Bin ich ein Content Creator, ein Content-Creator oder ein Contentcreator?

Frage

Der (Online-)Duden kennt „Content-Management“ und „Contentprovider“. Ich frage mich nun, wie man den heute im deutschen Sprachraum geläufigen und gerade bei deutschen Jugendlichen beliebten Anglizismus „Content Creator“ richtig schreibt:

Content Creator
Content-Creator
Contentcreator

Antwort

Guten Tag Herr B.,

am einfachsten wäre es, wenn man die deutschen Entsprechungen Inhaltsschöpfer oder Inhaltsentwicklerin verwenden würde. Dabei sollte die Zusammenschreibung bei den meisten einprogrammiert sein. Ich verstehe aber, dass Inhaltsschöpfer für moderne Kreative zu sehr wie Suppenkelle klingen könnte, und bei Inhaltsentwicklerin sieht man vielleicht besser als bei Content Creator, dass es „nur“ darum geht, Inhalte zu kreieren. Aber ich schweife ab und will hier keineswegs den Anglizismen den Kampf ansagen. Also zurück zur Rechtschreibung:

Nach § 45 (E1) der amtl. Rechtschreibregelung gilt Folgendes:

Aus anderen Sprachen stammende Verbindungen aus Substantiv + Substantiv, die sich im Deutschen grammatisch wie Zusammensetzungen verhalten, werden zusammengeschrieben; ebenso ist die verdeutlichende Schreibung mit Bindestrich möglich.
Sexappeal (Sex-Appeal), Sciencefiction (Science-Fiction), Shoppingcenter (Shopping-Center), Desktoppublishing (Desktop-Publishing), Midlifecrisis (Midlife-Crisis) 

Richtig ist demnach entweder die Zusammenschreibung oder die Schreibung mit Bindestrich:

Contentmanagement / Content-Managment
Contentprovider / Content-Provider
Contentcreator / Content-Creator

Der Duden legt offenbar die „Grenze der Deutlichkeit“, bei deren Überschreiten ein Bindestrich gesetzt wird, irgendwo zwischen Contentprovider und Content-Management (die zusammengeschrieben Variante Contentmanagement steht allerdings auch im Online-Duden). Richtig ist nach § 45 (E1) beides.

Die Getrenntschreibung Content Creator ist nach der Rechtschreibregelung nicht korrekt. Sie ist aber die weitaus am häufigsten vorkommende Schreibweise. Dieser rechtschreiblichen Kluft zwischen regelkonform und üblich begegnet man bei aus dem Englischen übernommenen Zusammensetzungen sehr oft. Mehr zu diesem Thema und weitere Beispiele finden Sie in diesem schon etwas älteren Blogartikel. Neu ist das Problem, wenn es überhaupt eines ist, also nicht. Der für diesen Blog verantworliche Content-Creator hat es schon mehr als einmal behandelt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wie man „Ph.D. thesis“ eindeutscht

Frage

Ich habe zu folgendem Anliegen keine klare Regelung finden können und freue mich über jegliche Hinweise zur korrekten Lösung: Welche dieser Schreibweisen ist in einem deutschen Text korrekt?

a) Ph.D.-Thesis
b) Ph.-D.-Thesis
c) Ph. D. Thesis
d) Ph.D. Thesis

Mein Favorit aus ästhetischer Sicht ist a).

Antwort

Guten Tag Frau A.,

in einem allgemeinen deutschsprachigen Text würde ich den deutschen Begriff Dissertation oder Doktorarbeit verwenden. Das ist häufig eine gute Übersetzung.

Wenn es genauer sein soll (Ph.D. und Doktorat sind nicht immer dasselbe), wenn Sie also den englischen Ausdruck verwenden wollen oder müssen, dann hängt die Schreibung davon ab, ob Sie ihn als englisches Zitatwort oder als (mehr oder weniger integriertes) Fremdwort verwenden.

Als Zitatwort aus dem Englischen schreiben Sie das Wort so, wie es im Englischen üblich ist. Am besten geben Sie zum Beispiel mit Anführungszeichen oder Kursivschrift an, dass es sich um ein Zitatwort handelt:

„Ph.D. thesis“  oder „PhD thesis“

Wenn der Ausdruck als Fremdwort ins Deutsche eingebunden ist, schreiben Sie am besten wie folgt:

Ph.D.-Thesis oder PhD-Thesis

Die Begründung zur Schreibung als integriertes Fremdwort: Die Abkürzung wird mit oder ohne Punkte geschrieben: Ph.D. oder PhD. Auch mit Punkten steht üblicherweise kein Leerzeichen nach dem ersten Punkt. Entsprechend kann oder muss dort in Zusammensetzungen kein Bindestrich eingefügt werden. Ein Bindestrich muss aber zwischen der Abkürzung und dem zweiten Wort stehen, wie dies bei allen Zusammensetzungen mit einer Abkürzung der Fall ist.

Wenn Sie statt der Übersetzung das Fremdwort benutzen, ist die Lösung, die Ihr ästhetisches Auge Ihnen eingegeben hat, auch die Lösung, die nach den Rechtschreibregeln am besten vertretbar ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das (nicht ganz so) Bizarre an „bizarr“

Manchmal möchte ich einfach wissen, woher ein Wort kommt. Diesmal ist es das ungewöhnlich klingende Adjektiv bizarr. Hat das bi- vielleicht etwas mit dem lateinischen bi- = zwei-, doppelt- zu tun wie in zum Beispiel bilateral, bivalent oder Bikarbonat? Es ist aber nicht sehr einleuchtend, wie dies zur Bedeutung absonderlich, seltsam, ungewöhnlich von bizarr passen könnte. Noch unklarer ist, wie sich der Rest des Wortes erklären ließe. Mit der Roman- und Filmfigur Zorro kann zarr kaum etwas tun haben, auch wenn der degenfechtende Maskenträger mit seinem geritzten Z nicht ganz unbizarr ist. Es bleibt also nur der Blick in die einschlägigen Wörterbücher.

Das Bizarre an bizarr ist: Niemand weiß, woher es kommt. Das Wort bizarr lässt sich zwar über das französische bizarre auf das italienische bizzarro zurückführen, sein weiterer Ursprung ist aber abgesehen von verschiedenen Mutmaßungen ungewiss. Erstaunlich ist auch, dass die Kernbedeutung absonderlich, seltsam, ungewöhnlich des Wortes durch die Jahrhunderte und über die Sprachgrenzen hinweg größtenteils unverändert geblieben ist.*

Wirklich bizarr ist bizarr deswegen nicht. Es ging im Titel  oben vor allem um das Wortspiel. Schade ist, dass ich nicht mehr über dieses schöne Wort erfahren kann. Ich hatte mich schon auf eine interessante bis abenteuerliche Wortgeschichte gefreut, die zur bizarren Form des Wortes passt (nicht unbedingt etwas mit einem doppelten Zorro oder so, aber dennoch). Wer sich beim Lesen des Titels auch gefreut hat und nun ebenfalls enttäuscht ist, möge mir den „Teaser“ verzeihen.

* Natürlich gibt es wie immer Ausnahmen: Im Spanischen ist eine besondere frühere Teilbedeutung erhalten geblieben: bizarro = stattlich, mutig, tapfer.

Verinselt

Da ich seit heute beschwerdefrei bin und das Ganze schon länger als fünf Tage dauert, darf ich mich ab morgen wieder vorsichtig außer Haus wagen. Als einer der Letzten in meiner Umgebung war ich, soweit ich weiß, noch vom Virus verschont geblieben, doch vergangenes Wochenende kündigten sich Husten und Kopfschmerzen an und zeigte der Selbsttest zum ersten Mal zwei Streifen. Der zur Kontrolle durchgeführte zweite Test leider auch. Das hieß, dass ich in Isolierung oder Isolation musste – und übrigens auch wollte. Alles halb so schlimm, denn mit mehr als einer mittelschweren Grippe hatte ich es (sehr wahrscheinlich dank Impfungen und Boostern) nicht zu tun. Dies ist dann auch kein Aufruf zu Mitleidsbezeugungen, denn mit Hilfe von Paracetamol, heißem Kräutertee, Hustenbonbons und Schlaf übersteht man so etwas gut.

