Jede Menge trockene/trockener Äste

Frage

Ich hätte wieder einmal eine Frage, Sie können mir sicherlich helfen. Was ist richtig?

Am Waldrand fand er jede Menge trockene/trockener Äste.

Antwort

Guten Tag Frau R.

nach einer ungenauem Mengenangabe wie Anzahl, Fülle, Reihe, Menge usw. kann das Gemessene/Gezählte im Genitiv oder im gleichen Fall wie die Mengenangabe stehen. Dies allerdings nur dann, dann wenn es im Plural steht.

Mit Genitiv (partitiver Genitiv, häufig):

Wir haben Fragen zu einer Anzahl kleinerer Probleme.
Sie stellte eine Reihe neuer Produkte vor.
Eine Gruppe Demonstrierender besetzte das Gebäude.
Am Waldrand fand er eine große Menge trockener Äste.

Mit Kasusangleichnung (partitive Apposition; seltener):

Wir haben Fragen zu einer Anzahl kleineren Problemen.
Sie stellte eine Reihe neue Produkte vor.
Eine Gruppe Demonstrierende besetzte das Gebäude.
Am Waldrand fand er eine große Menge trockene Äste.

Es gibt sogar noch eine dritte Variante (häufig):

Wir haben Fragen zu einer Anzahl von kleineren Problemen.
Sie stellte eine Reihe von neuen Produkten vor.
Eine Gruppe von Demonstrierenden besetzte das Gebäude.
Am Waldrand fand er eine große Menge von trockenen Ästen.

Siehe auch die Angaben in der LEO-Grammatik.

In Ihrem Satz steht aber keine „gewöhnliche“ Mengenangabe, sondern die umgangssprachliche Wendung jede Menge = sehr viel. Das oben Gesagte gilt im Prinzip auch hier, aber am üblichsten ist doch die Kasusangleichung, das heißt, man formuliert gleich, wie wenn sehr viel stünde:

Am Waldrand fand er jede Menge trockene Äste.
(vgl. Am Waldrand fand er sehr viel[e] trockene Äste.)

Das ist eher umgangssprachlich. Etwas formeller gibt es, wie oben gezeigt, diese Varianten:

Am Waldrand fand er eine große Menge trockener Äste.
Am Waldrand fand er eine große Menge trockene Äste.
Am Waldrand fand er eine große Menge von trockenen Ästen.

Es sind also jede Menge verschiedene Formulierungen möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Plural von Stereotyp: die Stereotype oder die Stereotypen?

Frage

Könnten Sie mir bitte bei folgenden Beispielen weiterhelfen? Es geht um die Deklination des Nomens „Stereotyp“. Folgende Formulierungen habe ich im Internet gefunden und sind der Anlass meiner Nachricht:

Ich habe einen Artikel zum Thema „Stereotypen“
Diese Stereotypen dienen dazu, …

Der Begriff steht hier doch im Nominativ, oder?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

der eigentlich korrekte Plural von das Stereotyp (vereinfachendes, verallgemeinerndes Vorurteil; klischeehaftes Bild) ist nach den Angaben aller Wörterbücher die Stereotype:

das Stereotyp – die Stereotype

Wahrscheinlich unter dem Einfluss von Typ – Typen kommt aber der Plural die Stereotypen auch häufiger vor. Beispiele sind die Nominative, die Sie in Ihrer Frage zitieren. Ich bin zufällig auch über diese Stellen in einem Dudenwerk* gestolpert:

Obwohl grammatisch nichts gegen diesen Gebrauch einzuwenden ist, sind Stereotypen verzichtbar. Sie sollten nach Möglichkeit vermieden werden

Ein wichtiger Bereich, mit dem sich Political Correctness beschäftigt, ist die Verwendung nationaler Stereotypen in sprichwortähnlichen Zusammenhängen

Eigentlich richtig ist hier überall der Plural Stereotype:

Ich habe einen Artikel zum Thema „Stereotype“ gelesen.
Diese Stereotype dienen dazu, …
… sind Stereotype verzichtbar.
… die Verwendung nationaler Stereotype

Ich habe auch kurz im Korpus des IDS in Mannheim gesucht, und zwar mit den Wörtern Vorurteile und Stereotype, die im Plural die gleichen Endungen haben sollten:

Vorurteile und Stereotype (111 Treffer)
Stereotype und Vorurteile (128 Treffer)

Die Suche mit dem Plural Stereotypen zeigt:

Vorurteile und Stereotypen (82 Treffer)
Stereotypen und Vorurteile (59 Treffer)

Allzu viel sollte man nicht in diese Zahlen hineinlesen. Sie zeigen aber doch, dass der eigentlich korrekte Plural Stereotype zwar häufiger vorkommt, dass der „falsche“ Plural aber auch recht oft verwendet wird. Vielleicht wäre es an der Zeit, bei Stereotyp auch „offiziell“ einen zweiten Plural zu akzeptieren. Wenn Sie es aber ganz richtig machen wollen, verwenden Sie (vorerst) nur den Plural Stereotype (außer im Dativ: den Stereotypen).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

* Duden, Das Wörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle, 2021; Stichwort Völker- und Stammesnamen bzw. Political Correctness. Siehe auch hier.

Leipziger Allerlei im Genitiv

Frage

Heute eine Frage zur (Weglassung der) Flexionsendung: Heißt es „wie im Falle des ‚Leipziger Allerlei‘“ oder „wie im Falle des Leipziger Allerleis“? „Leipziger Allerlei“ steht in dem betreffenden Text in Anführungszeichen, deshalb bin ich mir nicht sicher. Meiner Meinung nach müsste es „Allerleis“ heißen. Stimmen Sie mir zu?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

richtig ist hier eigentlich die Beugung des Namens des Gerichtes:

im Falle des Leipziger Allerleis
im Falle des „Leipziger Allerleis“

Immer häufiger kommt aber bei Bezeichnungen dieser Art – wie bei Eigennamen mit Artikel (siehe hier) – auch in der Standardsprache die Variante ohne Genitiv-s vor:

im Falle des Leipziger Allerlei
im Falle des „Leipziger Allerlei“

Wie die Beispiele zeigen, spielt es dabei im Prinzip keine Rolle, ob der Name in Anführungszeichen steht oder nicht.

Ich würde hier die Varianten mit der Genitivendung empfehlen, aber bei Leipziger Allerlei ist die endungslose Variante mindestens ebenso üblich. Nicht empfehlen würde das Weglassen der Endung bei Gerichten u. Ä. die noch näher an „gewöhnlichen“ Wörtern liegen. Sie sagen und schreiben also besser nicht des Schwarzwälder Schinken oder eines Wiener Schnitzel, sondern des Schwarzwälder Schinkens und eines Wiener Schnitzels.

Ob mit oder ohne Genitiv-s: Hauptsache, es schmeckt!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Wer nicht weiß, was Leipziger Allerlei ist, schaut zum Beispiel hier nach.

Titel und Eigenname im Genitiv: im Leben des Pater[s] Pio

Frage

Ich bin Korrektorin und versuche mich gerade zu rechtfertigen, warum ich den Titel „Ein Tag im Leben des Pater Bio“ (ohne Genitiv-s bei „Pater“) habe durchgehen lassen. […] Ich selbst hätte zwar das Genitiv-s gesetzt, es klang aber ohne nicht völlig falsch, und ich hatte wohl auch Hochachtung vor dem Autor, der sich im Gegensatz zu mir in Kirchenbelangen auskennt.

Antwort

Guten Tag Frau Z.,

bei erweiterten Eigennamen im Genitiv ist es gar nicht so einfach, ob und wie man beugen soll. Entscheidend ist dabei, ob ein Artikel mitspielt oder nicht.

Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufsbezeichnungen, Anredeformen, Titel u. Ä. gehören zum Namen, wenn sie ohne Artikelwort verwendet werden. Dekliniert wird der ganze Name:

Tante Annas Cabriolet
König Arthurs Tafelrunde
die Tafelrunde König Arthurs
Pater Browns Geheimnisse
Pater Pios Leben

Wenn sie von einem Artikelwort begleitet werden, sind Verwandtschaftsbezeichnungen, Berufsbezeichnungen, Anredeformen, Titel u. Ä. in der Regel nicht Teil des Namens und werden gebeugt. Der Name ist Apposition und bleibt ungebeugt:

das Cabriolet meines Onkels Anton
die Tafelrunde des Königs Arthur
die Geheimnisse des Paters Brown
das Leben des Paters Pio

In formeller oder gehobener Sprache können solche Verbindungen aber auch mit Artikel als Ganzes als Name aufgefasst werden. Allgemein gilt, dass nachgestellte Personennamen mit Artikel im heutigen Deutschen ungebeugt bleiben:

das Spielzeugauto des kleinen Joachim
das sagenhafte Reich der Kleopatra

Entsprechend bleiben auch diese Verbindungen endungslos, wenn sie als Ganzes als Eigennamen aufgefasst werden:

das Vermögen des Onkel Dagobert
die Tafelrunde des König Arthur
die Geheimnisse des Pater Brown
das Leben des Pater Pio

Immer zum Namen gerechnet wird übrigens der Titel Doktor, auch wenn er mit einem Artikel daherkommt:

der Blog des Doktor Bopp

Sie haben also Ein Tag im Leben des Pater Pio zu Recht durchgehen lassen. Es klingt nicht falsch, weil es in eher gehobenem/formellem Sprachgebrauch möglich ist, die Verbindung ‚Titel + Name‘ auch mit Artikel als Ganzes wie einen Eigennamen zu behandeln. In „neutralerem“ Sprachgebrauch hätte auch ich Ein Tag im Leben des Paters Pio gewählt – oder ohne Artikel: Ein Tag in Pater Pios Leben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Grünes-Gewölbe-Einbrecher?

Frage

In einem Forum ist diese Frage aufgekommen: Wie wird „Grünes-Gewölbe-Einbrecher“ richtig dekliniert?

In Ihrem Artikel Wie man „Tschechische Republik, Deutsche Bank und Alte Post beugt“ schreiben Sie:

Das Adjektiv kann gebeugt werden, aber auch ungebeugt bleiben:

der Rote-Armee-Fraktion / der Roten-Armee-Fraktion
der Arme-Sünder-Glocke / der Armen-Sünder-Glocke (o. der Armesünderglocke)

Heißt es dann „die Verurteilung der Grünen-Gewölbe-Einbrecher“ oder „die Verurteilung der Grünes-Gewölbe-Einbrecher“? Ich wär ja eh für „die Verurteilung der Einbrecher ins Grüne Gewölbe“.

Antwort

Guten Tag S.,

Es heißt bei einigen Ausnahmen:

die Rote-Armee-Fraktion, der Rote[n]-Armee-Fraktion
die Arme-Sünder-Glocke, der Arme[n]-Sünder-Glocke
(auch: die Armesünderglocke, der Armesünderglocke)

Die Beugung des Adjektivs ist streng nach der Struktur der Zusammensetzung eigentlich nicht vertretbar. Sie kommt aber bei diesen Wörtern regelmäßig vor und wird zum Teil als korrekt angesehen, zum Teil aber auch als umgangssprachlich bezeichnet.

Wodurch entsteht die Unsicherheit? – Sie entsteht dadurch, dass diese Art der Wortzusammensetzung (dreiteiliges Kompositum mit einem Adjektiv mit Flexionsendung an erster Stelle) im Deutschen eigentlich nicht vorgesehen ist und nur selten vorkommt. Üblich und stilistisch in der Regel viel besser ist eine Formulierung mit einem Attribut.

Besser nicht:

die Goldener-Löwe-Wirtin
die Schwarze-Madonna-Verehrung
ein Süddeutsche-Zeitung-Artikel
die Grünes-Gewölbe-Einbrecher

Sondern:

die Wirtin des Goldenen Löwen
die Verehrung der Schwarzen Madonna
ein Artikel in der Süddeutschen Zeitung
die Einbrecher in das Grüne Gewölbe

Die Frage, die Sie stellen, lautet also, wie man eine unübliche und stilistisch schlechte Zusammensetzung korrekt beugt. Eine Regel gibt es nicht (vgl. unüblich und stilistisch schlecht) und mit „Logik“ kommt man in der Sprache oft nicht sehr weit.

Streng nach der Struktur der Zusammensetzung passt besser:

die Verurteilung der Grünes-Gewölbe-Einbrecher

Nach dem Sprachgefühl vieler passt aber eher:

die Verurteilung der Grünen-Gewölbe-Einbrecher

Gut klingt beides nicht und wirklich korrekt ist meiner Meinung nach ebenfalls keines von beiden.

Und wenn man ganz streng ist, „klemmt“ auch die Formulierung die Verurteilung der Einbrecher in das Grüne Gewölbe. Man sagt normalerweise auch nicht die Suche nach den Einbrechern in die Bank oder die Verhaftung der Einbrecher in mehrere Wohnungen. Noch besser wäre deshalb:

die Verurteilung der Täter des Einbruchs in das Grüne Gewölbe

Das ist präziser, aber dafür wieder ziemlich lang. Die optimale Lösung gibt es häufig nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gebeugte Werktitel: die Hauptrolle in Shaws „Die Heilige Johanna“ / in Shaws „Heiliger Johanna“

Frage

Ich habe mal wieder eine Frage, und zwar betrifft es die Deklination von Film- oder auch Buchtiteln. Hier ein Beispiel: Welche Formulierung ist richtig?

Ich spielte die Hauptrolle in Shaws „Die Heilige Johanna“
Ich spielte die Hauptrolle in Shaws „Heiliger Johanna“

Antwort

Guten Tag Frau R.,

wieder einmal gibt es mehr als nur eine Möglichkeit. Beides ist nämlich möglich und richtig.

Im Prinzip werden mehrteilige Werktitel im Text gleich gebeugt wie „gewöhnliche“ Wortgruppen. Man kann und darf Titel verändern, indem man sie beugt (soweit es möglich ist*). Es heißt demnach:

Für „Die heilige Johanna“ erhielt Shaw 1925 den Nobelpreis
Ich spiele die Hauptrolle in Shaws „Heiliger Johanna“.
Bernhard Shaw hat dies im Vorwort seiner “Heiligen Johanna” sehr gut beschrieben.

Welcher klassische Komponist hat „Eine kleine Nachtmusik“ geschrieben?
Das Konzert startet mit Mozarts „Kleiner Nachtmusik“.
eine Neuaufnahme der „Kleinen Nachtmusik“

Bis heute hat „Der dritte Mann“ nichts von seiner Faszination verloren.
Das Burg-Kino zeigt den „Dritten Mann“ jeden Dienstag.
die schillernde Entstehungsgeschichte des „Dritten Mannes“

Wie oft wurde „Das fliegende Klassenzimmer“ von Erich Kästner verfilmt?
das im Jahr 1933 erschienene „Fliegende Klassenzimmer“
ein Zitat aus dem „Fliegenden Klassenzimmer“

Es ist heute aber immer üblicher, den Werktitel als Ganzes ungebeugt zu lassen. Einige der oben stehenden Formulierungen klingen auch ein bisschen seltsam (vor allem ohne weiteren Kontext). Für alle Beispiele mit gebeugtem Titel gibt es auch eine Variante mit unverändertem Titel:

Ich spiele die Hauptrolle in Shaws „Die heilige Johanna“.
Bernard Shaw hat dies im Vorwort zu „Die heilige Johanna“ sehr gut beschrieben.

Das Konzert startet mit Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“.
eine Neuaufnahme von „Eine kleine Nachtmusik“

Das Burg-Kino zeigt „Der dritte Mann“ jeden Dienstag.
die schillernde Entstehungsgeschichte von „Der dritte Mann“

das im Jahr 1933 erschienene „Das fliegende Klassenzimmer“
ein Zitat aus „Das fliegenden Klassenzimmer“

Dies wiederum klingt in einigen Fällen ziemlich holprig. Es ist deshalb stilistisch oft besser, dem unveränderten Titel ein beschreibendes Substantiv vorangehen zu lassen. Zum Beispiel:

Bernard Shaw hat dies im Vorwort zu seinem Stück „Die heilige Johanna“ sehr gut beschrieben.

eine Neuaufnahme der Serenade „Eine kleine Nachtmusik“

die schillernde Entstehungsgeschichte des Filmklassikers „Der dritte Mann“

ein Zitat aus dem Roman „Das fliegenden Klassenzimmer“

Mit etwas Flexibilität und Stilgefühl findet man also immer eine oder zwei passende Formulierungen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

* Dies alles gilt nur für Titel, die Substantivgruppen sind, die sich grammatisch in einen laufenden Text integrieren lassen. Nicht gebeugt werden können also Titel wie zum Beispiel „Vom Winde verweht“, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“, „Der Junge muss an die frische Luft“ oder „Zur See“.

Mit Abgeordnetem Thaler und Bürgerbeauftragter Berger – adjektivische Beugung ohne Artikel

Frage

Allmonatlich stelle ich eine Übersicht der Termine meiner Chefin zusammen. Das Ganze geht dann als stichwortartige Liste, quasi im Schlagzeilenformat, an unsere Abteilungsleitungen. Und immer wieder stolpere ich über dasselbe Problem. Heißt es:

Treffen mit Abgeordneten Peter Thaler oder Treffen mit Abgeordnetem Peter Thaler
Gespräch mit Bürgerbeauftragten Claudia Berger oder Gespräch mit Bürgerbeauftragter Claudia Berger

Die zuerst genannten Varianten würden sich durch schlichtes Weglassen des Artikels ergeben. Sie klingen für mich falsch – was aber leider auch für die jeweils zweite Variante gilt, wenn ich sie lange genug anstarre. Ich finde einfach keine Begründung, warum die eine oder andere Möglichkeit richtig sein sollte. […]

Antwort

Guten Tag Frau U.,

langes Anstarren hilft bei sprachlichen Zweifeln nie. Je länger man hinschaut, desto größer wird in der Regel die Unsicherheit. Das gilt insbesondere für so verzwickte Phänomene wie die deutsche Adjektivbeugung.

Die Wörter der/die Abgeordnete und der/die (Bürger–)Beauftragte sind substantivierte Adjektive. Als solche werden sie in der Standardsprache normalerweise gleich gebeugt wie „gewöhnliche“ Adjektive.

Wenn man (substantivierte) Adjektive mit dem bestimmten Artikel verwendet, werden sie schwach gebeugt:

Treffen mit dem Abgeordneten
Treffen mit dem Abgeordneten Thaler
Treffen mit dem Abgeordneten Peter Thaler

Gespräch mit der Bürgerbeauftragten
Gespräch mit der Bürgerbeauftragten Berger
Gespräch mit der Bürgerbeauftragten Claudia Berger

vgl.

mit dem großen Erfolg
mit der zunehmenden Aufmerksamkeit

Wenn man (substantivierte) Adjektive ohne Artikel verwendet, werden sie stark gebeugt:

Treffen mit Abgeordnetem
Treffen mit Abgeordnetem Thaler
Treffen mit Abgeordnetem Peter Thaler

Gespräch mit Bürgerbeauftragter
Gespräch mit Bürgerbeauftragter Berger
Gespräch mit Bürgerbeauftragter Claudia Berger

vgl.

mit großem Erfolg
mit zunehmender Aufmerksamkeit

Siehe auch hier.

Man kann also bei adjektivisch gebeugten Substantiven nicht immer einfach den Artikel weglassen. Das hat oft Auswirkungen auf die Endung:

Informationsabend für die Studierenden
Informationsabend für Studierende

Die Verwandten von Frau Schmidt wurden benachrichtigt.
Frau Schmidts Verwandte wurden benachrichtigt.

Wer isst das viele Eingemachte?
Wer isst so viel Eingemachtes?

Es spricht der Abgeordnete Thaler.
Es spricht Abgeordneter Thaler.

Ganz ungefragt noch ein Vorschlag: Wenn Sie bei den artikellosen Varianten wieder einmal unsicher sind, könnten Sie auch einfach mit Artikel formulieren. Sehr viel länger wird die Übersicht dadurch nicht:

Treffen mit Abgeordnetem Thaler
Treffen mit dem Abgeordneten Thaler

Gespräch mit Bürgerbeauftragter Berger
Gespräch mit der Bürgerbeauftragten Berger

Ich hoffe, dass Abgeordnete und Bürgerbeauftragte bzw. die Abgeordneten und die Bürgerbeauftragten von nun an weniger Zweifel aufkommen lassen – wenigstens was ihre Beugung betrifft.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Schließt die Hexe Rapunzel im Turm oder in den Turm ein?

Frage

Schreibt man: „Der Turm , in dem die Hexe Rapunzel einsperrt, liegt im Wald“, oder: „Der Turm, in den die Hexe Rapunzel einsperrt, liegt im Wald“? Ist die Standortangabe statisch oder dynamisch zu betrachten – oder ist vielleicht beides möglich?

Antwort

Guten Tag Herr J.,

bei einsperren kann nach in sowohl der Dativ als auch der Akkusativ stehen.

im Turm einsperren
in den Turm einsperren

Im Prinzip verbindet man die sogenannten Wechselpräpositionen mit dem Dativ, wenn etwas Statisches gemeint ist, und mit dem Akkusativ, wenn etwas Dynamisches gemeint ist:

Ich liege in der Sonne.
Ich lege mich in die Sonne.

Ganz so einfach, wie diese Grundregel es beschreibt, ist es allerdings nicht immer. Bei vielen Verben ist nämlich sowohl eine „statische“ als auch eine „dynamische“ Sichtweise üblich. Zu diesen Verben gehört das Verb einsperren. Man kann angeben, wo das Einsperren stattfindet, und den Dativ nehmen. Man kann auch angeben, wohin der, die oder das Einzusperrende gebracht wird, und den Akkusativ wählen. Beide Sichtweisen sind hier üblich:

Die Hexe sperrt Rapunzel in einem Turm ein.
Die Hexe sperrt Rapunzel in einen Turm ein.

der Turm, in dem die Hexe Rapunzel einsperrt
der Turm, in den die Hexe Rapunzel einsperrt

Hier noch ein paar Verben, bei denen beide Sichtweisen gebräuchlich sind:

Schließen Sie Ihre Wertsachen im Safe ein!
Schließen Sie Ihre Wertsachen in den Safe ein!

alle Namen in der Liste eintragen
alle Namen in die Liste eintragen

den Fernseher an der Wand montieren
den Fernseher an die Wand montieren

Ziemlich abstrakt gesagt geht es hier um Verben, bei denen der Ort, an dem die Handlung stattfindet, und der Ort, der das Ziel der Handlung ist, derselbe Ort ist.

Wo ist Rapunzel, wenn sie eingesperrt wird? – Im Turm.
Wohin wird Rapunzel gebracht, um sie einzusperren? – In den Turm.

Es gibt (leider?) keine feste Regel, bei welchen Verben beide Sichtweisen üblich sind, das heißt, bei welchen Verben der Anschluss mit sowohl dem Dativ als auch dem Akkusativ möglich ist.

Mehr zu diesem Thema und weitere Beispiele finden Sie in einem anderen, schon ziemlich in die Jahre gekommenen → Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Formenvielfalt: der Fleck, der Flecken, die Flecke, die Flecken

Frage

Warum steht im Satz „Auf dem Tisch sieht man viele rote Flecken“ die Mehrzahl „Flecken“ und nicht „Flecke“?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

für Deutschlernende kann dieses Wort eine der vielen kleinen Hürden sein, die es zu nehmen gilt. In diesem Fall kann man es aber genau genommen kaum falsch machen.

Man könnte sagen, dass es hier zwei Wörter mit der gleichen Bedeutung gibt, die zum Teil auch die gleichen Wortformen haben: der Fleck und der Flecken:

der Fleck, des Fleck(e)s; die Flecke o. die Flecken
der Flecken, des Fleckens; die Flecken

Nach den Angaben der Variantengrammatik wird im Singular meisten Fleck und im Plural meistens Flecken verwendet. Das gilt für den gesamten deutschen Sprachraum, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße. Hier ein paar Beispiele:

Auf dem Tisch sieht man einen roten Fleck / selten: Flecken.
Auf dem Tisch sieht man viele rote Flecken / selten: Flecke.

Sie hatte einen Weinfleck / selten: Weinflecken auf der Bluse.
Sie hatte ein paar Weinflecken /selten: Weinflecke auf der Bluse.

Der riesige Sonnenfleck / selten: Sonnenflecken ist viermal so groß wie die Erde.
Manchmal sind mehrere Sonnenflecken / selten: Sonnenflecke mit bloßem Auge sichtbar.

Falls Sie unsicher sind, lernen Sie am besten der Fleck / die Flecken, dann machen Sie es so, wie die meisten Deutschsprachigen es tun. Und wenn Sie dann noch wissen, dass manchmal auch der Flecken und die Flecke vorkommt, sollte alles gutgehen.

Dies alles gilt übrigens, wie man bei den Beispielen oben sieht, auch für Fettflecken, Grasflecken, Kaffeeflecken, Weinflecken usw. Doch weit interessanter als die richtige Beugung ist bei vielen Fleckenarten diese Frage: Wie kriegt man sie wieder raus?!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ohne gegessen zu haben: auf leeren Magen oder auf leerem Magen?

Frage

Ich habe eine kurze Frage zum richtigen Kasus nach der Präposition „auf“. In einer Hörprüfung steht folgender Satz: „Am Schönsten ist Wandern auf leerem Magen.“ Ich hätte eher „auf leeren Magen“ gesagt, kann es mir aber nicht erklären. […] Oder liege ich gar falsch, und es müsste wirklich „auf leerem Magen“ heißen?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

die bei den Wechselpräpositionen gebräuchliche Unterscheidung zwischen statisch (wo? → mit Dativ) und dynamisch (wohin? → mit Akkusativ) hilft in diesem Fall nicht viel weiter. Beide Sehensweisen sind  hier in mehr oder weniger übertragenem Sinne möglich. Dann gilt, dass richtig ist, was üblich ist. Was ist hier also die übliche Formulierung?

Nach Ihrem und auch nach meinem Empfinden müsste es auf leeren Magen heißen. Auch die Wörterbücher geben dies so an. Zum Beispiel:

auf leeren Magen etwas trinken
(Duden)

auf nüchternen Magen soll man nicht rauchen
und das auf nüchternen Magen!
(DWDS)

auf leeren Magen
(LEO)

Aber: Im Internet und in großen Textsammlungen kommt auch auf leerem Magen  vor – zwar weniger häufig, aber doch so häufig, dass man es als gebräuchliche Variante akzeptieren sollte. Dies gilt meiner Meinung dann, wenn (eigentlich) mit leerem Magen gemeint ist:

Wandern auf leeren/(leerem) Magen
= Wandern mit leerem Magen

In anderen Fällen würde ich den Wörterbüchern und unserem Empfinden folgen und nur den Akkusativ empfehlen:

etwas auf leeren Magen trinken, einnehmen usw.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp