»Sitz!« und »Setz!«

Frage

Ich verzweifle am Imperativ der zweiten Person Singular des Verbs „sitzen“. Grammatikalisch richtig scheint mir „sitz“. Dabei denke ich aber automatisch und ausschließlich an einen Hund. Wie sage ich zu meinem Kind? Intuitiv „setz“, was aber wohl falsch ist. Laut Internet „sitze“, was ich aber noch nie gehört habe.

Können Sie mir weiterhelfen?

Antwort

Guten Tag Herr M.,

der Imperativ der zweiten Person Einzahl von sitzen ist sitz oder sitze. Beide Formen sind korrekt und es gibt keinen Bedeutungsunterschied. Dieser Imperativ sieht etwas seltsam aus, wenn er ganz alleine steht. So kommt er eigentlich nur als Kommando für einen Hund vor:

Sitz!

Ganz alleine kommt die Form sonst nicht vor. Für die Aufforderung, mit dem Sitzen anzufangen, verwenden wir setzen (setz dich!). Wenn jemand schon sitzt, kann man nur noch befehlen, sitzen zu bleiben (bleib sitzen!),  oder angeben, wie man sitzen bzw. nicht sitzen soll.

In Verbindung mit passenden anderen Wörtern sieht der Imperativ von sitzen deshalb schon viel „normaler“ aus:

Sitz still! / Sitze still!
Sitz gerade! / Sitze gerade!
Sitz nicht einfach nur faul herum! / Sitze nicht einfach nur faul herum!

Die Form setz gehört nicht zu sitzen, sondern zum Verb setzen. Sie können zum Beispiel sagen:

Setz dich und sitz still!

Manche Wortformen benötigen einen Zusammenhang, damit sie nicht seltsam oder ungewöhnlich aussehen. Ohne (obligatorische) Ergänzungen machen Imperative wie fall, finde, lieg oder tritt einen seltsamen Eindruck. Erst im Zusammenhang sind sie eigentlich sinnvoll:

Pass auf, fall nicht!
Finde die Lösung.
Lieg nicht den ganzen Tag im Bett!
Tritt nicht ins Fettnäpfchen!

Bei anderen Verben gibt es den Imperativ nur theoretisch, weil sie einen Vorgang bezeichnen, zu dem man gar nicht auffordern kann. Beispiele sind: besitz, gäre, glimme, quill, sprieß, stink u.v.a.m. Sehr oft sind Imperative dieser Art aber nicht unmöglich, nur unüblich. Siehe zum Beispiel:

Besitze nicht, sondern teile!
Glimm weiter, Feuer, geh nicht aus!
Stink nicht so, geh duschen, du Penner!

Viele Wörter und Wortformen – auch Imperative – erhalten ihre ganze Bedeutung erst im Zusammenhang.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Öffnen Theater am Tag der offenen Tür ihre Tür oder ihre Türen?

Frage

Hier stolpere ich immer wieder drüber – wie ist es richtig mit den Türen?:

Über 100 Theater öffnen ihre Tür für das Publikum.
Über 100 Theater öffnen ihre Türen für das Publikum.

Oder geht einfach beides?

Antwort

Guten Tag Frau P.,

eine enttäuschende Antwort für alle, die denken, dass Deutsch eine so schön logische Sprache sei: Beides ist richtig.

Es sei vorausgeschickt, dass ein Theater wörtlich seine Türen in der Mehrzahl oder im übertragenen Sinne seine Tür in der Einzahl öffnen kann. Die meisten Theater sind so groß, dass sie mehr als eine Tür haben, die geöffnet wird. An einem Tag der offenen Tür kann aber einfach bildlich „die Tür“ als Zugang gemeint sein.

Das Stadttheater öffnet seine Türen für Neugierige.
Das Stadttheater öffnet seine Tür für Neugierige.

Wie sieht es nun aus, wenn mehrere Theater jeweils eine (sprichwörtliche) Tür öffnen? – Auch dann geht beides.

Es gibt im Deutschen den sogenannten distributiven Singular, den man verwendet, wenn mehrere Einheiten oder vor allem mehrere Personen jeweils eine Sache haben:

Alle hatten eine Mütze auf.
Viele Eltern tendieren dazu, ihr Einzelkind zu verwöhnen.
Bei mehreren Hütten hatte der Sturm das Dach abgedeckt.

Es ist aber nicht falsch, hier den Plural zu verwenden:

Alle hatten Mützen auf.
Viele Eltern tendieren dazu, ihre Einzelkinder zu verwöhnen.
Bei mehreren Hütten hatte der Sturm die Dächer abgedeckt.

Das gilt auch für Theater, die ihre Tür(en) öffnen, selbst wenn die eine sprichwörtliche Tür gemeint ist:

Über hundert Theater öffnen ihre Tür für das Publikum.
Über hundert Theater öffnen ihre Türen für das Publikum.

Nur dann, wenn gesagt werden soll, dass alle beteiligten Theater jeweils mehr als eine Tür öffnen, nur dann muss der Plural ihre Türen stehen.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in zwei älteren Artikeln (Fragen dieser Art tauchen immer wieder auf): Der erste behandelt die Frage, ob sich unsere Vorfahren in ihrem Grab oder in ihren Gräbern umdrehen würden. Der zweite beschäftigt sich mit dem „Problem“, wie viele Häuser ein Popstar hat, der Häuser in drei Ländern besitzt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn + und – unmittelbar nebeneinanderstehen: LGBTQ+ in Zusammensetzungen

Frage

Wie schreibt man eine Zusammensetzung richtig, die ein Sonderzeichen beinhaltet, ganz konkret ein Pluszeichen? Ich meine hier den Begriff „LGBTQIA+-Feindlichkeit“. Kann hier der Bindestrich ausbleiben, um ein seltsames „+-“ zu vermeiden? Darf das ohne Bindestrich geschrieben werden?

Antwort

Guten Tag Herr P.,

Zusammensetzungen mit einer Abkürzung werden mit Bindestrich geschrieben (amtl. Rechtschreibregelung §40.2):

die NATO-Länder
das WM-Spiel
Kfz-Papiere
CO2-Emissionen
eine dpa-Meldung
die US-amerikanische Staatsbürgerschaft

Auch dann, wenn die Abkürzung mit einem + endet, sollte der Bindestrich in einer Zusammensetzung verwendet werden:

LGBTQIA+-Personen
LGBTQ+-Rechte
LGBTQIA+-Feindlichkeit
LGBTQ+-feindliche Politik

Das Aufeinandertreffen von + und – ergibt ein ungewöhnliches Schriftbild. Wahrscheinlich deshalb kommt die Schreibung ohne Bindestrich häufig vor. Es ist aber nach den Rechtschreibregeln nicht korrekt, den Bindestrich hier wegzulassen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Komma, wenn etwas „wie für dich gemacht“ aussieht

Frage

Ich bin oft unsicher, wenn es um Vergleiche geht. Wäre zum Beispiel hier ein Komma angebracht?

Der Tisch sieht aus, wie für dich gemacht.

Ich hätte gedacht, da müsste eins hin. […] Ein Kollege meinte jedoch, es gäbe in diesem Satz keinen Nebensatz.

Antwort

Guten Tag Frau R.,

Ihr Kollege hat recht. Sie sollten hier kein Komma setzen, denn wie leitet keinen Nebensatz ein:

Der Tisch sieht aus wie für dich gemacht.
Der Tisch sieht wie für dich gemacht aus.

Es dauerte nicht so lange wie erwartet.

Ein Komma steht bei Vergleichen mit als und wie nur dann, wenn als oder wie einen Nebensatz einleiten. Ein Komma muss also zum Beispiel hier stehen:

Der Tisch sieht aus, wie er für dich gemacht  worden wäre.

Es dauerte nicht so lange, wie ich erwartet hatte.

Siehe auch hier (ganz unten auf der Seite).

Wie immer ist es „natürlich“ möglich, die ganze Sache zu komplizieren. Manchmal ist eine solche wie-Gruppe nicht Teil eines Vergleiches, sondern ein Nachtrag, den man mit einem Komma (oder Gedankenstrich) abtrennen muss:

Der Tisch sieht toll aus, wie für dich gemacht.
Der Tisch ist sehr schön, wie für dich gemacht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Titel und Eigenname im Genitiv: im Leben des Pater[s] Pio

Frage

Ich bin Korrektorin und versuche mich gerade zu rechtfertigen, warum ich den Titel „Ein Tag im Leben des Pater Bio“ (ohne Genitiv-s bei „Pater“) habe durchgehen lassen. […] Ich selbst hätte zwar das Genitiv-s gesetzt, es klang aber ohne nicht völlig falsch, und ich hatte wohl auch Hochachtung vor dem Autor, der sich im Gegensatz zu mir in Kirchenbelangen auskennt.

Antwort

Guten Tag Frau Z.,

bei erweiterten Eigennamen im Genitiv ist es gar nicht so einfach, ob und wie man beugen soll. Entscheidend ist dabei, ob ein Artikel mitspielt oder nicht.

Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufsbezeichnungen, Anredeformen, Titel u. Ä. gehören zum Namen, wenn sie ohne Artikelwort verwendet werden. Dekliniert wird der ganze Name:

Tante Annas Cabriolet
König Arthurs Tafelrunde
die Tafelrunde König Arthurs
Pater Browns Geheimnisse
Pater Pios Leben

Wenn sie von einem Artikelwort begleitet werden, sind Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufsbezeichnungen, Anredeformen, Titel u. Ä. in der Regel nicht Teil des Namens und werden gebeugt. Der Name ist Apposition und bleibt ungebeugt:

das Cabriolet meines Onkels Anton
die Tafelrunde des Königs Arthur
die Geheimnisse des Paters Brown
das Leben des Paters Pio

In formeller oder gehobener Sprache können solche Verbindungen aber auch mit Artikel als Ganzes als Name aufgefasst werden. Allgemein gilt, dass nachgestellte Personennamen mit Artikel im heutigen Deutschen ungebeugt bleiben:

das Spielzeugauto des kleinen Joachim
das sagenhafte Reich der Kleopatra

Entsprechend bleiben auch diese Verbindungen endungslos, wenn sie als Ganzes als Eigennamen aufgefasst werden:

das Vermögen des Onkel Dagobert
die Tafelrunde des König Arthur
die Geheimnisse des Pater Brown
das Leben des Pater Pio

Immer zum Namen gerechnet wird übrigens der Titel Doktor, auch wenn er mit einem Artikel daherkommt:

der Blog des Doktor Bopp

Sie haben also Ein Tag im Leben des Pater Pio zu Recht durchgehen lassen. Es klingt nicht falsch, weil es in eher gehobenem/formellem Sprachgebrauch möglich ist, die Verbindung ‘Titel + Name’ auch mit Artikel als Ganzes wie einen Eigennamen zu behandeln. In „neutralerem“ Sprachgebrauch hätte auch ich Ein Tag im Leben des Paters Pio gewählt – oder ohne Artikel: Ein Tag in Pater Pios Leben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wortstellung: „außer du hast keine Zeit“

Frage

in LEOs deutsche Grammatik: 3.6.3.3.3 Modalsatz findet sich dieser Satz als Variante zu den Subjunktionen „außer dass“ und „außer wenn“:

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.

Beim Lesen dieses Satzes stutzte ich, denn der außer-Satz ist aufgrund der Verbstellung kein Nebensatz, sondern ein nebengeordneter Hauptsatz […] Aber in dieser Funktion wird sie in keiner mir vorliegenden Grammatik erwähnt. Die Konstruktion erinnert mich an ähnliche mit „weil“, die als umgangssprachlich gelten: „Wir sollten jetzt reingehen, weil es regnet ziemlich stark.“ […] Also scheint mir Ihr Beispielsatz eher aus dem umgangssprachlichen Bereich zu sein.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

für weil gilt tatsächlich, dass es standardsprachlich nur unterordnend verwendet werden sollte:

… weil es ziemlich stark regnet.
besser nicht: … weil es regnet ziemlich stark.

Das gilt nicht für außer. So schrieb zum Beispiel Erich Kästner diesen berühmten Satz:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Aber auch zum Beispiel in Grammis oder in den Wörterbüchern und der Grammatik von Duden finden sich Beispielsätze wie die folgenden (wobei keine stilistischen Angaben wie umgangssprachlich oder Ähnliches gemachtwerden):

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Morgen fahre ich in die Berge, außer das Wetter spielt nicht mit.

ich komme, außer es regnet, außer wenn es regnet;
Er muss zu dem Termin erscheinen, außer er ist wirklich krank.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Die Verwendung von außer mit dieser Wortstellung kommt also nicht nur in unserer Grammatik vor.

Es gibt somit vier verschiedene Möglichkeiten, mit Hilfe von außer Teilsätze miteinander zu verbinden:

außer dass
außer zu
außer wenn
außer

Dabei haben außer dass und außer zu die gleiche Bedeutung: ausgenommen dass.

Ich habe nichts erfahren können, außer dass sie abgereist ist.

Es gibt keinen Ausweg, außer dass wir ihn um Hilfe bitten.
Es gibt keinen Ausweg, außer ihn um Hilfe zu bitten.

Und das allein stehende außer hat die gleiche Bedeutung wie außer wenn: ausgenommen wenn.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Es gibt nichts Gutes, außer wenn man es tut.

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer wenn der Richter anders entscheidet.

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.
Wir kommen zu dir, außer wenn du keine Zeit hast.

Bei außer haben wir es also mit einem recht flexibel einsetzbaren Wörtchen zu tun. Und was hier beschrieben wird, ist noch nicht alles, wie dieser ältere Blogartikel zeigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ein Freitag[,] der Dreizehnte

Heute ist zwar Freitag, der Dreißigste, Thema ist dennoch Freitag, der Dreizehnte:

Frage

Die Formulierung „ein Freitag, der 13.“ kommt manchmal vor. Hier erscheint mir die Kombination aus unbestimmtem und bestimmtem Artikel paradox. Müsste es nicht „ein Freitag als Dreizehnter (dreizehnter Tag)“ heißen?

Mehr noch: Das englische „Friday the 13th“ ist ohne Komma gängig und es gibt ja auch Fälle wie „Alexander der Große“. Lässt sich das auf „Freitag der 13.“ übertragen oder ist ein Komma obligatorisch? […]

Antwort

Guten Tag Herr P.,

ein bisschen Flexibilität ist auch bei der Rechtschreibung und der Grammatik gefragt. Im Prinzip ist es Freitag, der 13. mit Komma:

an einem Freitag, dem Dreizehnten
schon wieder ein Freitag, der 13.
für jeden Freitag, den 13.

Es handelt sich oft um eine besondere Datumsangabe, weil dann eine Portion Aberglaube und zusätzliche Bedeutung mitmischt. Ich halte deshalb die Kombination von bestimmtem und unbestimmtem Artikel für gut möglich – nur schon deshalb, weil sie mehr oder weniger regelmäßig vorkommt.

Man könnte weiter dafür plädieren, dass es sich um den Namen eines besonderen Tages handelt, und ohne Komma schreiben:

schon wieder ein Freitag der Dreizehnte
die Angst vor [dem] Freitag dem 13.

Es ist aber anders als Alexander der Große, Elisabeth die Zweite, Lukas der Lokomotivführer oder Shaun das Schaf kein wirklicher Eigenname. Der Freitag(,) der Dreizehnte, den Sie hier meinen, passt also weder zu den eigentlichen Datumsangaben noch zu den besonderen Eigennamen.

Um auf die Flexibilität zurückzukommen: Man kann für Freitag der 13. ohne Komma argumentieren, wenn ein Unglückstag gemeint ist. Das Komma ist aber auch gut vertretbar. Wenn Sie „auf Nummer sicher gehen“ wollen, wählen Sie die Schreibung mit Komma, die übrigens auch (implizit) in den Rechtschreibwörterbüchern angegeben wird:

schon wieder ein Freitag, der Dreizehnte
die Angst vor [dem] Freitag, dem 13.

Man könnte auch ein Freitag als Dreizehnter sagen, aber das ist für diesen besonderen Tag nicht üblich und entsprechend weniger gut verständlich. So viel zu diesem Thema am heutigen Freitag, dem Dreißigsten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was ist besser: „mit nach Hause nehmen“ oder „nach Hause mitnehmen“?

Frage

Neulich wurde mir folgender Satz gesagt: „Ich nehme das Buch nach Hause mit.“ Ich würde in diesem Fall sagen: „Ich nehme das Buch mit nach Hause.“ Welcher der beiden Sätze wäre zu bevorzugen?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

beide Formulierungen sind möglich und richtig. Was ist der Unterschied? Es geht hier rein grammatisch betrachtet um zwei unterschiedliche Konstruktionen, die (fast) die gleiche Bedeutung haben.

Die erste Konstruktion wird mit dem Verb mitnehmen und der Adverbialbestimmung nach Hause gebildet:

nach Hause mitnehmen
Ich nehme das Buch nach Hause mit.
Ich will das Buch nach Hause mitnehmen.
Ich habe das Buch nach Hause mitgenommen.

Die zweite Konstruktion wird mit dem Verb nehmen und der komplexen Adverbialbestimmung mit nach Hause gebildet:

mit nach Hause nehmen
Ich nehme das Buch mit nach Hause.
Ich will das Buch mit nach Hause nehmen.
Ich habe das Buch mit nach Hause genommen.

Ähnlich zum Beispiel auch:

in seine Heimat zurückfahren
zurück in seine Heimat fahren

auf den Turm hinaufsteigen
hinauf auf den Turm steigen

ins Tal hinunterführen
hinunter ins Tal führen

Die beiden Konstruktionen sind jeweils eng miteinander verwandt. Genaueres dazu kann ich so schnell nicht finden (eine gründlichere Untersuchung wäre bestimmt interessant). Sie scheinen dann möglich zu sein, wenn eine Richtung angegeben wird und ein selbständiges Adverb beteiligt ist, das auch Teil eines trennbaren Verbs sein kann (hinauf, hinunter, mit, zurück u.a.m.).

Und nun endlich zu Ihrer eigentlichen Frage: Beide Formulierungen sind korrekt. Es gibt keine Richtlinie, was zu bevorzugen ist. Sie können also wählen, was Ihnen im jeweils gegebenen Zusammenhang besser zusagt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Grünes-Gewölbe-Einbrecher?

Frage

In einem Forum ist diese Frage aufgekommen: Wie wird „Grünes-Gewölbe-Einbrecher“ richtig dekliniert?

In Ihrem Artikel Wie man „Tschechische Republik, Deutsche Bank und Alte Post beugt“ schreiben Sie:

Das Adjektiv kann gebeugt werden, aber auch ungebeugt bleiben:

der Rote-Armee-Fraktion / der Roten-Armee-Fraktion
der Arme-Sünder-Glocke / der Armen-Sünder-Glocke (o. der Armesünderglocke)

Heißt es dann „die Verurteilung der Grünen-Gewölbe-Einbrecher“ oder „die Verurteilung der Grünes-Gewölbe-Einbrecher“? Ich wär ja eh für „die Verurteilung der Einbrecher ins Grüne Gewölbe“.

Antwort

Guten Tag S.,

Es heißt bei einigen Ausnahmen:

die Rote-Armee-Fraktion, der Rote[n]-Armee-Fraktion
die Arme-Sünder-Glocke, der Arme[n]-Sünder-Glocke
(auch: die Armesünderglocke, der Armesünderglocke)

Die Beugung des Adjektivs ist streng nach der Struktur der Zusammensetzung eigentlich nicht vertretbar. Sie kommt aber bei diesen Wörtern regelmäßig vor und wird zum Teil als korrekt angesehen, zum Teil aber auch als umgangssprachlich bezeichnet.

Wodurch entsteht die Unsicherheit? – Sie entsteht dadurch, dass diese Art der Wortzusammensetzung (dreiteiliges Kompositum mit einem Adjektiv mit Flexionsendung an erster Stelle) im Deutschen eigentlich nicht vorgesehen ist und nur selten vorkommt. Üblich und stilistisch in der Regel viel besser ist eine Formulierung mit einem Attribut.

Besser nicht:

die Goldener-Löwe-Wirtin
die Schwarze-Madonna-Verehrung
ein Süddeutsche-Zeitung-Artikel
die Grünes-Gewölbe-Einbrecher

Sondern:

die Wirtin des Goldenen Löwen
die Verehrung der Schwarzen Madonna
ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung
die Einbrecher in das Grüne Gewölbe

Die Frage, die Sie stellen, lautet also, wie man eine unübliche und stilistisch schlechte Zusammensetzung korrekt beugt. Eine Regel gibt es nicht (vgl. unüblich und stilistisch schlecht) und mit „Logik“ kommt man in der Sprache oft nicht sehr weit.

Streng nach der Struktur der Zusammensetzung passt besser:

die Verurteilung der Grünes-Gewölbe-Einbrecher

Nach dem Sprachgefühl vieler passt aber eher:

die Verurteilung der Grünen-Gewölbe-Einbrecher

Gut klingt beides nicht und wirklich korrekt ist meiner Meinung nach ebenfalls keines von beiden.

Und wenn man ganz streng ist, „klemmt“ auch die Formulierung die Verurteilung der Einbrecher in das Grüne Gewölbe. Man sagt normalerweise auch nicht die Suche nach den Einbrechern in die Bank oder die Verhaftung der Einbrecher in mehrere Wohnungen. Noch besser wäre deshalb:

die Verurteilung der Täter des Einbruchs in das Grüne Gewölbe

Das ist präziser, aber dafür wieder ziemlich lang. Die optimale Lösung gibt es häufig nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp