Richtig ist, was üblich ist: -ation und -ierung

Heute wieder einmal ein Dauerbrenner in Sachen Wortbildung: …ation und …ierung.

Frage

Ich habe eine Frage zur Nomenbildung und zwar zu den Endungen …ation und …ierung. Es gibt viele Verben, die mit beiden Endungen ein Nomen bilden (Information/Informierung, Kompensation/Kompensierung etc.). Die Frage ist nun, welche Form ist „richtiger“? Gibt es Bedeutungsunterschiede?

Antwort

Sehr geehrte Frau K.,

wenn man von einem auf …ieren endenden Verb ein Nomen ableitet, gibt es keine festen Regeln. „Richtig“ ist, was gebräuchlich ist. Manchmal haben die Ableitungen auf …ierung und …ation die gleiche Bedeutung (z. B. Stabilisierung = Stabilisation), in anderen Fällen gibt es einen Bedeutungsunterschied. Als allgemeine, grobe Tendenz kann man sagen, dass die Ableitungen auf …ierung stärker den Verbvorgang betonen:

Informierung = das Informieren
Information = die Auskunft, Nachricht; das Informieren

Kompensierung = das Kompensieren
Kompensation = das Kompensieren; Entschädigung, die man erhält

Kanalisierung = das Kanalisieren
Kanalisation = unterirdisches Röhrensystem; das Kanalisieren

Delegierung = das Delegieren
Delegation = die abgeordneten Personen; das Delegieren

Dies ist aber – wie gesagt – keine feste Regel, sondern eine grobe Tendenz. So bezeichnet  z.B. Legierung nicht nur das Legieren, sondern auch das Resultat des Prozesses.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Jeans und Shorts: der Numerus fremdsprachlicher Hosen.

Frage

Ich lese gerade in einem Buch erst von „den Hotpants“ und dann von „einer Shorts“. Sind bei englischen Begriffen für eine Hose wie bei „Jeans“ immer Singular und Plural möglich? Und dann meine ich auch schon einmal „eine Short“ gehört zu haben. Könnte man sich das so erklären, dass man hier ein Plural-s sieht, das dann umgangssprachlich im Singular weggelassen wird.

Antwort

Sehr geehrte Frau L.,

bei den Hosen gibt es im Deutschen in Hinblick auf Einzahl und Mehrzahl eine erstaunliche Variantenvielfalt:

Er trug eine schwarze Hose.
Er trug schwarze Hosen.
Er trug ein Paar schwarze Hosen.

All diese Formulierungen können sich standardsprachlich korrekt auf ein einzelnes schwarzes Kleidungsstück beziehen. Das erklärt vielleicht, warum es bei Beinkleidern bezeichnenden Fremdwörtern zu Unsicherheiten kommen kann. Mehr oder weniger allgemein akzeptiert ist, dass Jeans wie Hose sowohl im Singular als auch im Plural ein einzelnes Kleidungsstück bezeichnet:

Sie trug eine schwarze Jeans.
Sie trug schwarze Jeans.
Sie trug ein Paar schwarze Jeans.

Der Singular eine Jeans kann vielleicht als Verkürzung von eine Jeanshose erklärt werden.

Bei Shorts und Hotpants gilt dies nach meinem Sprachgefühl und den mir zur Verfügung stehenden Wörterbüchern nicht. Hier scheint standardsprachlich nur der Plural üblich zu sein. Kleidungsstücke kommen aber wie zum Beispiel Lebensmittel und Toilettenartikel vor allem in der gesprochenen Alltagssprache vor, in der die Formenvielfalt oft größer ist als in der besser dokumentierten geschriebenen Sprache. Es ist also möglich, dass die Variante eine Shorts im Alltag ebenso häufig verwendet wird wie eine Jeans. Die Form eine Short hingegen scheint mir – wie Ihnen – eine umgangssprachliche Form zu sein, die überkorrekt aus dem Plural „zurückvereinzahlt“ wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Parabel, das Symbol und der Teufel

Zufällig bin ich letzte Woche auf einen historischen Wortzusammenhang gestoßen, der mich überrascht hat: Die Wörter Parabel, Symbol und Teufel haben alle eine gemeinsame Wurzel: werfen.

Die Parabel, eine gleichnishafte Erzählung, geht auf das gleichbedeutende griechische Wort parabolé zurück. Seine wörtliche Bedeutung ist das Danebenwerfen. Es gehört zum Verb parabállein = danebenwerfen, vergleichen (para = entlang, neben; bállein = werfen).

Auch das Wort Symbol lässt sich auf werfen zurückführen: Das griechische Wort sýmbolon bedeutete Kennzeichen oder wörtlicher Zusammengefügtes. Es war ein von zwei verschiedenen Parteien festgelegtes Erkennungszeichen. Dazu wurde ein Tonstück, ein Ring oder etwas Ähnliches zerbrochen und jede Partei erhielt ein Bruchstück. Wenn sich dann später Vertreter der beiden Parteien trafen, konnten die Bruchstücke zusammengefügt werden und so die Rechtmäßigkeit der Vertretung überprüft werden. Das Wort sýmbolon gehört zum Verb symbállein = zusammenwerfen; zusammenfügen (sýn = zusammen, bállein = werfen)

Genau das Gegenteil von Zusammenwerfen treffen wir bei Teufel an. Das Wort geht über Formen wie  tiuvel, tievel, tiufal auf das kirchenlateinische diabolus zurück, das vom griechischen Wort diábolos = Verleumder kommt. Das Verb diabállein bedeutete verleumden, entzweien, verfeinden oder ganz wörtlich auseinanderwerfen (dia = durch, auseinander; bállein = werfen).

Natürlich lassen sich die Bedeutungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser drei Wörter heute kaum mehr mit danebenwerfen, zusammenwerfen und auseinanderwerfen umschreiben oder erklären. Dafür haben sich die jeweiligen Bedeutungen zu sehr von der ursprünglichen wörtlichen Bedeutung entfernt. Aber eine kleine Meldung in der Rubrik „Verschiedenes“ der Wochenendbeilage finde ich diese „Entdeckung“ doch wert.

Es gibt übrigens noch weitere Wörter, bei denen man das griechische Wort für werfen antrifft. Dazu gehören das Anabolikum (Präparat zum Aufbau von Muskeln), die Diskobolie (ein sehr gelehrtes Wort für Diskuswerfen) und der Ball im Sinne von Tanzfest.

sic!

Frage

den zusatz (sic!) setzt einer ja wohl, wenn er ausdrücken will, der rechtschreib- oder sonstige fehler sei schon „dort“ und nicht ihm selbst unterlaufen. jetzt bitte ich um Ihre meinung zum solcherart kritisierten fehler in dem satzfragment:

„…bedeutet, mandantenorientiert zu arbeiten, nicht als abstraktes (sic!) ‚organ der rechtspflege‘.“

will er sagen, es sei falsch, von einem abstrakten organ der rechtspflege zu schreiben?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

wie Sie richtig schreiben, verwendet jemand den Zusatz sic, um anzugeben, dass ein Zitat exakt so lautet und nicht auf ein Versehen des Zitierenden zurückzuführen ist.  Das Wörtchen sic wird normalerweise in runde oder eckige Klammern gesetzt und kann noch mit einem Ausrufezeichen verstärkt werden. Es ist lateinisch und bedeutet so. Der Autor oder die Autorin will mit (sic) oder (sic!) meistens angeben, nicht mit dem Geschriebenen einverstanden zu sein oder zumindest daran zu zweifeln. Diese Hervorhebung wird nicht nur für Rechtschreibfehler, sondern auch für andere Sprachfehler und bei Zweifel an der Wortwahl oder dem Inhalt verwendet:

„Ich mache nie Feler [sic!].“
„Jeder Intel ist besser wie [sic] ein AMD“
Dem fügte er hinzu, dass eine Hotelübernachtung dort schließlich nur (sic!) 575 Euro pro Nacht koste.

Wenn sic sich nicht direkt auf ein Zitat bezieht, kann je nach Zusammenhang auch eine Stellungnahmen wie ausgerechnet dieser/diese, wie könnte es auch anders sein, man lese und staune, wirklich und wahrhaftig u. Ä. gemeint sein.

Unser Filialleiter (sic) meinte, wir könnten den Laden eine Stunde früher schließen.
Bis zum Ende des Spiels musste der Schiedsrichter insgesamt zwölfmal (sic!) nach der gelben oder roten Karte greifen.

In Ihrem Beispiel soll (sic!) angeben, dass das Wort abstrakt in diesem Zusammenhang falsch oder auffällig ist. Weshalb dieser Hinweis gemacht wird, kann ich, ohne den ganzen Text zu kennen, nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass kein Rechtschreib- oder Grammatikfehler vorliegt – abgesehen natürlich vom fast vollständigen Fehlen jeglicher Großbuchstaben …

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Happy Chanukka“ auf Deutsch

Seit Freitagabend, dem Vorabend des 25. Tages des jüdischen Monats Kislew, wird Chanukka gefeiert. Chanukka oder das Lichterfest ist das jährlich gefeierte achttägige Fest zum Gedenken an die Wiedereinweihung des zweiten Tempels in Jerusalem  im 2. Jahrhundert v. Chr. (nach dem jüdischen Kalender im Jahr 3597). Es ist ein Familienfest, das verschieden Gebräuche kennt: Die Kerzen des Chanukka-Leuchters werden in einer bestimmten Reihenfolge eine nach der anderen angezündet, Kinder erhalten Geschenke, man isst traditionell in Öl gebackene Gerichte (u. a. Berliner Pfannkuchen) usw.

Ich muss gestehen, dass meine Kenntnisse des jüdischen Brauchtums sehr beschränkt sind. Ohne die Hilfe von Nachschlagwerken wäre die obenstehende Information noch viel spärlicher geblieben. Fast am meisten habe ich mich aber über die folgende Wissenslücke gewundert:  Dank amerikanischen Filmen und Seifenopern wusste ich zwar, dass man jemandem auf Englisch „Happy Chanukka!“ wünscht, aber wenn ich das auf Deutsch hätte sagen wollen, wäre ich nicht viel weiter gekommen als „ähm…“. Nach einigem Suchen bin ich dann fündig geworden. Es ist ganz einfach: „Frohes Chanukka!“ Es gibt wahrscheinlich noch anderer Arten, jemandem ein schönes Chanukka-Fest zu wünschen, aber diese Wendung kann sogar ich mir gut merken. Sie gleicht ja ungemein einem der gebräuchlichsten Wünsche zum bevorstehenden Weihnachtsfest. Wenn Sie also Chanukka feiern: Frohes Chanukka!

Team-Besprechung über das Personal-Management oder Teambesprechung über das Personalmanagement?

Frage

Heute benötige ich wieder einmal Ihre Hilfe beim schwierigen Thema Bindestriche! Wie verhält es sich bei Kombinationen aus englischen (oder schon eingedeutschten) und deutschen Wörtern? Bisher habe ich sie immer mit Bindestrich geschrieben, bin aber mittlerweile bei bestimmten Begriffen verunsichert. Können Sie weiterhelfen? Hier ein paar Beispiele aus meinen Texten: Personal-Management, Software-Modul, Ressourcen-Planer, Team-Besprechung.

Antwort

Sehr geehrte Frau P.,

Zusammensetzungen von oder mit Fremdwörtern – auch aus dem Englischen – werden im Prinzip gleich geschrieben wie „normale“ Zusammensetzungen: zusammen. Sie schreiben also am besten:

Personalmanagement
Softwaremodul
Ressourcenplaner
Teambesprechung

Bei langen und unübersichtlichen fremdsprachigen Nomen-Nomen-Verbindungen KANN man Bindestriche verwenden, um die Lesbarkeit zu erhöhen. Zum Beispiel:

Desktopmanagement o. Desktop-Management
Hardcovereinband o. Hardcover-Einband
Sciencefiction o. Science-Fiction
Sciencefictionautorin o. Science-Fiction-Autorin (o. Sciencefiction-Autorin)

Die Schreibungen mit Bindestrich sind also auch bei Ihren Beispielen nicht grundsätzlich falsch. Falsch wäre hier aber die auch immer öfter anzutreffende Getrenntschreibung!

Es liegt an Ihnen, wann Sie eine Verbindung für so unübersichtlich halten, dass ein Bindestrich angebracht ist. Ich finde, dass man den Lesern oft viel längere Wörter zumuten kann, als allgemein gedacht wird. Meine Empfehlung ist deshalb: Gehen Sie sparsam mit dem Bindestrich um! So würde ich in keinem Ihrer eingangs genannten Beispiele einen Bindestrich verwenden.

Die entsprechenden Rechtschreibregeln und noch mehr zum Thema Fremdwörter und Bindestrich finden Sie hier und hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Algarve, das Portugiesische und das Wetter

Der Urlaub war schön, lehrreich und vor allem auch erholsam. Ich war im Süden Portugals, genauer gesagt in der Algarve. Für Puristen müsste ich jetzt sagen im Algarve, denn im Portugiesischen ist das Wort männlich o Algarve. Üblicher und allgemein akzeptiert ist aber im Deutschen doch die weibliche Form die Algarve. Dort bin ich der deutschen Sprache außer im eigenen Hausgebrauch, auf einigen Menükarten und erstaunlicherweise auf Bioprodukten in Supermärkten kaum begegnet. Die Konversation mit den Einheimischen verlief entweder in sehr dürftigem Portugiesisch meinerseits oder viel besserem Englisch seitens der Portugiesen (also meistens Englisch …).

Die üblichen Redewendungen wie bitte – faz favor, danke – obrigado und die Begrüßungen bom dia, boa tarde und boa noite hatten wir natürlich schon aus dem Reisebüchlein gelernt. Aber danach wird es schwieriger. Wenn man schon eine andere romanische Sprache wie zum Beispiel Französisch, Italienisch oder insbesondere Spanisch kann, kommt man beim Lesen des Portugiesischen noch recht weit. Viele Wörter werden ähnlich oder sogar gleich geschrieben. Natürlich versteht man nicht alles, aber man begreift oft, worum es geht. Dieses Begreifen hat abrupt ein Ende, wenn man Portugiesisch hört. Dann trifft einen ein recht wohlklingender Wortschwall mit viel sss und sch und wenig Selbstlauten. Portugiesen haben die Neigung, Selbstlaute zu verschlucken oder sie nur anzudeuten. Wenn dann doch einmal ein Vokal zu hören ist (auch Portugiesen kommen nicht ohne Selbstlaute aus), klingt er oft anders, als man das aus dem Schriftbild erwarten würde. So spricht man o aus wie u, ou wie o und a oft wie unbetontes e. Und wenn dahinter ein n oder m folgt oder darauf ein ~ steht, wird der Laut wie im Französischen nasaliert (durch die Nase gesprochen). Wenn Sie einmal einen portugiesischen Wein aus der Douro-Region bestellen, sagen Sie also nicht – wie die meisten das erwarten würden – „einen Duro bitte“, sondern mit gut vorbereiteter Kennermiene „einen Doru bitte“. Die Aussprache für Weine aus der Dão-Region ist dann etwas für Fortgeschrittene.

Diese Aussprachehürden führten ganz schnell dazu, dass ich abgesehen von den genannten Höflichkeitsfloskeln meist aufs Englische ausweichen musste. Nach ausreichender  Vorbereitung gelang es mir zwar, eine offenbar sogar einigermaßen verständliche Frage zu formulieren, aber von der Antwort habe ich dann meistens nur das erste oder das letzte Wort verstanden. Das genügt normalerweise leider nicht.

Manchmal konnte man aber nicht auf Englisch übergehen. Auf einer Wanderung begegneten wir einem älteren Ziegenhirten (so richtig malerisch mit Ziegen, Hunden und durch die Witterung zerfurchtem Gesicht), dem ein Gespräch mit Touristen wohl gerade recht war. Er sprach langsam und verschluckte nur wenige Vokale. Ich habe den Mann verstanden! Ich war also doch des Portugiesischen mächtig!! Dieser Eindruck verschwand aber wieder vollständig am Abend zwischen viertel vor sieben und sieben Uhr während des Aktualitätensprogramms auf RTP 1. Irgendwann während dieser Viertelstunde wurde nämlich der Wetterbericht ausgesendet. Die Präsentatorin der Sendung war nicht nur äußerlich das pure Gegenteil des Ziegenhirten (blond, Deuxpièces, glatt geschminkter Teint). Sie sprach auch ganz anders, nämlich so, als ob es ihr erklärtes Ziel wäre, möglichst viele Vokale wegzulassen. So sprach sie den im Bild eingeblendeten Namen Kristina aus wie krschtna und ein Wort, das representar geschrieben wird, klang bei ihr wie chpchsntar. Keine Chance auch nur einen Satz von ihr zu verstehen! Den Wetterbericht präsentierte dann immer jemand anders, den man mit Hilfe der Wetterbildchen viel besser verstand. Wir hatten vierzehn Tage lang ohnehin ungefähr das gleiche Wetter, so dass der Wortschatz diesbezüglich zum Glück sehr beschränkt bleiben konnte: céu pouco nublado oder céu limpo: leicht bewölkt oder unbewölkt!

Daten vom Laptop auf den Klapprechner migrieren

In der vergangenen Woche gab es in diesem Blog recht wenig zu lesen. Das lag unter anderem daran, dass ich einen neuen Rechner erhalten habe; so einen schönen metallfarbenen mit einem Apfel auf dem Deckel (ich will ja keine Reklame machen). Einen solchen tragbaren Rechner, den man auf- und zuklappen kann, nennt man im Allgemeinen einen Laptop oder ein Notebook. Mit dem neuen Gegenstand kamen neue Wörter auf, denn das Ding musste ja einen Namen haben. Nun sind weder der tragbare Rechner noch sein Name wirklich neu: Laptop und Notebook stehen schon in vielen deutschen Wörterbüchern. Die beiden Wörter sind klassische Beispiele dafür, wie neue Wörter in eine Sprache aufgenommen werden: Ein neues Phänomen taucht auf und muss benannt werden. Oft wird dabei wie in diesem Fall der Name von dort übernommen, wo das Phänomen herkommt.

Es gibt Leute, die es schade, schädlich oder sogar schändlich finden, dass zurzeit so viele neue englische Wörter aufkommen. Der Verein Deutsche Sprache will dieser Tendenz entgegenwirken, indem er unter anderem deutsche Übersetzungen oder Entsprechungen für „unnötige“ Anglizismen vorschlägt. Die meisten dieser Vorschläge sind zwar gut gemeint, haben aber meiner Meinung nach keine allzu großen Überlebenschancen. Die Sprachgemeinschaft lässt sich in der Regel nichts aufdrängen. Anders als viele der bekritisierten Anglizismen haben es, wenn überhaupt, nur sehr wenige der Gegenvorschläge in ein Wörterbuch geschafft.

Ein Vorschlag aber hat es mir angetan. Für Laptop und Notebook schlägt der VDS Klapprechner vor. Auch dieser Vorschlag ist nicht mehr ganz taufrisch, aber ich möchte ihn Ihnen doch noch einmal vorlegen, weil das Wort so schön ist. Es klingt gut und bezeichnet genau das, was ein Laptop ist: ein Rechner den man auf- und zuklappen kann. Schoßcomputer oder Mobilrechner können mich nicht begeistern, aber Klapprechner verdient es, in die deutsche Sprache aufgenommen zu werden. Deshalb will ich den VDS mit diesem Aufruf für einmal in seinem Bestreben unterstützen: Wenn Sie alle dieses Wort von jetzt an in Wort und Schrift verwenden, kann Klapprechner vielleicht schon bei der nächsten oder übernächsten Datenaktualisierung im CanooNet-Wörterbuch aufgenommen werden!

Neben diesen sofort als neu erkennbaren Wörtern, gibt es noch viel subtilere neue Wörter. Ein solches habe ich beim Übertragen der Daten vom alten auf den neuen Rechner entdeckt: migrieren. Dieses Verb gibt es fachsprachlich im Deutschen schon lange: Tierische Parasiten migrieren von einem Wirt auf den anderen; Erdöl oder Erdgas migriert vom Mutter- ins Speichergestein; halb Europa migrierte während der Völkerwanderungen von einem Ort zum anderen. In all diesen Anwendungen bedeutet migrieren so etwas wie wandern. Wie wandern ist es ist ein intransitives Verb, das heißt, es hat kein Akkusativobjekt (man kann nicht fragen: wen oder was migrieren?).

Beim Übertragen der Daten und Einstellungen habe ich festgestellt, dass man diesen Vorgang Migration nennt. Die Daten werden migriert. Man migriert die Daten. Das Erstaunliche und Neue daran ist, dass migrieren ein transitives Verb geworden ist: „Wen oder was migriert man?“ Hier hat sich ein neues Verb mit einer neuen Bedeutung und einer neuen Konstruktion „eingeschlichen“. Da es unter dem Deckmantel eines bestehenden Verbs auftritt, bemerkt man diesen Neuankömmling nämlich kaum. Es könnte sogar ein Anglizismus sein.

Neue Wörter können also in verschiedenster Weise auftauchen. Drei Beispiele haben wir gesehen: der Direktimport bei Laptop und Notebook, die Übersetzung oder Neuschöpfung bei Klapprechner und die Wiederverwendung von bestehendem Material mit neuer Funktion bei migrieren. Was man nicht alles entdeckt, wenn man Daten vom alten Laptop auf den neuen Klapprechner migriert!

Das zähe Wörtchen Frühstück

Nachdem unsere neue Nachbarin gestern Abend beim Abendessen gezeigt hatte, dass sie sympathisch und dem Weine nicht ganz abgeneigt ist, hatte ich heute Morgen beim Frühstück einen etwas schwereren Kopf als sonst. Da es kein ausgewachsener, kampfeslustiger Kater war, trat er schon nach einer Tasse Kaffee den Rückzug an, sodass doch noch ein paar einigermaßen klare Gedanken aufkamen. Einer davon war: „Frühstück? Weshalb Frühstück? Früh kann ich noch erklären, aber Stück?“

Natürlich bin ich nach einer zweiten Tasse Kaffee dieser Frage für Sie und für mich nachgegangen. Dabei bin ich recht schnell auf eine wenig spektakuläre Antwort gestoßen: Das Wort Frühstück gibt es seit dem 15. Jahrhundert. Wie das mittelhochdeutsche Morgenbrot bezeichnete es das erste in der Frühe gegessene Stück Brot.

Es ist ein recht robustes Wort. Es gelang ihm, Morgenbrot zu verdrängen und später aufkommende Konkurrenten wie Frühkost erfolgreich hinter sich zu lassen. Auch fremdsprachlichen Thronprätendenten bietet es erfolgreicher die Stirn als seine Vettern Mittagessen und Abendessen. In der Zeit, in der man in der besseren Gesellschaft beim Parlieren ein mit französischen Ausdrücken gespicktes Deutsch benutzte, kannte man zwar das Wort Dejeuner und benutzte es für Frühstück oder leichtes Mittagessen. Viel schwerer hatte es aber das Abendessen, das je nach Festlichkeitsgehalt Diner oder Souper genannt wurde. In der heutigen Hochzeit des Englischen hört man zwar öfter, dass Kollegen zum Lunch gehen, dass ein Dinner organisiert wird oder dass man sich am Sonntag zum Brunch trifft, aber von Breakfast redet im täglichen Sprachgebrauch eigentlich kaum jemand. Ein zähes Wörtchen, dieses Frühstück!

Natürlich geht es wieder einmal nicht ganz ohne regionale Unterschiede. Für die Schweizer war und ist Frühstück eine Art Fremdwort. In der Deutschschweiz nimmt man am Morgen das Morgenessen oder im Dialekt den Zmorge zu sich. Es wundert mich, dass ich keine anderen regionalen Varianten finden konnte, denn üblicherweise gibt es gerade bei solchen häuslichen Dingen oft mehr landschaftliche Varianten als sonst. Vielleicht kennen Sie ja noch andere gebräuchliche Ausdrücke. Und sonst gilt eben – wie bereits gesagt –: ein zähes und robustes Wörtchen, dieses Frühstück!

Performant, gibt es das?

Frage

Existiert eigentlich das Wort performant im Deutschen? Ich lese das Wort bei „führenden“ technischen Online-Portalen […] und habe es selbst textlich ebenfalls schon verwendet.

Antwort

Sehr geehrter Herr T.,

wenn Sie das Wort verwenden und es auch in führenden Online-Publikationen zu finden ist, dann gibt es das Wort. Die Frage ist nur, ob performant ein „gutes“ deutsches Wort ist. So wie ich das auf die Schnelle beurteilen kann, ist es ein im IT-Bereich sehr übliches Fachwort, das sich lautlich und formal gut in den bestehenden Fremdwortschatz einfügt. Ich finde es deshalb ein „gutes“ Fachwort. In der Allgemeinsprache würde ich es aber nicht verwenden. Dort verwendet man vielleicht besser zum Beispiel leistungsfähig, leistungsstark oder je nachdem ein anderes, bekannteres Fremdwort wie effizient.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp