Frage
Warum reimt sich „Sprache“ nicht auf „Drache“, wie mir beim Vorlesen eines Kinderbuchs aufgefallen ist? Und warum drückt sich der Unterschied nicht in der Schreibweise aus?
Antwort
Guten Tag Herr oder Frau N.,
Die beiden Wörter reimen sich tatsächlich nicht: Sprache wird mit einem langen a gesprochen, Drache hingegen mit einem kurzen a. Das sieht man allerdings nicht an der Schreibweise. Das liegt daran, dass das Deutsche nur bedingt eine Sprache ist, bei der die Schrift die Aussprache eins zu eins wiedergibt. Allgemeine Regeln zur Laut-Buchstaben-Zuordnung werden aus verschiedenen Gründen häufig nicht konsequent umgesetzt (z. B. Respektierung gefestigter Schreibweisen, Stammprinzip, Fremdwörter). Es gibt also viele Ausnahmen.
Nach der allgemeinen Regel wird ein einzelner Konsonant nach einem kurzen betonten Vokal verdoppelt. Zum Beispiel:
Ebbe, Paddel, Affe, Egge, Backe (ck=kk), Galle, Stamm, Panne, Kappe, Knarre, Nuss, Platte, Tatze (tz=zz)
Ausnahmen sind (abgesehen von Fremdwörtern) zum Beispiel
an, bis, mit, man, bin, hat
Ein ch wird nicht verdoppelt. Es entspricht in der gesprochenen Sprache zwar einem einzelnen Laut, geschrieben sind es dann aber doch zwei Buchstaben. Deshalb schreibt man Drache und nicht *Drachche.
Der kurze Vokal wird hier also nicht besonders gekennzeichnet. Wie steht es nun mit dem langen Vokal von Sprache? Ein langer Vokal kann durch ein h oder durch Verdoppelung gekennzeichnet werden (Regel).
Das Dehnungs-h kommt aber vor allem dann vor, wenn kein Konsonant oder ein l, m, n oder r folgt:
nah, fähig, zäh, froh, Kuh
lahm, ahnen, Kohle, Möhre
Das ist aber auch dann nicht immer der Fall:
säen, Böe
Tal, Name, Ton, Hure
Das Dehnungs-h kommt auch vor einem ch im Stamm nicht vor. Man schreibt also Sprache und nicht *Sprahche. Ein weiterer Grund mag sein, dass Sprache zur Vergangenheitsform sprach von sprechen gehört. All diese Formen werden ohne h nach dem Stammvokal geschrieben.
Die Verdopplung des Vokals kommt nur bei einer kleinen Anzahl heimischer Wörtern vor (z. B. Aal, Haar, See, Teer, Boot, Moos). Das Wort Sprache gehört nicht dazu, u. a. vielleicht weil es, wie bereits gesagt, zu sprechen/sprach gehört. Wir schreiben also auch nicht *Spraache.
Vor einem ch sind die Schreibungen für einen kurzen und für einen langen Vokal also gleich:
lang – kurz
Sprache – Rache, Drache, Sache, mache, Wache
brach – flach, Dach, Krach
hoch – Koch
Maloche – Woche
Tuch, such! – Spruch, huch!
Kurz oder lang ausgeprochen wird das a in Lache (Pfütze):
Lache – Lache
Ganz kurz zusammengefasst:
Drache, nicht Drachche
Sprache, nicht Sprahche, Spraache
Die deutsche Rechtschreibung hat also auch im Bereich der Laut-Buchstaben-Zuordnung ihre Tücken. Ganz so arg wie die Franzosen und die Engländer treiben wir es aber doch nicht. Zum Beispiel:
Die folgenden französischen Wortformen werden alle gleich ausgesprochen:
mer, mère, maire (= Meer, Mutter, Bürgermeister)
parler, parlez, parlai, parlé, parlée, parlés, parlées (= versch. gebeugte Formen des Verbs parler)
Das Englische treibt es mit seiner historischen Orthografie ja zum Teil noch viel bunter. Ein bekanntes, nicht allzu seriös zu nehmendes Beispiel:
ghoti = fish
das gh von enough (inaf)
das o von women (wimen)
das ti von nation (neischen)
Unser Drache-Sprache-Phänomen ist also vergleichsweise harmlos.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bopp