Wie viele Großbuchstaben haben „schleswig-holsteinisch“ und „blau-weiß-rot“ am Satzanfang?

Frage

Wie schreibt man mehrteilige Adjektive mit Bindestrich am Satzanfang: den ersten Teil groß und den zweiten klein? Meine konkrete Frage ist, was für den folgenden Satzanfang korrekt ist:

Schleswig-holsteinische Berühmtheiten sind u. a. …
Schleswig-Holsteinische Berühmtheiten sind u. a. …

Antwort

Guten Tag Herr O.,

bei Adjektivzusammensetzungen mit Bindestrich schreibt man am Satzanfang nur den ersten Buchstaben groß:

Schleswig-holsteinische Berühmtheiten sind u. a. …
Baden-württembergische Weine sind weit über die Region hinaus bekannt.
Deutsch-französische Reibereien, ein Problem für die EU?

Mathematisch-naturwissenschaftliche Studiengänge werden immer beliebter.
Manisch-depressive Menschen haben extreme Stimmungsschwankungen.
Blau-weiß-rote Flaggen flattern im Wind.

Nur wenn Adjektive dieser Art Teil eines Namens sind, wird auch der Worteil nach dem Bindestrich mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben:

die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB)
die Baden-Württembergische Bank (BW-Bank)
das Städtische Mathematisch-Naturwissenschaftliche Gymnasium Mönchengladbach

Im Satzinnern bleibt sonst auch bei geografischen Adjektiven dieser Art alles klein:

die schleswig-holsteinischen Berühmtheiten
viele baden-württembergische Weine
problematische deutsch-französische Reibereien

Schleswig-holsteinische Berühmtheiten haben also am Satzanfang ein großes S und ein kleines h und im Satzinnern ein kleines s und ein kleines h.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wie man „Ph.D. thesis“ eindeutscht

Frage

Ich habe zu folgendem Anliegen keine klare Regelung finden können und freue mich über jegliche Hinweise zur korrekten Lösung: Welche dieser Schreibweisen ist in einem deutschen Text korrekt?

a) Ph.D.-Thesis
b) Ph.-D.-Thesis
c) Ph. D. Thesis
d) Ph.D. Thesis

Mein Favorit aus ästhetischer Sicht ist a).

Antwort

Guten Tag Frau A.,

in einem allgemeinen deutschsprachigen Text würde ich den deutschen Begriff Dissertation oder Doktorarbeit verwenden. Das ist häufig eine gute Übersetzung.

Wenn es genauer sein soll (Ph.D. und Doktorat sind nicht immer dasselbe), wenn Sie also den englischen Ausdruck verwenden wollen oder müssen, dann hängt die Schreibung davon ab, ob Sie ihn als englisches Zitatwort oder als (mehr oder weniger integriertes) Fremdwort verwenden.

Als Zitatwort aus dem Englischen schreiben Sie das Wort so, wie es im Englischen üblich ist. Am besten geben Sie zum Beispiel mit Anführungszeichen oder Kursivschrift an, dass es sich um ein Zitatwort handelt:

„Ph.D. thesis“  oder „PhD thesis“

Wenn der Ausdruck als Fremdwort ins Deutsche eingebunden ist, schreiben Sie am besten wie folgt:

Ph.D.-Thesis oder PhD-Thesis

Die Begründung zur Schreibung als integriertes Fremdwort: Die Abkürzung wird mit oder ohne Punkte geschrieben: Ph.D. oder PhD. Auch mit Punkten steht üblicherweise kein Leerzeichen nach dem ersten Punkt. Entsprechend kann oder muss dort in Zusammensetzungen kein Bindestrich eingefügt werden. Ein Bindestrich muss aber zwischen der Abkürzung und dem zweiten Wort stehen, wie dies bei allen Zusammensetzungen mit einer Abkürzung der Fall ist.

Wenn Sie statt der Übersetzung das Fremdwort benutzen, ist die Lösung, die Ihr ästhetisches Auge Ihnen eingegeben hat, auch die Lösung, die nach den Rechtschreibregeln am besten vertretbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Semikolon bei Aufzählungen

Erwarten Sie hier keine ehernen Gesetze. Bei der Verwendung des Semikolons (Strichpunkts) in Aufzählungen haben Sie eine recht große Freiheit.

Frage

Wie verhält es sich, wenn innerhalb einer Aufzählung bei einem Aufzählungsglied ein weiteres Komma vorkommt? Die Frage habe ich mir gestern bei folgendem Satz gestellt:

Man kann sich mit anderen im Forum austauschen, neue Düfte entdecken; verschiedene Sammlungen anlegen, um seine Parfüms zu organisieren; interessante Artikel lesen und vieles mehr.

Ich habe Semikolons gesetzt, damit klar ist, dass es sich bei „verschiedene Sammlungen anlegen, um seine Parfüms zu organisieren“ um ein einzelnes Aufzählungsglied handelt. Eigentlich wäre das ja auch ohne Semikolons klar. Ist das Semikolon da eine passende Lösung?

Antwort

Guten Tag Herr V.,

die Aufzählung in Ihrem Satz ist auch ohne Semikolon oder Strichpunkt gut lesbar und verständlich:

Man kann sich mit anderen im Forum austauschen, neue Düfte entdecken, verschiedene Sammlungen anlegen, um seine Parfüms zu organisieren, interessante Artikel lesen und vieles mehr.

Sie können die Aufzählung aber auch mithilfe von Semikolons gliedern. Dabei gilt: Wenn das Semikolon in Aufzählungen verwendet wird, steht es üblicherweise zwischen allen gleichrangigen Elementen der Aufzählung. Sie sollten also zwischen allen Aufzählungsgliedern ein Semikolon verwenden:

Man kann sich mit anderen im Forum austauschen; neue Düfte entdecken; verschiedene Sammlungen anlegen, um seine Parfüms zu organisieren; interessante Artikel lesen und vieles mehr.

In der Rechtschreibregelung steht das folgende Beispiel für eine mögliche Verwendung des Semikolons bei Aufzählungen:

Unser Proviant bestand aus gedörrtem Fleisch, Speck und Rauchschinken; Ei- und Milchpulver; Reis, Nudeln und Grieß.

Andere Beispiele sind:

Die Abfahrtzeiten sind: Berlin Flughafen BER, 22.35; Halle, 00.30; Bayreuth Hbf 03.00; Nürnberg ZOB 4.10.

Satzzeichen mit mehr als einem Namen sind zum Beispiel: das Komma oder der Beistrich; das Semikolon oder der Strichpunkt; der Doppelpunkt oder das Kolon (veraltet); die Anführungszeichen oder Gänsefüßchen (umgangssprachlich).

Sie hat zu Hause einen Mann, der wegen seiner Hobbys „kaum Zeit hat“; zwei Pubertierende, die sich lieber langweilen, als auch nur das Geringste aufzuräumen; drei Katzen, die ganzjährig haaren, und einen Fulltime-Job, der sie vollständig in Anspruch nimmt. Sie fühlt sich zu Recht nicht allein für die Hausarbeit verantwortlich.

In keinem der Beispiele sind die Semikolons obligatorisch, das heißt, überall sind auch Kommas möglich. Es liegt in Ihrem Ermessen, wann Sie Semikolons für die Verdeutlichung komplexerer Aufzählungen verwenden möchten. Sie sollten dabei ggf. nur dafür sorgen, dass zwischen allen gleichrangigen Elementen der Aufzählung ein Semikolon steht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Netto-Null-Emissionen, Netto-null-Emissionen, Nettonullemissionen

Frage

Wieder einmal plagt mich die Groß-/Kleinschreibung. Es geht um das Wort „Null/null“: „Netto-Null-Emissionen“ oder „Netto-null-Emissionen“? Ich meine, die zweite Variante ist richtig, sie sieht aber so ungewohnt aus.

Antwort

Guten Tag Herr A.,

wie man nach den Regeln am besten schreibt und und wie üblicherweise geschrieben wird, ist nicht immer dasselbe. Wie in diesem Fall geschrieben werden sollte, hängt davon ab, wie man die Struktur der Zusammensetzung interpretiert. Man kann die drei Teile der Verbindung in unterschiedlicher Weise miteinander in Verbindung bringen:

Wenn gesagt wird, dass die Emissionen netto berechnet null sind, schreibt man:

Netto-null-Emissionen

Wenn gemeint ist, dass die Null-Emissionen (besser: Nullemissionen) netto berechnet werden, ist es:

Netto-Null-Emissionen (o. Netto-Nullemissionen)

Beide Interpretationen sind für Nichtfachleute (und Fachleute?) vertretbar. In beiden Fällen kann auch ohne Bindestriche geschrieben werden. Das ist übrigens mein persönlicher Favorit:

Nettonullemissionen

Mit der Zusammenschreibung Nettonullemissionen umgeht man die verzwickte Frage, welche der beiden Bindestrichschreibungen besser zutrifft, aber diese Schreibweise ist ziemlich ungebräuchlich. Am häufigsten trifft man Netto-Null-Emissionen an. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass Netto-Null sich verselbstständigt hat und als eine Art Fachwort ganz ohne weiteren Zusatz auskommt:

Umstellung auf Netto-Null
Das Ziel ist Netto-Null.

Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem, was nach den Regeln am besten wäre, und dem, was üblich ist. Nach der Rechtschreibregelung schreibt man nämlich:

Umstellung auf netto null
Das Ziel ist netto null.

Erst wenn man den Begriff zu einem eigenständigen substantivischen Fachbegriff macht, ist die Schreibung Netto-Null vertretbar.

Zusammenfassend:

Sicher richtig ist:

Nettonullemissionen
netto null

Gut vertretbar finde ich:

Netto-null-Emissionen

Mit etwas gutem Willen sind auch die am häufigsten vorkommenden Schreibungen mit den Rechtschreibregeln vereinbar:

Netto-Null-Emissionen
Netto-Null

Nach den Rechtschreibregeln gar nicht zu empfehlen sind Lösungen wie NettoNullEmissionen, denen man auch hin und wieder begegnet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Es gibt solche die gut und solche die schlecht sind“ – Wie viele Kommas?

Frage

Weil ich weder im Duden noch im amtlichen Regelwerk eine Antwort finde, stelle ich mir (immer noch) diese Kommafrage: Setzt man im folgenden Satz hinter „gut“ ein Komma? Falls ja: Handelt es sich bei diesem Komma um ein Muss- oder Kann-Komma?

Es gibt Dinge, Handlungen und Eigenschaften, die gut[,] und solche, die schlecht sind.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

wir haben es hier mit verkürzten Sätzen (Auslassungssätzen) zu tun. Im Prinzip werden die Kommas in verkürzten Sätzen gleich gesetzt, wie wenn sie in ihrer vollen Länge dastehen:

Wir waren, so meine Mutter, nie wirklich arm.
(Wir waren, so sagt meine Mutter, nie wirklich arm.)

Gut, dass es dich gibt.
(Es ist gut, dass es dich gibt.)

Habe ich recht? – Ich vermute, dass nicht, denn …
(Habe ich recht? – Ich vermute, dass du nicht recht hast, denn …)

Ich schicke die Hose, weil zu klein, zurück.
(Ich schicke die Hose, weil sie zu klein ist, zurück.)

Wenn nicht jetzt, wann dann?
(Wenn wir es nicht jetzt tun, wann tun wir es dann?)

Bei einer gewissen Art von verkürzten Nebensätzen sind die Kommas fakultativ. Das gilt dann, wenn sie „formelhaft“ sind. Es geht dabei um Wendungen wie wie bereits gesagt, wie folgt, wenn irgendwie möglich, falls erforderlich. Zum Beispiel:

Ich werde mich(,) wie bereits gesagt(,) an den Kosten beteiligen.
Bitte geben Sie mir(,) wenn möglich(,) noch diese Woche Bescheid.

Beim Satz in Ihrer Frage handelt es sich nicht um eine solche formelhafte Wendung. Der verkürzte Nebensatz muss also durch Kommas abgetrennt werden:

Es gibt Dinge, Handlungen und Eigenschaften, die gut, und solche, die schlecht sind.
(Es gibt Dinge, Handlungen und Eigenschaften, die gut sind, und solche, die schlecht sind.)

Das Komma vor und schließt den ersten, verkürzten Relativsatz ab. Das Komma noch solche trennt den zweiten Relativsatz ab.

Das sind ziemlich viele Kommas für wenig Text, aber manchmal geht es nicht anders. Man kann es noch bunter treiben, wie diese abschließenden Beispiele zeigen:

Wir haben Mitglieder, die häufig, solche, die selten, und solche, die gar nie mitmachen.
Die Rechtschreibregelung kennt viele Kommas, die obligatorisch, einige, die fakultativ, und keine, die „gefühlt“ sind.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Groß oder klein: eine Stunde Parken/parken?

Frage

Ist die Schreibung im folgenden Satz korrekt?

Marienplatztiefgarage: eine Stunde kostenlos parken bis Ende Januar.

Im Dudenband „Sprachliche Zweifelsfälle“ unter Lemma „Kongruenz“ 1.2.2 finde ich diese beiden Beispiele, in denen das Verb jeweils als Substantiv behandelt wird:

Drei Monate Schuften hat / haben sich gelohnt.
Zwei Stunden Warten war / waren umsonst.

Für eine Erklärung wäre ich Ihnen sehr dankbar.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

die Schreibung ist korrekt:

eine Stunde kostenlos parken bis Ende Januar

Das adverbial verwendete endungslose kostenlos gibt an, dass es sich um den verbalen Infinitiv parken handelt. Großschreiben würde man, wenn kostenlos gebeugt wird. Es ist dann ein attributives Adjektiv, das bei einem Substantiv steht:

eine Stunde kostenloses Parken bis Ende Januar

Wenn Zweifel darüber entstehen kann, ob ein Infinitiv als Verbform klein- oder als Substantivierung großgeschrieben werden sollte, wird häufig die „Artikelprobe“ angeführt: Man schreibt groß, wenn man den Artikel das davorsetzen kann. Diese Faustregel ist zwar korrekt, aber sie schließt diesen sowie andere Fälle nicht ein, in denen auch kleingeschrieben werden kann. Hier ein Beispiel aus der Rechtschreibreglung (§ 57 E3), bei dem der Infinitiv groß- oder kleingeschrieben werden kann:

Doch geht Probieren/probieren über Studieren/studieren.

Wenn man nur die Artikelprobe gelten ließe, wäre hier nur die Großschreibung möglich:

Doch geht [das] Probieren über [das] Studieren.

Nach der Rechtschreibregelung ist aber zu Recht auch die Kleinschreibung möglich. In solchen Fällen finde ist es meist einfacher, zur Probe statt des Artikels ein einigermaßen passendes Adjektiv zu ergänzen.

  • Wenn das ergänzte Adjektiv gebeugt ist, wird der Infinitiv großgeschrieben.
  • Wenn das ergänzte Adjektiv ungebeugt ist, wird der Infinitiv kleingeschrieben.
  • Wenn beides möglich ist, kann der Infinitiv groß- oder kleingeschrieben werden.

Also:

Doch geht [schnelles] Probieren über [langes] Studieren.
Doch geht [schnell] probieren über [lang] studieren.

eine Stunde [kostenloses] Parken bis Januar
eine Stunde [kostenlos] parken bis Januar

Auch bei den Beispielen aus dem Duden kann nach meinem Ermessen nicht nur groß-, sondern auch kleingeschrieben werden:

Drei Monate [hartes] Schuften hat/haben sich gelohnt.
(= Drei Monate des [harten] Schuftens haben sich gelohnt.)
Drei Monate [hart] schuften hat sich gelohnt.
(= Drei Monate [hart] zu schuften hat sich gelohnt.)

Zwei Stunden [geduldiges] Warten war/waren umsonst.
(= Zwei Stunden des [geduldigen] Wartens waren umsonst.)
Zwei Stunden [geduldig] warten war umsonst.
(= Zwei Stunden [geduldig] zu warten war umsonst.)

Wenn man einmal zweifelt, ob ein Infinitiv groß- oder kleingeschrieben werden sollte, kann man am besten ein deklinierbares Adjektiv ergänzen. Bleibt das Adjektiv ungebeugt, gehört es adverbial zu einer kleingeschriebenen Verbform. Wird das Adjektiv gebeugt, gehört es attributiv zu einer großgeschriebenen Substantivierung. So einfach kann richtig schreiben / richtiges Schreiben sein.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Wenn man vor das ungebeugte Adjektiv einen Artikel setzt (was stilistisch meist nicht allzu schön ist), muss wieder großgeschrieben werden. Dann ist nämlich die ganze Adjektiv-Substantiv-Gruppe substantiviert:

So einfach kann richtiges Schreiben sein.
So einfach kann richtig schreiben sein.
So einfach kann das Richtigschreiben sein.

eine Stunde kostenloses Parken
eine Stunde kostenlos parken
das Eine-Stunde-kostenlos-Parken

Das Komma bei Infinitivgruppen und Nebensätzen mit „weder … noch …“

Diese Kommafrage taucht immer wieder auf, wahrscheinlich deshalb, weil man manchmal so viele Kommas setzen muss.

