Alles, was Sie schon immer über den Strauß wissen wollten

Der Titel verspricht in zweierlei Hinsicht zu viel: Erstens wollten die meisten von Ihnen nur sehr wenig bis gar nichts über das Wort Strauß wissen und zweitens geht es hier vor allem um den Blumenstrauß, ein bisschen um den Vogel Strauß, aber nicht zum Beispiel um bayerische Politiker und österreichische Komponisten dieses Namens. Ich komme nur darauf, weil am heutigen Tag, dem zweiten Sonntag im Mai, wohl überdurchschnittlich viele Blumensträuße verschenkt werden.

Das Wort Strauß mit der Bedeutung Blumenstrauß kommt von einem alten Wort, das wahrscheinlich mit strotzen verwandt ist. Es bezeichnete zuerst u.a. den Federschmuck balzender Vögel, dann aufstehende Helm- und Hutverzierungen und erhielt schließlich die Hauptbedeutung Blumenstrauß. Obwohl dieser Strauß also ursprünglich etwas mit Vogelfedern zu tun hatte, ist er nicht mit dem Vogel Strauß verwandt. Der Name des Vogels geht über das lateinische struthio auf das griechische stroútheios zurück. Dort hatte das Wort allerdings nur zusammen mit megalé (groß) die Bedeutung Strauß, denn struthio allein wurde vor allem für Spatz, Sperling verwendet. Wir haben also ausgerechnet bei diesem Riesenvogel vom großen Spatz der Griechen nur den Spatz übernommen!

Der Blumenstrauß und der Vogel Strauß sind unterschiedliche Wörter, die lautlich zusammengefallen sind. Das zeigt sich auch daran, dass man in der Mehrzahl bei den Blumen die Sträuße, aber bei den Vögeln die Strauße sagt.

Sollten Sie sich, was ich ernsthaft bezweifle, jemals gefragt haben, ob Sie nun einen Strauß gelbe Tulpen oder gelber Tulpen erhalten haben oder ob ein Strauß duftender Flieder oder duftenden Flieders Ihr Wohnzimmer ziert: Beides ist richtig.

ein Strauß gelbe Tulpen
ein Strauß gelber Tulpen

ein Strauß duftender Flieder
ein Strauß duftenden Flieders

Wenn die Blumen in der Mehrzal stehen, gibt es im Dativ sogar drei Varianten:

mit einem Strauß duftendem Flieder
mit einem Strauß duftenden Flieders

mit einem Strauß gelbe Tulpen
mit einem Strauß gelben Tulpen
mit einem Strauß gelber Tulpen

Wenn der Blumenname in der Einzahl und allein steht, kann er nicht im Genitiv stehen:

ein Strauß Flieder
mit einem Strauß Rittersporn
Nicht: *ein Strauß Flieders
Nicht: *mit einem Strauß Rittersporns

Obwohl das alles recht kompliziert aussieht, macht man es in der Regel ganz spontan richtig. Erst wenn man anfängt darüber nachzudenken, kann man so richtig schön ins Zweifeln kommen. Letzteres hat wenig Sinn, denn Blumensträuße sind dazu da, bewundert zu werden. Sie sollten nicht zu grammatischen Grübeleien Anlass geben – außer dann natürlich, wenn man als Dr. Bopp am Muttertag einen Blogeintrag schreibt …

Allen Müttern wünsch ich einen wunderschönen Tag!

Dr. Bopp

Bis oder bis einschließlich?

Frage

Ich habe Urlaub beantragt und im Antrag geschrieben, dass ich Urlaub vom 01.05. bis 08.05. beantrage. Habe ich dann am Achten frei oder muss ich dann schon wieder arbeiten?

Antwort

Guten Tag W.,

im deutschen Sprachgebrauch ist es allgemein üblich, dass Sie dann am 8. Mai noch frei haben. Bei Zeitangaben mit bis verstehen alle, dass bis einschließlich gemeint ist. Wenn ein Zirkus vom 23. bis 26. Juni jeden Abend eine Vorstellung gibt, findet auch am Abend des 26. Juni eine Vorstellung statt. Wenn die Schüler ihre Arbeit bis spätestens Donnerstag abgegeben müssen, können sie dies auch am Donnerstag noch tun. Wenn der Freizeitpark von April bis Oktober geöffnet ist, kann man ihn im Oktober noch besuchen. Und wenn Sie vom 1. bis 8. Mai Urlaub haben, ist der 8. Mai noch ein freier Tag. Genießen Sie ihn!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Geht man über oder durch die Bahnschranke?

Frage

Ich rufe Sie heute um Hilfe an, weil ich mit einer Lebenssituation nicht fertig werde. Sie passierte mir heute schon wieder und ich weiß nicht, ob ich die richtige Präposition gewählt habe. Evtl. habe ich die Bahnschrankenwärterin auch in eine tiefe Präpositions-Sinn-Krise gestürzt.

Ich war heute mit dem Fahrrad unterwegs, wunderschöne Tour am Mittellandkanal entlang, und stand dann irgendwann wieder vor (m)einer Bahnschranke, die sich nach Betätigung einer Sprechtaste öffnet, sofern kein Zug in unmittelbarer Nähe ist.

Mein Satz lautete: „… ich möchte durch die Schranke.“ Ist das richtig? Hätte ich sagen müssen: „… ich möchte über die Schranke“? Wenn die Bahnschranke hochgezogen ist, gehe ich darunter hindurch. Aber das traute ich mich nun wirklich nicht zu sagen.

Welche Präposition ist in diesem Fall richtig?

Antwort

Sehr geehrter Herr R.,

da ich annehme, dass Sie nicht mehr vor der geschlossenen Schranke stehen, kann ich Ihnen bestätigen, dass Sie diese Lebenssituation ausgezeichnet gemeistert haben, ganz gleich, welche Präposition Sie dabei benutzt haben. Ich nehme weiter an, dass die Bahnschrankenwärterin durch die Präposition durch in keinerlei Krise gestürzt wurde. Sie wird diese Präposition schon des Öfteren gehört haben.

Ihre Zweifel entstehen dadurch, dass Sie eigentlich weder über noch durch die Schranke wollen. Sie möchten auch nicht unter ihr hindurch. Sie wollen, dass die Schranke geöffnet wird, damit Sie über die Gleise gehen können. Die wirklich korrekte Frage wäre also:

Könnten Sie bitte die Schranke öffnen? Ich möchte den Bahnübergang benutzen.

Aber auch wenn Sie durch die Schranke sagen, werden Sie im Alltagsleben alle – außer ein paar Spaßvögeln oder Sprachpuristen – ausgezeichnet verstehen, ohne sich zu wundern. Standardsprachlich würde ich diese Form allerdings nicht empfehlen. Die Verwendung von über oder unter ist auf allen Sprachebenen zweifelhaft, denn es ist nicht nur verboten, sondern auch lebensgefährlich, über eine Bahnschranke zu klettern oder unter ihr hindurchzukriechen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eher wie eine Katze als wie ein Hund aussehen

Frage

Stimmt dieser Satz: „Er sieht eher aus wie eine Katze als wie ein Hund.“? Mir ist leider kein besseres Beispiel eingefallen, aber mich interessiert eigentlich nur, ob als wie richtig ist oder ob es anders geschrieben werden muss.

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

der Satz ist richtig:

Er sieht eher aus wie eine Katze als wie ein Hund.

Der so bezeichnete Hund wird sich, sofern er es versteht, zwar beleidigt fühlen, aber grammatisch ist die Aussage korrekt. Das Vergleichswort als kann auch vor wie stehen, wenn mit einer mit wie anfangenden Wortgruppe verglichen wird:

Er benimmt sich eher wie ein Rüpel als wie ein Gentleman.
Du solltest besser ganz ruhig als wie ein Formel-1-Pilot fahren.

Dies gilt auch für als vor als:

Sie sieht sich eher als Performerin als als klassische Schauspielerin.
Man verdient als Chef mehr als als Hilfsarbeiter.

Hier kann zur Vermeidung von doppeltem als auf denn ausgewichen werden:

Sie sieht sich eher als Performerin denn als klassische Schauspielerin.

Das ist aber nicht zwingend. In meinen Ohren klingt es auch ein bisschen veraltet oder sehr gehoben. Wenn einen das doppelte als stört, kann man oft auch einfach eine andere Formulierung verwenden. Zum Beispiel:

Ein Chef verdient mehr als ein Hilfsarbeiter.

Standardsprachlich nicht korrekt ist es allerdings, das Vergleichswort als durch wie zu ersetzen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Bis nächstes Ostern oder bis nächste Ostern?

Frage

Ich stehe wieder vor einem kleinen Rätsel:

Wenn Sie das Marmorieren oder die Serviettentechnik noch nicht beherrschen, können Sie sich mit Stickern und Abziehbildchen helfen und die beiden Techniken bis zum nächsten Ostern lernen

Diese Formulierung behagt mir aber nicht. Ich würde entweder schreiben bis zum nächsten Osterfest oder bis nächste Ostern. Bei der letzteren Variante bin ich jedoch unsicher.

Antwort

Sehr geehrte Frau S.,

wie Sie mit dem Wort Ostern umgehen, scheint davon abhängig zu sein, woher Sie kommen oder wo Sie sind. Im südlichen deutschen Sprachraum ist Ostern ein Pluralwort. In Nord- und Mitteldeutschland ist es ein sächliches Singularwort. Sie schreiben also je nachdem:

bis nächste Ostern
bis nächstes Ostern

Die etwas schwerfälligen Formulierungen bis zu den nächsten Ostern und bis zum nächsten Ostern sind ebenfalls möglich. Was immer Sie auch wählen, ein Teil der Leserschaft wird sich über die Formulierung wundern. Wenn nicht der Süden den Kopf schüttelt, dann ist der Norden unzufrieden. Deshalb empfehle ich Ihnen, den Satz anders zu formulieren, wenn Sie den gesamten deutschen Sprachraum ansprechen wollen:

bis dieses Jahr Ostern bzw. bis nächstes Jahr Ostern
bis zum nächsten Osterfest

Ganz Ähnliches gilt auch für Pfingsten und Weihnachten.

Wenn es wie jetzt gar nicht mehr so lange dauert, kann man auch einfach sagen:

bis Ostern

So zum Beispiel in der folgenden Gewissensfrage: Gelingt es Ihnen, den je nach Region und Größe des Geschäfts zentner- bis tonnenweise angebotenen Süßigkeiten in Eiform bis Ostern zu widerstehen? Ich gestehe: Es ist mir nicht gelungen. Die kleinen Schokoladeneier mit Fondant- und Haselnussfüllung und die Nougateier schmecken einfach zu gut! Ich versuche allerdings, mich der Tradition und meiner Gesundheit zuliebe bis Ostern einigermaßen zurückzuhalten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Anzahl Sekunden seit Mitternacht

Frage

Das Wort Mitternacht wird ja im allgemeinen ohne Artikel verwendet: Es ist Mitternacht. Wenn ich jetzt aber den Sachverhalt die Anzahl Sekunden, die vergangen ist, seit es das letzte Mal Mitternacht war verkürzt ausdrücken möchte, komme ich nicht umhin, einen Artikel zu benutzen: die Anzahl Sekunden seit der letzten Mitternacht. Der Artikel hört sich hier fehl am Platze an. Eine Formulierung wie die Anzahl Sekunden seit Mitternacht lässt aber meiner Meinung nach eine Interpretation bzgl. dessen zu, „welche“ Mitternacht gemeint ist. Daher halte ich die Konkretisierung letzte Mitternacht für notwendig.

Außerdem habe ich mal gehört, dass Deutsch sich besonders gut als Wissenschaftssprache eignet, weil in ihr Sachverhalte sehr exakt ausgedrückt werden können, wobei andere Sprachen, wie Englisch oder Russisch eine vergleichbare Eindeutigkeit entweder gar nicht erreichen, oder nur durch umständliche und lange Formulierungen.

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

es ist mir auch schon zu Ohren gekommen, dass das Deutsche besonders gut für wissenschaftliche und technische Beschreibungen geeignet sei. Ich kann das aber einfach nicht so recht glauben, denn auch das Deutsche besteht wie andere Sprachen aus viel mehr Mehrdeutigkeiten und „Ungenauigkeiten“ als präzise definierten Begriffen und Relationen. Außerdem waren das Russische und das Englische doch wissenschaftlich genug, um eine Technik hervorzubringen, mit der Menschen in den Weltraum geschickt werden können. Auch in Frankreich, im Land, das man mit Chic und guter Küche, aber (zu Unrecht!) nicht mit Wissenschaft assoziiert, fuhren zum Beispiel die TGVs um einiges früher als in deutschen Landen die ICEs. Der deutsche Sprachraum hat ebenfalls viele technische und wissenschaftliche Leistungen hervorgebracht, aber ob dabei die Struktur der Sprache einen Vorteil gegenüber anderen geliefert hat, wage ich zu bezweifeln.

Zu Ihrer Frage: Das Wort Mitternacht wird im Prinzip ohne Artikelwort verwendet. Eine Formulierung wie letzte Mitternacht klingt deshalb ungewöhnlich, aber ausgeschlossen ist sie nicht. Wendungen wie die Anzahl Sekunden seit letzter Mitternacht oder die Anzahl Sekunden seit der letzten Mitternacht sind jedenfalls gut verständlich.

Aber auch die Formulierung die Anzahl Sekunden seit Mitternacht finde ich eigentlich präzise genug. Kaum jemand nimmt wohl an, dass damit Mitternacht vor zwei oder drei Tagen gemeint sein könnte. Mathematisch-logisch ist das natürlich möglich, aber im konkreten Sprachgebrauch – auch unter Technikern und Wissenschaftlern; nur bei Juristen wäre ich da vorsichtiger – eher eine Spitzfindigkeit. Außerdem gibt die Anzahl der Sekunden an, ab „welcher“ Mitternacht gemessen worden ist. Wenn es weniger als 86.400 Sekunden sind, kann es sich nur um die letzte Mitternacht gehandelt haben. Aber wenn Sie wirklich präzise formulieren wollen, gibt es Möglichkeiten wie diese:

die Anzahl Sekunden seit der letzten Mitternacht
die Anzahl Sekunden seit 00.00 Uhr des betreffenden Tages

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Willkommen „zu“ meiner Webseite?

Frage

In letzter Zeit fällt mir immer öfter das Wort zu im Zusammenhang mit willkommen auf. Heißt es tatsächlich willkommen zu meiner Webseite? Und heißt es willkommen bei der Eröffnung oder auf der Eröffnung? Wann benutze ich auf, bei oder zu und gibt es dazu eine Regel?

Antwort

Sehr geehrte Frau O.,

auch meine Ohren stören sich an der Formulierung willkommen zu meiner Webseite. Woran könnte das liegen? Eine genaue Regel zu dieser Frage kenne ich nicht, aber im Allgemeinen kann ich die folgenden Tendenzen beobachten:

Wenn man an einem Ort willkommen geheißen wird, wählt man die Präposition, die man bei der betreffenden Ortsbezeichnung auf die Frage wo? verwendet:

willkommen in Innsbruck (wo? – in Innsbruck)
willkommen auf dem Reiterhof
willkommen am Niederrhein
willkommen bei Canoo
Seid hoch willkommen unter meinem Dach! (Schiller: Willhelm Tell, 1. Akt, 4. Szene)

Man wählt zu, wenn man jemanden zu einem Geschehen, einem Ereignis u. Ä. willkommen heißt:

willkommen zur Eröffnung der Ausstellung
willkommen zur Konferenz
willkommen zum 60. ordentlichen Kreisparteitag
willkommen zu unserem Gartenfest

Hier sind auch andere Formulierungen möglich. Zum Beispiel:

willkommen bei der Eröffnung der Ausstellung
willkommen bei der Konferenz
willkommen auf unserem Gartenfest

Formulierungen wie die folgenden klingen deshalb nicht richtig, weil es sich nicht um ein Ereignis oder Geschehen, sondern (im weiteren Sinne) um einen Ort handelt:

willkommen zu meiner Webseite
willkommen zur Homepage der Familie X
willkommen zur Firma Y
willkommen zum Hotel California

Viel besser klingt:

willkommen auf meiner Webseite
willkommen auf der Hompage der Familie X
willkommen bei der Firma Y
willkommen im Hotel California

Das gilt auch dann, wenn die Homepage dynamisch so gut durchdesignt ist, dass sich alles auf ihr irgendwie bewegt. Es gilt auch trotz der Tatsache, dass die Eagles singen „Welcome to the Hotel California“. Letzteres soll nur ein leiser Hinweis darauf sein, dass viele der weniger gut klingenden willkommen zu dem Einfluss des Englischen zuzuschreiben sein könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine Million Menschen kam oder kamen?

Frage

Unser Professor erwähnte in seinem Vortrag, dass die Formulierung Eine Million Menschen kamen zu XY falsch sei, da das Verb durch eine Million in der Einzahl stehen müsse. Ist das korrekt, oder gilt die Regel, dass das Subjekt im Plural steht und darum auch das Verb im Plural stehen muss?

Antwort

Guten Tag M.,

in der Mengenangabe eine Million Menschen ist das Substantiv Million der Kern der Wortgruppe, der durch das Attribut Menschen näher bestimmt wird. Rein formal hat ihr Professor deshalb recht, wenn er sagt, dass bei einem solchen Subjekt das Verb in der Einzahl stehen müsse.

Eine Million Menschen kam zu diesem Anlass.
Ein Pfund Nudeln reicht nicht.
Eine Anzahl teure Designerbrillen wurde gestohlen.

Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Das Verb wird oft nicht formal der Maßbezeichnung (dem Wortgruppenkern) sondern sinngemäß dem Gemessenen (dem Attribut) angeglichen. Dies geschieht bei Maßbezeichnungen in der Einzahl  mit einem Attribut in der Mehrzahl:   

Eine Million Menschen kamen zu diesem Anlass.
Ein Pfund Nudeln reichen nicht.
Eine Anzahl teure Designerbrillen wurden gestohlen.

Ihr Professor hat also nicht ganz recht. Nach eine Million Menschen kann das Verb auch in der Mehrzahl stehen. Strengere Grammatiker finden oder fanden die Mehrzahl hier zwar nicht korrekt, aber nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und zum Beispiel auch der Dudengrammatik ist sowohl eine Million Menschen kam als auch eine Million Menschen kamen korrekt. Sehen Sie hierzu auch diese Seite in Canoonet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Über oder mehr als 100 000 Menschen?

Frage

Ständig lese ich der Zeitung – hören kann ich es selbstverständlich auch –:

Über 100 000 Menschen haben es bereits gesehen.

Meiner Kenntnis nach ist das Wort über falsch gebraucht. Es gehört in die Gruppe von an, auf, in, über, vor und zwischen. Ich meine, dass es mehr als heißen muss. Liege ich richtig?

Antwort

Sehr geehrter Herr G.,

das Wörtchen über wird im Deutschen – auch in der Standardsprache – vor Kardinalzahlen mit der Bedeutung mehr als verwendet:

Wir haben über eine halbe Stunde gewartet.
ein Stadt mit über 100 000 Einwohnern
die über siebzehn Jahre alten Jugendlichen

Dieser Gebrauch ist allgemein verbreitet, gebräuchlich und akzeptiert. Er wird in allen größeren Wörterbüchern angegeben.

Das ist eigentlich gar nichts Außergewöhnliches. Das Wort über gehört tatsächlich in die Reihe der Wörter wie an, auf, in, hinter, über, unter, vor, zwischen. Diese Wörter haben eine räumliche Bedeutung. Sie geben an, wie verschiedene Objekte im Raum zueinander stehen. All diese Wörter werden aber nicht nur räumlich, sondern auch in „übertragenem“ Sinne verwendet. Sehr typisch sind zeitliche Verwendungen. Die räumliche Anordnung wird in bildlichem Sinne auf die Zeit übertragen. Beispiele sind:

in dieser Woche
über
die Feiertage
vor drei Tagen
zwischen
Weihnachten und Neujahr
am Montag
die Nacht auf den Dienstag
usw.

Damit haben sie ihre Rolle in der Sprache aber noch lange nicht ausgespielt. Sie werden nämlich auch mit anderen Bedeutungen und Funktionen verwendet. Sehen Sie anhand einiger Beispiele, wo das Wörtchen über überall auftauchen kann :

über etwas nachdenken
über
alle Maßen
über
kurz oder lang
über
dem Stricken einnicken
drei Grad über Null
über
drei Meter breit
den ganzen Tag über
u.a.m.

Auch die Wendung über 100.000 Menschen mit der Bedeutung mehr als 100.000 Menschen ist, wie bereits gesagt, allgemein übliches, korrektes Deutsch.

Man verwendet ein ganz ähnliches, aus dem Räumlichen übertragenes Bild, wie wenn man von einer hohen oder einer höheren Zahl spricht. Ganz wörtlich, das heißt räumlich gesehen, sind alle Zahlen gleich „hoch“ oder „niedrig“. Als abstrakte Begriffe nehmen sie ja keinen Raum ein. Erst im übertragenen Sinne kann man sagen, dass zwanzig eine höhere Zahl ist als zehn. Das Bild stammt wohl daher, dass zum Beispiel ein Stapel von zwanzig Steinen, Holzblöcken oder Büchern höher ist als ein Stapel von zehn. Wenn es also um mehr als 100.000 Menschen geht, ist ihre Zahl höher als 100.000, d.h. sie liegt über 100.000. Von hier aus ist es dann kein großer Schritt mehr bis zu über 100.000 Menschen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Des Kanton Zürichs, des Bezirk Rostocks, des Land Kärntens: immer dieser Genitiv!

Frage

Was ist richtig: des Kantons Zürich oder des Kanton Zürichs? Im Internet finde ich beide Schreibweisen – oft sogar im gleichen Dokument.

Antwort

Sehr geehrter Herr G.,

richtig ist des Kantons Zürich. Der sogenannte Kern der Wortgruppe ist hier Kanton. Zürich ist eine genauere Bestimmung (hier: Apposition), die hinter diesem Kern steht. Bei dieser Art geographischer Bezeichnungen wird nur der Kern der Wortgruppe gebeugt:

der Kanton Zürich – des Kantons Zürich

Andere Beispiele:

der Stadtteil St. Pauli  –  des Stadtteils St. Pauli (nicht: des Stadtteil St. Paulis)
der Weiler Heuberg  –  des Weilers Heuberg (nicht: des Weiler Heubergs)
der Bezirk Rostock  –  des Bezirks Rostock (nicht: des Bezirk Rostocks)
das Land Kärnten  –  des Landes Kärnten (nicht: des Land Kärntens)
die Stadt New York  – der Stadt New York (nicht: der Stadt New Yorks)

Sehen Sie hierzu auch diese Grammatikangaben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp