Ein Redaktor redigiert, ein Korrektor korrigiert, ein Lektor …?

Frage

Wie lautet die Verbentsprechung zum Beruf Lektor? Ein Lektor …?

Antwort

Sehr geehrte Frau M.,

hier gibt es leider keine schnittige „Einwortantwort“. Ursprünglich konnte man sagen: Ein Lektor liest. Das Wort geht auf das lateinische lector zurück, das Leser, Vorleser bedeutete. Das entsprechende Verb war legere (u.a. lesen), das es – soweit ich weiß – nicht als fremdes Verb ins Deutsche geschafft hat. Auf legere gehen aber direkt oder indirekt auch Wörter wie Legende, Lektion und Lektüre zurück. Obwohl es verdächtig ähnlich klingt, hat das Wort legieren im Sinne von binden (von z.B. Saucen), miteinander verschmelzen (vgl. Legierung) einen anderen Ursprung: Es geht über italienisch legare auf lateinisch ligare (binden, festbinden, verbinden) zurück.

Im modernen deutschen Sprachgebrauch hängt es vom Beruf oder der Funktion ab, was Lektoren und Lektorinnen genau tun. Es hat allerdings immer irgendetwas mit Lesen zu tun. An einer Universität geben sie Kurse oder leiten sie praktische Übungen. In einem Verlagshaus lesen, prüfen und bearbeiten sie Manuskripte. In Gottesdiensten lesen sie Texte vor. In evangelischen Kirchen können sie auch anstelle des Pfarrers Lesegottesdienste halten.

Es gibt also für Lektor nicht eine so schöne Entsprechung wie zum Beispiel bei ein Redaktor redigiert, ein Korrektor korrigiert oder ein Revisor revidiert. Das kommt auch bei anderen alten Verbableitungen vor (zum Beispiel Aggressor, Autor, Professor). Und selbst wenn es das Verb, von dem ein Nomen ursprünglich abgeleitet worden ist, im modernen Deutschen noch gibt, ist die direkte Entsprechung manchmal nicht mehr gegeben: Heutzutage ist es üblich, dass eine Direktorin ihr Unternehmen führt und ein Rektor sein Bildungsinstitut leitet. Dirigiert und regiert wird meist an anderen Orten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Berichtigung

In der Zwischenzeit hat eine aufmerksame Blogleserin mich unten in einem Kommentar darauf aufmerksam gemacht, dass es doch eine Einwortantwort gibt: lektoriert. Man sagt: Ein Lektor lektoriert (das Wort steht sogar in Canoonet!). Dies gilt jedenfalls, wenn der Lektor oder die Lektorin für einen Verlag tätig ist. Dieser Kommentar zeigt zwei Dinge, nämlich erstens dass man nicht nur in eine Richtung schauen soll und zweitens dass die Sprache so flexibel ist, dass es meistens keine Lücken gibt, wenn man etwas wirklich braucht.

Ich habe beim Verfassen dieses Beitrags den Fehler gemacht, in Analogie mit den anderen Beispielen auch bei Lektor nur nach hinten zu schauen, nämlich dorthin, wo das Wort herkommt. Ich hätte auch vorwärtsschauen müssen. Wörter haben nicht nur einen Ursprung, sondern sie können selber auch wieder Ursprung sein. Man kann nämlich mit -ieren von Fremdwörtern neue Verben bilden, also lektorieren von Lektor ableiten.

Das Verb lektorieren zeigt auch sehr schön, dass wenn es in der Sprache Lücken gibt, diese oft sehr effizient aufgefüllt werden. Wie ich oben so umständlich dargestellt habe, fehlt im heutigen Deutsch die moderne Variante des Verbs, von dem Lektor abgeleitet ist. Davon lassen sich die Menschen der Verlagsbranche aber nicht beeindrucken. Sie haben ganz korrekt ein neues Verb gebildet, damit sie ein Wort haben, mit dem sie ihre Tätigkeit benennen können. Das nennt man dann Sprachwandel und gehört für mich zu den faszinierendsten Aspekten der Sprache.

Ich bedanke mich herzlich bei Marion K. für ihren Hinweis und bitte Frau M. für meine gelinde gesagt unvollständigen Recherchen um Entschuldigung.

Le courriel: die französische Antwort auf die E-Mail

Es ist zwar schon einen Monat her, aber ich habe erst dieses Wochenende etwas darüber gelesen: Am 10. März dieses Jahres hat Christine Albanel, die französische Ministerin für Kultur und Kommunikation, den Netzauftritt (Näheres über dieses Wort folgt) FranceTerme eingeweiht. Dort sind die von der Commission générale de terminologie et de néologie vorgeschlagenen und im Journal officiel veröffentlichten neuen Wörter und Ausdrücke zu finden. Es geht hier um eine Kommission, die neue Ausdrücke für neue Sachen und Konzepte vorschlägt, für die es noch keine französischen Wörter gibt oder gab. Das aus deutschsprachiger Sicht besonders Interessante hieran ist, dass die Vorschläge dieser Kommission nicht einfach Vorschläge sind. Nach einem Dekret vom 3. Juli 1996 gilt nämlich in Frankreich das Folgende: Wenn die genannte Kommission einen neuen Ausdruck im Journal officiel veröffentlicht hat, sind alle staatlichen Instanzen verpflichtet, ihn zu verwenden. So etwas Ähnliches gilt im deutschen Sprachbereich nur für die amtliche Rechtschreibung.

Auch für das Deutsche gibt es Instanzen, die sich um die Eindeutschung neuer Begriffe bemühen. Es geht hierbei wie in Frankreich vor allem um die Übersetzung englischer Ausdrücke. Es gibt aber zwei große Unterschiede: Während das erklärte Ziel der französischen Kommission „die Bereicherung der französischen Sprache“ ist, will zum Beispiel der Verein Deutsche Sprache „der Durchmischung der deutschen Sprache mit Anglizismen entgegenwirken“. Auch wenn das in der heutigen globalisierten Sprachlandschaft ungefähr auf das Gleiche herauskommt, finde ich „bereichern“ doch positiver klingen als „entgegenwirken“. Den zweiten und wichtigsten Unterschied habe ich bereits angetönt: Es gibt für das Deutsche keine staatliche Terminologiekommission, deren Vorschläge für neue Wörter einen verpflichtenden Charakter hätten.

Was schlagen denn die Commission und der Verein Deutsche Sprache (VDS) so vor? Hier einige Beispiele aus dem Bereich, in dem Sie sich gerade bewegen:

Das Web muss im amtlichen Frankreich toile genannt werden. Das bedeutet (Spinnen-)Netz und kommt mit dem Vorschlag des VDS überein: Netz. Eine Website ist ein site (ausgesprochen siet), aber das war einfach, denn das englische site und das französische site bedeuteten schon vor dem Internet-Zeitalter zum Teil das Gleiche. (Das englische Wort ist ohnehin ein altes Lehnwort aus dem Französischen – es ist sozusagen wieder zum Ursprung zurückgekehrt.) Die deutschen Vorschläge für site sind übrigens das eingangs verwendete Wort Netzauftritt sowie Netzstandort oder Netzplatz. Die home page wird zur page d’acueil page d’accueil (Empfangsseite), die etwas einladender, aber nicht unbedingt besser klingt als Startseite oder Hauptseite. Beim Weblog oder Blog trifft je nach Art des Inhaltes das französische bloc-notes (Notizblock) oder das deutsche Netztagebuch den Nagel besser auf den Kopf. Für den Webbrowser kommt man in beiden Sprachen zur gleichen Lösung: navigateur respektive Navigator. Besonders schwierig ist wohl das Chatten zu umschreiben, denn dialogue en ligne (Onlinegespräch) klingt zu förmlich und Netzplaudern nach etwas, was eher die Großeltern der heutigen Chatter getan hätten. Besonders gefällt mir die französische Bezeichnung für Spamming: arrosage. Wörtlich bedeutet es Begießen, Berieselung, Beregnen. So wird Spam ja über das Internet verteilt: einfach mit der größtmöglichen Gießkanne über alles gießen. Allerdings passt der deutsche Vorschlag besser zu dem, was ich wirklich von Spam finde: E-Müll. Dann gibt es im Französischen sogar noch eine Wortneuschöpfung: le courriel. Es ist eine Zusammenziehung von courrier électronique, die e-mail ersetzen soll. Dieses Wort könnte es in die französische Allgemeinsprache schaffen, was den deutschen Pendants E-Brief oder Netzbrief wohl nicht gelingen wird. Dafür klingen sie irgendwie zu handgestrickt.

Hat dieses französische Vorgehen Erfolg? Zum Teil scheint das der Fall zu sein, auch wenn noch andere Einflüsse eine wichtige Rolle spielen. Wörter wie ordinateur für Computer, ordinateur portable für Laptop (VDS: Klapprechner!) und logiciel für Software sind völlig eingebürgert. Es finden sich auf französischen Websites auch häufiger pages d’accueil als Homepages, aber ob der dialogue en ligne (Chatten) und der bloc-notes (Blog) dies auch schaffen werden, weiß ich nicht. Ich vermute, dass sich auch im Französischen letztlich nur das durchsetzt, was die Sprachbenutzer praktisch und treffend finden.

Pauschale, pauschalieren und pauschalisieren

Frage

Gibt es einen Unterschied zwischen pauschalieren (meiner Meinung nach: zusammenfassen) und pauschalisieren (meiner Meinung nach: verallgemeinern)? Ich finde diesen – falls es ihn gibt – leider nirgends belegt.

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

die Bedeutungen von pauschalieren und pauschalisieren unterscheiden sich voneinander, und zwar genau so, wie Sie es beschreiben. Auch gemäß Wörterbüchern wie Duden und Wahrig haben die beiden Verben die folgenden Bedeutungen:

pauschalieren: zu einer Pauschale zusammenfassen
pauschalisieren: stark verallgemeinern

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nachtrag zum Ursprung von Pauschale
Die beiden Verben sind von Pauschale abgeleitet. Das ist wieder einmal so ein Wort, das meine Neugierde kitzelt. Es hat auf den ersten Blick mit keinem anderen Wort zu tun. So etwas bringt mich immer wieder auf die Idee, ein Wort komme von weit her. Es tönt irgendwie russisch oder vielleicht auch ungarisch: Gulasch hat ja auch ein sch und die entfernt ähnlich klingende Puszta ist in ihrer Größe zwar nicht alles, aber immerhin viel umfassend. (Die Kenner des Ungarischen mögen mir diese allzu freien Assoziationen verzeihen.) Wie bei der Dusche, von der ich dachte, dass sie aus exotischen Gefilden komme, täusche ich mich aber sehr. Während die Dusche wenigstens noch aus dem Italienischen stammt, ist die Pauschale fast gänzlich deutschen Ursprungs.

Pauschale ist eine latinisierende Bildung zu Pauschsumme (Gesamtsumme). Latinisiert, das heißt auf Lateinisch getrimmt wurde früher des Öfteren. Das klang gewichtiger. Es ist wohl ein bisschen damit zu vergleichen, wie man heute vieles anglisiert, um up to date zu erscheinen. Das Substantiv Pauschale entstand in der österreichischen Amtssprache und wird seit dem 19. Jahrhundert im kaufmännischem Bereich verwendet.

Pausch ist eine Nebenform von Bausch, das wir heute zum Beispiel in aufbauschen und Wattebausch verwenden. Das Wort gab es schon im Mittelhochdeutschen, wo es Wulst, Bausch bedeutete, aber zu meinem Erstaunen anscheinend auch Schlag mit einer Keule. Gemäß Duden soll es über das Althochdeutsche sogar mit Beule verwandt sein. Und hier trifft sich die sehr alte mögliche Bedeutung mit einer viel neueren: Wenn man pauschalisiert, geht man ja irgendwie mit der Finesse eines Keulenschlags vor. Doch diese letzte Interpretation – so schön abrundend sie auch klingen mag – hat leider nur wenig mit seriöser Wortforschung zu tun.

Auf der oder auf dem Plaza de España?

Frage

Seit einer Weile versuche ich herauszufinden, ob es eine feste Regel gibt, die den Gebrauch des Artikels für fremde Namen von Gebäuden, Plätzen, Straßen usw. gibt. Sagt man zum Beispiel die Plaza de España, weil der Lehnbegriff weiblich ist (la plaza), oder behält man den für ein deutsches Wort (in diesem Fall der Platz) stehenden Artikel bei und sagt entsprechend der Plaza de España?

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

wie schon ein früherer Blogeintrag erläutert, gibt es keine feste Regeln dafür, welches Geschlecht Fremdwörter im Deutschen erhalten. Es gibt verschiedene Tendenzen, die sich zum Teil widersprechen, so dass es häufig Wörter gibt, die mit mehr als einem Artikel verwendet werden. Ganz besonders gilt dies im Bereich, der Sie interessiert: Namen von Plätzen, Straßen usw. Hier sind zwei Tendenzen wichtig, die Sie ganz richtig bereits erwähnt haben:

  • Der Name hat das gleiche Geschlecht wie in der Ursprungssprache.
  • Der Name hat des gleiche Geschlecht wie seine deutsche Übersetzung.

Bei Namen wie zum Beispiel die Calle Mayor und die Rue de Rivoli ergeben sich daraus keine Probleme, denn calle und rue sind wie die deutsche Übersetzung Straße weiblich. Auch dann, wenn Substantive in der Ursprungssprache kein Geschlecht haben, ist es einfach, da dann nur die zweite Tendenz wirkt: der Trafalgar Square wie der Platz.

Wo diese Tendenzen einander aber widersprechen, sind in der Regel beide Varianten als richtig anzusehen:

die Plaza de España – wie sp. la plaza (weiblich)
der Plaza de España – wie dt. der Platz

die Place de la Concorde – wie frz. la place (weiblich)
der Place de la Concorde – wie dt. der Platz

der Ponte Vecchio – wie it. il ponte (männlich)
die Ponte Vecchio – wie dt. die Brücke

Keine der beiden Tendenzen ist „logischer“ oder „besser“ als die andere. Welche Variante man wählt, hängt vor allem von der Kenntnis der Sprache ab, aus der der Name stammt. Für jemanden, der gut Französisch kann, klingt Wir treffen uns am Place de la Concorde vielleicht seltsam oder sogar falsch. Umgekehrt kann für jemanden, der kein Französisch spricht, Wir treffen uns an der Place de la Concorde sehr gestelzt klingen (so ähnlich wie Zwei Espressi, bitte).

Sie können also sowohl So gelangen Sie zum Ponte Vecchio als auch So gelangen Sie zur Ponte Vecchio sagen, ohne dass man Ihnen einen Verstoß gegen die Grammatik des Deutschen vorwerfen darf. Innerhalb eines Textes, eines Buches usw. sollte man allerdings immer die gleiche Variante verwenden.

Sehen Sie hierzu auch die entsprechende Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wie konjugiert man englische Verben im Deutschen?

Heute geht es um eine Frage, die hin und wieder im Zusammenhang mit aus dem Englischen übernommenen Verben gestellt wird: Wie schreibt man die konjugierten Formen solcher Verben? Es geht also NICHT um die Frage, inwieweit solche Verben aus stilistischen Gründen vermieden und durch deutsche Verben ersetzt werden sollten. Diese Diskussion ist absolut sinnvoll, aber darum geht es mir heute nicht.

Aus dem Englischen übernommene Verben werden wie deutsche Verben konjugiert: Man nehme die Grundform (den Infinitiv) des Verbs, schneide -en ab und hänge die regelmäßigen deutschen Verbendungen an. Welche Endungen das sind, sehen Sie in der Grammatik oder bei jedem beliebigen regelmäßigen Verb in der Wortformentabelle im Wörterbuch. Und jetzt kommt etwas Wichtiges: Mit englischen Rechtschreibkonventionen muss und darf man sich dabei nicht abgeben.

Mit diesen Angaben lassen sich Verben wie die folgenden problemlos durchkonjugieren:

surfen, du surfst, surfte, hat gesurft
bluffen, du bluffst, bluffte, hat geblufft
checken, du checkst, checkte, hat gecheckt
designen, du designst, designte, hat designt (nicht *designed!)

Bei auf -d und -t endenden Verbstämmen geht es auch gut (e-Erweiterung):

fighten, fightest, fightete, hat gefightet
fitten, fittest, fittete, hat gefittet
daten, datest, datetet, hat gedatet

Auch -s und -x sind problemlos (s-Verschmelzung)

dissen, du disst, disste, hat gedisst
leasen, du least, leaste, hat geleast
relaxen, du relaxt, relaxte, hat relaxt

Auch wenn der Stammauslaut wie ein sch ausgesprochen wird, gibt es keine Probleme:

switchen, du switchst, switchte, hat geswitcht
crashen, du crashst, crashte, ist gecrasht

Ebenfalls problemlos sind:

sprayen, du sprayst, sprayte, hat gesprayt
reviewen, du reviewst, reviewte, hat reviewt.

Bei den obenstehenden Fällen wird einigen die Form des Perfektpartizips seltsam vorkommen, aber englische Verben bilden es nur im Englischen mit -ed. Wenn man sie ins Deutsche importiert, muss ihr Partizip mit einem -t gebildet werden. Das geschieht leider sehr oft nicht. Am unschönsten finde ich Mischformen mit deutschem ge- und englischem -ed: *gedated, *gedissed, *gecrashed.

Noch schwieriger für das die englische Rechtschreibung gewohnte Auge sind die folgenden Fälle. Aber auch sie müssen nach der deutschen Rechtschreibung so geschrieben werden:

Doppelkonsonant auch wenn kein e folgt:

bloggen, du bloggst, bloggte, hat gebloggt
joggen, du joggst, joggte, hat gejoggt.
shoppen, du shoppst, shoppte, hat geshoppt

Ein -e fällt weg, auch wenn es im Englischen für die Aussprache wichtig ist (und auch hier gilt: Perfektpartizip -t, nicht -ed):

stylen, du stylst, stylte, hat gestylt (weder *gestyled noch *gestylet)
saven, du savst, savte, hat gesavt (weder *gesaved noch *gesavet)
biken, du bikst, bikte, hat gebikt
dopen, du dopst, dopte, hat gedopt

Ebenso:

managen, managst, managte, hat gemanagt
loungen, loungst, loungte, hat geloungt

Und trotz empörtem Aufschnauben manches Anglophilen:

piercen, du pierct, piercte, hat gepierct
outsource, du outsourct oder sourct out, outsourcte oder sourcte out, hat outgesourct

Gerade die letzten Formen zeigen, dass es oft besser und sogar einfacher wäre, Importverben durch im Deutschen etabliertere Verben zu ersetzen. Aber – wie eingangs gesagt – diese Diskussion möchte ich hier nicht führen. Der heutige Beitrag ist ohnehin schon viel zu lang.

Geschlecht von Fremdwörtern

Frage

Immer wieder frage ich mich, wer denn bestimmt, welches Genus Fremdwörter bekommen. Insbesondere Begriffe der Informationstechnologie werden zwar häufig im Deutschen verwendet, doch oft mit verschiedenem Genus. Beispiele: der/das Bookmark (Canoonet sagt sogar noch die Bookmark), der/das Tab, der/das Blog etc. Kann man sagen, dass falls es eine deutsche Entsprechung gibt, das Fremdwort das Genus von diesem Wort übernimmt, Bsp. das Lesezeichen -> das Bookmark? der Reiter -> der Tab?

Antwort

Sehr geehrte Frau R.,

wieso sagt man der Star, der Cognac, die E-Mail, das Electronic Banking, das Cello, der oder das Weblog, der oder die Benchmark usw.? Bei der Festlegung des Geschlechts von Fremdwörtern gibt es wie bei vielen anderen sprachlichen Phänomenen keine festen Regeln. Es gibt aber verschiedene, unterschiedlich starke Tendenzen oder Strategien, die – wie könnte es auch anders sein – sich zum Teil widersprechen.

Eine nicht unwichtige Tendenz ist das „Ursprungsprinzip“: Ein Nomen hat das gleiche Geschlecht wie in der Sprache, aus der es übernommen wird:

der Boulevard – frz. le boulevard
die Allee – frz. une allée
die Paella – sp. la paella
der Risotto – it. il risotto

Das ist aber bei weitem nicht immer so. Gerade bei einer Sprache wie dem Englischen, in der Nomen in der Regel kein Geschlecht haben, kann dieses Prinzip gar nicht funktionieren. Aber auch bei Wörtern aus Sprachen wie dem Französischen, Spanischen und Italienischen spielen andere Tendenzen eine Rolle.

Die zweite wichtige Tendenz ist – wie Sie richtig erkannt haben – die Übertragung des Geschlechts der deutschen Übersetzung auf das Lehnwort. So sucht Deutschland den Superstar, weil es der Stern ist. Dieses Prinzip gilt auch in anderen Sprachen. So nennt man Brad Pitt oder Russel Crowe in Frankreich une grande star und auch Silvester Stallone war selbst in seinen besten Rambo-Zeiten in Italien una grande star hollywoodiana. Dies ist so, weil die nächtlich funkelnden Himmelskörper in diesen Sprachen weiblich sind. Das finden wir vielleicht etwas komisch, aber umgekehrt wundert man sich in den romanischsprachigen Ländern nicht weniger darüber, dass wir für zum Beispiel Catherine Deneuve, Sophia Loren und Cameron Diaz ein männliches Wort verwenden. Doch ich schweife ab. Hier noch weitere Beispiele für das „Übersetzungsprinzip“:

die Soap – die Seife, die Seifenoper
das Shirt – das Hemd
die Bouillon – die Brühe (frz. le bouillon)
der Chef de Cuisine – der Küchenchef, der Leiter (frz. le chef de cuisine))
das Chef d’Œuvre – das Meisterwerk (frz. le Chef d’œuvre)
der Computer – der Rechner
das Direct Banking – das Bankieren

Die letzten beiden Beispiele zeigen , dass auch die Form des Lehnwortes (-er resp. -ing) eine Rolle spielen kann. Sehen Sie hierzu und zu weiteren Tendenzen die entsprechende Grammatikseite.

Gerade bei neueren Lehnwörtern können mehrere Tendenzen einen Einfluss haben , sodass das Wort mit mehr als nur einem Genus verwendet wird:

der Grappa – Übersetzung: der Branntwein, der Schnaps
die Grappa – Ursprung: la grappa
der Benchmark – Übersetzung: der Maßstab
die Benchmark – Form: die Marke
das Weblog – Übersetzung: das Log, das Logbuch
der Weblog – ???

Ob eine der Tendenzen letzlich „gewinnt“ und welche das ist, bestimmt der Sprachgebrauch. Vielfach gibt es dabei dann wieder regionale Varianten wie zum Beispiel bei E-Mail: Neben die E-Mail gibt es im südlichen deutschen Sprachraum auch das E-Mail …

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sabotage

Heute morgen hörte ich, wie jemand seinen Mitarbeiter der Sabotage bezichtigte. Woher stammt dieses Wort eigentlich?

Die Wörter sabotieren und Sabotage stammen aus dem Französischen. Das hätten Sie bestimmt auch ohne meine Hilfe gewusst oder erraten. Das Verb saboter bedeutet(e) unter anderem mit Holzschuhen (sabots) bearbeiten und im übertragenen Sinne eine Arbeit schlecht machen, hinschludern. So weit gehen die Angaben im Duden. Man kann sich vorstellen, dass über einige Bedeutungserweiterungen und –verschiebungen der Sinn entstanden ist, den wir aus dem Französischen übernommen haben: absichtlich die Leistung oder die Funktion einer Einrichtung u. Ä. stören. Es gibt aber schönere Erklärungen:

Der Holzschuh (sabot) war das Symbol der französischen anarchistischen Arbeiterbewegung des neunzehnten und beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts. Der Sabot soll zum Symbol geworden sein, weil die Arbeiter zur Zeit der industriellen Revolution ihre Holzschuhe in die Maschinen warfen, um sie zu beschädigen, sodass nicht weitergearbeitet werden konnte. Dies taten sie aus Protest im Kampf gegen die Patrons oder vielleicht auch nur, um sich Zeit für eine Pause zu verschaffen. Man sabotierte also in dieser Weise die Maschinen der Patrons.

Eine andere Erklärung ist die folgende: Das Symbol Sabot bezog sich auf den Holz- oder Metallkeil, der beim Rangieren zum Bremsen unter die Räder der Eisenbahnwaggons geschoben wurde. Diesen Beruf übten die enrayeurs (Bremser) aus, die auch saboteurs genannt wurden.

Welche der drei Varianten die richtige ist, konnte ich leider nicht herausfinden. Die Sabotage scheint jedenfalls entfernt etwas mit Holzschuhen zu tun zu haben. Es ist an Ihnen, die Variante zu wählen, die Sie für die wahrscheinlichste halten. Mir gefällt die zweite am besten, weil sie so schön anschaulich ist. Aber gerade Anschaulichkeit ist leider oft ein Hinweis auf Volksetymologie und phantasievolles Interpretieren.

Zitate aus anderen Sprachen

Frage

Wenn ich in einem deutschsprachigen Text einen englischen Satz zitiere (These boots are made for walking), behandle ich dann diesen Satz wie einen deutschen, d.h. schreibe ich dann Boots, oder gilt dann die englische Schreibweise boots?

Antwort

Sehr geehrter Herr G.,

wenn sie fremdsprachliche Wörter, Ausdrücke oder Sätze als Zitat in einen deutschen Text aufnehmen, gilt nicht die deutsche, sondern so weit wie möglich die Schreibweise der Ursprungssprache. So schreibt man z. B. Sie werden immer Mamas kleine Babys sein. Aber wenn direkt aus dem Englischen zitiert wird, schreibt man: Sie werden immer “Mama’s little babies” sein.

Sehen Sie hierzu auch Punkt 3.1 auf dieser Seite der amtlichen Rechtschreibregelung.

Ein Muttersöhnchen ist deshalb – man beachte die Kleinschreibung und die Verwendung von Akzenten und des Apostrophs – in England a mama’s boy, in Frankreich un petit garçon à maman, in Spanien un hijo de mamá, in Italien ein figlio di mamma, und in den Niederlanden een moederskindje.

Beim Zitieren begibt man sich gewissermaßen in eine andere Sprache und da gilt dann das Sprichwort Andere Länder, andere Sitten oder eben zitierenderweise:
When in Rome, do as the Romans do.
Autres pays, autres mœurs.
A donde fueres, haz lo que vieres.
Paese che vai, usanze che trovi.
’s Lands wijs, ’s lands eer.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Brutto und netto

Frage

Zurzeit suche ich zwei Wörter. Ich kann diese nirgenwo finden. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen.

Die Pluralformen von Brutto und von Netto, sind dies Brutti und Netti?

Woher stammen diese Wörter? Aus dem Italienischen oder dem Lateinischen?

Antwort

Sehr geehrter Herr F.

es ist vielleicht gar nicht so erstaunlich, dass Sie die beiden Wörter nirgendwo finden können, denn es gibt sie eigentlich nicht. Die Wörter brutto und netto werden in der deutschen Standardsprache nur als Adverbien benutzt:

etwas brutto/netto auszahlen
das Salär beträgt brutto/netto

Sonst kommen sie eigentlich nur als erster Teil in Zusammensetzugen vor:

Bruttolohn/Nettolohn
Bruttogewicht/Nettogewicht
Bruttobetrag/Nettorbetrag
Bruttosozialprodukt
usw.

Wenn Sie sie als Nomen verwenden, insbesondere im Plural, dann handelt es sich wohl meistens um eine Abkürzung, die als umgangssprachlich gelten muss. Zum Beispiel:

die Bruttos und Nettos berechnen = die Brutto- und Nettobeträge berechnen

Wenn Sie dennoch darauf bestehen, brutto und netto als Nomen zu verwenden, empfehle ich Ihnen den Plural mit s zu bilden: Bruttos und Nettos. Ein Plural mit i klingt sehr förmlich und “offiziell”, was nicht so gut zum umgangssprachlichen Charakter passt. Es ist auch eine korrekte Art der Deutschen Pluralbildung, denn die Mehrzahlformen Kontos, Saldos und Pizzas sind ja auch richtig.

Die beiden Wörter stammen aus dem Italienischen. Das Wort netto bedeutet sauber, rein. Das Wort brutto bedeutet im modernen Italienischen hässlich, schlecht. Ein schönerer Gegensatz zu netto ergibt sich, wenn man eine im Italienischen veraltete Bedeutung von brutto hinzuzieht: schmutzig. Zu der Zeit, in der diese Begriffe ins Deutsche übernommen wurden, machte man also einen Unterschied zwischen dem schmutzigen und dem sauberen Gewicht. Das tun die Italienischsprachigen noch immer, denn im modernen Italienischen ist das Nettogewicht zwar das peso netto, aber das Bruttogewicht nicht etwa das peso brutto, sondern das peso lordo. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass lordo tatsächlich schmutzig bedeutet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp