Komme ich hier her oder komme ich hierher?

Frage

Momentan beschäftige ich mich mit diesem Satz, den ich in einem Forum gelesen habe: „Wie komme ich hier her?“

Da stellt sich die Frage, ob „hierher“ ein Verbzusatz ist, der deshalb mit dem Verb „kommen“ zusammengeschrieben wird („hierherkommen“). Oder haben wir es mit dem Infinitiv „herkommen“ zu tun zusammen mit dem selbstständigen Adverb „hier“ („hier herkommen“)? Im ersten Fall hätten wir dann dieses Ergebnis:

Wie komme ich hierher?

Im zweiten dann eben dieses:

Wie komme ich hier her?

Welches davon ist nun richtig?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

nach der standardsprachlichen Schreibung sollte es sein:

hierherkommen = an diesen Ort kommen
Wie komme ich hierher? = Wie komme ich an diesen Ort?

Man schreibt hierher (an diesen Ort) in Verbindung mit einem einfachen Verb mit dem Verb zusammen:

hierherbringen, hierherführen, hierherholen, hierherkommen, hierherlegen, hierherlocken, hierherschaffen, hierherschleppen, hierhersetzen, hierherstellen, hierhertragen usw.

In getrennter Stellung im Hauptsatz:

bringe hierher, führe hierher, hole hierher, komme hierher, lege hierher usw.

Umgangssprachlich und in der gesprochenen Alltagssprache wird hierher allerdings auch getrennt verwendet:

Hier kommt man her, um Kaffe zu trinken.
Ich komme hier nicht gerne her.

Entsprechend könnte man umgangssprachlich eventuell auch schreiben:

Warum kommt man hier her?
Wie komme ich hier her?

Standardsprachlich wählt man aber besser hierherkommen / komme hierher / hierhergekommen:

Hierher kommt man, um Kaffe zu trinken.
Ich komme nicht gerne hierher.
Viele bekannte Leute sind hierhergekommen, um sich behandeln zu lassen.
Weißt du, wie man hierherkommt?
Kommen Sie hierher und genießen Sie die Aussicht!

Und wie eingangs schon gesagt:

Wie komme ich hierher?

Ähnliches gilt übrigens u. A. auch für dahin und dorthin und woher und wohin (neu ist das Thema also nicht).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wo denken Sie, fehlt hier ein Komma?

Frage

Setze ich in diesem Satz nach „warum“ ein Komma?

Warum denken Sie, verlagert das Unternehmen die Forschungsabteilung von Bonn nach Großbritannien?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

der Einschub denken Sie sollte vorn und hinten durch ein Komma abgetrennt werden. Der Fragesatz lautet:

Warum verlagert das Unternehmen die Forschungsabteilung von Bonn nach Großbritannien?

In diesen Fragesatz wird denken Sie eingeschoben:

Warum, denken Sie, verlagert das Unternehmen die Forschungsabteilung von Bonn nach Großbritannien?

Es wird nicht gefragt, warum die angesprochene Person etwas denkt (nicht: warum denken Sie?), sondern warum ihrer Meinung nach etwas geschieht (warum verlagert …?).

Es folgen noch ein paar Beispiele für Einschübe dieser Art, bei denen das erste Komma häufig nicht gesetzt wird, obwohl es dort stehen sollte:

Was, meinst du, will ich dir damit sagen?
Wie, findest du, soll es nun weitergehen?
Und woher, vermutet ihr, kam das Geld für die Reise?
Für wie viele Leute, behauptet er, ist hier Platz?
Wo, sagst du, habt ihr übernachtet?
Wo, denken Sie, fehlt hier ein Komma?

Diese Konstruktion ist verwandt mit einer anderen Konstruktion, die jedoch bei genauerem Hinsehen viel komplexer ist:

Was denkst du, dass ich dir damit sagen will?
Wie findest du, dass es jetzt weitergehen soll?
Wo sagst du, dass ihr übernachtet habt?

Nicht alle halten Formulierungen dieser zweiten Art für grammatisch einwandfrei, aber sie kommen vor. Man könnte sie sogar zum Anlass dazu nehmen, das oben verteidigte Komma mit besonderer grammatischer (Über)genauigkeit wieder in Frage zu stellen. Doch das führt hier zu weit. Mehr zu dieser Konstruktion finden Sie hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Adektiv zum Familiennamen: -isch, -sch oder -er?

Frage

Ich habe hier einen alten Roman, der vor Urzeiten verlegt wurde. Er wurde verändert, und ich lese ihn jetzt Korrektur. Die Familie in dem Roman heißt Steinbach. Es kommen dann immer wieder Wendungen vor wie „Steinbachische Erbschaft“, „Steinbachisches Vermögen“, „Steinbachischer Besitz“. Mir kommt das ein bisschen fremd vor. […]

Was meinen Sie? Wenn ich es so lasse, müsste „Steinbachische“ heute kleingeschrieben werden, nicht wahr? Oder ich schreibe „Steinbacher Erbschaft“ usw. und dann groß? Was finden Sie besser und richtiger?

Im Grunde habe ich noch eine Frage. Wann das Adjektiv mit „isch“ und wann mit „sch“ gebildet wird, ist mir auch nicht klar.

Antwort

Guten Tag Frau M.,

von Familiennamen abgeleitete  Adjektive werden – wenn überhaupt – mit den Endungen isch oder sch gebildet. Nach der geltenden Rechtschreibregelung werden solche Adjektive im Prinzip kleingeschrieben (außer mit Apostroph vor sch)1:

Müller → müllerisch o.  müllersch/Müller’sch
Schmidt → schmidtisch o. schmidtsch/Schmidt’sch
Frankenstein → frankensteinisch o. frankensteinsch/Frankenstein’sch
Dante → dantisch o. dantesch/Dante’sch

Ableitungen mit er kommen bei Ortsnamen häufig vor:

Hamburg → Hamburger
Bern → Berner
Salzburg → Salzburger
Mailand → Mailänder

Sie sind aber bei Familiennamen nicht üblich. Das Adjektiv Steinbacher würde also zu einer Ortschaft Steinbach, aber nicht zur Familie Steinbach passen.

Bei Familiennamen sind, wie gesagt, isch und sch gebräuchlich. Es gibt keine allgemein gültige Regel, wann man welche der beiden Endung verwendet. Beides ist im Prinzip möglich; so auch bei Ihren Beispielen:

die steinbachische Erbschaft
steinbachisches Vermögen
steinbachischer Besitz

die steinbachsche Erbschaft
steinbachsches Vermögen
steinbachscher Besitz

Da im Originaltext die Form steinbachisch vorkommt, würde ich sie so beibehalten. Nur bei der Groß- und Kleinschreibung sollten Sie eingreifen, falls die aktuell geltende Rechtschreibregelung als Richtschnur gilt.

Wenn Sie sich gar nicht mit dem Adjektiv steinbachisch anfreunden können, könnten Sie auch auf Umformulierungen der folgenden Art ausweichen:

die Erbschaft der Familie Steinbach / der Steinbachs
Vermögen der Familie Steinbach / der Steinbachs
Besitz der Familie Steinbach / der Steinbachs

So weit die boppsche Meinung, die  boppische Meinung oder Bopps Meinung zu dieser Frage.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 Großgeschrieben wird dann, wenn man vor der Endung sch einen Apostroph verwendet, um den Eigennamen zu verdeutlichen:

des steinbachschen Besitzes o. des Steinbach’schen Besitzes
die müllersche Bäckerei o. Müller’sche Bäckerei (= Bäckerei der Familie Müller)

Vgl. hier

Ebenfalls großeschrieben wird dann, wenn das Adjektiv Teil eines Namens ist:

die Müllersche Bäckerei o. Müller’sche Bäckerei (= Bäckerei mit diesem Namens)

Das Immergleiche oder das immer Gleiche?

Frage

In der Zeitung lese ich folgenden Satz:

Das Ekelgefühl umfasst etwa den Widerwillen gegen das Immergleiche, das Schamlose, Schwülstige und Verlogene.

Wie schreibt sich die substantivierte Form von „immer gleich“: „das Immergleiche“ oder „das immer Gleiche“? Und wo hätte ich nachschlagen können, um diese Frage selbst beantworten zu können?

Antwort

Guten Tag Herr B.

wenn etwas immer gleich ist, ist es etwas immer Gleiches. Wenn etwas immergleich ist, ist es etwas Immergleiches. Bei immer gleich und das immer Gleiche liegt die Hauptbetonung auf gleich. Bei immergleich und das Immergleiche liegt die Hauptbetonung auf imm. Dabei ist immergleich unüblich, aber unter Berufung auf die dichterische Freiheit und in Anlehnung an immergrün nicht unmöglich. Ich hätte im Zeitungsartikel das immer Gleiche gewählt, aber ich bin nicht der Autor.

Zurück zu das immer Gleiche: Es handelt sich um die Substantivierung der Adjektivgruppe immer gleich. Dass man bei substantivierten Adjektivgruppen nur das Kernadjektiv großschreibt, wird eigentlich nirgendwo explizit erwähnt. Man kann es unter anderem aus dem Beispiel das einzig Richtige in §57(1) der Rechtschreibregelung ableiten. Außerdem gibt es anders als bei den substantivierten Infinitivgruppen keine Regel, die die Zusammenschreibung oder die Bindestrichschreibung rechtfertigen würde. Das ist eine Art „indirekter Beweis“. Hier weitere Beispiele substantivierter Adektivgruppen:

sehr interessant → nichts sehr Interessantes
viel größer → etwas viel Größeres
weitaus am besten → das weitaus Beste
niemandem verständlich → etwas niemandem Verständliches
sonst nie zufrieden → die sonst nie Zufriedenen
chronisch krank → die Behandlung chronisch Kranker
immer gleich → das immer Gleiche

Die Schreibung substantivierter Adjektivgruppen ist etwas nicht allzu Einfaches, aber wenn man es einmal weiß, ist es dennoch nichts völlig Unverständliches.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Kommasetzung bei »wenn nicht – so doch«

Frage

Ich möchte Sie gern zu folgendem Satz fragen, ob es vor der Konjunktion wenn“ ein Komma braucht und warum dies so ist bzw. nicht so ist.

Viele verbinden Anarchismus(,) wenn nicht mit »Chaos« und »Apokalypse«, so doch mit einer längst vergangenen Zeit.

Antwort

Guten Tag Frau F.,

hier sollte kein Komma vor wenn stehen. Die Fügung wenn nicht – so doch (ebenso zum Beispiel wenn nicht – dann und wenn auch – so doch) verbindet wie eine mehrteilige Konjunktion Satzteile miteinander. Wenn der erste Satzteil in den Satz integriert ist, steht kein Komma vor wenn. Vor so doch steht immer ein Komma:

Sie bereiteten uns ein wenn nicht opulentes, so doch sättigendes Mahl.

Ich habe wenn auch nur mit wenigen, so doch mit den wichtigsten Leuten gesprochen.

Viele verbinden Anarchismus wenn nicht mit »Chaos« und »Apokalypse«, so doch mit ­einer längst vergangenen Zeit.

Wenn die aufgezählten Satzteile nachgetragen sind, steht auch vor wenn ein Komma:

Sie bereiteten uns eine Mahlzeit, wenn nicht opulent, so doch sättigend.

Ich habe mit verschiedenen Leuten gesprochen, wenn auch nur mit wenigen, so doch mit den wichtigsten.

Viele verbinden Anarchismus mit Negativem, wenn nicht mit «Chaos» und «Apokalypse», so doch mit einer längst vergangenen Zeit.

Man kann die Kommasetzung bei wenn nicht – so doch mit derjenigen bei einer mehrteiligen Konjunktion wie nicht nur – sondern auch vergleichen (nur die Kommasetzung, nicht die Bedeutung):

Viele verbinden Anarchismus nicht nur mit »Chaos« und »Apokalypse«, sondern auch mit einer längst vergangenen Zeit.

Nicht vor jedem wenn muss also ein Komma stehen. Solche  Ausnahmefälle machen die Kommasetzung wenn auch nicht zu einem Ding der Unmöglichkeit, so doch häufig zu einer Herausforderung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Grünreden und das Graubauen

Frage

In der Zeitung habe ich neulich diese interessante Zwitterform von einerseits Kompositum und andererseits Attribut + substantiviertem Infinitiv gefunden: „Die Angewohnheit des grün Redens und grau Bauens“. Ich wüsste zwar nicht, dass unsere Grammatikregeln so etwas hergeben, aber die erlaubten Alternativen „Grünredens” bzw. „grünen Redens“ würden hier ja eine andere Bedeutung haben, weswegen ich „das grün Reden“(beides gleich betont) eigentlich ganz gut finde und gelten lassen würde. Wie sehen Sie das.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

man kann so formulieren, wenn man will, aber beim Schreiben wird es ungewöhnlich oder sogar unpraktisch. Es geht hier um eine substantivierte Infinitivgruppe, die aus zwei Teilen besteht. Solche Substantivierungen schreibt man gem. der Rechtschreibregelung zusammen:

die Angewohnheit, schnell zu fahren
→ die Angewohnheit des Schnellfahrens

die Tugend, pünktlich zu sein
→ die Tugend des Pünktlichseins

wenn man nicht erscheint
→ bei Nichterscheinen

üben, aufeinander zu hören
→ das Aufeinanderhören üben

die Gabe, sich zu wundern
→ die Gabe des Sichwunderns

Die beiden letzen Beispiele zeigen, dass auch dann zusammengeschrieben wird, wenn nicht das erste Wort die Hauptbetonung trägt. Für Ihr Beispiel bedeutet dies:

die Angewohnheit, grün zu reden und grau zu bauen
→ die Angewohnheit des Grünredens und Graubauens

Vor allem bei Grünreden könnte unklar sein, was genau gemeint ist (grün reden = grün [umweltbewusst] argumentieren oder etw. grünreden = etwas beschönigend als grün [umweltfreundlich] darstellen, was nicht grün ist). Gemeint ist hier die erste Bedeutung: in Worten umweltbewusst argumentieren, dann aber nicht umweltgerecht bauen.

Wenn man sich an die Rechtschreibregeln halten will oder muss, kann die Schreibweise das grün Reden aber (leider) nicht die Lösung sein. Man schreibt entweder doch zusammen und lässt den Kontext Klarheit schaffen, oder man formuliert um:

die Angewohnheit des Grünredens und des Graubauens
die Angewohnheit des grünen Redens und des grauen Bauens [auch missverständlich]
die Angewohnheit, grün zu reden und grau zu bauen [m. M. n. am deutlichsten]

Die Rechtschreibung ist nicht immer dazu geeignet, Bedeutungsunterschiede eindeutig zu machen. Das gilt auch bei einer ähnlichen Formulierung: die Kunst des Schönredens. Das kann (a) die Kunst, schön zu reden sein oder (b) die Kunst, Dinge schönzureden. Das Schönreden (a) ist die angenehmen Gabe, gut sprechen zu können. Das Schönreden (b) hingegen ist eine weniger angenehme Unart. Dabei wird mit beschönigenden Worten etwas als besser dargestellt, als es in Wirklichkeit ist. Beide Substantivierungen werden gleich geschrieben, auch wenn sie keineswegs dasselbe bezeichnen. Wie beim Grünreden muss auch beim Schönreden der Kontext oder eine Umformulierung Klarheit schaffen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Fugen-s und Bindestrich:
Gesundheitspodcast, Gesundheits-Podcast oder Gesundheit-Podcast?

Frage

Ich habe ein Werbebanner für unsere Podcasts zur Begutachtung bekommen. Da steht dann:

Der Gesundheits-Podcast
Jetzt reinhören!

Mich stört irgendwie diese Schreibweise: „Der Gesundheits-Podcast“. Wäre das korrekt nicht eher „Der Gesundheitspodcast“? Das ist natürlich dann nicht so gut und schnell lesbar auf den ersten Blick, weil recht lang. Oder dann „Der Gesundheit-Podcast“ ohne „s“? Das wäre dann wieder besser lesbar, weil mit Bindestrich.

Welches ist die grammatikalisch korrekte Form? Im Netz findet man leider alle drei Varianten. Was würden Sie uns empfehlen, damit sowohl die Grammatik stimmt wie auch die Lesbarkeit garantiert ist.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

ob man ein Fugen-s verwendet oder nicht, hängt davon ab, wie andere Zusammensetzungen mit dem gleichen Wort an erster Stelle gebildet werden. Zusammensetzungen mit Gesundheit an erster Stelle werden immer mit einem Fugen-s gebildet. Zum Beispiel:

Gesundheitsbehörde, gesundheitsbewusst, Gesundheitsexpertin, Gesundheitsfürsorge, Gesundheitsgefährdung, Gesundheitspolitik, Gesundheitsquiz, gesundheitsschädigend, Gesundheitswesen, Gesundheitszustand

Deshalb sollte auch diese Zusammensetzung mit einem Fugen-s geschrieben (und gesprochen) werden:

Der Gesundheitspodcast
Jetzt reinhören!

Dies ist auch gleich die Schreibweise, die ich nach der Rechtschreibregelung empfehlen würde. Da ich Gesundheitspodcast für gut lesbar halte, finde ich den Bindestrich nicht notwendig.

Wenn Sie einen „verdeutlichenden“ Bindestrich setzen wollen oder müssen, kann er nicht das Fugen-s ersetzen. Das s bleibt auch vor dem Bindestrich erhalten:

der Gesundheits-Podcast
Jetzt reinhören!

Diese Schreibweise gilt ebenfalls als korrekt, denn es ist nicht „verboten“, den Bindestrich in Zusammensetzungen mit einem Fugenelement zu verwenden. Nicht korrekt ist – auch auf Werbebannern – die Schreibung ohne s (*Gesundheit-Podcast) oder die Getrenntschreibung (*Gesundheits Podcast).

Hier noch ein paar Beispiele von Zusammensetzungen, bei denen es häufiger „schiefgeht“:

Versicherungsportal / Versicherungs-Portal
Lieblingsfoodblog / Lieblings-Foodblog
Überlebenstraining / Überlebens-Training

Wie sehr häufig würde ich hier überall die Schreibung ohne den „verdeutlichenden“ Bindestrich vorziehen, aber korrekt ist jeweils beides.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der i-Punkt und der i-Kringel

Wenn der heutige Artikel etwas schulmeisterlich klingt, liegt es daran, dass es um etwas geht, womit Schulmeisterinnen und Schulmeister sich früher abgeben mussten und Lehrpersonen sich auch heute noch hin und wieder abgeben müssen.

Frage

Meine Tochter ist 12 Jahre alt und geht in die siebte Klasse einer Realschule. Seit einiger Zeit entwickelt sie ihr eigenes Schriftbild. In diesem macht sie zum Beispiel über dem i, ä, ö und ü keinen Punkt sondern einen Kringel oder kleinen Kreis. Ihre Deutschlehrerin kommentiert ihre Arbeiten immer mit dem Satz: „Laut deutschen Rechtschreibgesetz ist ein i-Punkt ein Punkt und kein Kreis.“ Seit Neusten droht sie ihr sogar damit ihre Arbeiten mit einer sechs zu benoten wenn sie keinen richtigen i Punkt macht.

Gibt es tatsächlich ein Gesetz , nach dem man gezwungen werden kann, einen richtigen i Punkt zu machen. Kann die Lehrerin aufgrund der unechten i-Punkte Arbeiten mit einer Sechs benoten?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

die amtliche Rechtschreibregelung schreibt nicht ausdrücklich vor, dass das kleine i mit einem Punkt geschrieben werden muss. Das i, das dort in § 0 (1) abgebildet ist, hat aber eindeutig einen Punkt und keinen Kringel. Streng genommen hat die Lehrerin Ihrer Tochter also recht.

Doch darum geht es eigentlich gar nicht. Es ist im Deutschen (und auch anderswo, wo man mit lateinischen Buchstaben schreibt) üblich, das i mit einem Punkt zu schreiben. Aufgabe der Schule ist es u. a., den Kindern gewisse Regeln und Konventionen mitzugeben, auch solche, die nicht von Gesetzes wegen vorgeschrieben sind. In nicht persönlichen Briefen, Bewerbungsschreiben usw. (sofern sie noch von Hand geschrieben werden) macht es sich im Allgemeinen schlecht, wenn man Kringel verwendet. Deshalb sollten auch auf der Schule Punkte verwendet werden.

Ich weiß nicht, ob die Lehrerin rechtlich gesehen die Möglichkeit hat, wegen Kringeln statt Punkten einen Notenabzug zu machen. Aus dem oben erwähnten Grund vermute ich allerdings, dass sie es kann. Die Rechtschreibregelung ist auf Schulen verbindlich.

Wenn Ihre Tochter in ihrer privaten Korrespondenz einen Kringel, ein Herzchen oder ein Blümchen statt des i-Punktes verwendet will, kann sie das natürlich tun, aber auf der Schule sollte sie tatsächlich Punkte schreiben. Ich empfehle Ihnen deshalb, die Lehrerin bei ihrer Aufgabe zu unterstützen.

Das i war ursprünglich punktlos. Der Punkt auf dem i kam im Mittelalter auf, zuerst als Akzentstrich, der später zu einem Punkt reduziert wurde. Er diente dazu, das i und vor allem zwei aufeinanderfolgende i (also ii, im Lateinischen relativ häufig), in der Frakturschrift von u, m und n zu unterscheiden. Auf dem großen I war diese Unterscheidung nicht notwendig, deshalb steht im Deutschen und den meisten anderen Sprachen kein Punkt auf dem Großbuchstaben I (Ausnahme z. B. im Türkischen: İ und I).

Die Umlautpunkte entstanden als kleines e, das über dem a, o oder u geschrieben wurde, um die Umlaute von diesen einfachen Vokalbuchstaben zu unterscheiden. Im Laufe der Zeit wurden dieses e über verschiedene Stufen zu zwei Punkten vereinfacht (siehe auch hier).

Mit der Einführung des Drucks haben sich der i-Punkt und die Umlautpunkte „definitiv“ etabliert. Ich gönne natürlich allen ihre Kringel, Kreise, Herzchen oder Smileys auf dem i, aber offiziell steht dort nur ein einfacher Punkt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Bin ich ein Content Creator, ein Content-Creator oder ein Contentcreator?

Frage

Der (Online-)Duden kennt „Content-Management“ und „Contentprovider“. Ich frage mich nun, wie man den heute im deutschen Sprachraum geläufigen und gerade bei deutschen Jugendlichen beliebten Anglizismus „Content Creator“ richtig schreibt:

Content Creator
Content-Creator
Contentcreator

Antwort

Guten Tag Herr B.,

am einfachsten wäre es, wenn man die deutschen Entsprechungen Inhaltsschöpfer oder Inhaltsentwicklerin verwenden würde. Dabei sollte die Zusammenschreibung bei den meisten einprogrammiert sein. Ich verstehe aber, dass Inhaltsschöpfer für moderne Kreative zu sehr wie Suppenkelle klingen könnte, und bei Inhaltsentwicklerin sieht man vielleicht besser als bei Content Creator, dass es „nur“ darum geht, Inhalte zu kreieren. Aber ich schweife ab und will hier keineswegs den Anglizismen den Kampf ansagen. Also zurück zur Rechtschreibung:

Nach § 45 (E1) der amtl. Rechtschreibregelung gilt Folgendes:

Aus anderen Sprachen stammende Verbindungen aus Substantiv + Substantiv, die sich im Deutschen grammatisch wie Zusammensetzungen verhalten, werden zusammengeschrieben; ebenso ist die verdeutlichende Schreibung mit Bindestrich möglich.
Sexappeal (Sex-Appeal), Sciencefiction (Science-Fiction), Shoppingcenter (Shopping-Center), Desktoppublishing (Desktop-Publishing), Midlifecrisis (Midlife-Crisis) 

Richtig ist demnach entweder die Zusammenschreibung oder die Schreibung mit Bindestrich:

Contentmanagement / Content-Managment
Contentprovider / Content-Provider
Contentcreator / Content-Creator

Der Duden legt offenbar die „Grenze der Deutlichkeit“, bei deren Überschreiten ein Bindestrich gesetzt wird, irgendwo zwischen Contentprovider und Content-Management (die zusammengeschrieben Variante Contentmanagement steht allerdings auch im Online-Duden). Richtig ist nach § 45 (E1) beides.

Die Getrenntschreibung Content Creator ist nach der Rechtschreibregelung nicht korrekt. Sie ist aber die weitaus am häufigsten vorkommende Schreibweise. Dieser rechtschreiblichen Kluft zwischen regelkonform und üblich begegnet man bei aus dem Englischen übernommenen Zusammensetzungen sehr oft. Mehr zu diesem Thema und weitere Beispiele finden Sie in diesem schon etwas älteren Blogartikel. Neu ist das Problem, wenn es überhaupt eines ist, also nicht. Der für diesen Blog verantworliche Content-Creator hat es schon mehr als einmal behandelt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Schwarze Freitag war ein schwarzer Freitag

Frage

Ist es dasselbe: der Schwarze Freitag und ein schwarzer Freitag / ein Schwarzer Freitag?

Antwort

Ihre Frage ist berechtigt, denn nicht alle Freitage, die schwarz genannt werden, bezeichnen dasselbe. Das wirkt sich auch auf die Rechtschreibung aus.

a) ein schwarzer Freitag

Ein schwarzer Freitag ist ein Unglückstag, der in der Regel auf einen Freitag fällt.

Heute war wieder einmal ein schwarzer Freitag in ihrer Beziehung.

Es handelt sich um eine figürlich verwendete Verbindung von einem Adjektiv und einem Substantiv. Nach § 63 (1.2) der Rechtschreibregelung wird das Adjektiv in einer solchen Verbindung kleingeschrieben (ebenso zum Beispiel: der blinde Passagier, die biologische Uhr, die graue Maus, der rote Teppich).

b) der schwarze Freitag oder meistens der Schwarze Freitag

Dieser schwarze/Schwarze Freitag ist eigentlich der amerikanische Black Friday, das heißt der Freitag nach Thanksgiving Day in den USA. Der Black Friday wird, meistens unter seinem englischen Namen, in den letzten Jahren vermehrt auch in Europa kommerziell „gefeiert“.

Sonderangebote zum Schwarzen / schwarzen Freitag

Es ist ein besonderer (aber kein religiöser oder offizieller) Kalendertag, bei dem das Adjektiv nach § 63 (E4) der Rechtschreibregelung klein- oder großgeschrieben werden kann. Da viele alle besonderen Kalendertage großschreiben, ist dieser Freitag – wenn er nicht sowieso Black Friday genannt wird – meistens der Schwarze Freitag mit großem S.

c) der Schwarze Freitag

Der Vater aller schwarzen Freitage ist der 24. November 1929, der Tag des großen Börsencrashs in New York.

Der Schwarze Freitag (der Schwarze Donnerstag [Black Thursday] in Amerika) im Oktober 1929 gilt als Auslöser der amerikanischen Wirtschaftsdepression der 1930er Jahre.

Es ist der Name eines historischen Ereignisses, deshalb wird nach § 60 (6) der Rechtschreibregelung das Adjektiv großgeschrieben (ebenso zum Beispiel: der Siebenjährige Krieg, die Französische Revolution, die Goldenen Zwanzigerjahre).

Es gibt also verschiedene Arten des schwarzen/Schwarzen Freitags. Wenn man wissen möchte, was genau gemeint ist, kann die Groß- und Kleinschreibung helfen. Da sich hier aber lange nicht alle an die Rechtschreibregelung halten (die hier nicht immer allzu einfach nachvollziehbar ist), empfiehlt es sich, vor allem auf den Zusammenhang zu achten. Dann erweist sich schnell, ob ein Unglückstag, ein Tag der Sonderangebote oder ein bestimmter historischer Börsencrash gemeint ist.

Mit freundlichen Grüße

Dr. Bopp