„Sogar“ ist meist auch „selbst“ – aber sogar/selbst hier gibt es Ausnahmen.

Frage

Können Sie mir bitte den Unterschied zwischen „sogar“ und „selbst“ sagen? Ich finde leider keine Informationen dazu im Internet.

Antwort

Guten Tag A.,

man kann „sogar“ und „selbst“ sehr häufig unterschiedslos verwenden:

Das hat sogar/selbst sie gefreut.
Heute Nacht hat es sogar/selbst gefroren.
Sogar/Selbst der Kapitän wurde seekrank.
Sie widerstand sogar/selbst den größten Versuchungen.

Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Eine erste Einschränkung betrifft selbst in einem verneinten Satz. Wenn selbst  in Verbindung mit nicht die Bedeutung nicht einmal hat, ist sogar unüblich:

Sie waren selbst für Geld nicht dazu bereit.
Niemand glaubt ihr, selbst ihre Eltern nicht.
Der E-Auto-Markt ist selbst in der Schweiz nicht allzu groß.

Man kann hier auch sogar verwenden, aber es klingt ungewöhnlich.

Eine zweite Einschränkung ergibt sich daraus, dass selbst nicht nur sogar, sondern auch selber bedeuten kann. Man sollte deshalb nicht selbst im Sinne von sogar verwenden, wenn es mit selbst im Sinne von selber verwechselt werden kann:

Die Vorstellung hat mich sogar sehr beeindruckt.
besser nicht: Die Vorstellung hat mich selbst sehr beeindruckt.

Ein Sieg wäre sogar verdient gewesen.
besser nicht: Ein Sieg wäre selbst verdient gewesen.

Die Formulierungen mit selbst sind nicht falsch, aber es ist (zumindest ohne Kontext) nicht klar, dass sogar gemeint ist. Der Übergang ist fließend. Beim zweiten Beispiel kann mit Hilfe der Betonung und/oder des Satzzusammenhangs klar gemacht werden, dass sogar und nicht selber gemeint ist.

Rein stilistisch ist die letzte Einschränkung, die ich hier erwähnen möchte: Man vermeidet besser zweimal selbst.

Sie haben es sogar selbst versucht
besser nicht: Sie haben es selbst selbst versucht.

Bei diesem Film hat der Autor sogar selbst Regie geführt.
besser nicht: Bei diesem Film hat der Autor selbst selbst Regie geführt.

Man kann sogar und selbst also gleich verwenden, aber sogar/selbst hier gibt es ein paar Einschränkungen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Noch einmal zum Gründonnerstag

Auch dieses Jahr wieder wusste ich am heutigen Gründonnerstag nicht so genau, warum dieser Tag eigentlich so heißt, wie er heißt. Warum ist der Gründonnerstag grün? Deshalb habe ich noch einmal den Blogartikel zu diesem Thema vom letzten Jahr hervorgeholt und nachgelesen. Viel ist nicht bekannt, aber man kann doch einiges dazu sagen. Den Artikel finden Sie hier.

Frohe Ostertage!!

Es ist nicht so, dass hier der Konjunktiv stehen müsste oder muss

Frage

Welche der beiden Varianten ist die richtige bzw. die bessere?

Es ist nicht so, dass Pascal keine Lust hätte zu helfen – er weiß einfach nur nicht, wie.

Es ist nicht so, dass Pascal keine Lust hat zu helfen – er weiß einfach nur nicht, wie.

Danke für Ihre Hilfe.

Antwort

Guten Tag Herr N.,

beide Varianten sind hier möglich, richtig und auch üblich. Der Konjunktiv II dient, grob gesagt, dazu, „Irrealität“ auszudrücken:

Es ist nicht so, dass Pascal keine Lust hätte zu helfen.

Die Irrealität des Gesagten wird hier aber auch ohne den Konjunktiv bereits explizit durch die einleitenden Aussage, dass es nicht so ist, angegeben:

Es ist nicht so, dass Pascal keine Lust hat zu helfen.

Ebenso zum Beispiel:

Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, wer dafür verantwortlich ist. Ich will es nur nicht sagen.
Es ist nicht so, dass ich nicht weiß, wer dafür verantwortlich ist. Ich will es nur nicht sagen.

Es ist nicht so, dass sie Bedenken hätten, aber …
Es ist nicht so, dass sie Bedenken haben, aber …

Es ist nicht so, dass wir uns davor fürchteten / fürchten würden.
Es ist nicht so, dass wir uns davor fürchten.

Es ist nicht so, dass die Regierung nicht gewarnt worden wäre.
Es ist nicht so, dass die Regierung nicht gewarnt worden ist.

Für „Feinschmecker“ gibt es Bedeutungsnuancen, die sich nur schwierig in Worte fassen lassen. So wird als Entgegnung auf eine Aussage (es ist nicht so ≈ es stimmt nicht) der Indikativ bevorzugt:

– Man kann nicht einmal das Fahrrad mitnehmen.
– Es ist nicht so, dass man das Fahrrad nicht mitnehmen kann.

Im Allgemeinen können aber beide Varianten gegeneinander ausgetauscht werden, auch wenn der Indikativ häufiger vorkommt. Der Konjunktiv klingt vielleicht etwas gehobener oder sprachgewandter als der alltäglichere Indikativ – aber es ist nicht so, dass man ihn nach es ist nicht so unbedingt wählen müsste oder wählen muss.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Fugen-s und Bindestrich:
Gesundheitspodcast, Gesundheits-Podcast oder Gesundheit-Podcast?

Frage

Ich habe ein Werbebanner für unsere Podcasts zur Begutachtung bekommen. Da steht dann:

Der Gesundheits-Podcast
Jetzt reinhören!

Mich stört irgendwie diese Schreibweise: „Der Gesundheits-Podcast“. Wäre das korrekt nicht eher „Der Gesundheitspodcast“? Das ist natürlich dann nicht so gut und schnell lesbar auf den ersten Blick, weil recht lang. Oder dann „Der Gesundheit-Podcast“ ohne „s“? Das wäre dann wieder besser lesbar, weil mit Bindestrich.

Welches ist die grammatikalisch korrekte Form? Im Netz findet man leider alle drei Varianten. Was würden Sie uns empfehlen, damit sowohl die Grammatik stimmt wie auch die Lesbarkeit garantiert ist.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

ob man ein Fugen-s verwendet oder nicht, hängt davon ab, wie andere Zusammensetzungen mit dem gleichen Wort an erster Stelle gebildet werden. Zusammensetzungen mit Gesundheit an erster Stelle werden immer mit einem Fugen-s gebildet. Zum Beispiel:

Gesundheitsbehörde, gesundheitsbewusst, Gesundheitsexpertin, Gesundheitsfürsorge, Gesundheitsgefährdung, Gesundheitspolitik, Gesundheitsquiz, gesundheitsschädigend, Gesundheitswesen, Gesundheitszustand

Deshalb sollte auch diese Zusammensetzung mit einem Fugen-s geschrieben (und gesprochen) werden:

Der Gesundheitspodcast
Jetzt reinhören!

Dies ist auch gleich die Schreibweise, die ich nach der Rechtschreibregelung empfehlen würde. Da ich Gesundheitspodcast für gut lesbar halte, finde ich den Bindestrich nicht notwendig.

Wenn Sie einen „verdeutlichenden“ Bindestrich setzen wollen oder müssen, kann er nicht das Fugen-s ersetzen. Das s bleibt auch vor dem Bindestrich erhalten:

der Gesundheits-Podcast
Jetzt reinhören!

Diese Schreibweise gilt ebenfalls als korrekt, denn es ist nicht „verboten“, den Bindestrich in Zusammensetzungen mit einem Fugenelement zu verwenden. Nicht korrekt ist – auch auf Werbebannern – die Schreibung ohne s (*Gesundheit-Podcast) oder die Getrenntschreibung (*Gesundheits Podcast).

Hier noch ein paar Beispiele von Zusammensetzungen, bei denen es häufiger „schiefgeht“:

Versicherungsportal / Versicherungs-Portal
Lieblingsfoodblog / Lieblings-Foodblog
Überlebenstraining / Überlebens-Training

Wie sehr häufig würde ich hier überall die Schreibung ohne den „verdeutlichenden“ Bindestrich vorziehen, aber korrekt ist jeweils beides.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum es der Zeichenunterricht, aber das Zeichnenlehren ist

Frage

Ich arbeite an einem Text, in dem die Begriffe Zeichnen lehren und das Zeichnenlehren (jemandem das Zeichnen beibringen) vorkommen. Zum Beispiel:

Wie Zeichnen lehren?
Didaktik des Zeichnenlehrens.

Der Autor des Textes meint, man solle doch besser ZeichENlehren schreiben, weil es auch ZeichENunterrich, ZeichENlehrer oder ZeichENkohle heißt.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

beim ersten Zitat, gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann klein zeichnen (vgl. zu zeichnen lehren) oder groß Zeichnen (vgl. das Zeichnen lehren) schreiben:

Wie zeichnen Lehren?
Wie Zeichnen Lehren?

Sie haben sich offenbar entschieden, hier die großgeschriebene Variante zu wählen (Wie Zeichnen lehren?). Das ist richtig, allerdings für die Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage gar nicht wichtig.

Beim zweiten Untertitel handelt es sich um die Substantivierung der Infinitivgruppe zeichnen lehren oder eben Zeichnen lehren. Dann wird zusammen und mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben:

das Zeichnenlehren

Es ist hier anders als bei Zusammensetzungen wie Zeichenlehrer oder Zeichenunterricht nicht zu empfehlen, an erster Stelle Zeichen- zu verwenden. Warum nicht?

Bei einer Zusammensetzung mit einem Verb an erster Stelle wird nicht der Infinitiv, sondern „nur“ der Stamm des Verbs verwendet:

schwimm[en] + Lehrer → Schwimmlehrer
mal[en] + Unterricht → Malunterricht
press[en] + Kohle → Presskohle

Bei Verben wie zeichnen und rechnen wird dabei im Stamm ein e eingefügt, das im Laufe der Wortgeschichte weggefallen ist1. Das geschieht, weil sonst Verbindungen wie *Zeichnlehrerin oder *Rechnunterricht entstehen würden. Also:

zeichn[en] + Lehrerin → Zeichenlehrerin
rechn[en] + Unterricht → Rechenunterricht
zeichn[en] + Kohle → Zeichenkohle

Bei den substantivierten Infinitivgruppen der Art, um die es hier geht, steht der ganze Infinitiv an erster Stelle. Dann wird nichts eingefügt und nichts weggelassen:

rechnen + lernen → das Rechnenlernen
zeichnen + lehren → des Zeichnenlehrens

Sie können also guten Gewissens und mit einem Verweis auf die deutschen Wortbildungsregeln darauf bestehen, dass es des Zeichnenlehrens sein sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 mittelhochdeutsch rechenen, zeichenen; althochdeutsch: rehhanōn, zeihhanen

Verlangt es sie oder ihnen nach etwas?

Frage

Ich habe nirgends im Internet die reflexive Form des Verbs „verlangen“ gefunden. Beispiel: „Es verlangt mich nach Liebe.“ Oder ist das eine transitive Form des Verbs mit Akkusativobjekt (mich)?

Ich las jetzt den Satz: „Sie konnten nicht finden, wonach Ihnen verlangte.“ Richtig müsste es doch heißen „… wonach es sie verlangte“. Aber warum?

Antwort

Guten Tag Frau B.,

im Satz „Es verlangt mich nach Liebe“ handelt es sich nicht um eine reflexive Verwendung von verlangen, sondern um eine unpersönliche Verwendung dieses Verbs mit einem Akkusativ (vgl. die Angaben verlangen im DWDS [Bedeutung 5]):

jemanden verlangt (es) nach jemandem/etwas

Es verlangt mich nach Liebe.
Mich verlangt (es) nach Liebe.
Nach Liebe verlangt (es) mich.

Das unpersönliche es, das hier die Funktion eines formalen Subjekts hat, kann wegfallen, außer wenn es am Satzanfang steht (siehe Beispiele oben). Die Konstruktion gilt als gehoben. Man begegnet ihr also im Alltag nicht allzu häufig. Gemeint ist mir ihr übrigens nicht, dass man etwas fordert, sondern dass man sich nach etwas sehnt, etwas begehrt.

Der Satz, den Sie zitieren, müsste also tatsächlich mit dem Akkusativ und nicht mit dem Dativ stehen:

Sie konnten nicht finden, wonach es sie verlangte.

In diesem Satz lässt man das es besser nicht weg, weil sonst undeutlich sein könnte, ob es sich bei sie um einen Akkusativ Plural oder um einen Nominativ Singular handelt. Ohne es möglich ist zum Beispiel:

Ich kann nicht finden, wonach (es) mich verlangt.
Er konnte nicht finden, wonach (es) ihn verlangte.
Ihr konnten nicht finden, wonach (es) euch verlangte.

Ein Blick ins Internet zeigt, dass Formulierungen mit dem Dativ relativ häufig vorkommen:

*Es verlangte ihm nach Abwechslung.
*Mir verlangte es nach etwas Trinkbarem.
*… wonach ihnen verlangte.

Wenn man sich einer gehobenen (und vielleicht ein bisschen veralteten) Wendung bedient, kann man das aber besser so tun, wie es in den Wörterbüchern steht, auch in älteren1:

Es verlangte ihn nach Abwechslung.
Mich verlangte es nach etwas Trinkbarem.
… wonach es sie verlangte.

Und im Zweifelsfall kann man natürlich auch auf sich (Akk.) nach etwas sehnen ausweichen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Eintrag verlangen, Abschnitt 5)

Standardaussprache: Kääse oder Keese?

Frage

Wie „Mädchen“ und „Käse“ geschrieben wird, ist eindeutig. Wie wird es aber offiziell auf Hochdeutsch ausgesprochen? Ich finde sehr widersprüchliche Antworten zu dieser Frage […]  Wie würde man dann das lange ä aussprechen, wenn man denn den Anspruch hätte, eine neutrale (nicht regionale), „offizielle“ Aussprache zu wählen)? Gibt es eine eindeutige Regel, wie das ä in dem Fall auszusprechen wäre?

Antwort

Guten Tag V.,

nach der Standardaussprache, die in einigen Wörterbüchern angegeben wird, unterscheidet man zwischen einem langen <ä> und einem langen <e> . Das lange <ä> wird offen ausgesprochen (umschrieben als /ɛː/ oder /æ:/). Das lange <e> wird geschlossen ausgesprochen (umschrieben als /e:/). Nach diesen Angaben gibt also einen Ausspracheunterschied zwischen Ähre und Ehre, Bären und Beeren, Dänen und dehnen, gäbe und gebe etc.

ABER: Nach den Angaben in  anderen (vor allem älteren) Quellen gibt es „offiziell“ kein offenes /ɛː/. Das länge <ä> werde wie das lange <e> geschlossen ausgesprochen. In vielen Regionen, insbesondere in der nördlichen Hälfte Deutschlands und in Österreich (mit Ausnahme Vorarlbergs) hört man tatsächlich keinen Unterschied zwischen langem <ä> und langem <e>.

Was ist nun richtig? – Beides. Eine eindeutige Regel gibt es nicht. Beides kommt nämlich bei großen Teilen der Standarddeutsch Sprechenden vor. Wer Käse und Mädchen wie Keese und Meedchen (also mit /e:/) ausspricht, macht also nichts falsch. Selbst bei Bären und Beeren oder Ähre und Ehre kommt es kaum zu Verständnisproblemen, auch wenn jeweils beides gleich klingt. Nur bei den Verbformen gebe und gäbe oder lese und läse wird es schwieriger, aber auch bei unterschiedlicher Aussprache ist nicht immer allen klar, welche Form zu wählen ist (vgl. hier). Umgekehrt ist es auch nicht falsch, Mädchen und Käse als Määdchen und Kääse (also mit /ɛ:/) auszusprechen und Beeren und Bären lautlich auseinanderzuhalten.

Es gibt keine Standardaussprache die von der östlichen bis zur westlichen Sprachgrenze und von Nord- und Ostsee bis zu den Alpengipfeln und darüber hinaus dieselbe wäre. Regional „outet“ man sich hiermit auch nur bedingt, denn die unterschiedslose Aussprache /e:/ für langes <e> und langes <ä> ist zwar im nördlichen Deutschland und in Österreich vorherrschend, sie kommt aber nicht nur dort und auch dort nicht überall vor (vgl. hier).

Hauptsache ist sowieso, dass ein Käse denen schmeckt, die Käse mögen, ganz gleich ob die Aussprache Kääse oder Keese ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Anders sieht es bei kurzem <e> und <ä> aus. Sie werden standarsprachlich beide offen ausgesprochen (umschrieben als /ɛ/). Deshalb gibt es in der Standardaussprache keinen Unterschied zwischen Äschen und Eschen oder Lärchen und Lerchen und konnte der Stengel zum Stängel reformiert werden, ohne dass sich etwas an der Aussprache geändert hat. Aber auch hier geht es nicht ohne regionale Varianten: So kann man zum Beispiel in der Schweizer Variante des Standarddeutschen häufig einen eindeutigen Unterschied zwischen dem <ä> in hätte (offenes /ɛ/ wie im allgemeinen Standard) und dem <e> in nette (geschlossenes /e/) hören.

Der Nominativ in „als strategischer Fehler bezeichnet werden“

Frage

Welche der beiden Varianten ist richtig und warum?

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischer Fehler bezeichnet werden.
Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischen Fehler bezeichnet werden.

Der erste Satz klingt für mich richtig. Wenn ich den Satz umformuliere, tauchen jedoch Zweifel auf:

Ich muss ihre Kandidatur als strategischen Fehler bezeichnen.

Antwort

Guten Tag Herr J.,

richtig ist hier, was für Sie richtig klingt:

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischer Fehler bezeichnet werden.

Warum steht hier der Nominativ und nicht wie in Ihrem dritten Beispielsatz der Akkusativ? – Das liegt daran, dass als nicht mit einem festen Fall steht. Die als-Gruppe steht im gleichen Fall wie das Wort, auf das sie sich bezieht. Hier steht Kandidatur (der Kern der Wortgruppe ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium) im Nominativ. Die als-Gruppe bezieht sich auf das Subjekt des Satzes:

Wer oder was muss als strategischer Fehler bezeichnet werden?

Wenn man den Satz vom Passiv ins Aktiv umsetzt, lautet er so:

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss man als strategischen Fehler bezeichnen.

Die als-Gruppe steht dann wie „Kandidatur“ im Akkusativ. Sie bezieht sich auf das Akkusativobjekt:

Wen oder was muss man als strategischen Fehler bezeichnen?

Dies gilt auch für Verben wie (an)sehen als, auszeichnen als, empfehlen als, darstellen als, empfinden als, hinstellen als, legitimieren als, präsentieren als, preisen als, rühmen als, werten als. Zum Beispiel:

Man sieht ihn als ehrlichen Mann an.
Er wird als ehrlicher Mann angesehen.

Man empfindet das als großen Einbruch in die Privatsphäre.
Das wird als großer Einbruch in die Privatsphäre empfunden.

Man bezeichnet das Buch als ihren größten Erfolg.
Das Buch wird als ihr größter Erfolg bezeichnet.

Diese Verben haben noch eine Gemeinsamkeit: Wenn sie reflexiv verwendet werden, steht die als-Gruppe heute meistens im Nominativ. Sie bezieht sich auf das Subjekt und nicht auf das Reflexivpronomen:

Er sieht sich als ehrlicher Mensch an.
Napoleon empfand sich als der wiedergekehrte Karl der Große.
Der Betrieb bezeichnet sich als deutscher Marktführer.

Wie „meistens“ oben angibt, ist der Akkusativ selten, aber nicht falsch. Wer sich als eherlichen Menschen ansieht und nicht als ehrlicher Mensch, macht also zumindest sprachlich gesehen keinen Fehler. (Die Beispiele stehen übrigens alle im männlichen Singular, weil die Formen des Nominativs und des Akkusativs sich im weiblichen und sächlichen Singular und im Plural nicht voneinander unterscheiden. Dann stellt sich die Frage der Übereinstimmung nur theoretisch.)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Verinselt

Da ich seit heute beschwerdefrei bin und das Ganze schon länger als fünf Tage dauert, darf ich mich ab morgen wieder vorsichtig außer Haus wagen. Als einer der Letzten in meiner Umgebung war ich, soweit ich weiß, noch vom Virus verschont geblieben, doch vergangenes Wochenende kündigten sich Husten und Kopfschmerzen an und zeigte der Selbsttest zum ersten Mal zwei Streifen. Der zur Kontrolle durchgeführte zweite Test leider auch. Das hieß, dass ich in Isolierung oder Isolation musste – und übrigens auch wollte. Alles halb so schlimm, denn mit mehr als einer mittelschweren Grippe hatte ich es (sehr wahrscheinlich dank Impfungen und Boostern) nicht zu tun. Dies ist dann auch kein Aufruf zu Mitleidsbezeugungen, denn mit Hilfe von Paracetamol, heißem Kräutertee, Hustenbonbons und Schlaf übersteht man so etwas gut.

Während der Isolation fragte ich mich plötzlich, wo denn das n nach dem i geblieben ist. Ich bin nämlich davon ausgegangen, dass das sol in Isolation etwas mit solus = allein zu tun hat, dass man sozusagen solo sein muss. Dazu hätte die Vorsilbe in- gepasst (in solo), aber in  isolieren steht nur ein i, kein in. Die Frage war mir aber nie so wichtig, dass ich diese selbstgestrickte Wortherkunft einmal überprüft hätte.

Was viele schon wissen, wurde mir erst beim Griff zum Herkunftswörterbuch klar: Isolation gehört zu isoliert, das über das französische isolé auf das italienische isolato zurückgeht. Dieses isolato bedeutete zur Insel gemacht und übertragen auch absondern, von allem anderen abtrennen. Ich hätte es wissen können, denn ich kenne das italienische Wort isola = Insel (lat. insula), habe die Isola Bella im Lago Maggiore liegen sehen und weiß u. a. dank „L’amica geniale“ („Meine geniale Freundin“) , dass es eine Fähre Napoli – Isola d’Ischia gibt. Trotzdem bin ich nicht selbst darauf gekommen, dass isoliert ganz wörtlich einfach verinselt bedeutet.

Mir gefällt das Bild der Verinselung viel besser als das banalere Solosein, entsprechend viel besser fühlte ich mich dadurch allerdings auch nicht. Ab morgen bin ich dann wieder entinselt.

Bleiben Sie gesund oder werden Sie es schnell wieder!