Frage
Meine Frage bezieht sich auf die Verwendung von „es“ in Vergleichssätzen mit „als“ oder „wie“. Ich finde Beispiele sowohl mit „es“ als auch ohne „es“. Beispiele:
Der Film ist besser, als ich erwartet habe.
Der Film ist besser, als ich es erwartet habe.Der Film ist genauso gut, wie ich vermutet habe.
Der Film ist genauso gut, wie ich es vermutet habe.
Die Verben „erwarten“ und „vermuten“ sind hier nur als Beispiele zu verstehen, dasselbe gilt für „denken“, „annehmen“ usw. Ich verstehe das ehrlich gesagt überhaupt nicht. Welche Regel steckt hier dahinter?
Antwort
Guten Tag Herr L.,
hier bin ich eigentlich ein bisschen überfragt. Was folgt, ist deshalb als vorsichtiger Versuch einer Erklärung zu verstehen.
Viele Vergleichssätzen mit als oder wie können tatsächlich ein es enthalten, das allerdings häufig nicht steht:
Der Film ist besser, als ich [es] erwartet habe.
Der Film ist genauso gut, wie ich [es]vermutet habe.
Die Sache ist komplizierter, als du [es] denkst.
Es hat sich genau so zugetragen, wie ich [es] vermutet habe.Die Aufgabe ist schwieriger, als [es] ihm lieb ist.
Es sich anders zugetragen, als [es] (von ihr) behauptet/gesagt/geschrieben/geschildert/… wird.
Dieses es hat die Funktion eines formalen Akkusativobjekts oder Subjekts:
Wen oder was habe ich erwartet? – es
Wer oder was ist ihm lieb? – es
Ohne dieses es fehlt dem Vergleichssatz also eigentlich ein Akkusativobjekt oder ein Subjekt:
Der Film war besser, als ich erwartet hatte.
Die Aufgabe ist schwieriger, als ihm lieb ist.
Das Verb erwarten verlangt nämlich obligatorisch ein Akkusativobjekt und die Wendung jemandem lieb sein hat normalerweise ein Subjekt. Die beiden Vergleichssätze oben sind also unvollständig. Sie haben kein Akkusativobjekt bzw. kein Subjekt.
Die „Regel“, die Sie suchen, scheint zu lauten: In Vergleichssätzen, in denen das Akkusativobjekt oder das Subjekt nicht genannt wird, kann fakultativ ein formales es eingefügt werden, das diese Rolle übernimmt.
Der Film war besser, als ich es erwartet hatte.
Die Aufgabe ist schwieriger, als es ihm lieb ist.
Ein ähnlicher Fall wird hier beschrieben.
Zusammenfassend: Vergleichssätze sind insofern unvollständig, als ihnen der Satzteil fehlt, um den es beim Vergleich geht. Wenn der fehlende Satzteil das Akkusativobjekt oder das Subjekt ist, übernimmt (mehr oder weniger selten) ein formales es diese Rolle.
Es handelt sich dabei übrigens oft um Fälle, bei denen auch eine Konstruktion mit dem Perfektpartizip möglich ist:
Der Film ist besser als erwartet.
Der Film ist genauso gut wie angenommen.
Die Sache ist komplizierter als gedacht.
Es hat sich genau so zugetragen wie vermutet.
Es hat sich anders zugetragen als (von ihr) behauptet/gesagt/geschrieben/geschildert.
Alles in allem ist es komplizierter geworden, als ich (es) gehofft hatte, oder einfach komplizierter als gehofft.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp