Zimt

Unser französische Freund Jean-Claude mag Zimt nicht. Mit dieser Abneigung zu leben ist für ihn kein größeres Problem, denn Zimt lässt sich bei durchschnittseuropäischer Ernährung relativ einfach vermeiden, vorausgesetzt dass man auf den Genuss von Apfelkuchen verzichtet, dessen genaue Rezeptur man nicht kennt. Doch dann kommt die Adventszeit. Dann wird plötzlich alles stimmungsvoll „verweihnächtlicht“. Bei Backwerk und anderem Süßen geschieht das – sagt Jean-Claude – vor allem mit Zimt. Wahrscheinlich übertreibt er ein bisschen, aber es kann gut sein, dass die erhöhte Zimteinnahme gar nicht so auffällt, wenn einem dieses Gewürz bei nicht allzu aufdringlicher Verwendung eigentlich ganz gut schmeckt.

Jean-Claudes Abneigung kam mir gestern beim Anblick dreier Adventskerzen und dem Genuss von etwas Zimtigem in den Sinn. Wer mich kennt, kann es erraten: Es packte mich die Neugier nach dem Wort Zimt. Es ist so kurz und bündig, dass es eigentlich keinen Spielraum zum Rätseln lässt. Wenn man es von heute aus zurückverfolgt, ergeben sich ungefähr diese Etappen:

Zimt, Zimmet
mittelhochdeutsch: zimin, zinnemin, zinmint
althochdeutsch: zinamin, cinimin
lateinisch: cinnamum
griechisch: kínnamon (vgl. z. B. englisch cinnamon, polnisch: cynamon);
semitisch: qinnamon

Das Letzte hat vielleicht etwas mit malaysisch kayu manis = süßes Holz zu tun, aber das scheint ziemlich unsicher zu sein.

Weniger interessant als die genaue Wortgeschichte finde ich die Tatsache, dass das Wort trotz aller Klangveränderungen in direkter Linie ohne jegliche Bedeutungsverschiebung zurückverfolgt werden kann. Der Name bleibt so hartnäckig am Gewürz hängen wie gemäß unserem französischen Freund dessen Geschmack im Gaumen.

Dies gilt weniger für die französische Bezeichnung cannelle, die viel jünger ist. Sie bezieht sich auf die Form der Zimtstangen, denn cannelle bedeutete einfach Röhrchen, Stängel. Dieses Wort gibt es übrigens auch im Deutschen: Kaneel bezeichnet die besonders edle Zimtart des Ceylon-Zimtbaumes, der ursprünglich in Sri Lanka (Ceylon) vorkam. Das Wort Kaneel kam aber nicht direkt aus Frankreich, sondern über das Holländische zu uns. Der Gewürzhandel mit dem Osten war ja früher lange Zeit fest in der Hand der Holländer.

Da Zimt im Niederländischen immer noch kaneel heißt und auch die Dänen und Schweden den Zimt kanel nennen, würde es mich gar nicht wundern, wenn man im Norden Deutschlands an einigen Orten nicht nur die edle Sorte, sondern allen Zimt Kaneel nennen würde. Doch dazu konnte ich keine Angaben finden. Was man nicht alles zum Namen eines Gewürzes schreiben kann …

Muesli, Müsli und Müesli

Da ich nicht unbedingt ein Morgenmensch bin, wälze ich beim Frühstück eigentlich nie komplexe sprachliche Probleme. Komplex wurde es also heute Morgen nicht, auch nicht besonders neu und originell, aber immerhin ein bisschen sprachlich. Obwohl ich die Verpackung bestimmt nicht zum ersten Mal in die Hand nahm und mein Auge schon oft auf das Wort Muesli gefallen sein muss, fragte ich mich aus unerfindlichen Gründen zum ersten Mal, warum es den Getreideflockenfrühstückskostproduzenten behagt hatte, Muesli auf die Verpackung drucken zu lassen. Nicht viel später wurde mir klar, dass eigentlich die ganze Verpackung englisch bedruckt ist. Das hat man halt davon, wenn man seinen Tag unbedingt mit einem Produkt aus angelsächsischem Hause anfangen will, statt heimisches Schaffen zu ehren.

Das englische muesli ist einfach das deutsche Müsli mit ue statt ü. Und – wie wohl den meisten bekannt ist – kommt das deutsche Wort Müsli aus der Schweiz. Dort hat der Schweizer Ernährungswissenschaftler Maximilian Oskar Bircher-Brenner Bircher-Benner, ein Pionier der Vollwertkost, am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts das nach ihm benannte Birchermüesli entwickelt. Er soll es übrigens auf einer Bergwanderung bei Alphirten entdeckt haben. Doch es geht hier weder um die Entstehungsgeschichte des Müslis noch um das Rezept oder darum, dass zu meiner Teenagerzeit ein Mädchen auf unserer Mittelschule eine Großnichte dieses Dr. Bircher gewesen sein soll. Nein, es geht um das fehlende e.

In den meisten deutschen Wörterbüchern steht nämlich nicht nur Müsli, sondern eben auch Müesli. Bei der zweiten Form steht dann oft die Ergänzung schweiz. oder in der Schweiz nur so. Und hiermit sind wir wieder beim Gedankengang, der sich heute mit morgendlicher Trägheit in meinem Hirn entfaltete: ein Müsli ist ein kleines Mus, d.h. ein Müschen oder Müslein. In vielen Schweizerdeutschen Dialekten ist ein Mus ein Mues (für nicht Schweizerdeutsch Sprechende: ue nicht als ü, sondern als Doppelaut aus u und unbetontem e aussprechen). Entsprechend ist ein Müslein ein Müesli (für nicht Schweizerdeutsch Sprechende: hier ist jegliche kurze Beschreibung der Aussprache zum Scheitern verurteilt). Das erklärt aber immer noch nicht, weshalb die Schweizer hier darauf bestehen, die schweizerische Schreibung beizubehalten. Die typisch schweizerische Diminutivendung -li mag dabei eine Rolle spielen, aber vielleicht auch die Tatsache, dass in vielen Deutschschweizer Dialekten Müsli (oder Müüsli) die Verkleinerungsform von Muus = Maus ist. Wer kann es den Schweizer Getreideflockenkonsumenten verübeln, dass sie morgens zum Frühstück keine Mäuschen löffeln wollen?

Der Apostroph in Beck’s

Frage

Könnten Sie mir bitte sagen ob der Apostroph in „Becks“ (das Bier) richtig verwendet ist?

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

nach der alten Rechtschreibung war Becks mit Apostroph als Genitivform im Prinzip falsch. ABER: Die Rechtschreibregeln galten und gelten nicht für Eigennamen. Es steht einem im Prinzip also frei, wie man seine Firma oder sein Produkt nennen und schreiben will. Becks ist in diesem Sinne kein „gewöhnliches“ Wort, sondern ein Produktname. Dass die Firma sich für eine Schreibung mit Apostroph entschied, könnte damit zu tun haben, dass die Bremer Brauerei ursprünglich (fast) nur für den Export produzierte und auch heute noch ein großer Teil der Produktion in die nicht deutschsprachige Welt geht. Die Firma kennt übrigens die richtige Schreibung, wie dieses Zitat aus ihrer Webseite zur Geschichte der Brauerei zeigt:

Seit einer Umstrukturierung im Jahre 1875 unter dem Namen „Beck & Co“ firmierend, blieb die Brauerei auch nach dem Tode Heinrich Becks (1881) und Lüder Rutenbergs (1890) auf Erfolgskurs.

Nach der neuen Rechtschreibung darf der Apostroph vor der Genitivendung s bei Eigennamen zur Verdeutlichung verwendet werden. Gedacht ist dies vor allem zur Vermeidung von Verwechslungen der folgenden Art:

Andreas – Andreas
Carlos – Carlos

Sehen Sie hierzu diese Regel oder ganz amtlich § 57 E. Somit entspricht der Produktname Becks (halbwegs) der neuen Rechtschreibung.

Auch heute gilt, dass Eigennamen, Firmennamen, Namen von Produkten u. Ä. von den Rechtschreibregeln ausgenommen sind. Selbst wenn es diese neue Ausnahmeregel nicht gäbe, könnte man also einer international operierenden Brauerei nicht verbieten, den Namen ihrer Produkte nach ihrem eigenen Gutdünken zu schreiben. Die Bremer Bierbrauer sind auch nicht die einzigen „Rechtschreibpiraten“. Auch mehr oder weniger häufig vorkommende Schreibungen wie DIE ZEIT statt Die Zeit, ver.di statt Verdi und Meissner Porzellan statt Meißner Porzellan, sind (z.T. geschützte) Namen, die nicht den amtlichen Rechtschreibregeln entsprechen.

Ich hoffe, dass mir die Liebhaber und Produzenten anderer Biermarken diesen Beitrag verzeihen mögen. Es geht nur um die Schreibung, nicht um den Geschmack! Den zu beurteilen überlasse ich anderen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Blanc de Noirs im Genitiv

Frage

Heute bekamen wir Infopost einer Kellerei. Im Anschreiben heißt es da: Aufgrund des großen Erfolgs unseres Blanc de Noirs haben wir beschlossen…

Nun frage ich mich: Ist das s der Genitiv-Angleichung bei diesem französischen Wort richtig? […] Nach meinem Sprachgefühl werden fremdsprachliche Wörter im Deutschen nicht dekliniert, darum stolperte ich beim Lesen über das angehängte s.

Antwort

Sehr geehrte Frau R.,

es ist nicht grundsätzlich falsch, bei Fremdwörtern ein Genitiv-s zu verwenden. Oft sind sowohl Formen mit als auch ohne s üblich. Zwei Beispiele aus dem gleichen Bereich:

der Chianti – des Chianti oder des Chiantis
der Muscadet – des Muscadet oder des Muscadets
der Armagnac – des Armagnac oder des Armagnacs

Bei Blanc de Noirs spielt aber etwas anderes eine Rolle: In Ihrem Zitat ist es zwar eine Genitivform, aber das s hinter Noir ist kein Genitiv-s. Es geht hier um eine Art Weißwein (Blanc), der aus roten Trauben hergestellt wird (de Noirs). Das s ist also eine französische Pluralendung, die übrigens auch im Deutschen nicht ausgesprochen wird. Die im Deutschen übliche Schreibweise ist deshalb:

der Blanc de Noirs
des Blanc de Noirs
die Blancs de Noirs

Das s im Schreiben der Kellerei ist also richtig. Das Gleiche gilt auch für die Weißweine aus weißen Trauben:

der Blanc de Blancs
des Blanc de Blancs
die Blancs de Blancs

Im Genitiv sind solche fremdwörtlichen Wendungen in der Regel wie die oben stehenden Beispiele endungslos. In einigen wenigen Fällen gibt es allerdings Formen mit einem Genitiv-s. Die Genitivendung steht dann am gleichen Ort wie die Pluralendung:

der Chef de Cuisine
des Chefs de Cuisine oder des Chef des Cuisine
die Chefs de Cuisine

So kompliziert das alles klingt, etwas ist wenigstens ganz einfach: Ein Genitiv-s schreibt man auch bei Fremdwörtern nur dann, wenn man es auch ausspricht. Beim Plural-s ist das allerdings schon wieder viel komplizierter …

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Türkische Birnen statt Quitten

Heute wieder einmal etwas Persönlicheres: Dr. Bopp kocht – nicht etwa bei Canoo, sondern ganz privat zu Hause. Dieses Wochenende soll es sogar etwas Ausländisches“ mit Lammfleisch, Pflaumen und Quitten geben. Da stellt man sich gleich drei Fragen: Wann haben Quitten Saison, wo kauft man sie und wie kommen sie zu ihrem Namen? Da dies nicht in eine Kochrubrik ausarten soll, beschäftige ich mich hier mit der dritten Frage. Regelmäßigere Besucherinnen und Besucher dieses Blogs wird es kaum wundern: Bei einem mit Q beginnenden Wort will man als Sprachler“ einfach wissen, woher es kommt.

Dieser Frage nachzugehen war diesmal ganz einfach: Das Wort Quitte geht über verschiedene Schritte wie vulgärlateinisch quidonea und lateinisch cydonia auf das griechische kydonia mela zurück. Das wiederum heißt Apfel aus Kydonia. Kydonia war eine antike Hafenstadt im Nordosten Kretas. Heute heißt die Stadt übrigens Chania. Wenn sie einmal in der Gegend sind, ist die etwas gar touristische griechische Hafenstadt mit ihren vielen venezianischen Einflüssen einen Besuch mehr als wert. Ob ich dort auf dem Markt Quitten gefunden hätte?

Ich konnte nämlich keine Quitten finden. Ich habe mir sagen lassen, dass ihre Saison wie diejenige der zur gleichen Familie gehörenden Äpfel und Birnen erst im September beginne. Ich habe dann halt beim türkischen Gemüsehändler türkische Birnen gekauft. Das sind zwar keine Quitten, aber es sind immerhin ebenfalls gelbe Früchte und sie kommen aus etwa der gleichen geographischen Ecke wie ursprünglich der kydonische Apfel“. (Weshalb gibt es schon türkische Birnen, aber noch keine türkischen Quitten? Das hätte ich den Gemüsehändler fragen müssen!)

Zum Schluss noch eine kleine, fast schon hämische Bemerkung: Bei Quitte, Quittung, Quelle, quasi, quer und Querulant hat die Rechtschreibreform eine ausgezeichnete Möglichkeit verpasst, weiteres äußerst empörtes Aufschreien zu provozieren. Man hätte ja einfach Kwitte, Kwittung, Kwelle, kwasi, kwer und Kwerulant schreiben können. Mich persönlich hätte das übrigens gar nicht so furchtbar gestört, außer dass der arme Buchstabe q im Deutschen ein Außenseiterdasein hätte fristen müssen, da er dann eigentlich nur noch in fremdsprachigen Zitaten vorgekommen wäre.

Die Semmel

Frage

Ich hätte eine Frage und zwar: Schreibt man 1 Paar Wienerle im Semmel oder 1 Paar Wienerle in der Semmel?

Antwort

Sehr geehrte Frau K.,

im Standarddeutschen ist Semmel weiblich: die Semmel. Sehen Sie hierzu die Angaben auf Canoonet. Richtig ist somit: 1 Paar Wienerle in der Semmel. Falls Sie es noch etwas hochdeutscher formulieren wollen, lautet die Formulierung: 1 Paar Wiener Würstchen in der Semmel. Wienerle gilt nämlich als umgangssprachlich.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

—–

So weit die „offizielle“ Antwort. Mit der Semmel bewegen wir uns aber im Bereich des Essens und der Küche. Es gibt wohl keinen anderen Bereich – mit Ausnahme vielleicht der Namen für einheimische Blumen und andere Pflanzen – in dem Bezeichnungen so viele regionale Varianten kennen. Es ist deshalb nicht unmöglich, dass es Regionen gibt, in denen man mundartlich oder umgangssprachlich die Wiener Würstchen nicht in die, sondern in das Semmel klemmt. Irgendwie kann ich mir in den Semmel nicht vorstellen, denn das klingt nicht mehr so lecker. Bei uns zu Hause war es das Semmeli, aber das heißt nicht viel, denn alles auf -li ist dort eine sächliche Verkleinerungsform (wie im Hochdeutschen alles auf -lein und -chen). Eine nicht verkleinerte Form kenne ich im Zürichdeutschen nicht.

Das ist aber noch nicht alles. Die „Übersetzung“ des vor allem im süddeutschen Sprachraum verwendeten Wortes Semmel ins Allgemeindeutsche lautet Brötchen. Aber was für ein Brötchen? Um gleich wieder in die Schweiz zurückzukehren: Gemäß vielen Quellen soll die Semmel in der Schweiz Weggli heißen. Nein! In einem Land, in dem sich die über zwanzig Kantone erst vor einigen Jahren auf einen gemeinsamen Schuljahresbeginn einigen konnten, ist diese Aussage nur schon wegen des Teils „in der Schweiz“ nicht haltbar. Es gibt wohl beinahe so viele Bezeichnungen für die verschiedenen Arten von Brötchen, wie es Kantone gibt, in denen man Deutsch spricht. Was in Zürich ein Semmeli ist, ist im Apenzellerland ein Bürli. Das Wort Bürli verwenden die Zürcher auch (es ist dunkler und knuspriger als ein Semmeli), aber was der Zürcher einfach ein Bürli nennt, ist beim Appenzell ein St. Galler Bürli. In der Zentralschweiz, aber auch in anderen Gebieten, nennt man ein Semmeli ein Mutschli (das ist allerdings auch noch ein Käse, sonst wäre es ja viel zu einfach …). Weggli bezeichnet übrigens nur eine Brötchenart, die man andernorts Milchbrötchen nennt.

Dieser Exkurs sollte nur dazu dienen, anzuzeigen, dass das Wort Semmel an verschiedenen Orten verschieden verwendet wird und unterschiedliche Arten von Brötchen bezeichnen kann. Machen Sie einmal einen Test. Sie kennen wahrscheinlich verschiedene Arten von Brötchen mit unterschiedlichen Namen. Fragen Sie nun ein paar andere Leute, wie sie diese Brötchen nennen. Tun Sie dies vielleicht nicht gerade bei Ihren Geschwistern oder der alten Schulfreundin, die Sie schon seit vor dem Kindergarten kennen, sondern am besten bei Menschen, die in einem anderen Dorf aufgewachsen sind. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie sich dann über die Antwort wundern.

So haben sich auch einmal ein paar niederländische Freunde in einem Kölner Restaurant darüber gewundert, dass der „studierte“ Deutschsprachige ihnen die Antwort schuldig bleiben musste, als sie wissen wollten, was die auf der Menükarte stehenden Röggelchen denn seien. Davon hatte ich noch nie gehört. Wissen Sie es? Da es in diesem Beitrag um Brötchen geht, ist die Lösung des Rätsels nicht gar so schwierig: ein Röggelchen ist ein Roggenbrötchen („aus zwei zusammengebackenen Hälften bestehend“ präzisiert mein Wörterbuch).

Cola Rum oder Rum Cola?

Frage

In der Umgangssprache heißt ein klassischer Longdrink oft Cola-Rum, was ja laut Wortbildungsregeln eigentlich Rum mit Cola wäre. Da es sich aber bei diesem Getränk um Cola gemixt mit einem Schuss Rum handelt, wäre da nicht eher die Bezeichnung Rum-Cola richtig?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

zu dieser Frage lässt sich einiges sagen. Ich möchte aber vorausschicken, dass in einem Bereich wie den Bezeichnungen für Cocktails und Drinks, in dem es nur so von Phantasienamen und Fremdwörtern wimmelt, die Grammatikregeln oft an ihre Grenzen stoßen. Hier dann aber trotzdem ein Erklärungsversuch:

Die Bezeichnung Cola-Rum ist gemäß den Wortbildungsregeln nur dann eine Art Rum, wenn bei neutraler Aussprache die Betonung auf dem ersten Teil, d.h. Cola liegt (vgl. Weizenbier, Colaflasche, Strohrum). Der besagte Longdrink wir aber auf dem zweiten Wort betont: Cola-Rum, ähnlich wie Whisky pur, Forelle blau und Herr Bush senior. Ich würde auch für eine Schreibung ohne Bindestrich plädieren: Cola Rum wie zum Beispiel Gin Tonic und Campari Orange. Hier handelt es sich ja um einen Gin mit Tonic beziehungsweise einen Campari mit Orangensaft. Dann braucht eine Cola mit Rum eigentlich auch keinen Bindestrich.

Im Gegensatz zum Gin Tonic und zum Campari Orange, die wie die Grundwörter Gin und Campari männlich sind, scheint das Geschlecht von Cola Rum nicht ganz festzustehen: Man kann einerseits eine Cola Rum (wie die Cola) oder ein Cola Rum (wie das Cola) und andererseits einen Cola Rum (wie der Rum oder wie der Longdrink?) bestellen. Um die Sache weiter zu komplizieren: Man verwendet auch die Bezeichnung Rum Cola, mit der meines Wissens der gleiche Longdrink gemeint ist.

Ich komme deshalb zu folgendem Schluss:

das/die Cola Rum = Cola mit Rum
der Rum Cola = Rum mit Cola

Bei allen anderen, ebenfalls gebräuchlichen Bezeichnungen „versagen“ die Wortbildungsregeln: Der Cola-Rum, das Rum-Cola und die Rum-Cola sind entweder als falsch anzusehen (aber es liegt mir fern, so etwas zu behaupten) oder sie bezeichnen einfach einen Longdrink mit Cola und Rum. Wirklich wichtig ist dies ohnehin nicht. Hauptsache ist, dass es schmeckt, dass man (sorry, Mädchen und Jungs) die Pubertät schon hinter sich hat und dass man zur Vorbeugung von nachträglich bereuten Worten und Taten sowie im Hinblick auf ein katerloses Erwachen nicht allzu viel davon trinkt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Köm

Frage

Warum ist das Wort Köm unbekannt im Canoo-Wörterbuch?

Antwort

Sehr geehrte Frau J.,

das Wort Köm steht nicht im Canoo-Wörterbuch, weil es nicht in unseren Quellen vorkommt. Auch mit über 250 000 Einträgen kann unser Wörterbuch leider nicht den ganzen deutschen Wortschatz abdecken. So gibt es auch und gerade im Bereich des Essens und Trinkens einige leckere Sachen, die wir (noch) nicht aufnehmen konnten. Dass Köm nicht in unseren Quellen steht, hat wahrscheinlich damit zu tun, dass es ein norddeutscher, das heißt eher regionaler Ausdruck ist. Obwohl ich einem gelegentlichen mehr oder weniger wohlverdienten Schnäpschen nicht abgeneigt bin, kannte ich als „Kind“ des südlichen deutschen Sprachraums das Wort bis jetzt gar nicht. Im Standarddeutschen scheint man den Köm offenbar eher Kümmel oder Kümmelschnaps zu nennen. [Anmerkung: In einer früheren Version des Beitrags stand hier ein Verweis auf das Canoo-Wörterbuch. Dieser wurde entfernt, da das Canoo-Wörterbuch nicht mehr existiert.]

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Tessinerbrot

Dank einer Besprechung durfte ich wieder einmal in die Südschweiz, genauer gesagt ins Tessin fahren. So gelangten wir entlang des regnerischen Vierwaldstätter Sees, durch ein neblig graues Urner Tal und durch den Gotthardtunnel, ein 17 km langes Loch in den Schweizer Alpen, in die sonnige Tessiner Bergwelt.

Sie vermuten richtig, wenn Sie annehmen, dass ich hier keinen Reisebericht erstatten möchte. Es geht mir um die unveränderlichen geografischen Adjektive auf –er wie Vierwaldstätter, Urner, Schweizer und Tessiner. Gemäß den Rechtschreibregeln werden geografische Ableitungen auf -er in Verbindung mit einem Nomen getrennt vom Nomen geschrieben, außer wenn das Wort auf –er eine Personenbezeichnung ist.

Siehe Rechtschreibregel.

Mit dieser Regel hatte ich immer so meine Mühe. Sie ist einfach, aber gewisse Ausnahmen, denen man vor allem in der Schweiz begegnet, erklärt sie nicht. So schreibt man in der Schweiz den Vierwaldstätter See in einem Wort: Vierwaldstättersee. Das Gleiche und Ähnliches gilt auch für den Genfer See, den Neuenburger See und die Basler Straße, die von den deutschsprachigen Eidgenossen in der Regel als Genfersee, Neuenburgersee und Baslerstrasse geschrieben werden. So weit so gut, aber wenn mir dann im Tessin plötzlich in den Sinn kommt, dass man nördlich der Alpen Tessinerbrot (eine spezielle Brotsorte) und Bündnerfleisch kaufen kann, dann wird die Erklärung mit der Personenbezeichnung schlichtweg unhaltbar oder sogar kannibalisch.

Oder man sagt einfach, dass die Schweizer ein bisschen sonderbar schreiben. Wenn man aber eine andere Regel anwendet, sind sowohl die standardsprachlichen Zusammenschreibungen wie Schweizergarde und Römerbrief (die Schweizer und Römer sind hier Personen) als auch die Abweichungen in der Schweiz zu erklären. Die Regel lautet: Liegt bei neutraler Aussprache die Hauptbetonung auf dem Wort auf –er, schreibt man zusammen. Sonst schreibt man getrennt.

Zusammen:
die Schweizergarde, der Römerbrief

Gertrennt:
die Schweizer Alpen, die Römer U-Bahn

Und dann die Schweiz: Die Abweichung erklärt sich dadurch, dass Deutschschweizer in den genannte Fällen das erste Wort betonen:

Genfersee, Neuenburgersee, Baslerstrasse, Tessinerbrot, Bündnerfleisch.
(Standardaussprache: Genfer See, Neuenburger See, Basler Straße, ?)

Das tun die Schweizer aber nicht in allen Fällen, und dann schreibt man auch in der Schweiz getrennt:

Berner Oberland, ein Urner Tal, die Tessiner Bergwelt, Basler Leckerli, Zürcher Hüppen (die letzen zwei sind süß und lecker!)

Ich möchte jetzt nicht die Rechtschreibregeln neu schreiben. Sie sind nun einmal so, wie sie sind. Die Betonungsregel soll nur eine kleine Eselsbrücke sein für diejenigen – vor allem Schweizer und Schweizerinnen –, die in diesem Bereich mit der amtlichen Regel und den Schweizer Ausnahmen nicht so gut zurechtkommen.