Frage
Ich hätte wieder einmal eine (zumindest für mich grad sehr) knifflige Frage. Der Satz lautet:
Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses wie mir interessierte.
Hier tönt „wie mir“ für mich seltsam, aber „wie ich“ irgendwie auch. Was ist richtig?
Antwort
Guten Tag Frau S.,
Die Frage ist nicht nur für Sie knifflig, sie tauch immer wieder auf. Auch ich habe keine einfache Antwort, die ich mit voller Überzeugung präsentieren kann.
In Formulierungen dieser Art kommt der Dativ wie mir zwar vor und er klingt auch gar nicht so falsch, aber er gilt hier standardsprachlich als nicht korrekt. In einer wie-Gruppe wie dieser gilt im Prinzip die Übereinstimmung im Kasus:
ein Knirps wie der kleine Schlingel
einen Knirps wie den kleinen Schlingel
einem Knirps wie dem kleinen Schlingel
eines Knirpses wie des kleinen Schlingelsein Knirps wie ich/du/er/sie
einen Knirps wie mich/dich/ihn/sie
einem Knirps wie mir/dir/ihm/ihr
Und wie steht es in der zweiten Beispielgruppe mit dem Genitiv? – Wenn die wie-Gruppe sich auf ein Genitivattribut bezieht und kein Artikelwort enthält, steht sie im Nominativ, nicht im Genitiv. Das ist u. a. bei Eigennamen und Pronomen der Fall:
das Leben eines Knirpses wie ich (nicht: wie meiner, wie mir)
das Leben eines Bengels wie du (nicht: wie deiner, wie dir)
das Leben eines Mannes wie er (nicht: wie seiner, wie ihm)
das Leben einer Frau wie sie (nicht: wie ihrer, wie ihr)das Leben eines Knirpses wie Leon (nicht: wie Leons)
das Leben einer Politikerin wie Thatcher (nicht: wie Thatchers)
Demnach muss es ist hier also heißen:
Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses wie ich interessierte.
Das klingt tatsächlich ein bisschen ungewohnt. Wenn Sie das „stört“, können Sie auf eine andere Formulierung ausweichen (das würde ich auch tun). Je nachdem was genau gemeint ist, ginge zum Beispiel:
Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses, wie ich es war, interessierte.
Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen des Knirpses, der ich war, interessierte.
Manche Fragen übersteigen auch das Sprachgefühl eines Linguisten wie ich – oder eben eines Linguisten, wie ich es bin.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp
Ich habe einen Zweifeln, was richtig ist:
Ich habe die neue Kamera extra in seinem Haus liegen gelassen. Oder: Ich habe die neue Kamera extra in seinem Haus liegen lassen.
Ich würde gerne wissen, was der Unterschied ist.
Danke im Voraus.
Jane Santa Rosa
Beide Formulierungen sind möglich, gebräuchlich und korrekt. In Verbindung mit einem anderen Infinitiv kann „lassen“ im Perfekt mit dem Partizip („gelassen“) oder mit dem sogenannten Ersatzinfinitiv („lassen“) verwendet werden:
Es gibt keinen Bedeutungsunterschied, aber die Form mit „liegen lassen“ kommt häufiger vor. Vgl.hier.
PS: Für Fragen, die nicht direkt mit einem Blogartikel zu tun haben, verwenden Sie besser das Kontaktformular oder Sie schicken sie an diese Adresse:
https://blog.leo.org/feedback/
fragen.sie.dr.bopp@leo.org
Da bin ich ausnahmsweise etwas anderer Meinung als Dr, Bopp. Es gibt nach meinem Sprachgefühl doch einen Bedeutungsunterschied.
Ich habe die Kamera (im Auto) liegen lassen.
Hier liegt ein unbeabsichtigtes liegen lassen, quasi ein Versäumnis vor.
Ich habe die Kamera (im Auto) liegen gelassen.
Hier liegt eine beabsichtigte Handlung, etwa weil ich die Brille außerhalb des Autos kaum benötige.
Oder habe ich in den letzten 60 Jahren mein Sprachgefühl in Ostwestfalen liegen lassen?
Lieber Herr Schübeler,
auch mein (tirolerisches) Sprachgefühl geht ein bisschen in die von Ihnen angeführte Richtung.
Allerdings sagt man bei uns nicht “Brille” zur “Kamera”. 😉
Ein (etwas zu kurzer) Blick in die Korpora zeigt, dass einerseits absichtlich liegen gelassen und aus Versehen liegen lassen, andererseits aber auch absichtlich liegen lassen und aus Versehen liegen gelassen vorkommt (lassen jeweils als Ersatzinfinitiv). Um genauere Angaben dazu machen zu können, ob bzw. welche Tendenzen vorliegen, war die Zeit zu kurz und die Anzahl der Beispiele zu gering. Tatsache ist aber, dass alle Formulierungen verwendet werden. Mein Sprachgefühl macht diesen Unterschied übrigens nicht.