Warum es der Zeichenunterricht, aber das Zeichnenlehren ist

Frage

Ich arbeite an einem Text, in dem die Begriffe Zeichnen lehren und das Zeichnenlehren (jemandem das Zeichnen beibringen) vorkommen. Zum Beispiel:

Wie Zeichnen lehren?
Didaktik des Zeichnenlehrens.

Der Autor des Textes meint, man solle doch besser ZeichENlehren schreiben, weil es auch ZeichENunterrich, ZeichENlehrer oder ZeichENkohle heißt.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

beim ersten Zitat, gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann klein zeichnen (vgl. zu zeichnen lehren) oder groß Zeichnen (vgl. das Zeichnen lehren) schreiben:

Wie zeichnen Lehren?
Wie Zeichnen Lehren?

Sie haben sich offenbar entschieden, hier die großgeschriebene Variante zu wählen (Wie Zeichnen lehren?). Das ist richtig, allerdings für die Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage gar nicht wichtig.

Beim zweiten Untertitel handelt es sich um die Substantivierung der Infinitivgruppe zeichnen lehren oder eben Zeichnen lehren. Dann wird zusammen und mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben:

das Zeichnenlehren

Es ist hier anders als bei Zusammensetzungen wie Zeichenlehrer oder Zeichenunterricht nicht zu empfehlen, an erster Stelle Zeichen- zu verwenden. Warum nicht?

Bei einer Zusammensetzung mit einem Verb an erster Stelle wird nicht der Infinitiv, sondern „nur“ der Stamm des Verbs verwendet:

schwimm[en] + Lehrer → Schwimmlehrer
mal[en] + Unterricht → Malunterricht
press[en] + Kohle → Presskohle

Bei Verben wie zeichnen und rechnen wird dabei im Stamm ein e eingefügt, das im Laufe der Wortgeschichte weggefallen ist1. Das geschieht, weil sonst Verbindungen wie *Zeichnlehrerin oder *Rechnunterricht entstehen würden. Also:

zeichn[en] + Lehrerin → Zeichenlehrerin
rechn[en] + Unterricht → Rechenunterricht
zeichn[en] + Kohle → Zeichenkohle

Bei den substantivierten Infinitivgruppen der Art, um die es hier geht, steht der ganze Infinitiv an erster Stelle. Dann wird nichts eingefügt und nichts weggelassen:

rechnen + lernen → das Rechnenlernen
zeichnen + lehren → des Zeichnenlehrens

Sie können also guten Gewissens und mit einem Verweis auf die deutschen Wortbildungsregeln darauf bestehen, dass es des Zeichnenlehrens sein sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 mittelhochdeutsch rechenen, zeichenen; althochdeutsch: rehhanōn, zeihhanen

Nass-in-nass-Technik oder Nass-in-Nass-Technik?

Frage

Wieder mal eine Frage zur Groß-/Kleinschreibung: Die Anstriche werden nass in nass aufgebracht. 
Ich denke, dass nass beide Male richtig geschrieben ist, also klein. Stimmen Sie mir zu?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

auch ich würde hier kleinschreiben:

Die Anstriche werden nass in nass aufgebracht

Dies in Analogie zu den Beispielen schwarz auf weiß, grau in grau u. a. m. in § 58(3.1) der amtlichen Rechtschreibregelung. Diese Regel sagt, dass „bestimmte feste Verbindungen aus Präposition und nichtdekliniertem Adjektiv ohne vorangehenden Artikel“ kleingeschrieben werden.

Formal entspricht nass in nass dieser Definition. Dass es sich auch um eine feste Verbindung handelt, zeigt sich für mich nur schon hierdurch: Ich musste den mir vorher unbekannten Begriff zuerst nachschlagen, um sicher zu sein, dass ich ihn auch wirklich richtig verstehe: eine neue Farbschicht anbringen, bevor die vorherige ganz trocken ist. Ich halte es deshalb für richtig, die Wendung nass in nass kleinzuschreiben.

Mit Ölfarbe kann auch nass in nass gearbeitet werden.
Die mehrfarbigen Ausdrucke werden nass in nass gedruckt.

Hier gerate ich allerdings indirekt in Widerspruch mit einer Angabe im Duden Rechtschreibwörterbuch. Dort gibt es den Eintrag Nass-in-Nass-Druck mit dem Hinweis auf die Regel, dass Zusammensetzungen mit Aneinanderreihungen mit Bindestrichen geschrieben werden. Damit bin ich einverstanden, aber nicht mit der Großschreibung des zweiten Nass.

Wenn man schreibt, dass nass in nass gedruckt wird, muss es auch Nass-in-nass-Druck sein. Nicht-Substantive werden in Zusammensetzungen mit Bindestrich nur am Wortanfang großgeschrieben, sonst klein. So findet man im Online-Duden auch den Eintrag Grau-in-grau-Malerei, also Malerei die grau in grau ausgeführt wird. Oder umgekehrt: Wenn man Nass-in-Nass-Druck schreibt, müsste es auch groß Nass in Nass drucken sein. Letzteres widerspricht aber, wie oben gesagt, der Kleinschreibung nass in nass, die § 58(3.1) verlangt.

Bezichtige ich hiermit den Duden eines Fehlers? So weit würde ich nicht gehen. Die Schreibungen Nass-in-Nass-Technik, Nass-in-Nass-Malerei oder Nass-in-Nass-Druck kommen sehr, sehr häufig in der Fachsprache vor; so häufig, dass man sie als dort gebräuchlich und richtig anschauen muss.

Ich komme deshalb zum kompromissvollen Schluss, dass man zwar nur nass in nass arbeiten schreiben sollte, dass aber neben der „eigentlich“ richtigen Schreibung Nass-in-nass-Technik auch das fachsprachlich übliche Nass-in-Nass-Technik als korrekt angesehen werden kann.

Anhand von nass in nass kann man schwarz auf weiß sehen, dass es auch in der Rechtschreibung nicht immer ganz klar ist, sondern auch einmal eher grau in grau sein kann.

Mit freundlichen Grüßen

Stephan Bopp

Inklusive meiner, mir, mich oder ich?

Die Wörter einschließlich und inklusive rufen immer wieder die Frage auf, welcher Fall ihnen folgen soll. Deshalb nicht zum ersten (und nicht zum letzten?) Mal hier im Blog:

Frage

Ist inklusive mir korrekt oder muss es anders heißen? Muss eventuell ein anderes Objektpronomen hin wie zum Beispiel meiner?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

die Präposition inklusive verlangt standardsprachlich ebenso wie einschließlich den Genitiv, wenn er ersichtlich ist (vgl. hier und hier). Es müsste also heißen:

inklusive meiner / einschließlich meiner
Es hat viele, inklusive/einschließlich meiner, tief berührt.

Das klingt aber sehr gehoben, veraltet oder unnatürlich. Etwas weniger gehoben, aber für den alltäglichen Sprachgebrauch kaum passender sind:

inklusive/einschließlich meiner selbst
inklusive/einschließlich meiner Person
Es hat viele, inklusive/einschließlich meiner selbst, tief berührt.

Häufig wird hier der Dativ gewählt, aber das gilt im Allgemeinen als umgangssprachlich:

inklusive/einschließlich mir
Es hat viele, inklusive/einschließlich mir, tief berührt.

Das ist noch nicht alles: Seltener werden inklusive und einschließlich auch als Konjunktion verwendet. Der Fall des nachfolgenden Wortes hängt dann nicht mehr von inklusive oder einschließlich, sondern vom Verb ab:

Es hat viele, inklusive/einschließlich mich, tief berührt
Viele, inklusive/einschließlich ich, finden das problematisch.

Diese Verwendung als Konjunktion ist aber in der Standardsprache nicht vorgesehen.

Wenn es nicht gehoben sein soll und nicht umgangssprachlich sein darf, weicht man am besten auf eine andere Formulierung aus. Zum Beispiel:

Es hat viele, auch mich, tief berührt.
Viele Menschen, ich eingeschlossen, finden das problematisch.
Ich misstraue allen, auch mir (selbst).

Eine Frage stellt sich mir jedes Mal ein bisschen dringender, wenn es wieder um inklusive und einschließlich geht: Wäre es nicht an der Zeit, in Wörterbüchern und Grammatiken dem tatsächlichen Sprachgebrauch zu folgen und bei einschließlich und inklusive anzugeben, dass sie auch mit dem Dativ oder auch als Konjunktion verwendet werden können? Bis es so weit ist, würde ich aber in formelleren Zusammenhängen statt einerseits einschließlich/inklusive meiner oder andererseits einschließlich/inklusive mir auf eine Formulierung mit zum Beispiel auch ich, auch mich oder auch mir ausweichen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Auf dem oder auf den Markt einkaufen gehen?

Frage

Der Satz: „Anna geht häufig auf dem Markt einkaufen“ klingt für mich besser als „Anna geht häufig auf den Markt einkaufen“. Würden Sie hier nach der Wechselpräposition „auf“ auch den Dativ wählen?

Antwort

Guten Tag Herr M.,

die Frage lautet, in welchem Kasus Ortsbezeichnungen bei einkaufen gehen stehen. Gibt man an, wo man einkaufen geht (mit Dativ) oder wohin man einkaufen geht (mit Akkusativ)? Beides ist vertretbar:

a) gehen, um irgendwo einzukaufen:
Wo kaufe ich ein? – Ich kaufe auf dem Markt ein.

b) irgendwohin gehen, um einzukaufen
Wohin gehe ich? – Ich gehe auf den Markt.

Im ersten Fall ist die Ortsangabe von einkaufen abhängig, im zweiten Fall ist sie von gehen abhängig.

Grammatisch ist beides vertretbar, aber kommt auch beides vor? Die Antwort auf diese Frage ist ein „klares Jein“. Im Internet und im DWDS-Korpus kommt einkaufen gehen sehr viel häufiger mit dem Dativ vor. Hier ein paar Beispiele:

Im Supermarkt können Sie aber noch in Ruhe einkaufen gehen.
… in einem normalen Kaufhaus Strumpfhosen einkaufen geht
in dem Supermarkt, in dem meine Freundin immer einkaufen geht
Rodeo Drive, die Straße, in der die Stars einkaufen gehen
Wenn [er] in der Markthalle am Hafen einkaufen geht
Vom Franzosen […], der meist nur einmal pro Woche in einem Hypermarché einkaufen geht
bei der Entscheidung, wo man einkaufen geht
Was tun, wenn mein Kind im Internet einkaufen geht?
in Hamburg/Leipzig/Innsbruck/Zürich einkaufen gehen

Selten sind Fundstellen, in denen einkaufen gehen mit dem Akkusativ steht. Hier ein paar Beispiele:

wenn Sie in den Supermarkt einkaufen gehen
wenn ich mit meiner Geldbörse auf den Markt einkaufen gehe
Du gehst in die Stadt einkaufen, wie immer.
dürfen […] einmal im Monat Gewisses in die Schweiz einkaufen gehen
Er muß nur, bevor er in den Intershop einkaufen geht, einen Weg zur Bank machen
da die Liechtensteiner ins benachbarte Ausland einkaufen gingen
ehemalige Kunden, die […] heimlich nach Dubraucke einkaufen gehen

Der langen Rede kurzer Sinn: Richtig ist bei einkaufen gehen sowohl der Dativ als auch der Akkusativ. Sehr viel üblicher sind aber Formulierungen mit dem Dativ. Ich würde also eher auf dem Markt einkaufen gehen wählen als auf den Markt einkaufen gehen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Adjektivbeugung: immer zweimal er

Frage

Folgender Satz bereitet mir bezüglich des Kasus Probleme:

Nebenleistungen dienen der Erfüllung der Hauptleistung oder dem Schutz sonstiger vertragsrelevanten Interessen einer Vertragspartei.

Das Adjektiv „vertragsrelevanten“ müsste doch im Genetiv stehen (… dienen der Erfüllung wessen? Der Erfüllung vertragsrelevanter Interessen). […]

Antwort

Guten Tag Herr F.,

in diesem Satz sollten die aufeinanderfolgenden Adjektive parallel gebeugt werden, das heißt, das auf das Adjektiv sonstig folgende Adjektiv sollte die gleiche Endung wie sonstig haben:

Nebenleistungen […] dienen […] dem Schutz sonstiger vertragsrelevanter Interessen.

Vergleiche hierzu die Angaben auf dieser Seite in der LEO-Grammatik.

Ist die nicht parallele Beugung sonstiger vertragsrelevanten einfach nur falsch und unbegreiflich? Standardsprachlich ist sie tatsächlich nicht akzeptiert, aber völlig unverständlich ist sie nicht.

Bei der männlichen starken Dativendung em kommt die sogenannte Wechselbeugung nämlich häufig vor, auch in der Standardsprache. Hier einige Beispiele, die mir bei einem schnellen Blick ins Internet und in das Korpus des DWDS begegnet sind:

Parallele Beugung:

Geschichten mit sonstigem politischem Hintergrund
Informationen zu missbräuchlichem oder sonstigem betrügerischem Verhalten
Knüppel aus sonstigem legiertem Stahl
Man findet den Begriff vor allem auf sonstigem abgepacktem Gemüse
die Möglichkeit, aus sonstigem berechtigtem Interesse zu kündigen
mit sowjetischen Waffen und sonstigem militärischem Gerät
von der Heiligen Schrift oder sonstigem christlichem Vorstellungsgut bestimmt
Schäden an sonstigem elektrischem Zubehör

Wechselbeugung:

Arbeitsverträge mit sonstigem pädagogischen Personal
Haftung bei sonstigem fehlerhaften Prospekt
bei sonstigem freien Vermögen der GmbH
Teppiche voller Schilf, Gras und sonstigem losen Bewuchs
Der Qualitätsanspruch zeigt sich an Becherhaltern und sonstigem polierten Metall.
Mitarbeitende in Seelsorge und sonstigem kirchlichen Dienst
auf sonstigem elektronischen Wege
mit sonstigem regelmäßigen Einkommen

Dabei fällt auf, dass die Wechselbeugung (em – en) im Korpus häufiger vorkommt als die parallele Beugung (em – em).

Bei der Endung er habe ich so schnell gar kein Gegenbeispiel zur parallelen Beugung (er – er) gefunden:

als CEO oder in sonstiger gehobener Position
mit sonstiger, fundierter Berufserfahrung
eine zweistündigen Ruhepause zu sonstiger freier Verfügung
ohne Ansehen ihres Geschlechts, ihrer Herkunft oder sonstiger individueller Eigenschaften
aufgrund sonstiger zu tilgender Darlehen
die Erhebung sonstiger sachdienlicher Informationen
im Rahmen sonstiger gesetzlicher Schranken
die Delikte sonstiger Krimineller

Ein anderer Einfluss könnte sein, dass ein Adjektiv nach einem gebeugten Artikelwort schwach gebeugt wird:

der Schutz der vertragsrelevanten Interessen
der Schutz dieser vertragsrelevanten Interessen
der Schutz Ihrer vertragsrelevanten Interessen

Das Wort sonstiger ist vielleicht kein „Standardadjektiv“, aber es ist ein Adjektiv und kein Artikelwort und entsprechend sollte es also heißen:

der Schutz sonstiger vertragsrelevanter Interessen

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Käme bleibt käme und hätte bleibt hätte – Was aus dem Konjunktiv II der direkten Rede in der indirekten Rede wird

Ein häufig wiederkehrendes Thema bei Fragen ist die indirekte Rede, genauer gesagt die Verwendung des Konjunktivs in der indirekten Rede. Eine Übersicht zu den gebräuchlichen Grundregeln und ein paar weiterführende Links sind  in diesem Blogartikel zu finden, der schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Ich nehme Herrn M.s Frage zum Anlass einen Sonderfall zu besprechen: Was passiert, wenn die indirekte Rede im Konjunktiv steht?

Frage

Wie lautet in Bezug auf Satz 1 die indirekte Rede?

Satz 1: Ich sagte: „Ich führe gern nach Portugal.“

Antwort

Guten Tag Herr M.,

in diesem Fall ist es eigentlich ganz einfach: Ein Konjunktiv II in der direkten Rede wird auch in der indirekten Rede als Konjunktiv II wiedergegeben.

Im Folgenden stehen ein paar Beispiele mit jeweils einem Satz d) in der direkten Rede, i1) in der indirekten Rede mit einem uneingeleiteten Nebensatz und i2) in der indirekten Rede mit einem dass-Satz:

d) Er sagte: „Ich käme auch mit, wenn ich Zeit hätte.“
i1) Er sagte, er käme auch mit, wenn er Zeit hätte.
i2) Er sagte, dass er auch mitkäme, wenn er Zeit hätte.

d) Sie behaupten: „Wir wären auch mitgekommen, wenn wir Zeit gehabt hätten.“
i1) Sie behaupten, sie wären auch mitgekommen, wenn sie Zeit gehabt hätten.
i2) Sie behaupten, dass sie auch mitgekommen wären, wenn sie Zeit gehabt hätten.

d) Sie erwidert „Niemand ist so klug, als dass er alles wüsste.“
i1) Sie erwidert, niemand sei so klug, als dass er alles wüsste.
i2) Sie erwidert, dass niemand so klug sei/ist, als dass er alles wüsste.

d) Du bemerktest trocken : „Das würde ich nicht tun.“
i1) Du bemerktest trocken, du würdest das nicht tun.
i2) Du bemerktest trocken, dass du das nicht tun würdest.

Für Ihren Satz heißt das also:

d) Ich sagte: „Ich führe gern nach Portugal“.
i1) Ich sagte, ich führe gern nach Portugal.
i2) Ich sagte, dass ich gern nach Portugal führe.

Da viele die Form führe für etwas veraltet halten, ginge hier auch:

d) Ich sagte: „Ich würde gern nach Portugal fahren“.
i1) Ich sagte, ich würde gern nach Portugal fahren.
i2) Ich sagte, dass ich gern nach Portugal fahren würde.

Es ist also so einfach, dass man kaum je darüber stolpert: Ein Konjunkiv II in der direkten Rede bleibt in der indirekten Rede ein Konjunktiv II. Dennoch gilt – wie meistens, wenn es um die die Verwendung des Konjunktivs im Deutschen geht –, dass sich nicht immer alle an diese „Regel“ halten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nicht jedes „um zu“ lässt sich in ein „damit“ umwandeln

Frage

Ich habe eine Frage zum Gebrauch von „damit“ (im Unterschied zu „um … zu“). Irgendwo habe ich gelesen, dass man „damit“ immer gebrauchen kann. Aber wie sieht das im folgenden Satz aus:”Ich gehe in den Supermarkt, damit ich Brot kaufe”?

Meiner Meinung nach ist dieser Satz nicht korrekt. Wenn mein Sprachgefühl richtig ist: warum nicht?

Antwort

Guten Tag E.,

Sie haben recht: Der Satz

Ich gehe in den Supermarkt, damit ich Brot kaufe.

klingt falsch oder zumindest sehr unnatürlich.

Immer gilt, dass man Sätze mit damit in eine Konstruktion mit um … zu umwandeln kann, wenn Haupt- und Nebensatz ein identisches Subjekt haben:

Ich komme näher, damit ich dich besser verstehe.
Ich komme näher, um dich besser zu verstehen.

Sie arbeiten, damit sie genug Geld zum Leben haben.
Sie arbeiten, um genug Geld zum Leben zu haben.

Sie schreibt alles auf, damit sie es nicht vergisst.
Sie schreibt alles auf, um es nicht zu vergessen.

Das Umgekehrt gilt aber nicht immer. Wann nicht?

Einem Zwecksatz liegt in der Regel ein Konditionalverhältnis (Bedingungsverhältnis; wenn – dann) zugrunde:

Wenn man näher kommt, versteht man jemanden besser.
Ich komme näher, damit ich dich besser verstehen
Ich komme näher, um dich besser zu verstehen.

Wenn man arbeitet, hat man genug Geld zum Leben.
Sie arbeiten, damit sie genug Geld zum Leben haben.
Sie arbeiten, um genug Geld zum Leben zu haben.

Wenn man alles aufschreibt, vergisst man es nicht.
Sie schreibt alles auf, damit sie es nicht vergisst.
Sie schreibt alles auf, um es nicht zu vergessen.

Mit um … zu kann aber auch ein Zweck angegeben werden, dem kein mehr oder weniger direktes Bedingungsverhältnis zugrunde liegt. Dann ist die Umformung in einen Satz mit damit nicht möglich:

Ich gehe in den Supermarkt, um Brot zu kaufen.
nicht: Wenn man in den Supermarkt geht, kauft man Brot.
nicht: Ich gehe in den Supermarkt, damit ich Brot kaufe.

Wir fahren in die Stadt, um ins Kino zu gehen.
nicht: Wenn man in die Stadt fährt, geht man ins Kino.
nicht: Wir fahren in die Stadt, damit wir ins Kino gehen.

Sie sparen, um sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen.
nicht: Wenn man spart, erfüllt man sich den Traum vom Eigenheim.
nicht: Sie sparen, damit sie sich den Traum Eigenheim erfüllen.

Er ruft dich morgen an, um die Situation mit dir zu besprechen.
nicht: Wenn man morgen anruft, bespricht man die Situation.
nicht: Er ruft dich morgen an, damit er die Situation mit dir bespricht.

In gewissen Fällen kann man allerdings damit zusammen mit dem Modalverb können verwenden. Mit können liegt wieder ein Bedingungsverhältnis vor:

Wir fahren in die Stadt, damit wir ins Kino gehen können.
vgl. Wenn man in die Stadt fährt, kann man ins Kino gehen.

Sie sparen, damit sich sich den Traum vom Eigenheim erfüllen können.
vgl. Wenn man spart, kann man sich den Traum vom Eigenheim erfüllen.

Er ruft dich morgen an, damit er die Situation mit dir besprechen kann.
vgl. Wenn man anruft, kann man die Situation besprechen.

Nicht jedes „um zu“ lässt sich also einfach in ein „damit“ umwandeln. Ich hoffe, dass jetzt ein bisschen klarer ist, wann nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum ist der Gründonnerstag grün?

Am heutige Gründonnerstag, an dem des letzten Abendmahls Jesu und seiner Jünger gedacht wird, kommt in mir wieder einmal die Frage auf, warum der Gründonnerstag eigentlich so heißt, wie er heißt. Diese Wissenslücke wollte ich endlich schließen.

Die kurze Antwort lautet: Herkunft ungewiss. Bei der längeren Antwort kommen verschiedene Erklärungsversuche zum Zug. Ich nenne hier die am häufigsten erwähnten:

Vielfach wird davon ausgegangen, dass grün in Gründonnerstag sich auf die Farbe der frischen Kräuter, Salate und Frühjahrsgemüse bezieht, die man offenbar an diesem Tag zu essen pflegte. Eine andere Erklärung führt grün auf ahd. grīnan, mhd. grînen (heute greinen) zurück, das lachend oder weinenden den Mund verziehen bedeutete. Das Wort habe sich auf die weinenden Büßer bezogen und sei dann im Volksmund zu grün uminterpretiert worden. Eine weitere Theorie führt grün auf die Farbe der liturgischen Gewänder zurück, die an diesem besonderen Tag getragen wurden. Seit langem werden aber in der katholischen Kirche am Gründonnerstag weiße Gewänder getragen. Ob sie früher (auch) grün waren, scheint nicht belegt zu sein.

Wie bei Ostern (siehe hier) gibt es also keine wirklich spannende oder wenigsten eindeutige Erklärung für den Namen Gründonnerstag. Interessanter ist vielleicht, wie der Tag in anderen Sprachen heißt:

Grün ist der Gründonnerstag auch noch im Tschechischen (Zelený čtvrtek) und Slowakischen (Zelený štvrtok), weiß ist er im Niederländischen (Witte Donderdag), groß/hoch zum Beispiel im Polnischen (Wielki Czwartek), Slowenischen (Veliki četrtek), Kroatischen (Veliki četvrtak) und Ungarischen (Nagycsütörtök), rein in den skandinavischen Sprachen (Skærtorsdag, Skärtorsdagen, Skjærtorsdag, Skírdagur) und heilig in den romanischen Sprachen (Jeudi saint, Giovedì santo, Jueves Santo, Dijous Sant, Quinta-feira Santa usw.). Im Englischen ist er neben heilig (Holy Thursday) auch der Donnerstag der Fußwaschung (Maundy Thursday).

Das ist eine breite, aber nicht vollständige Palette von Bezeichnungen.  Einigen davon begegnet man auch im Deutschen: hoher Donnerstag, heiliger Donnerstag, weißer Donnerstag und daneben auch Palmdonnerstag. Damit ist hoffentlich auch denen recht getan ist, die aus einer Gegend oder Familie stammen, in der der Gründonnerstag nicht grün ist.

Frohe Ostertage!

Suppe als oder zur Vorspeise?

Auch bei der Verwendung der Präpositionen und Konjunktionen gibt es häufig keine hieb- und stichfesten Regeln, die immer und überall gelten. Das zeigt auch die Antwort auf die folgende Frage:

Frage

Wie sollte man bei einer Bestellung im Restaurant lieber sagen:

Zur Vorspeise nehme ich …
Als Vorspeise nehme ich …

Antwort

Guten Tag Herr M.,

die beste Wahl ist hier als:

Als Vorspeise nehme ich die Tagessuppe.

Das liegt daran, dass die Suppe die Vorspeise ist. Eine Vorspeise ist ein Gericht, nicht der Zeitpunkt, zu dem ein Gericht serviert wird. Das gilt auch für Hauptspeise und Nachspeise:

Mit Brot und einem Salat kann man die Muscheln auch als Hauptspeise servieren.
Als Nachspeise wurden frische Erdbeeren mit Schlagsahne gereicht.

Die Präposition zu passt dann gut, wenn angegeben wird, was diese Speisen begleitet:

Brot mit Butter zur Vorspeise reichen
einen italienischen Rotwein zur Hauptspeise einschenken
zur Nachspeise einen starken Kaffee mit Zucker nehmen

Ein bisschen anders sieht es bei Nachtisch und Dessert aus. Diese beiden Wörter werden häufig nicht als Bezeichnungen für ein Gericht, sondern auch als Namen für die „Etappe“ einer Mahlzeit angesehen. Deshalb steht hier neben als auch zum:

Es wurde Himbeereis als/zum Nachtisch serviert.
Als/Zum Dessert gibt es selbstgebackene Brownies.

Hüten Sie sich aber davor, diese Angaben als feste Regeln zu sehen, an die sich alle halten oder halten müssen! Vielleicht unter dem Einfluss von Nachtisch und Dessert hört und liest man auch immer wieder, dass ein Carpaccio zur Vorspeise oder ein frischer Fruchtsalat zur Nachspeise serviert wird. Das ist nicht unbedingt falsch, aber aus den oben genannten Gründen stilistisch weniger gelungen. Zur Streitfrage sollte es sowieso nicht werden, denn die Hauptsache ist ja, dass es schmeckt!

Mir freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ist „zum Bahnhof“ in „den Weg zum Bahnhof erklären“ eine Ortsbestimmung?

Frage

Ich habe eine Frage zu den Satzgliedern:

Ich erklärte ihm den Weg zum Bahnhof.

Handelt es sich bei „zum Bahnhof“ um eine Lokalbestimmung?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

in diesem Satz ist die ganze Nomengruppe den Weg zum Bahnhof das Akkusativobjekt:

– Wen oder was erklärte ich ihm?
– den Weg zum Bahnhof

Die Nomengruppe besteht aus dem Kern Weg und einer näheren Bestimmung, einem Attribut. Dieses Attribut hat die Form einer Präpositionalgruppe: zum Bahnhof. Es sieht also genau gleich aus wie eine Ortsbestimmung (lokale Adverbialbestimmung):

– Wohin gehe ich mit ihm?
– Ich gehe mit ihm zum Bahnhof
→ zum Bahnhof = Ortsbestimmung

Hier ist es aber keine Ortsbestimmung, sondern – wie gesagt – ein Attribut:

– Welchen Weg erkläre ich ihm?
– Ich erkläre ihm den Weg zum Bahnhof
→ zum Bahnhof = Attribut zu „Weg“

Man sieht den Unterschied auch, wenn man die Wortstellung ändert. Eine Ortsbestimmung ist ein selbstständiges Satzglied und kann als solches allein an erster Stelle vor dem Verb stehen:

Zur Wohnung seiner Eltern gehe ich mit ihm.

Ein Attribut hingegen bleibt beim Wort, das es näher bestimmt, das heißt, üblicherweise wird die ganze Nomengruppe an die erste Stelle vor das Verb verschoben:

Den Weg zur Wohnung seiner Eltern erkläre ich ihm.

Dann hören die Unterschiede aber schon bald auf. Die Adverbialbestimmung zum Bahnhof und das Attribut zum Bahnhof sind zwar satzbautechnisch verschieden, ihre Form ist aber identisch und ihre Bedeutung ist mehr oder weniger gleich, nämlich die Angabe eines Ziels.

Präpositionalgruppen erfüllen häufiger die Rolle eines Attributs, das die Bedeutung einer Adverbialbestimmung hat. Zum Beispiel:

Lokal:

Das Hotel am Bahnhof wird renoviert.
Die Buslinien ins Zentrum sind unterbrochen.

Temporal:

Wie verbringen wir die Zeit bis zum Mittagessen?
Die Sitzung am Donnerstag war die letzte vor den Ferien.

Modal:

Sie aßen einen Apfelkuchen mit Schlagsahne als Nachtisch.
Die Annahme der Vorlage ohne Gegenstimmen war überraschend.

Kausal/Final

Die Aufregung wegen ihrer Bemerkung ist übertrieben.
Sie hatten ihr Spargeld für schlechte Zeiten bereits aufgebraucht.

Mehr über Präpsitionalgruppen als Attribut zu einem Nomen finden Sie auf dieser Seite in der LEO-Grammatik.

Eine ähnliche Frage gab es schon vor vielen Jahren einmal im Blog: Eintritt ins/im Museum. Es kann eben leicht verwirrend sein, wenn eine Wortgruppe im Satz eine andere Funktion hat, als man nach ihrer Form erwarten würde. Die Präpositionalgruppe zum Bahnhof sieht aus wie eine eigenständige lokale Adverbialbestimmung, in unserem Beispiel ist sie aber „nur“ ein unselbstständiges Attribut. Auf den ersten Blick scheinen hier die Form und Bedeutung einerseits und die Funktion im Satz andererseits nicht übereinzustimmen. Deshalb kann der Weg zum Verständnis der Satzstruktur hier etwas länger sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp