Wenn „Bibliotheken als Dritter Ort“ im Genitiv (oder Dativ) steht

Frage

Gerne würde ich Sie zur korrekten Beugung von „dritter“ bei diesen zwei stichwortartigen Einträgen befragen:

Bibliothek als „Dritten Ort“ entwickeln (Akkusativ)
Entwicklung von Bibliotheken als „Dritten Ort“ (auch Akkusativ?)

Vielen Dank für Ihre Hilfe.

Antwort

Guten Tag Frau F.,

wenn eine als-Gruppe sich auf ein Genitivattribut oder ein von-Attribut bezieht kann sie a) eng mit dem Attribut verbunden sein (→ gleicher Kasus). Sie kann sich aber auch b) auf das übergeordnete Substantiv beziehen (→ Nominativ):

a) die Entwicklung der Bibliotheken als „Dritten Ortes“
b) die Entwicklung der Bibliotheken als „Dritter Ort“

a) die Entwicklung von Bibliotheken als „Drittem Ort“
b) die Entwicklung von Bibliotheken als „Dritter Ort“

Mit einem Artikelwort funktioniert das ebenso, gemäß Duden ist die Übereinstimmung im Fall dann aber etwas üblicher als der Nominativ:

a) die Entwicklung der Bibliotheken als eines „Dritten Ortes“
b) die Entwicklung der Bibliotheken als ein „Dritter Ort“

a) die Entwicklung von Bibliotheken als einem „Dritten Ort“
b) die Entwicklung von Bibliotheken als ein „Dritter Ort“

Es kann jeweils einen leichten Bedeutungsunterschied geben, der aber in den meisten Kontexten unwichtig ist. Mir gefällt hier der Nominativ besser, die Fallangleichung (Genitiv bzw. Dativ) ist aber auch möglich und korrekt.

Dann noch eine allgemeine Bemerkung. Der Fall in als-Gruppen führt oft zu Zweifeln. Man begegnet deshalb häufiger auch anderen „Lösungen“, die aber standardsprachlich nicht als korrekt gelten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Delachaux(s) trinken gerne Bordeaux – mit oder ohne Pluralendung s?

Frage

Könnten Sie mir bitte verraten, wie die korrekte Pluralform für auf -x endende französische Namen wie Delachaux heißt: „die Delachaux“ oder „die Delachauxs“?

Antwort

Guten Tag Frau F.,

die kurze Antwort lautet:

die Delachaux

Und hier ein etwas längere Erklärung: Eine Regel, die genau diesen Fall beschreibt, kenne ich nicht. Ich würde analog zu anderen Eigennamen vorgehen.

Im Genitiv Singular gilt Folgendes:

Strauß’ Walzer
Schulz’ letzter Roman
Clairvaux’ Leben
Delachaux’ Tochter

Die Regel lautet: Bei auf s, ss, ß, x, z und ce endenden Namen setzt man im Genitiv Singular ein Apostroph statt der Endung s, und zwar auch dann, wenn im Genitiv ein s gesprochen wird. Das Beispiel auch der Rechtschreibregelung § 80(1) ist Clairvaux’ Leben und Wirken.

Im Nominativ Plural geht man so vor:

die Strauß sind / die Straußens sind
die Schulz haben / die Schulzens haben
die Clairvaux haben
die Delachaux sind

Hier gibt es keine explizite Regel. Deutsche Familiennamen mit s, ss, ß, x oder z am Schluss können endungslos sein oder die Endung –ens annehmen. Weiter gilt analog zur Genitivform für fremdsprachige Namen auf s, ss, x, z oder ce, dass keine Endung geschrieben wird, auch wenn die Endung s gesprochen wird (die Endung -ens kommt hier nicht in Frage).

Diese Sichtweise wird auch von geschriebenen Pluralformen wie diesen unterstützt:

die Bordeaux (mit oder ohne Endung s gesprochen)
die Grands Prix (meist ohne Endung s gesprochen)
die Cachenez (mit oder ohne Endung s gesprochen)
die Pincenez (mit Endung s gesprochen)

Die beiden alten Delachaux konnten die Etiketten der Bordeaux nur mit Hilfe ihrer Pincenez lesen – und dies ganz ohne geschriebene Endungen.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp

Der Brief von Russlands Präsident/Präsidenten Putin – mit oder ohne Endung?

Frage

Ich mir unsicher bei folgender Aussage: „der Brief von Russlands Präsident/en Wladimir Putin.“

Meinem Gefühl nach würde ich zu „Präsident“ tendieren, auf der andern Seite erfragt man: „Der Brief von wem?“, was eigentlich einen Dativ zur Folge haben müsste. […]

Antwort

Guten Tag Frau S.

hier ist sowohl die ungebeugte Form Präsident als auch die gebeugte Form Präsidenten möglich. Bei der Erklärung, warum das so ist, muss ich etwas weiter ausholen:

Titel, Berufsbezeichnungen, Verwandtschaftsbezeichnungen u. Ä. können in Verbindung mit einem Namen unveränderlich sein oder gebeugt werden. Mit welcher Konstruktion man es zu tun hat, sieht man in der Regel daran, ob ein Artikelwort verwendet wird oder nicht:

Ungebeugt ohne Artikelwort:

eine geheime Unterredung mit Fürst Metternich
ein Treffen mit US-Präsident Trump
Krimiautor Mario Puzzos berühmter Roman
Onkel Alberts Fiat und Tante Lisas BMW
Königin Margrethes Abdikation

Gebeugt mit Artikelwort:

eine geheime Unterredung mit dem Fürsten Metternich
ein Treffen mit dem US-Präsidenten Trump
der berühmter Roman des Krimiautors Mario Puzzo
der Fiat meines Onkels Anton und der BMW deiner Tante Lisa
die Abdikation der Königin Margrethe

Auch das Wort Präsident kann also ohne Artikel vor dem Namen stehen. Es bleibt dann ungebeugt (gebeugt wird ggf. der Name):

ein Treffen mit Präsident Putin
der Brief von Präsident Wladimir Putin
Präsident Wladimir Putins Brief

Präsident kann auch Kern der Wortgruppe sein und den Namen als nähere Bestimmung (Apposition) bei sich haben. Dann hat es ein Artikelwort vor sich und wird gebeugt (der Name bleibt ungebeugt):

ein Treffen mit dem Präsidenten Putin
(der Brief vom Präsidenten Wladimir Putin [nur umgangssprachlich])
der Brief des Präsidenten Wladimir Putin

Und nun kommen wir endlich zu Ihrem Beispiel. In Russlands Präsident Wladimir Putin hat Präsident ein vorangestelltes Genitivattribut. Ein solches Attribut ersetzt ggf. den Artikel:

das Auto von Frau Müller = Frau Müllers Auto
die Wälder Russlands = Russlands Wälder

Ebenso:

der Brief des Präsidenten von Russland Wladimir Putin
= der Brief von Russlands Präsidenten Wladimir Putin

Man kann aber auch ohne Artikel formulieren:

der Brief von Präsident Wladimir Putin von Russland
= der Brief von Russlands Präsident Wladimir Putin

Was Sie wählen, hängt also davon ab, ob es sich um einen Brief des Präsidenten von Russland Putin (→ von Russlands Präsidenten Putin) oder um einen Brief von Präsident Putin von Russland (→ von Russlands Präsident Putin) handelt. Da es hier m.M.n. keinen wesentlichen Bedeutungsunterschied gibt, passt, wie am Anfang gesagt, beides. Wirklich wichtig wäre ohnehin, dass in einem solchen Brief etwas gemeint Friedliches stünde.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Verbformenreiche Formulierung:
Soll er sich haben ansprechen lassen, ansprechen haben lassen oder ansprechen lassen haben?

Frage

Wie sollte man Ihrer Meinung nach in diesem Satz die Verben anordnen? „Er soll sich mit ,Boss‘ ansprechen haben lassen“ („haben ansprechen lassen“, „ansprechen lassen haben“?). Ich finde im Duden leider nichts dazu und auch nicht in Ihrem Blog-Archiv unter dem Stichwort „Infinitiv(e)“.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

hier haben wir es wieder einmal mit einer Anhäufung von Verbformen zu tun, die nicht allzu oft vorkommt und bei der man leicht ins Stolpern geraten kann – vor allem wenn man anfängt, darüber nachzudenken.

Als standardsprachlich korrekt gilt hier:

Er soll sich mit Boss haben ansprechen lassen.
Er soll sich mit Boss ansprechen lassen haben.

Die allgemeine Regel lautet so:

Wenn eine Verbgruppe einen Ersatzinfinitiv von heißen, lassen, helfen, sehen, fühlen, hören enthält und dieser Ersatzinfinitiv vom Hilfsverb haben abhängig ist, wird das finite Hilfsverb im Nebensatz in der Regel vor die Verbgruppe gestellt. Zumindest bei lassen, sehen, fühlen, hören gilt aber die Endstellung des finiten Hilfsverbs auch als korrekt.

dass er sich mit Boss hat ansprechen lassen
dass er sich mit Boss ansprechen lassen hat

ob jemand die Verdächtigen habe weggehen sehen
ob jemand die Verdächtigen weggehen sehen habe

obwohl er das Kind hatte weinen hören
obwohl er das Kind weinen hören hatte

Die Regel gilt auch im folgenden Fall, in dem noch eine Verbform hinzukommt:

Das Hilfsverb haben steht auch dann vor den anderen Infinitiven, wenn es selbst im Infinitiv steht.

Er soll sich mit Boss haben ansprechen lassen.
Er soll sich mit Boss ansprechen lassen haben.

Jemand musste die Verdächtigen haben weggehen sehen.
Jemand musste die Verdächtigen weggehen sehen haben.

Er will das Kind haben weinen hören.
Er will das Kind weinen hören haben.

Siehe hierzu auch die LEO-Grammatik; Duden, Grammatik, 9. Auflage, 2016, Randnummer 684; Duden, Grammatik, 10. Auflage, 2022, Randnummer 658 ff.

Wie die Beispiele zeigen, sind Formulierungen dieser Art schwierig zu verwenden, ebenso schwierig zu erklären und manchmal auch gar nicht so einfach zu verstehen. Wenn sie nicht spontan der Tastatur entspringen oder wenn man zweifelt, ist es oft besser, etwas weniger verbformenreich zu formulieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ich dachte, Luchse seien/wären/sind kleiner

Frage

Wir diskutieren gerade die Frage, wie es heißt: „Ich dachte, Luchse seien/wären/sind  kleiner.“ Was sagen Sie?

Antwort

Guten Tag Frau H.,

zuerst muss gesagt werden, dass es im Deutschen bei der Tempus- und Moduswahl nur wenige feste Regeln gibt. Vieles kommt vor und vieles ist möglich. Eine einfache und eindeutige Antwort  kann ich Ihnen auch hier nicht geben.

Richtig ist hier sicher der Konjunktiv I, der zur indirekten Rede gehört:

Ich dachte, Luchse seien kleiner.

Der Indikativ kommt auch vor. In einem uneingeleiteten Nebensatz gilt er hier aber als umgangssprachlich:

Ich dachte, Luchse sind kleiner.

So formuliert mal also besser nicht (siehe aber unten beim dass-Satz).

Auch der Konjunktiv II kommt hier vor, er ist aber sozusagen überflüssig. Man wählt in der Standardsprache den Konjunktiv II dann, wenn der Konjunktiv I sich nicht vom Indikativ unterscheidet. Das ist hier nicht der Fall (seien bzw. sind). 

Ich dachte, Luchse wären kleiner.

Auch so formuliert man besser nicht, denn es ist zumindest stilistisch weniger gut.

Anders sieht es aus, wenn man statt des uneingeleiteten Nebensatzes einen dass-Satz verwendet. Dann ist der Indikativ auch möglich:

Ich dachte, dass Luchse kleiner seien.
Ich dachte, dass Luchse kleiner sind.

Und wenn es um Luchse geht, die es zum Sprechzeitpunkt nicht mehr „aktuell“ sind:

Ich dachte, dass Luchse früher kleiner waren.

Noch einmal anders sieht es aus, wenn man ich denke statt ich dachte verwendet. Dann ist der Indirektheitskonjunktiv nicht mehr möglich. Mehr dazu lesen Sie in diesem Artikel.

Sie dachten vielleicht, es gebe eine eindeutige Antwort / dass es eine eindeutige Antwort gebe / dass es eine eindeutige Antwort gibt. Es gibt sie aber – je nachdem, ob man strenge Regeln oder mehr sprachliche Freiheit vorzieht – leider oder zum Glück nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Kardinäle, die unter 80 Jahre[n] alt sind – mit oder ohne n?

Frage

Eine Kasusfrage zur folgenden Formulierung: „alle Kardinäle, die unter 80 Jahren alt sind“. Muss es nicht heißen: „alle Kardinäle, die unter 80 Jahre alt sind“?

Antwort

Guten Tag Herr Z.,

auch wenn man es des Öftern anders hört und liest, richtig ist hier die unter 80 Jahre alt sind. In dieser Formulierung ist unter keine Präposition, sondern ein Adverb, das keinen Einfluss auf den Fall des Nachfolgenden hat.

Wenn unter vor einer Zahlenangabe steht und durch weniger als ersetzt oder weggelassen werden kann, hat es keinen Einfluss auf den Fall des nachfolgenden Ausdruckes:

Kardinäle, die 80 Jahre alt sind
Kardinäle, die weniger als 80 Jahre alt sind
Kardinäle, die unter 80 Jahre alt sind

Kardinäle von 80 Jahren
Kardinäle von weniger als 80 Jahren
Kardinäle von unter 80 Jahren

Wenn man unter nicht durch weniger als ersetzen oder weglassen kann, folgt der Dativ:

Kardinäle unter 80 Jahren

Sie haben also recht. Nur Kardinäle, die unter 80 Jahre alt sind, können den Papst wählen. Es heißt also richtig:

Wahlberechtigt sind alle Kardinäle, die unter 80 Jahre alt sind.

Aber:

Wahlberechtigt sind alle Kardinäle unter 80 Jahren.

Das gilt übrigens auch für über und bis zu:

Kardinäle, die über 80 Jahre alt sind, können nicht an der Papstwahl teilnemen.
Kardinäle über 80 Jahren können nicht an der Papstwahl teilnehmen.

Wahlberechtigt sind nur Kardinäle, die bis zu 80 Jahre alt sind.
Wahlberechtigt sind nur Kardinäle bis zu 80 Jahren.

Siehe auch hier und hier.

Wer als Papst gewählt worden sein wird, wenn weißer Rauch aus dem Schornstein der Sixtinischen Kappelle aufsteigt, wissen wir natürlich noch nicht. Wir wissen nur, dass er wahrscheinlich unter 80 Jahre alt sein wird (und männlich und katholisch und …).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Viele Verben am Satzende: in Gefahr gebracht hätten werden können, hätten in Gefahr gebracht werden können, in Gefahr hätten gebracht werden können?

Frage

In einem Nachrichtenartikel bin ich auf einen Nebensatz mit vier Verben gestoßen. Die Wortstellung verstehe ich allerdings nicht.

Für Kritiker ist das ein klarer Beleg dafür, dass dadurch US-Militärs in Gefahr gebracht hätten werden können.

So wie ich das verstehe, ist das ein Ersatzinfinitiv in einem Nebensatz, also sollte „hätten“ als Hilfsverb vor allen anderen Verben stehen, also:

… dass dadurch US-Militärs hätten in Gefahr gebracht werden können

Weil „in Gefahr“ eng mit „gebracht“ verbunden ist, sollte „hätten“ auch schon davor stehen. Irre ich mich?

Antwort

Guten Tag N.,

Sie irren sich nicht. Standardsprachlich sollte das Hifsverb hätten in diesem Satz am Anfang der Verbgruppe stehen. Dabei kann das eng mit dem Vollverb bringen verbundene in Gefahr (vgl. in Gefahr bringen) zwischen hätten und dem Vollverb stehen

Für Kritiker ist das ein klarer Beleg dafür, dass dadurch US-Militärs hätten in Gefahr gebracht werden können.

Man kann aber in Gefahr auch aus der Verbgruppe herauslösen und vor hätten stellen:

Für Kritiker ist das ein klarer Beleg dafür, dass dadurch US-Militärs in Gefahr hätten gebracht werden können.

Ganz ähnlich zum Beispiel:

Es liegt nahe, dass die Verteidigung auf die Entscheidung hätte Einfluss nehmen können.
Es liegt nahe, dass die Verteidigung auf die Entscheidung Einfluss hätte nehmen können.

Dies hat zur Folge, dass der Kläger sich vor dem Verkauf mit der Beklagten hätte in Verbindung setzen müssen.
Dies hat zur Folge, dass der Kläger sich vor dem Verkauf mit der Beklagten in Verbindung hätte setzen müssen.

Man hätte Zelte aufbauen müssen, wenn die Gemeinde dieses Gebäude nicht hätte zur Verfügung stellen wollen.
Man hätte Zelte aufbauen müssen, wenn die Gemeinde dieses Gebäude nicht zur Verfügung hätte stellen wollen.

Weil diese Vergruppen am Satzende ziemlich komplex sind, geraten die Verbformen manchmal durcheinander, so dass auch Formulierungen, wie Sie sie in Ihrer Frage zitieren, häufiger vorkommen, auch wenn sie streng genommen nicht korrekt sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ist „würde wollen“ falsch?

Frage

Mein Deutschlehrer hat mir gesagt, dass man „wollen“ im Konjunktiv II mit „würden“ verwenden kann, da „wollten“ gleich aussieht wie die Präteritumform. Zum Beispiel: „Ich würde das machen wollen“ oder „Das würde ich gar nicht wollen“. Nun frage ich mich, ob das wirklich standardsprachlich ist […].

Antwort

Guten Tag A.,

man kann wollen mit würde verwenden, das kommt aber standardsprachlich nicht allzu häufig vor.

In vielen Fällen steht möchte statt würde wollen:

Das möchte ich machen.
Das möchte ich gar nicht.

Das ist aber von der Bedeutung her nicht immer möglich oder nicht immer gewünscht (würde wollen  hat nicht immer die gleiche Bedeutung wie möchte). Dann stehen häufig die Formen des Konjunktivs II, auch wenn sie mit den Formen des Indikativs Präteritum identisch sind. Die konjunktivische Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang:

Wenn du es wirklich finden wolltest, würdest du besser suchen.
Selbst wenn wir es wollten, könnten wir euch nicht helfen.
Er ist zu alt, als dass er sich das noch zumuten wollte.
Die Katze sieht mich an, als wollte sie sagen: „Lass mich in Ruhe!“
Die Arbeitgeber behaupten, sie wollten weiter mit den Gewerkschaften unterhandeln.

In diesen Fällen ist es stilistisch meist besser, nicht wollen würde zu verwenden. Die würde-Formen sind aber nicht grundsätzlich falsch. Zum Beispiel:

Selbst wenn wir es wollen würden, könnten wir euch nicht helfen.
Die Katze sieht mich an, als würde sie sagen wollen: „Lass mich in Ruhe!“

Stilistisch ist es hier aber – wie gesagt – meist besser, nicht die würde-Form zu verwenden.

Manchmal reicht der Zusammenhang allerdings nicht aus, um die konjunktivische Bedeutung vom Indikativ zu unterscheiden. Dann kann man gut auf die würde-Formen ausweichen. Zum Beispiel:

Wie du überall herumreisen, das würde ich nicht wollen (statt: das wollte ich nicht).
Ihr seid die Letzten, denen er helfen wollen würde (statt: helfen wollte).

Zusammenfassend: Die würde-Formen kommen in der Standardsprache bei wollen nicht häufig vor, sie sind aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen und manchmal sogar die beste Lösung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was für eine Verbform ist „aufgehört haben würde“?

Frage

Gestern, habe ich etwas Interessantes gefunden:

Sie hoffte, dass der Regen bald aufgehört haben würde.
Wir waren uns sicher, dass sie das Problem bis Freitag gelöst haben würde.

Warum steht hier Infinitiv 2 + würde? Was ist diese grammatische Form? […]

Antwort

Guten Tag Her T.,

es geht hier um eine würde-Form, mit der „Zukunft in der Vergangenheit“ ausgedrückt werden kann.

Futur I → einfache würde-Form

Er nimmt auf niemand Rücksicht. Das wird er noch bereuen.
Er nahm auf niemand Rücksicht. Das würde er noch bereuen.

Wir wissen, dass Marianne um 17 Uhr ankommen wird.
Wir wussten, dass Marianne um 17 Uhr ankommen würde.

Futur II → Perfekt der würde-Form

Sie hofft, dass der Regen bald aufgehört haben wird.
Sie hoffte, dass der Regen bald aufgehört haben würde.

Wir sind uns sicher, dass sie das Problem bis Freitag gelöst haben wird.
Wir waren uns sicher, dass sie das Problem bis Freitag gelöst haben würde.

Die Formen aufgehört haben würde (o. würde aufgehört haben) und gelöst haben würde (o. würde gelöst haben) heißen ganz klassisch Konjunktiv II Futur II. Manchmal werden sie auch anders genannt, zum Beispiel Perfekt der würde-Form oder Konjunktiv II Vergangenheit mit würde.

Standardsprachlich sind diese Formen nur dann üblich, wenn wie in den Beispielen oben Zukunft in der Vergangenheit ausgedrückt wird. Sonst wählt man besser die Konjunktiv-II-Formen mit hätte:

besser nicht: Wenn der Regen früher aufgehört haben würde, wären wir nicht zu spät gekommen.
sondern: Wenn der Regen früher aufgehört hätte, wären wir nicht zu spät gekommen.

besser nicht: Sie behaupten, sie würden das Problem allein gelöst haben.
sondern: Sie behaupten, sie hätten das Problem allein gelöst.

Das Ganze könnte man jetzt auch noch im Passiv durchspielen (gelöst worden sein würde), aber das erspare ich Ihnen und mir für heute. Es sind schon genug Verbformen vorbeigekommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sieh mal, der Baum! / Sieh mal den Baum!

Frage

Was ist richtig: „Sieh mal, der Baum!“ oder „Sieh mal, den Baum!“?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

beides ist richtig. Einen Unterschied gibt es aber der Kommasetzung (und der Aussprache).

Sieh mal, der Baum!

Hier geht es um den Ausruf Sieh mal!, auf den separat im Nominativ folgt, was man beachten soll. Das Komma entspricht einer kurzen Pause in der gesprochenen Sprache. Man könnte auch einen Doppelpunkt oder ein zweites Ausrufezeichen verwenden:

Sieh mal: der Baum!
Sieh mal! Der Baum!

Beim zweiten Satz ist Baum direkt von sehen abhängig (Sieh mal wen oder was?):

Sieh mal den Baum!

Mit dieser eher umgangssprachlichen Äußerung ist gemeint:

Betrachte einmal den Baum!
Sieh dir einmal den Baum an!

Wenn Sie die Äußerung laut aussprechen, hören Sie wahrscheinlich, ob Sie eher Sieh mal, der Baum! (mit Pause) oder Sieh mal den Baum! (ohne Pause) meinen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp