Ein Dauerbrenner unter den Sprachfragen: Viele kennen die folgende Frage bestimmt, denn sie taucht regelmäßig an verschiedenen Orten auf.
Frage
Ich würde Sie gern fragen, ob „Ich bin geboren“ korrekt ist, da ich ja eigentlich geboren wurde, und ob es einen Unterschied zwischen Zeit – und Ortsangaben gibt.
Antwort
Guten Tag Frau K.,
üblich ist sowohl „ich wurde geboren“ als auch „ich bin geboren“. Rein formal geht es dabei um das Vorgangspassiv mit werden und das Zustandspassiv mit sein. Ganz so einfach und eindeutig ist die Lage aber nicht:
Strenge Sprachhüter und -hüterinnen halten die Form ich bin geboren bei allen Arten von Angaben für falsch oder umgangssprachlich. Gemäß Duden, „Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle“, ist ich bin geboren nur bei Ortsangaben möglich, jedoch nicht bei Zeitangaben und anderen Angaben. In der Sprachrealität sind aber auch in standardsprachlichen und amtlichen Texten beide Varianten für die Angabe von Geburtsort und Geburtsdatum üblich:
Wann und wo wurden/sind Sie geboren?
Ich wurde/bin in Leipzig geboren.
Sie wurde/ist am 1. 1. 2001 geboren.
Er wurde/ist 1980 in Wien geboren.
Wenn Sie ganz sicher sein wollen, dass niemand Ihnen einen „Fehler“ vorwirft, verwenden Sie wurde geboren. Sonst ist auch die Wendung ist geboren für Angaben zu Geburtsort oder Geburtsdatum möglich und gebräuchlich. Bei anderen Angaben verwendet man besser wurde. Das gilt insbesondere in Biografien, Nachrufen, historischen und literarischen Beschreibungen usw.:
Er wurde als Sohn einer Pianistin und eines Sängers geboren.
Sie wurde in eine reiche Familie geboren.
Hoffentlich zweifeln Sie nun etwas weniger, wenn Sie angeben wollen, wann und wo Sie geboren wurden oder geboren sind.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Dass die Variante “Ich bin geboren” im normalen Sprachgebrauch gängig ist, sieht man vielleicht auch am Erfolg des Schlagers “Geboren um dich zu lieben” des Österreichers Nik P. ( = Nikolaus Presnik). Wobei dieses Lied textlich sicher das schönste ist, das ich kenne.
In Nik P.s Lied kommt “ich bin geboren” tatsächlich sehr prominent vor!
Ich halte dieses zunehmende “wurde geboren” für einen Auswuchs des Trends, englische Konstruktionen wörtlich zu übersetzen. Also Sachen wie “ich bin fein”, “am Ende des Tages”, dass ein Artikel, der 1990 erschienen ist, nicht mehr “von” sondern “aus” 1990 ist und genau genommen auch “in” 1990 erschienen ist, du benennst es …. (letzteres war jetzt von mir … schließe aber nicht aus, dass es längst existiert. Und jetzt nix wie los, sonst vermisse ich den Zug ….)
Viele Ihrer Beispiele sind tatsächlich aus dem Englischen übernommene Konstruktionen. Aber nicht alles, was im Englischen gleich wie im Deutschen formuliert wird, ist ein Anglizismus. Die korrekte und übliche deutsche Entsprechung zu I was born ist ich wurde geboren. Die Frage war nicht, ob zum Beispiel Sie wurde 1988 in Jena geboren richtig ist, sondern ob Sie ist 1988 in Jena geboren ebenfalls korrekt ist. Kritisiert wird, wenn überhautp etwas, jeweils die Formulierung mit ist geboren.
Ein Anglizismus wäre vielleicht die wörtliche Übersetzung von was mit war: sie war … geboren.