Frage

Wenn man weiterhin an der Regel festhalten möchte, dass der erweiterte Infinitiv durch ein Komma abgetrennt wird, was macht man dann mit diesem Satz:

Bisher gelingt es weder die Krankheit aufzuhalten noch sie zu heilen.

Wie viele Kommas müssen stehen? […]

Bisher gelingt es, weder die Krankheit aufzuhalten noch sie zu heilen.
Bisher gelingt es, weder die Krankheit aufzuhalten, noch sie zu heilen.
Bisher gelingt es weder, die Krankheit aufzuhalten, noch, sie zu heilen.

[…] Die letzte Variante sorgt zwar für logische Konsistenz in der Gesamtkonstruktion, scheint aber mit Kanonen auf Spatzen geschossen zu sein.

Antwort

Guten Tag Frau V.,

die Kommasetzung bei weder – noch mit Infinitivgruppen und Nebensätzen richtet sich danach, ob weder – noch zum übergeordneten Satz gehört oder nicht. In Ihrem Beispiel gehört weder – noch zum übergeordneten Satz. Dann wird „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“, das heißt, die Infinitivgruppen werden einzeln vom übergeordneten Satz abgetrennt:

Bisher gelingt es weder, die Krankheit aufzuhalten, noch, sie zu heilen.

Anders sieht die Kommasetzung aus, wenn weder – noch zu den Infinitivgruppen gehört, das heißt, wenn weder – noch die Infinitivgruppen zu einer Einheit verbinden:

Bisher gelingt beides nicht, weder die Krankheit aufzuhalten noch sie zu heilen.

Hier noch einige Beispiele mit  weder – noch, das zum übergeordneten Satz gehört:

  1. Ich wusste weder, dass sie verheiratet waren, noch, dass sie Kinder hatten.
  2. Eine Rückzahlungsverpflichtung besteht weder, wenn du verhindert bist, noch, wenn die Veranstaltung durch äußere Umstände nicht stattfinden kann.
  3. Sie haben weder reagiert, um sich zu bedanken, noch, um weitere Fragen zu stellen.

Mit weder – noch, das die Infinitivgruppen oder Nebensätze direkt verbindet:

  1. Ich wusste es nicht, weder dass sie verheiratet waren noch dass sie Kinder hatten.
  2. Es besteht keine Rückzahlungsverpflichtung, weder wenn du verhindert bist noch wenn die Veranstaltung durch äußere Umstände nicht stattfinden kann.
  3. Sie haben kaum reagiert, weder um sich zu bedanken noch um weitere Fragen zu stellen.

In den bisher gezeigten Beispielen gehören die Infinitivgruppen bzw. Nebensätze dann zusammen, wenn der übergeordnete Satz bereits in irgendeiner Weise verneint ist und gewissermaßen eine Erläuterung in Form von mit weder – noch verneinten Infinitivgruppen oder Nebensätzen folgt (Beispiele d, e, f). Das ist häufig, aber nicht immer so. Siehe zum Beispiel:

  1. Bisher gelingt es uns, weder zu viel auszugeben noch zu wenig einzukaufen.
    (vgl. Es gelingt uns, x und y nicht zu tun.)

Hier wird gesagt: Wir haben uns vorgenommen, nicht zu viel auszugeben und nicht zu wenig einzukaufen, und das gelingt uns.

Mit anderer Kommasetzung ist auch die Bedeutung deutlich anders:

  1. Bisher gelingt es uns weder, zu viel auszugeben, noch, zu wenig einzukaufen.
    (vgl. Es gelingt uns nicht, x und y zu tun.)

In diesem nicht allzu realistischen Satz wird gesagt: Wir haben uns vorgenommen, zu viel auszugeben und zu wenig einzukaufen, und das gelingt uns nicht.

Die Kommasetzung hängt bei den Sätzen g und h also davon ab, ob die Infinitivgruppen verneint werden (g) oder ob der übergeordnete Satz verneint wird (h). Hiermit sind wir allerdings schon fast auf der Ebene der Spitzfindigkeiten angelangt. Es lohnt sich dann häufig, eine andere Formulierung zu wählen – nicht nur wegen eventueller Zweifel bei der Kommasetzung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das S und das s – Die Schreibung von Einzelbuchstaben

Frage

Die Sprachberatung konnte mir keine schlüssige Antwort auf meine Fragen geben, deshalb wende ich mich an Sie. Frage: Warum werden folgende Wörter so geschrieben?

  • Fugen-s und nicht Fugen-S (Groß- bzw. Kleinschreibung)
  • scharfes s und nicht scharfes S oder scharfes ß

Antwort

Guten Tag Herr S.,

als Substantive verwendete Einzelbuchstaben werden in der Regel großgeschrieben:

Bei Allergien ist Sauberkeit im Haushalt das A und O.
Wir nehmen alles noch einmal von A bis Z durch.
Sie wollen uns ein X für ein U vormachen.
das Restaurant mit dem gelben M

Wenn der Buchstabe in seiner geschriebenen Form gemeint ist, wird er groß- oder kleingeschrieben, je nachdem ob der Groß- oder der Kleinbuchstabe gemeint ist:

der Großbuchstabe S
der Kleinbuchstabe s
„Sommer“ wird mit [einem] S geschrieben.
„Messer“ wird mit zwei s geschrieben.
„Vase“ mit V und „Fass“ mit F
„viel“ mit v und „fiel“ mit f
das Pünktchen auf dem i
der i-Punkt

Das gilt auch in Fällen wie den folgenden. Der genannte Buchstabe steht jeweils im Wortinnern oder am Wortende und wird entsprechend kleingeschrieben:

das Dehnungs-h
der s-Genitiv
das Genitiv-s
das Fugen-s

Wie in allen Zusammensetzungen mit einem Einzelbuchstaben oder einer Ziffer wird ein Bindestrich gesetzt.

Dann noch ein Sonderfall: Wenn Laute mit Hilfe von Buchstaben beschrieben werden, wird häufig, aber nach meiner Einschätzung nicht zwingend kleingeschrieben:

der s-Laut (so in der amtl. Rechtschreibregelung)
das stimmhafte s / das stimmhafte S
das stimmlose s / das stimmlose S

Im Begriff das scharfe s wird häufig kleingeschrieben, weil bis vor Kurzem nur der Kleinbuchstabe ß gemeint sein konnte. Die Großschreibung das scharfe S ist aber auch  vertretbar:

das scharfe s / das scharfe S

„Offizieller“ heißt es übrigens das Eszett oder der Buchstabe ß.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nicht und der Bindestrich

Letzte Woche ging es um den Bindestrich bei Präfigierungen mit anti-. Heute geht es gleich weiter mit dem Bindestrich bei Zusammensetzungen mit nicht. Wegen der vielen Beispiele sieht der Artikel nach mehr Leseaufwand aus, als er erfordert.

Frage

Soweit ich weiß, wird gemäß der deutschen Rechtschreibregeln bei Adjektiven bzw. adjektivisch gebrauchten Partizipien mit vorangestelltem „nicht“ entweder getrennt oder zusammengeschrieben. Die Schreibung mit Bindestrich trifft man zwar tagtäglich an, sie gilt aber meines Wissens als nicht regelkonform, also zum Beispiel:

nicht standardisiert/nichtstandardisiert (*nicht-standardisiert)
nicht infektiös/nichtinfektiös (*nicht-infektiös)
nicht immunisiert/nichtimmunisiert (*nicht-immunisiert)
usw.

Was ist im Falle von Substantivierungen zulässig oder zu empfehlen (Getrenntschreibung, Zusammenschreibung, Bindestrichschreibung)? Zum  Beispiel:

die Nichtimmunisierten/nicht Immunisierten/Nicht-Immunisierten
das Nichtnormierte/nicht Normierte/Nicht-Normierte
das Nichtoffensichtliche/nicht Offensichtliche/Nicht-Offensichtliche
das Nichtthematisierte/nicht Thematisierte/Nicht-Thematisierte

Antwort

Guten Tag Herr K.,

Sie haben recht: Verbindungen von nicht mit einem Adjektiv bzw. adjektivischen Partizip kann man zusammen- oder getrennt schreiben. Die Schreibung mit Bindestrich ist gemäß der Rechtschreibregelung nicht vorgesehen. Das gilt auch dann, wenn solche Verbindungen substantiviert werden. Die folgenden Schreibweisen sind regelkonform:

nicht standardisiert / das nicht Standardisierte
nichtstandardisiert / das Nichtstandardisierte

nicht infektiös / etwas nicht Infektiöses
nichtinfektiös / etwas Nichtinfektiöses

nicht immunisiert / die nicht Immunisierten
nichtimmunisiert / die Nichtimmunisierten

nicht nominiert / das nicht Normierte
nichtnominiert / das Nichtnormierte

nicht offensichtlich / das nicht Offensichtliche
nichtoffensichtlich / das Nichtoffensichtliche

nicht gewünscht / das nicht Gewünschte
nichtgewünscht / das Nichtgewünschte

Vgl.

allein erziehend / die allein Erziehenden
alleinerziehend / die Alleinerziehenden

klein gedruckt / das klein Gedruckte
kleingedruckt / das Kleingedruckte

Substantivierungen dieser Art werden in der Rechtschreibung anders behandelt als Verbindungen von nicht mit einem „normalen“ Substantiv. Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv werden im Prinzip zusammengeschrieben:

die Nichtbeachtung
ein Nichtmetall
alle Nichtmütter
ein Nichteuropäer / eine Nichteuropäerin
die Nichtfachleute
der Nichttänzer / die Nichttänzerin
der Nichtmuttersprachler / die Nichtmuttersprachlerin

Anders als die substantivierten Adjektiv- und Partizipverbindungen oben können diese Substantivzusammensetzungen nicht getrennt geschrieben werden (nicht *die nicht Beachtung, nicht *die nicht Fachleute). Dafür ist hier die Schreibung mit „verdeutlichendem“ Bindestrich möglich. Sie kommt auch relativ häufig vor:

die Nicht-Beachtung
ein Nicht-Metall
alle Nicht-Mütter
ein Nicht-Europäer / eine Nicht-Europäerin
die Nicht-Fachleute
der Nicht-Tänzer / die Nicht-Tänzerin
der Nicht-Muttersprachler / die Nicht-Muttersprachlerin

Bei nicht und dem Bindestrich muss also zwischen (substantivierten) Adjektiv- und Partizipverbindungen mit nicht und Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv unterschieden werden. So viel zur Setzung und Nichtsetzung / Nicht‑Setzung des Bindestrichs. Ich hoffe, dass hier nicht zu viel nicht Nachvollziehbares / Nichtnachvollziehbares steht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Ich lebe in Amerika und du?“ – Fehlt hier ein Satzzeichen?

Frage

Ich suche jetzt schon ewig nach einer Quelle und finde nichts.

Ich lebe in Amerika, und du?
Ich lebe in Amerika und du?

Steht hier vor „und du“ ein Komma? Ich hoffe, Sie können helfen.

Antwort

Guten Tag Frau S.,

wieder einmal gilt, dass es mehr als nur eine Lösung gibt. Das ist vielleicht der Grund dafür, dass Sie keine Quelle finden konnten, die diesen Fall beschreibt.

Am besten verwenden Sie hier einen Punkt statt eines Kommas:

Ich lebe in Amerika. Und du?
Ich heiße Andrea. Und du?

Hier wird nämlich eine Aussage, die einen Punkt verlangt, mit einer Frage verbunden, die mit einem Fragezeichen abgeschlossen wird.

Ich lebe in Amerika. Und wo lebst du?
Ich heiße Andrea. Und wie heißt du?

Es wird manchmal gesagt, und dürfe nicht am Satzanfang stehen. Das ist höchstens eine stilistische „Regel“, die für die (formalere) geschriebene Sprache gelten kann. In der weniger formalen und vor allem in der gesprochenen Sprache hingegen fangen Sätze häufig mit und an. Sollte Ihnen der Punkt vor und dennoch widerstreben, könnten Sie ihn durch einen Bindestrich ersetzen:

Ich lebe in Amerika – und du?
Ich heiße Andrea – und du?

Die Schreibung mit Komma würde ich aus dem oben erwähnten Grund nicht wählen, aber sie ist nicht gänzlich ausgeschlossen. Das Komma lässt sich dann dadurch rechtfertigen, dass und zwei selbstständige Sätze (einen Aussagesatz und einen Fragesatz) miteinander verbindet. Bei dieser Argumentation wäre theoretisch auch die Schreibung ohne Komma möglich, doch davon würde ich gänzlich abraten, weil dann noch weniger deutlich ist, dass nur der Teil nach und zur Frage gehört.

Wie so oft gibt es mehrere Argumentations- und Schreibweisen, sie sind nur nicht alle gleich empfehlenswert. Hier haben Sie also bei der Zeichensetzung die Qual oder, positiver betrachtet, die Freiheit der Wahl. Ich würde den Punkt wählen. Und Sie?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp