das Akkusativobjekt:

Wen oder was muss man als strategischen Fehler bezeichnen?

Dies gilt auch für Verben wie (an)sehen als, auszeichnen als, empfehlen als, darstellen als, empfinden als, hinstellen als, legitimieren als, präsentieren als, preisen als, rühmen als, werten als. Zum Beispiel:

Man sieht ihn als ehrlichen Mann an.
Er wird als ehrlicher Mann angesehen.

Man empfindet das als großen Einbruch in die Privatsphäre.
Das wird als großer Einbruch in die Privatsphäre empfunden.

Man bezeichnet das Buch als ihren größten Erfolg.
Das Buch wird als ihr größter Erfolg bezeichnet.

Diese Verben haben noch eine Gemeinsamkeit: Wenn sie reflexiv verwendet werden, steht die als-Gruppe heute meistens im Nominativ. Sie bezieht sich auf das Subjekt und nicht auf das Reflexivpronomen:

Er sieht sich als ehrlicher Mensch an.
Napoleon empfand sich als der wiedergekehrte Karl der Große.
Der Betrieb bezeichnet sich als deutscher Marktführer.

Wie „meistens“ oben angibt, ist der Akkusativ selten, aber nicht falsch. Wer sich als eherlichen Menschen ansieht und nicht als ehrlicher Mensch, macht also zumindest sprachlich gesehen keinen Fehler. (Die Beispiele stehen übrigens alle im männlichen Singular, weil die Formen des Nominativs und des Akkusativs sich im weiblichen und sächlichen Singular und im Plural nicht voneinander unterscheiden. Dann stellt sich die Frage der Übereinstimmung nur theoretisch.)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

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