Während der Isolation fragte ich mich plötzlich, wo denn das n nach dem i geblieben ist. Ich bin nämlich davon ausgegangen, dass das sol in Isolation etwas mit solus = allein zu tun hat, dass man sozusagen solo sein muss. Dazu hätte die Vorsilbe in- gepasst (in solo), aber in  isolieren steht nur ein i, kein in. Die Frage war mir aber nie so wichtig, dass ich diese selbstgestrickte Wortherkunft einmal überprüft hätte.

Was viele schon wissen, wurde mir erst beim Griff zum Herkunftswörterbuch klar: Isolation gehört zu isoliert, das über das französische isolé auf das italienische isolato zurückgeht. Dieses isolato bedeutete zur Insel gemacht und übertragen auch absondern, von allem anderen abtrennen. Ich hätte es wissen können, denn ich kenne das italienische Wort isola = Insel (lat. insula), habe die Isola Bella im Lago Maggiore liegen sehen und weiß u. a. dank „L’amica geniale“ („Meine geniale Freundin“) , dass es eine Fähre Napoli – Isola d’Ischia gibt. Trotzdem bin ich nicht selbst darauf gekommen, dass isoliert ganz wörtlich einfach verinselt bedeutet.

Mir gefällt das Bild der Verinselung viel besser als das banalere Solosein, entsprechend viel besser fühlte ich mich dadurch allerdings auch nicht. Ab morgen bin ich dann wieder entinselt.

Bleiben Sie gesund oder werden Sie es schnell wieder!

Wie man ins Deutsche übernommene „marketing qualified leads“ schreibt

Es gibt kaum eine Bereich in der Rechtschreibung, in dem die regelkonforme Schreibweise (gemäß der amtlichen Rechtschreibregelung) und die übliche Schreibweise so weit auseinanderklaffen wie bei den mehrteiligen Ausdrücken aus dem Englischen. Hier folgt ein Beispiel, in dem die regelkonforme Schreibweise praktisch nie vorkommt.

Frage

Ich bin mir nicht sicher, wie man folgenden Begriff im Deutschen richtig schreibt: Marketing-Qualified-Lead.

Ich meine, es ist nur mit einem Bindestrich richtig (Marketing-Qualified), aber sicher bin ich mir nicht.

Antwort

Guten Tag Frau D.,

Zusammensetzungen und Mehrwortausdrücke aus dem Englischen stellen häufig ein Problem dar, wenn sie nach den Regeln der deutschen Rechtschreibung geschrieben werden sollen. Das ist auch bei Ausdrücken dieser Art der Fall.

Wenn man es ganz richtig nach der Rechtschreibregelung machen will, kommt hier eine Schreibweise heraus, der man fast nirgendwo begegnet:

Marketing-qualified Leads und Sales-qualified Leads
Ein Lead ist Marketing-qualified oder Sales-qualified.

Vgl. die stärker eingedeutschten Varianten:

Marketingqualifizierte Kontakte und verkaufsqualifizierte Kontakte
Ein Kontakt ist marketingqualifiziert oder verkaufsqualifiziert.

Oder mit „verdeutlichendem“ Bindestrich:

Marketing-qualifizierte Kontakte und verkaufsqualifizierte Kontakte
Ein Kontakt ist Marketing-qualifiziert oder verkaufsqualifiziert.

Der Teil Marketing-qualified ist ein zusammengesetztes Adjektiv/Partizip. Es wird im Deutschen am besten mit einem Bindestrich geschrieben  (marketingqualified wäre allerdings auch möglich). Dabei erhält Marketing als Substantiv in einer Zusammensetzung mit Bindestrich einen großen Anfangsbuchstaben. Das Partizip qualified bleibt klein (vgl. Amerika-freundlich, Fett-triefend, Computer-unterstützt).

Dieses zusammengesetzte adjektivische Partizip steht vor dem Substantiv Lead. Verbindungen aus dem Englischen, die aus einem Adjektiv und einem Substantiv bestehen, werden getrennt geschrieben:

Big Bang
Public Relations
Human Resources
Electronic Banking

Analog auch:

Asset-backed Security
Computer-aided Design
Location-based Management (so auch in Duden)
Web-based Training

Marketing-qualified Lead
Sales-qualified Lead

Wenn Sie die Schreibung Marketing-qualified Leads verwenden, machen Sie es also richtig.

Aber: Sie riskieren, dass man Sie wegen dieser ungewohnten Schreibweise kritisiert. Wenn Ihnen das nicht gleichgültig ist, könnten Sie auch erwägen, die zwar nicht regelkonforme, aber bei Begriffen dieser Art am meisten vorkommende Schreibweise anzuwenden, die (abgesehen von den Großbuchstaben) direkt aus dem Englischen übernommen ist: Marketing Qualified Leads. Man kann dann sogar argumentieren, es sei eine fachsprachliche Schreibung. Die Schreibung mit zwei Bindestrichen Marketing-Qualified-Leads würde ich nicht empfehlen, da sie weder den Rechtschreibregeln noch der englischen Schreibweise gerecht wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Acetylsalicylsäure-haltig, acetylsalicylsäurehaltig oder mit Acetylsalicylsäure?

Frage

Hier ist ein etwas schwieriger Fall einer Zusammensetzung. „Acetylsalicylsäure“ ist ein Wirkstoff, aber nicht wirklich ein Eigenname.

Acetylsalicylsäure-haltige Arzneimittel
acetylsalicylsäurehaltige Arzneimittel

Was würden Sie für richtig halten?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

nach den Rechtschreibregeln werden Verbindungen dieser Art im Prinzip zusammengeschrieben:

acetylsalicylsäurehaltige Arzneimittel
paracetamolhaltige Schmerzmittel
ibuprofenhaltige Medikamente

Der „verdeutlichende“ Bindestrich ist hier auch möglich, insbesondere wenn ein Wortungetüm wie Acetylsalicylsäure nicht als bekannt vorausgesetzt werden kann bzw. nicht vorher genannt wird:

Acetylsalicylsäure-haltige Arzneimittel
Paracetamol-haltige Schmerzmittel
Ibuprofen-haltige Medikamente

Für stilistisch besser und vielleicht auch deutlicher halte ich dann allerdings meistens Formulierungen wie diese:

Arzneimittel, die Acetylsalicylsäure enthalten
Paracetamol enthaltende Schmerzmittel
Medikamente mit Ibuprofen

Manche mögen meinen, Xy-haltig sei präziser als mit Xy. Im Allgemeinen ergibt sich aber aus dem Zusammenhang, dass mit ein Arzneimittel mit Acetylsalicylsäure dasselbe gemeint ist wie mit ein Acetylsalicylsäure-haltiges Arzneimittel.

Ich hoffe, dass Ihnen diese Wortschreibung nicht so viel Kopfzerbrechen bereitet hat, dass Sie zu einem acetylsalicylsäure-, paracetamol- oder ibuprofenhaltigen Schmerzmittel greifen mussten. So viel Stress verdient die Rechtschreibung nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Kommt der Einbau von Smart Metern oder von Smart Meters voran?

Frage

Neulich kam mir ein Satz unter, bei dem ich nicht wusste, wie ich den Dativ Plural bilden soll. Es geht um das Wort „Smart Meter“, so eine Art digitalen Stromzähler. Wie würden Sie das Wort „Meter“ im Dativ Plural schreiben: „Meters“ oder „Metern“? Ich würde spontan „Der Einbau von Smart Metern kommt voran“ schreiben, aber eigentlich müsste ich ja ein s als Pluralmarkierung nehmen, da das Wort „Meter“ hier kein Längenmaß ist, sondern das englische Wort für „Messgerät“. Aber das hört sich ja ganz scheußlich an: „Der Einbau von Smart Meters kommt voran.“ Was meinen Sie?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

bei der Pluralbildung von Fremdwörtern kann eine Rolle spielen, wie stark sie bereits ins Deutsche integriert sind.

Wenn Sie Meter in Smart Meter englisch aussprechen (ähnlich wie Mieter), dann passt der s-Plural besser:

die Smart Meters
der Einbau von Smart Meters

Wenn Sie dieses Meter deutsch aussprechen (wie das Längenmaß), passt der endungslose Plural. Zum endungslosen Nominativ Plural gehört der Dativ Plural mit -n wie zum Beispiel bei den Computern, den Bestsellern oder den Bikern:

die Smart Meter
der Einbau von Smart Metern

Auch korrekt ist hier übrigens die Zusammenschreibung, die allerdings verhältnismäßig selten vorkommt:

die Smartmeter
der Einbau von Smartmetern

Die deutsche Pluralbildung die Smart Meter / den Smart Metern ist hier deutlich üblicher als der englische s-Plural. Sie ist übrigens nicht zwangsläufig mit dem Längenmaß Meter zu assoziieren. Es gibt ja auch andere Messgeräte wie zum Beispiel Thermometer, Barometer oder Tachometer. Ähnlich wie bei diesen herrscht auch bei Smart Meter ein gewisser Zweifel, ob das Wort sächlich oder männlich ist. Häufig ist es nämlich der Smart Meter wie der intelligente Stromzähler, aber viele sagen auch das Smart Meter, wie dies für das Thermometer und das Barometer üblich ist (wenn auch nicht überall in gleichem Maße: Im südlichen deutschen Sprachraum kommt daneben auch der Thermometer vor).

Für den Plural hat sich die eingedeutschte Pluralbildung die Smart Meter durchgesetzt. Bei der Formulierung in Ihrer Frage würde ich deshalb nur diese Pluralvariante empfehlen, die auch Ihnen spontan besser erschien:

Der Einbau von Smart Metern kommt voran.

Bei der Frage zum Genus, der oder das Smart Meter, wage ich mich an keine Empfehlung. Die Frage, ob das Wort männlich ist wie der Messer, der Zähler oder ob es sächlich ist wie das Thermometer u. a., ist (noch) nicht eindeutig entschieden. Wer mit „so viel Ungewissheit“ nicht leben kann, weicht einfach auf Begriffe wie der intelligente Stromzähler oder das intelligente Messsystem aus. (Bei intelligent fällt mir allerdings noch mehr als bei smart auf, dass das Adjektiv in diesem Zusammenhang etwas hoch gegriffen ist – aber das ist eine ganz andere Frage.)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Omikron und Omega

Aus wenig erfreulichem aktuellem Anlass hört und liest man zurzeit sehr häufig das Wort Omikron. An dieser Stelle soll es nicht um den Anlass gehen und auch nicht darum, wie wenig erfreulich er ist. Es geht vielmehr um eine kleine Einsicht, die ich zu meinem Erstaunen erst jetzt gehabt habe.

Mir ist nämlich klargeworden, dass Omikron von griechisch ò mikrón kommt und kleines O bedeutet. Den Wortbestandteil mikro(n) = klein kennen wir ja von zum Beispiel dem Mikroskop, mit dem man sehr Kleines sehen kann, der Mikrofaser, einer aus kleinsten Strukturen bestehenden Faser, oder den Mikroorganismen, den Klein- und Kleinstlebewesen.

Das wussten viele von Ihnen sicher schon, aber diesen ersten Schritt meiner neuen „Erkenntnis“ finde ich noch nicht sehr erstaunlich. So oft bin ich dem Wort Omikron bis vor Kurzem auch wieder nicht begegnet. Das gilt nicht für sein Gegenstück, das Omega. Ihm begegnet man in gelehrteren oder religiösen Kontexten in der Form von Alpha bis Omega (ΑΩ), aber vor allem auf dem Fernseh- oder einem anderen Bildschirm, wenn bei Sportveranstaltungen neben der Zeitmessung die Marke des Zeitmessers steht. Obwohl (oder vielleicht gerade weil) man es so oft sieht, ist mir bis jetzt nie klargeworden, dass Omega einfach großes O bedeutet. Wie mikro ist ja auch mega = groß nicht unbekannt: vom Megabyte über den Megastar bis hin zu megaerstaunlich.

Ich habe mich gleich auf die Suche gemacht, ob das griechische Alphabet noch andere Buchstaben mit einer solchen Bedeutung hat, bin aber kaum fündig geworden. Neben Epsilon (einfaches E) und Ypsilon (einfaches I) sind nur noch Alpha und Gamma nennenswert: Alpha kommt vom hebräischen Wort ạlęf = Ochse (aufgrund der Ähnlichkeit des althebräischen Buchstabens mit einem Ochsenkopf) und Gamma kommt von hebräisch gạmạl = Kamel (aufgrund der Ähnlichkeit des althebräischen Buchstabens mit einem Kamelhals).

Das Omikron wird klein genannt, weil es kurz ist. Das Omega ist groß, weil es lang ist. Warum genau das Epsilon und das Ypsilon einfach sind, ist mir vorläufig noch ein Rätsel. Für die Schreibung der Laute /e/ und /i/ hat das Griechische so viele Möglichkeiten, dass der Grund wohl dort zu suchen ist.

Und um doch noch kurz auf den unerfreulichen Anlass für die derzeit häufige Verwendung des Wortes Omikron einzugehen: Hoffen wir, dass Omikron wirklich klein bleibt und Omega uns in diesem Zusammenhang erspart bleibt.

Reden wir von Switches, Switchs oder Switchen?

Die Beugung von noch nicht allzu fest im Deutschen intergrierten Fremdwörtern führt immer wieder zu Fragen:

Frage

In meinem Text steht eine Liste von Eigenschaften eines Switchs (o. eines Switches?). In dem speziellen Punkt geht es um die Verbindung zwischen zwei Switches/Switchen/Switchs. Ich habe im Internet gesucht, aber keine Informationen gefunden, wie man „Switch“ am besten dekliniert. […]

Antwort

Guten Tag Herr R.,

die Beugung von Fremdwörtern aus dem Englischen (und anderen Sprachen) kann dann zu Unsicherheiten führen, wenn sie noch nicht wirklich in den deutschen Wortschatz integriert sind. Was ist richtig, die Form aus der Ursprungssprache oder die ans Deutsche angepasste Form? Die Antwort lautet  wie so häufig: Richtig ist, was üblich ist.

Zuerst zum Genitiv: Wie Sie den Genitiv von Switch schreiben, hängt davon ab, wie Sie ihn aussprechen. Bei auf (gesprochenes) sch endenden Wörtern ist im Genitiv Singular sowohl -s als  auch -es möglich:

Aussprache wie /switschs/ → des Switchs
(vgl. Fischs, Froschs, Eibischs, Tratschs)

Aussprache wie /switsches/ → des Switches
(vgl. Fisches, Frosches, Eibisches, Tratsches)

Da bei Fremdwörtern der s-Genitiv üblicher ist als der es-Genitiv, würde ich des Switchs sagen und schreiben. Die Schreibung des Switches kommt aber häufiger vor. Ich vermute, dass diese Schreibung in vielen Fällen durch den englischen Plural switches beeinflusst ist und weniger auf eine Aussprache mit der Endung -es zurückzuführen ist.

Auch der endungslose Genitiv des Switch ist nicht ausgeschlossen, aber nur dann, wenn auch keine Endung gesprochen wird:

Aussprache wie /switsch/ → des Switch

Diese sozusagen aus dem Englischen übernommene endungslose Variante passt dann am besten, wenn auch der Plural noch englisch ausgesprochen wird. Und hiermit sind wir schon bei den Pluralformen:

Auch für den Plural von „Switch“ gilt, dass die Schreibung davon abhängt, wie Sie die Wortform aussprechen. Bei englischer Aussprache (/switschis/) schreiben Sie zwei Switches. Bei deutscher Aussprache (/switschs/) schreiben Sie zwei Switchs. Auch der Ersatz von -s durch die deutsche Endung -e ist nicht ausgeschlossen, aber (noch?) nicht so gebräuchlich. Also:

Aussprache wie /switschs/ → die Switchs
(vgl. Clutchs, Matchs, Patchs, Scotchs)

Aussprache wie /switschis/ → die Switches
(vgl. Clutches, Stretches)

Aussprache wie /switsche/ → die Switche
(vgl. Matche, Sketche)

Die Pluralformen von Clutch, Match, Patch, Sketch, Stretch und Scotch zeigen, dass es keine einheitliche Tendenz gibt, wie Substantive dieser Form ins Deutsche integriert werden. Wenn Sie diese Wörter in verschiedenen Wörterbüchern nachschlagen, werden Sie feststellen, dass nicht alle Wörterbücher überall dieselben Formen angeben. Es herrscht hier also eine recht große Unsicherheit (man kann es optimistischer auch eine recht große Freiheit nennen).

Ich kann Ihnen also nur empfehlen, sich nach der Aussprache zu richten. Welche Aussprache in Ihrem Fachbereich bei Switch üblicher ist, weiß ich leider nicht. Solange sich keine einheitliche(re) Verwendung des Wortes Switch eingebürgert hat, ist keine der obenstehenden Formen falsch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Desertion, Desertation, Desertifikation

Heute ein Beispiel dafür, dass auch bei Fachwörtern nicht immer alles ganz so eindeutig ist:

Frage

Was ist der korrekte Begriff für Fahnenflucht – „Desertion“ oder „Desertation“? Im Duden findet man nur „Desertion“, aber eigentlich scheint mir „Desertation“ geläufiger zu sein.

Antwort

Guten Tag Frau E.,

wenn Fahnenflucht gemeint ist, ist Desertion sicher richtig. Das Wort kommt über das französische désertion vom lateinischen Substantiv desertio, das zum Verb deserere (verlassen, aufgeben, desertieren) gehört. Wir haben also indirekt ein Substantiv übernommen, dass bereits im Lateinischen abgeleitet wurde:

lat. deserere → desertio
→ frz. désertion → dt. Desertion

Die Form Desertation kommt gelegentlich auch vor. Diese Form ist eine Ableitung, die im Deutschen stattgefunden hat. In Analogie mit zum Beispiel dekorieren → Dekoration, imitieren → Imitation, stabilisieren → Stabilisation wird sozusagen „regelmäßig“ (-ieren → -ation) vom Verb desertieren das Substantiv Desertation abgeleitet:

dt. desertieren → Desertation

Was ist nun richtig, die alte lateinische oder die neue heimische Ableitung? – Beides ist vertretbar. Ein kurzer Blick ins Internet und in einige Textkorpora zeigt allerdings, dass Desertation viel weniger häufig vorkommt als Desertion. Auch im schweizerischen und im österreichischen Militärstrafgesetz ist von Desertion die Rede. (Das deutsche Wehrgesetz hilft uns hier nicht viel weiter, denn es kennt nur den Tatbestand der Fahnenflucht.) Ich würde deshalb empfehlen, die gebräuchlichere Variante Desertion zu verwenden.

Dem Begriff Desertation begegnet man gelegentlich auch in der Erdkunde. Dort wird er mit der Bedeutung Wüstenbildung verwendet. Gebräuchlicher ist allerdings auch dort ein anderes Wort, nämlich Desertifikation, womit in der Regel durch menschliches Handeln verursachte Wüstenbildung gemeint ist. Daneben gibt es auch die natürliche Wüstenbildung, die – um es so richtig schön komplex zu machen – manchmal Desertation oder Desertion genannt wird.

Als Nicht-Erdkundler ist es mir leider nicht gelungen, genau herauszufinden, wer welchen Begriff für welche Art der Wüstenbildung verwendet. Das ist hier auch nicht so wichtig, denn bei Ihrer Frage ging es ja um die Fahnenflucht, also die Desertion (o. Desertation), die man wohl in keinem Zusammenhang mit der Wüstenbildung verwechseln kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp