Frage
In Rezepten liest man gelegentlich:
Du gibst 100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel und verrührst es mit einem Löffel.
Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt es 10 Minuten kochen.
Ich störe mich in beiden Fällen an dem „es“. Müsste es im ersten Satz statt „es“ nicht eher heißen „die Zutaten“ und im zweiten Satz „sie“ (die Mandeln) oder „die Masse“?
Antwort
Guten Tag Herr S.,
Sie haben recht. Die Formulierung mit es ist schön kurz und bündig, wie man es in Rezepten gerne sieht, aber sie ist nicht korrekt. Das Wörtchen es kann sehr viele Funktionen haben – so viele, dass es fast erstaunt, dass es nicht immer richtig ist (was natürlich eine grobe Übertreibung ist).
Hier ist es ein stellvertretendes Fürwort. Als stellvertretendes Fürwort kann es vieles sein:
- Stellvertreter für ein sächliches Substantiv im Singular als Subjekt oder Akkusativobjekt,
- Stellvertreter für ein Substantiv oder Adjektiv als Prädikativ,
- Stellvertreter für ein Substantiv als Subjekt in einem Gleichsetzungssatz,
- Stellvertreter für einen Infinitiv oder einen ganzen Satz.
(Für mehr Details und Beispiele siehe die LEO-Grammatik)
In den beiden Beispielen ist es Akkusativobjekt (Wen oder was verrührst du / lässt du kochen?). Es kann sich dann also nur auf ein sächliches Substantiv im Singular beziehen. Das ist in diesen Beispielen der Fall:
Du schlägst das Ei in eine Schüssel und verrührst es mit einer Gabel.
Du verrührst das Mus und lässt es 10 Minuten kochen.
Es kann sich nicht wie im ersten Beispielsatz auf mehrere Substantive oder wie im zweiten Satz auf ein Substantiv im Plural beziehen. Es bleibt deshalb nur, anders zu formulieren. Zum Beispiel:
Du gibst 100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel und verrührst die Zutaten mit einem Löffel.
Du gibst 100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel und verrührst alles mit einem Löffel.Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt sie 10 Minuten kochen.
Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt die Masse 10 Minuten kochen.
Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt die Mischung 10 Minuten kochen.
In der Kürze liegt die Würze, aber bei Ihren Beispielsätzen mit es ist die Kürze etwas zu würzig geraten. Wenn es wirklich kurz sein soll, ist die in der Rezeptsprache sehr übliche Formulierung mit Infinitiven zu empfehlen:
100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel geben und mit einem Löffel verrühren.
Mandeln mit dem Honig verrühren und 10 Minuten kochen lassen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Alternativ ginge auch »das« statt »es«; ein bissl umgangssprachlich vielleicht, aber zumindest nicht (so) falsch (wie »es«).
Vielleicht ist dieses „es“ so häufig, weil die Rezeptschreiber den an solchen Stellen sehr häufigen Ausdruck „das Ganze“ im Kopf haben. Nur so auf die Schnelle recherchiert:
… und verrührst das Ganze zu einem Teig.
… Das Ganze sollte nun unter Rühren etwa 8 Minuten kochen.
… gibst du die Tomaten hinzu und verrührst das Ganze.
… und lasse das Ganze mindestens 1 Stunde ziehen.
… Am besten schmeckst Du das ganze immer mal wieder ab.
Sehe es wie Christian und empfinde das „es“ in den Beispielsätzen daher auch nicht falsch.
Das ist für mein Sprachgefühl vmtl. auch der Grund, warum es mit »das« gut (oder zumindest) besser geht – weil ich dann auch die elliptische Lesart »das [Ganze/Zeug/alles]« habe.
Man kann alles und das Ganze einerseits und es und das andererseits nicht immer gleich verweden:
Mit alles und das Ganze kann man sich zusammenfassend auf mehrere Substantive beziehen. Das geht auch dann, wenn alles oder das Ganze Subjekt oder Objekt sind.
Das Personalpromonem es und das Demonstrativpronomen das hingegen können als Subjekt oder Objekt – zumindest in der Standardsprache – nicht zusammenfassend verwendet werden. Sie können sich mit dieser Funktion nur auf ein sächliches Substantiv im Singular beziehen (oder eine Infinitivkonstruktion oder einen Nebensatz).
Andere Verwendungen sind eigentlich nicht korrekt oder – da sie offenbar v.a. in Rezepten häufiger vorzukommen scheinen – als umgangssprachlich zu bezeichnen.