Wörter können im Laufe der Zeit eine andere Bedeutung annehmen. Das kommt interessanterweise vor allem bei negativ beladenen Wörtern vor (Bedeutungsverbesserung ist seltener als Bedeutungsverschlechterung). Letzthin sind mir die beiden Wörter ordinär und vulgär wieder einmal aufgefallen.
Dank dem bisschen Latein, das mir noch aus frühen Schulzeiten geblieben ist, weiß ich, dass ordinär auf ordinarius zurückgeht, das die Bedeutung ordentlich, regelmäßig, gewöhnlich hatte (ein Blick ins Wörterbuch Latein zeigt, dass es sogar vorzüglich bedeuten konnte). Das Wort vulgär kommt weit zurück ebenfalls aus dem Lateinischen (vulgarius), wo es gewöhnlich, alltäglich, allgemein bedeutete. Es gehört zum Substantiv vulgo = Volksmasse, breite Masse, einfaches Volk.
Beide Wörter hatten also ursprünglich die Bedeutung gewöhnlich. Im heutigen Sprachgebrauch sind aber ordinäre Scherze oder ordinäre Personen nicht mehr gewöhnlich, sondern unfein und unanständig. Vulgäre Witze und vulgäre Menschen sind erst recht nicht gewöhnlich oder allgemein, sondern „auf abstoßende Weise derb und ordinär“.
Das gleiche Los war dem Wort gemein beschieden: Heute bedeutet es vor allem niederträchtig und unverschämt. Ursprünglich war seine Bedeutung u. a. gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein, gewöhnlich. Das kann man noch in gemeinsam, gemeinschaftlich und allgemein oder Gemeinde und Gemeinbesitz erkennen. Auch die Gemeine Stubenfliege und die Gemeine Grasnelke sind weder niederträchtig noch besonders unverschämt, sondern einfach gewöhnliche Vertreterinnen ihrer Art. (Die Stubenfliege kann allerdings häufig sehr nervig und unverschämt sein, aber sie hat ihren Namen nicht dieser Eigenschaft zu verdanken.)
Die Wörter ordinär, vulgär und gemein erhielten ihre negative Bedeutung, weil gewöhnlich oft als nicht gut genug oder nicht wertvoll genug gilt. Diese negative Nebenbedeutung wird dann im Laufe der Zeit zur Hauptbedeutung. Das passiert – wenn man genauer hinschaut – auch schon mit dem Wort gewöhnlich: Wenn von der neuen Freundin oder einem Heiratsakandidaten gesagt wird, sie bzw. er sei schon etwas gewöhnlich, ist das je nach Spitzzüngikeit der beurteilenden Person ein leicht negatives bis absolut vernichtendes Urteil. Gewöhnlich wird eben oft als nicht gut genug empfunden.