Leipziger Allerlei im Genitiv

Frage

Heute eine Frage zur (Weglassung der) Flexionsendung: Heißt es „wie im Falle des ‚Leipziger Allerlei‘“ oder „wie im Falle des Leipziger Allerleis“? „Leipziger Allerlei“ steht in dem betreffenden Text in Anführungszeichen, deshalb bin ich mir nicht sicher. Meiner Meinung nach müsste es „Allerleis“ heißen. Stimmen Sie mir zu?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

richtig ist hier eigentlich die Beugung des Namens des Gerichtes:

im Falle des Leipziger Allerleis
im Falle des „Leipziger Allerleis“

Immer häufiger kommt aber bei Bezeichnungen dieser Art – wie bei Eigennamen mit Artikel (siehe hier) – auch in der Standardsprache die Variante ohne Genitiv-s vor:

im Falle des Leipziger Allerlei
im Falle des „Leipziger Allerlei“

Wie die Beispiele zeigen, spielt es dabei im Prinzip keine Rolle, ob der Name in Anführungszeichen steht oder nicht.

Ich würde hier die Varianten mit der Genitivendung empfehlen, aber bei Leipziger Allerlei ist die endungslose Variante mindestens ebenso üblich. Nicht empfehlen würde das Weglassen der Endung bei Gerichten u. Ä. die noch näher an „gewöhnlichen“ Wörtern liegen. Sie sagen und schreiben also besser nicht des Schwarzwälder Schinken oder eines Wiener Schnitzel, sondern des Schwarzwälder Schinkens und eines Wiener Schnitzels.

Ob mit oder ohne Genitiv-s: Hauptsache, es schmeckt!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Wer nicht weiß, was Leipziger Allerlei ist, schaut zum Beispiel hier nach.

»Sitz!« und »Setz!«

Frage

Ich verzweifle am Imperativ der zweiten Person Singular des Verbs „sitzen“. Grammatikalisch richtig scheint mir „sitz“. Dabei denke ich aber automatisch und ausschließlich an einen Hund. Wie sage ich zu meinem Kind? Intuitiv „setz“, was aber wohl falsch ist. Laut Internet „sitze“, was ich aber noch nie gehört habe.

Können Sie mir weiterhelfen?

Antwort

Guten Tag Herr M.,

der Imperativ der zweiten Person Einzahl von sitzen ist sitz oder sitze. Beide Formen sind korrekt und es gibt keinen Bedeutungsunterschied. Dieser Imperativ sieht etwas seltsam aus, wenn er ganz alleine steht. So kommt er eigentlich nur als Kommando für einen Hund vor:

Sitz!

Ganz alleine kommt die Form sonst nicht vor. Für die Aufforderung, mit dem Sitzen anzufangen, verwenden wir setzen (setz dich!). Wenn jemand schon sitzt, kann man nur noch befehlen, sitzen zu bleiben (bleib sitzen!),  oder angeben, wie man sitzen bzw. nicht sitzen soll.

In Verbindung mit passenden anderen Wörtern sieht der Imperativ von sitzen deshalb schon viel „normaler“ aus:

Sitz still! / Sitze still!
Sitz gerade! / Sitze gerade!
Sitz nicht einfach nur faul herum! / Sitze nicht einfach nur faul herum!

Die Form setz gehört nicht zu sitzen, sondern zum Verb setzen. Sie können zum Beispiel sagen:

Setz dich und sitz still!

Manche Wortformen benötigen einen Zusammenhang, damit sie nicht seltsam oder ungewöhnlich aussehen. Ohne (obligatorische) Ergänzungen machen Imperative wie fall, finde, lieg oder tritt einen seltsamen Eindruck. Erst im Zusammenhang sind sie eigentlich sinnvoll:

Pass auf, fall nicht!
Finde die Lösung.
Lieg nicht den ganzen Tag im Bett!
Tritt nicht ins Fettnäpfchen!

Bei anderen Verben gibt es den Imperativ nur theoretisch, weil sie einen Vorgang bezeichnen, zu dem man gar nicht auffordern kann. Beispiele sind: besitz, gäre, glimme, quill, sprieß, stink u.v.a.m. Sehr oft sind Imperative dieser Art aber nicht unmöglich, nur unüblich. Siehe zum Beispiel:

Besitze nicht, sondern teile!
Glimm weiter, Feuer, geh nicht aus!
Stink nicht so, geh duschen, du Penner!

Viele Wörter und Wortformen – auch Imperative – erhalten ihre ganze Bedeutung erst im Zusammenhang.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Titel und Eigenname im Genitiv: im Leben des Pater[s] Pio

Frage

Ich bin Korrektorin und versuche mich gerade zu rechtfertigen, warum ich den Titel „Ein Tag im Leben des Pater Bio“ (ohne Genitiv-s bei „Pater“) habe durchgehen lassen. […] Ich selbst hätte zwar das Genitiv-s gesetzt, es klang aber ohne nicht völlig falsch, und ich hatte wohl auch Hochachtung vor dem Autor, der sich im Gegensatz zu mir in Kirchenbelangen auskennt.

Antwort

Guten Tag Frau Z.,

bei erweiterten Eigennamen im Genitiv ist es gar nicht so einfach, ob und wie man beugen soll. Entscheidend ist dabei, ob ein Artikel mitspielt oder nicht.

Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufsbezeichnungen, Anredeformen, Titel u. Ä. gehören zum Namen, wenn sie ohne Artikelwort verwendet werden. Dekliniert wird der ganze Name:

Tante Annas Cabriolet
König Arthurs Tafelrunde
die Tafelrunde König Arthurs
Pater Browns Geheimnisse
Pater Pios Leben

Wenn sie von einem Artikelwort begleitet werden, sind Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufsbezeichnungen, Anredeformen, Titel u. Ä. in der Regel nicht Teil des Namens und werden gebeugt. Der Name ist Apposition und bleibt ungebeugt:

das Cabriolet meines Onkels Anton
die Tafelrunde des Königs Arthur
die Geheimnisse des Paters Brown
das Leben des Paters Pio

In formeller oder gehobener Sprache können solche Verbindungen aber auch mit Artikel als Ganzes als Name aufgefasst werden. Allgemein gilt, dass nachgestellte Personennamen mit Artikel im heutigen Deutschen ungebeugt bleiben:

das Spielzeugauto des kleinen Joachim
das sagenhafte Reich der Kleopatra

Entsprechend bleiben auch diese Verbindungen endungslos, wenn sie als Ganzes als Eigennamen aufgefasst werden:

das Vermögen des Onkel Dagobert
die Tafelrunde des König Arthur
die Geheimnisse des Pater Brown
das Leben des Pater Pio

Immer zum Namen gerechnet wird übrigens der Titel Doktor, auch wenn er mit einem Artikel daherkommt:

der Blog des Doktor Bopp

Sie haben also Ein Tag im Leben des Pater Pio zu Recht durchgehen lassen. Es klingt nicht falsch, weil es in eher gehobenem/formellem Sprachgebrauch möglich ist, die Verbindung ‘Titel + Name’ auch mit Artikel als Ganzes wie einen Eigennamen zu behandeln. In „neutralerem“ Sprachgebrauch hätte auch ich Ein Tag im Leben des Paters Pio gewählt – oder ohne Artikel: Ein Tag in Pater Pios Leben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gebeugte Werktitel: die Hauptrolle in Shaws „Die Heilige Johanna“ / in Shaws „Heiliger Johanna“

Frage

Ich habe mal wieder eine Frage, und zwar betrifft es die Deklination von Film- oder auch Buchtiteln. Hier ein Beispiel: Welche Formulierung ist richtig?

Ich spielte die Hauptrolle in Shaws „Die Heilige Johanna“
Ich spielte die Hauptrolle in Shaws „Heiliger Johanna“

Antwort

Guten Tag Frau R.,

wieder einmal gibt es mehr als nur eine Möglichkeit. Beides ist nämlich möglich und richtig.

Im Prinzip werden mehrteilige Werktitel im Text gleich gebeugt wie „gewöhnliche“ Wortgruppen. Man kann und darf Titel verändern, indem man sie beugt (soweit es möglich ist*). Es heißt demnach:

Für „Die heilige Johanna“ erhielt Shaw 1925 den Nobelpreis
Ich spiele die Hauptrolle in Shaws „Heiliger Johanna“.
Bernhard Shaw hat dies im Vorwort seiner “Heiligen Johanna” sehr gut beschrieben.

Welcher klassische Komponist hat „Eine kleine Nachtmusik“ geschrieben?
Das Konzert startet mit Mozarts „Kleiner Nachtmusik“.
eine Neuaufnahme der „Kleinen Nachtmusik“

Bis heute hat „Der dritte Mann“ nichts von seiner Faszination verloren.
Das Burg-Kino zeigt den „Dritten Mann“ jeden Dienstag.
die schillernde Entstehungsgeschichte des „Dritten Mannes“

Wie oft wurde „Das fliegende Klassenzimmer“ von Erich Kästner verfilmt?
das im Jahr 1933 erschienene „Fliegende Klassenzimmer“
ein Zitat aus dem „Fliegenden Klassenzimmer“

Es ist heute aber immer üblicher, den Werktitel als Ganzes ungebeugt zu lassen. Einige der oben stehenden Formulierungen klingen auch ein bisschen seltsam (vor allem ohne weiteren Kontext). Für alle Beispiele mit gebeugtem Titel gibt es auch eine Variante mit unverändertem Titel:

Ich spiele die Hauptrolle in Shaws „Die heilige Johanna“.
Bernard Shaw hat dies im Vorwort zu „Die heilige Johanna“ sehr gut beschrieben.

Das Konzert startet mit Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“.
eine Neuaufnahme von „Eine kleine Nachtmusik“

Das Burg-Kino zeigt „Der dritte Mann“ jeden Dienstag.
die schillernde Entstehungsgeschichte von „Der dritte Mann“

das im Jahr 1933 erschienene „Das fliegende Klassenzimmer“
ein Zitat aus „Das fliegenden Klassenzimmer“

Dies wiederum klingt in einigen Fällen ziemlich holprig. Es ist deshalb stilistisch oft besser, dem unveränderten Titel ein beschreibendes Substantiv vorangehen zu lassen. Zum Beispiel:

Bernard Shaw hat dies im Vorwort zu seinem Stück „Die heilige Johanna“ sehr gut beschrieben.

eine Neuaufnahme der Serenade „Eine kleine Nachtmusik“

die schillernde Entstehungsgeschichte des Filmklassikers „Der dritte Mann“

ein Zitat aus dem Roman „Das fliegenden Klassenzimmer“

Mit etwas Flexibilität und Stilgefühl findet man also immer eine oder zwei passende Formulierungen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

* Dies alles gilt nur für Titel, die Substantivgruppen sind, die sich grammatisch in einen laufenden Text integrieren lassen. Nicht gebeugt werden können also Titel wie zum Beispiel „Vom Winde verweht“, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, „Der Junge muss an die frische Luft“ oder „Zur See“.

Wusste der Onkel nicht mehr, wo er war oder wo er ist?

Frage

Mich quält seit einiger Zeit die Frage, wie der folgende Satz eigentlich richtig lautet:

Mein Onkel war verwirrt, er wusste gestern nicht mehr, wo er war.

Oder müsste es wie folgt heißen:

Mein Onkel war verwirrt, er wusste gestern nicht mehr, wo er ist.

Ich denke, ich würde es spontan vielleicht sogar richtig sagen, doch sobald man anfängt über etwas nachzudenken, geht es nicht mehr.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

es gibt im Deutschen kaum feste Regeln zur Abfolge der Zeiten. Vieles ist möglich. Welche Zeitform man in Ihrem Beispiel wählt, hängt unter anderem davon ab, ob ein Gegenwartsbezug besteht oder nicht.

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er ist.

Hier wird ein deutlicher Gegenwartsbezug hergestellt. Der Onkel ist zum Sprechzeitpunkt immer noch an demselben Ort, an dem er auch gestern war (und normalerweise ist).

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er war.

Hier wird kein Gegenwartsbezug hergestellt. Es wird nichts darüber ausgesagt, ob der Onkel zum Sprechzeitpunkt noch am gleichen Ort wie gestern ist oder ob er jetzt an einem anderen Ort ist. Was zutrifft, ergibt sich (wenn es überhaupt wichtig ist) aus dem weiteren Zusammenhang. Zum Beispiel:

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er war, aber jetzt ist er wieder zu Hause und nicht mehr verwirrt.

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er ist/war, aber jetzt erkennt er sein Zimmer wieder.

Das Präteritum wusste im Hauptsatz und das Verb sein in Nebensatz machen die Wahl für war in diesem Satz wahrscheinlicher. Falsch ist ist aber nicht. Vgl. zum Beispiel:

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er wohnt.
Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er wohnte.

Hier sind sogar noch weitere Zeitverhältnisse denkbar. Welche Zeitform man in solchen Fällen wählt, ist also eine Frage, die sich oft nicht so einfach und eindeutig beantworten lässt. Wichtig für das genaue Verständnis ist nicht unbedingt die gewählte Zeitform, sondern – wie so oft – der engere und weitere Zusammenhang.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn der Genitiv nicht passt: „mittels welches“

Frage

Ich hätte eine Frage zum Kasus bei Verwendung der Präposition „mittels“ und zur Deklination des Pronomens „welcher“. Der fragliche Satz lautet in etwa:

a) Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels welches der Sitz verstellt werden kann.
b) Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels welchen der Sitz verstellt werden kann.
c) Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels welchem der Sitz verstellt werden kann.

Die Präposition „mittels“ wird normalerweise mit dem Genitiv verwendet. Das wäre dann also „mittels welches“ oder „mittels welchen“ […] Zudem gibt es noch die Regel, dass der Dativ verwendet wird, wenn der Genitiv nicht erkennbar ist. Welche Formulierung ist nach Ihrer Ansicht richtig?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

das Relativpronomen welcher/welche/welches wird je nach der Form nur selten oder gar nicht im Genitiv verwendet. Selten ist die Verwendung der Genitivform welcher (Singular weiblich und Plural):

die Frau, welcher wir gedenken
(üblicher: deren/derer wird gedenken)
die Vorrichtungen, mittels welcher …
(üblicher: mittels deren/derer …)

Nicht gebraucht wird die Genitivform welches (Singular männlich und sächlich). Das gilt auch für die Genitivform welchen. Man weicht dann auf die Genitivform dessen von der/die/das aus:

der Mann, dessen wir gedenken
(nicht: welches o. welchen wir gedenken)
das Instrument, mittels dessen …
(nicht: mittels welches o. welchen …)

Es hier ist standarsprachlich nicht üblich, auf den Dativ auszuweichen (mittels welchem), da es die Möglichkeit gibt, dessen zu verwenden.

Für Ihren Satz bedeutet dies, dass Sie zum Beispiel wie folgt formulieren können:

Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels dessen der Sitz verstellt werden kann.
Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mit dem der Sitz verstellt werden kann.
Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mit welchem der Sitz verstellt werden kann

Dasselbe oder Ähnliches gilt auch für andere allein stehende Pronomen wie zum Beispiel dieser, keiner, jeder, alles.

nicht: Ich bediene mich dieses statt jenes.
sondern: Ich bediene mich dieser statt jener Sache.

nicht: Das kommt im Leben jedes vor.
sondern: Das kommt im Leben eines jeden / jedes Menschen vor.

nicht: das Beste alles
sondern: das Beste von allem

Das ist bei weitem nicht alles, was es zu diesem Thema zu sagen gäbe. Eine Schlussfolgerung dieses könnte sein – nein – eine Schlussfolgerung hieraus könnte sein: Wen wundert es, dass der Genitiv es manchmal schwer hat, wenn er sich so „zickig“ verhält!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Teilweise trennbare Verben: ich inlineskate, habe inlinegeskatet

Frage

Könnten Sie mir bitte kurz Ihre Meinung zu folgenden Verbformen mitteilen:

ich skate inline
ich habe inlinegeskatet

Bei Duden steht für die 3.Person komischerweise nur die Form:

er/sie/es inlineskatet

Antwort

Guten Tag Frau K.,

das Verb inlineskaten gehört zu einer speziellen Gruppe von Verben, die auch in Hauptsatzstellung untrennbar sind, obwohl die Hauptbetonung nicht auf dem Verb liegt.

Normalerweise sind präfigierte und zusammengesetzte Verben trennbar, wenn sie auf dem ersten Teil betont sind. Sie sind untrennbar, wenn das Verb die Hauptbetonung trägt. Ein bekanntes Beispiel ist umfahren:

úmfahren (fahrend umwerfen): ich fahre um, habe umgefahren
umfáhren (darum herumfahren): ich umfahre, habe umfahren

Wenn man Beulen vermeiden will, ist es also meist besser, ein Hindernis zu umfahren, als es umzufahren.

Ebenso zum Beispiel:

wégfahren, ich fahre weg, bin weggefahren
befáhren, ich befahre, habe befahren

téílnehmen, ich nehme teil, habe teilgenommen
entnéhmen, ich entnehme, habe entnommen

Einige wenige Verben entziehen sich diesem Schema. Sie sind untrennbar, obwohl sie auf dem ersten Teil betont sind. Zum Beispiel:

doppelklicken, ich doppelklicke
missverstehen, ich missverstehe
notlanden, ich notlande
inlineskaten, ich inlineskate

Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Verben häufig (aber nicht immer) beim Partizip Perfekt und beim mit zu erweiterten Infinitiv eine Art trennbare Form haben:

doppelgeklickt, doppelzuklicken
(missverstanden), misszuverstehen
notgelandet, notzulanden
inlinegeskatet, inlinezuskaten (auch: zu inlineskaten)

Siehe auch die Angaben in der LEO-Grammatik auf dieser Seite unter Untrennbare Verben mit „getrennten“ Formen.

Außer missverstehen kommen die Verben dieser Art eher selten und vor allem im Infinitiv vor. Es führt deshalb schnell zu Unsicherheit, wenn sie einmal anders als im Infinitiv verwendet werden sollen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Blumen sind verblüht – Perfekt oder Präsens?

Frage

Ich hätte eine Frage zu folgendem Satz: „Dann war er plötzlich verschwunden und sie wunderte sich, was mit ihm passiert war.“ Hier ist „war verschwunden“ ein Plusquamperfekt. Das Wort „verschwunden“ kann aber auch einfach als Adjektiv verwendet werden. Wie kann ich erkennen, ob „verschwunden“ als Partizip II oder als Adjektiv genutzt wird? Zum Beispiel im folgenden Satz: „Der Kugelschreiber war verschwunden“? […]

Antwort

Guten Tag Herr L.,

bei gewissen intransitiven Verben sieht das Perfekt oder Plusquamperfekt, das mit sein gebildet wird, und das adjektivisch verwendete Partizip mit sein genau gleich aus:

Die Blumen sind verblüht = Perfekt von verblühen
Die Blumen sind verblüht = Präsens von verblüht sein

Das Wasser war gefroren = Plusquamperfekt von gefrieren
Das Wasser war gefroren = Präteritum von gefroren sein

Der Kugelschreiber war verschwunden = Plusquamperfekt von verschwinden
Der Kugelschreiber war verschwunden = Präteritum von verschwunden sein

Ohne Kontext lässt sich nicht entscheiden, ob ein Vorgang im Perfekt bzw. Plusquamperfekt oder ein Zustand im Präsens bzw. Präteritum gemeint ist. Häufig ergibt sich aus dem Zusammenhang, welche Zeitform gemeint ist:

Die Blumen sind vor einiger Zeit verblüht (Vorgang → Perfekt)
Die Blumen sind seit einiger Zeit verblüht (Zustand → Präsens)

Der Teich ist über Nacht gefroren (Vorgang → Perfekt)
Der Teich ist drei Monate lang gefroren (Zustand →Präsens)

Der Kugelschreiben war plötzlich verschwunden (Vorgang → Plusquamperfekt)
Der Kugelschreiber war immer noch verschwunden (Zustand → Präteritum)

Aber auch mit Kontext ist es oft nicht möglich, eine genaue Unterscheidung zu machen:

Es sieht traurig aus, weil alle Blumen verblüht sind.
Es war sehr kalt. Das Wasser war gefroren.

Das ist aber kein großes Problem, denn es ist in solchen Fällen häufig gar nicht wichtig, ob der Vorgang oder dessen Resultat bezeichnet wird. Ob der Kugelschreiber plötzlich verschwunden ist oder schon seit Längerem verschwunden ist, schreiben kann man damit nicht. Und der Zustand verblühter Blumen (sind verblüht) ergibt sich aus dem Vorgang des Verblühens (sind verblüht). Für einen Blumenstrauß taugen sie sowieso nicht mehr.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Braucht man diese Form: Konjunktiv II Futur II Zustandspassiv („würde geöffnet gewesen sein“)?

Falls Sie komplizierte Verbformen mögen, hier noch einmal das Passiv im Futur, aber diesmal das Zustandspassiv im Konjunktiv II.

Frage

Ist es richtig, dass Konjunktiv II-Formen im Futur beim Zustandspassiv aus semantischer Sicht nicht unbedingt Sinn machen?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

wenn ich Sie richtig verstehe geht es um die die Formen des Konjunktivs II Futur I und Futur II im Zustandspassiv. Für die Beispielverben öffnen und erledigen sehen diese Formen so aus:

Futur I Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet sein
würde erledigt sein

Futur II Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet gewesen sein
würde erledigt gewesen sein

Die Frage ist nun nicht so sehr, ob die diese Konjunktivs-II-Formen Sinn machen oder nicht. Der Konjunktiv II hat in der Regel keine ganz bestimmte Bedeutung. Er ist vielmehr an bestimmte Satzarten gebunden (siehe hier). So hat der Konjunktiv II Futur meist nichts mit Zukunft zu tun. Die Frage lautet deshalb meiner Meinung nach eher, ob solche Formen verwendet werden.

In vielen Fällen sind die Formen, um die es hier geht, stilistisch zweifelhaft. Man verwendet in der Regel nicht die würde-Formen, sondern die einfachen Konjunktiv-II-Formen.

Also besser nicht:

Wenn die Tür geöffnet sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt sein würde

Wenn die Tür geöffnet gewesen sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen sein würde

Ach, wenn die Tür nur geöffnet sein würde!

Würde die Aufgabe nur schon erledigt gewesen sein!

sondern:

Wenn die Tür geöffnet wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt wäre

Wenn die Tür geöffnet gewesen wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen wäre

Ach, wenn die Tür nur geöffnet wäre!

Wäre die Aufabe nur schon erledigt gewesen!

Ausgeschlossen sind die Formen aber nicht, zum Beispiel als Zukunft in der Vergangenheit:

Noch war die Tür geschlossen, aber bald würde sie geöffnet sein.
Ich glaubte damals nicht, dass die Aufgabe bald erledigt sein würde.

Noch war der Eingang offen, aber bald würde die Tür [nicht mehr geöffnet sein, sondern] geöffnet gewesen sein.
Wir hatten erwartet, dass die Aufgabe bei der nachträglichen Kontrolle bereits erledigt gewesen sein würde.

Inwieweit vor allem die letzten Formen (Konjunktiv II Futur II) in der Sprachrealität wirklich häufig vorkommen, sei hier dahingestellt. Nicht alles was möglich ist, kommt auch regelmäßig vor. Das Risiko, dass man bei solchen komplexen Formen den Faden verliert, ist sehr groß. Außerden ergibt sich die konkrete Bedeutung im Deutschen oft stärker aus dem Kontext als aus den verwendeten Verbformen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Futur I Passiv: Die Frage, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden (werden?)

Frage

Wie ist das Futur I Passiv Plural im Nebensatz richtig?

Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden werden.
Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden.

Soll man das zweite „werden“ wegfallen lassen? Ich konnte die Antwort nirgendwo finden. Alle Beispiele mit Passiv im Nebensatz waren im Singular.

Antwort

Guten Tag Frau F.,

man muss hier zwischen Futur und Zukünftigem unterscheiden. Zuerst zum Futur:

Das Futur I Passiv sieht wie folgt aus:

Die Wand wird nächste Woche gestrichen werden.
Die Wände werden nächste Woche gestrichen werden.

Er fragt, ob die Wand nächste Woche gestrichen werden wird.
Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden werden.

Und nun zum Zukünftigen: Im Deutschen wird etwas Zukünftiges häufig mit dem Präsens ausgedrückt. Wichtig ist dabei nur, dass durch eine Zeitangabe oder durch den Satzzusammenhang ersichtlich ist, dass es sich um etwas Zukünftiges handelt:

Sie fahren erst morgen in den Urlaub.
Ich habe jetzt keine Zeit. Wir reden später darüber.

Siehe hier unter „Präsens des Zukünftigen“.

Das gilt auch für das Passiv. Auch dann kann für etwas Zukünftiges das Futur I oder das Präsens verwendet werden:

Die Wand wird nächste Woche gestrichen [werden].
Die Wände werden nächste Woche gestrichen [werden].
Er fragt, ob die Wand nächste Woche gestrichen [werden] wird.

Wenn in einem Nebensatz der Infinitiv werden direkt neben der 3. Person Plural werden stehen würde, ist sogar nur das Präsens üblich. Das ist keine grammatische, sondern eine stilistische Wahl:

Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden.

Die Form gestrichen werden werden wäre hier nicht falsch, nur unüblich und stilistisch unschön. Aber ganz gleich mit wieviel werden, wichtig ist vor allem, ob gestrichen [werden] wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp