Frage
Im Zusammenhang mit Toponymen gibt es jeweils Suffixe zur Bildung der Einwohnerbezeichnung und Herkunftsbezeichnung. Für England zum Beispiel haben wir so den Engländer, die Engländerin und die englische Woche. Aber für die Schweiz unterscheide ich die schweizerischen Eisenbahnen, die Schweizerischen Bundesbahnen und den Schweizer (indeklinables Adjektiv) Käse.
Das Suffix -er gibt es anscheinend immer für Bundesländer und Städte, so wie in der Thüringer Rostbratwurst und dem Hamburger Rathaus, nicht aber für alle Länder und Staaten, denn z. B. das Adjektiv „Engländer“ kenne ich nicht. […]
Kennen Sie eine Regel, für welche Toponyme es die zugehörigen Adjektive mit der Endung -er gibt?
Antwort
Guten Tag Herr H.,
viele Einwohnerbezeichnungen auf -er können tatsächlich auch als unveränderliche Adjektive verwendet werden. Bei Städten, Regionen, Bundesländern und Kantonen scheint dies fast überall der Fall zu sein. Wenn es eine Einwohnerbezeichnung auf -er gibt, kann dieselbe Form auch als ungebeugtes Adjektiv verwendet werden:
Berliner Pfannkuchen, Dresd[e]ner Tourismus, Frankfurter Banken, Grazer Bürgermeisterin, Salzburger Verkehrsbund, Thuner Altstadt, Zür[i]cher Bevölkerung; Florentiner Innenstadt, Osloer Verträge, New-Yorker Wolkenkratzer, Pariser Metro, Seouler Garten
Bayerische Weißwurst, Baden-Württemberger Wein, Thüringer Bratwurst, Mecklenburger Sauerfleisch, Tiroler Speck, Vorarlberger Bergkäse, Aargauer Karottenkuchen (Rüeblitorte), Tessiner Luganighe
Nicht alle Einwohnerbezeichnungen sind gleichermaßen auch als Adjektiv gebräuchlich und manche wie Pommer oder Sizilianer kommen nicht oder kaum adjektivisch vor. Im großen Ganzen handelt es sich aber beim oben Gesagten um eine sehr starke Tendenz.
Wie Sie richtig bemerken, sieht die Lage bei Ländern bzw. Staaten anders aus. Während
Schweizer, Liechtensteiner, Luxemburger, Moldauer, Hongkonger, Kameruner, Singapurer
als Adjektive sehr oder relativ gebräuchlich sind, kommen die folgenden Adjektive mehr oder weniger selten vor:
Litauer, Malteser, Norweger, Ukrainer
Nicht als Adjektiv verwendet werden üblicherweise:
Albaner, Andorraner, Belgier, Bosnier (aber: Herzegowiner Bevölkerung), Engländer, Isländer, Italiener, Montenegriner, Niederländer, Österreicher, Spanier;
Ägypter, Amerikaner, Argentinier, Äthiopier, Australier, Brasilianer, Equadorianer, Georgier, Indier, Iraker, Kanadier, Koreaner, Indonesier, Japaner, Mexikaner, Sudaner, Surinamer …
Die Einteilung in drei Gruppen ist mehr oder weniger willkürlich und die Grenzen dazwischen sind fließend.
Der langen Rede kurzer Sinn: Ich kann keine festen Regeln finden oder herleiten, die beschreiben, bei welchen Ländern die Einwohnerbezeichnung auf -er auch als nicht beugbares Adjektiv verwendet wird. Warum Formulierungen wie die Schweizer Berge üblich, die Norweger Fjorde selten und die Ägypter Pyramiden unüblich sind, vermag ich also leider nicht zu erklären.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Frage zur Getrennt- und Zusammenschreibung bei dem Wort „Schweizer“:
Warum schreibt man „Schweizergarde“ zusammen und hingegen „Schweizer Soldaten“ getrennt?
Welche Wortart ist „Schweizer“ in „Schweizergarde“ und welche in „Schweizer Soldaten“?
So wie ich es aus der o. g. Erklärung verstanden habe, ist „Schweizer“.in „Schweizer Soldaten“ ein (ungebeugtes) Adjektiv. Die Getrenntschreibung erfolgt insofern, als „Schweizer“ wie ein übliches Adjektiv vor einem Nomen steht (attributiver Gebrauch) wie im Falle von „rot“ in „ein rotes Haus“.
Und wie kann ich mir die Zusammenschreibung in „Schweizergarde“ erklären?
Verbindungen mit einem geografischen Adjektiv auf -er und einem Substantiv werden getrennt geschrieben. Verbindungen von einer Einwohnerbezeichnung auf -er und einem Substantiv hingegen werden zusammengeschrieben:
Schweizer Soldaten sind Soldaten aus der Schweiz, das heißt schweizerische Soldaten. Schweizer ist hier ein ungebeugtes Adjektiv. Die vatikanische Schweizegarde ist eine Garde, die aus Schweizern besteht. In dieser Verbindung ist Schweizer ein Substantiv.
Den Unterschied kann man übrigens auch bei der Betonung erkennen:
Sieh auch hier.
Zur Schweizergarde doch noch eine Bemerkung:
Ich war als Schüler einige Jahre in Rom (Deutsche Schule Rom) und da waren Schulausflüge in den Vatikan natürlich ebenso vorgesehen wie Diktate, Aufsätze oder Hausaufgaben darüber. Und die italienischsprachigen Mitschüler übersetzten “La Guardia Svizzera Pontificia” klarerweise mit “Päpstliche Schweizer Garde” – – – … was dann aber von der großzügigen Lehrerschaft nicht als Fehler rot angestrichen wurde 🙂
Wenn man „la Guardia Svizzera Pontificia“ wörtlich übersetzt, ist es tatsächlich „die Päpstliche Schweizer Garde“. Ich hätte in Rom also auch nicht gleich den Rotstift gezückt.
Die italienische Bezeichnung entspricht dem lateinischen Namen „Pontificia Cohors Helvetica“. Daneben gibt es aber auch die lateinische Bezeichnung „Cohors Pedestris Helvetiorum“, was man mehr oder weniger wörtlich mit „zu Fuß dienende (pedestris) Leibwache (cohors) der Schweizer (helvetiorum)“ übersetzen kann. Das entspricht dann wieder dem im Deutschen üblichen „die Schweizergarde“.
Die Zusammenschreibung erklärt sich am einfachsten durch die Betonung:
aber
Warum man so betont? – Weil das Deutsche sich offenbar an „Cohors Helvetiorum“ und nicht nicht an „Cohors helvetica“ orientiert (hat).
Bevor es nun zu rechthaberisch wird, sei gesagt, dass man natürlich nicht erwarten darf, dass alle wissen, wie man das Wort „Schweizergarde“ betont (und schreibt).
Jetzt muss ich noch einmal darauf zurückkommen. Die Mitglieder der Schweizergarde müssen nicht nur zwingend Schweizer sein, sondern sich auch mit ihrem Heimatland identifizieren. Hier der entsprechende Auszug aus den Aufnahmevoraussetzungen:
“Das schweizerische Bürgerrecht ist eine Grundvoraussetzung – eine über 500-jährige Tradition, die mit einer grossen Ehre für die Schweiz verbunden ist. Die Kandidaten sollen sich mit den Eigenschaften eines Schweizers in das Korps integrieren. Es ist unabdingbar, dass ein künftiger Schweizergardist sich mit seinem Heimatland identifiziert, mit der Kultur vertraut ist und die schweizerischen Werte und Tugenden aktiv lebt.”