So schön es klingt, „inbegriffen der Voruntersuchung“ ist nicht richtig

Frage

Ich habe ein Frage zur Kommasetzung:

Sie erreichte, dass die Angelegenheit ? inbegriffen der Voruntersuchung ruhte, bis ihre Schwester in Irland war.

Kann ich davon ausgehen, dass das Komma vor „inbegriffen“ freigestellt ist?

Antwort

Guten Tag Frau G.,

bei dieser Kommafrage muss eigentlich zuerst eine Fallfrage behandelt werden, und zwar im Zusammenhang mit inbegriffen.

Wenn inbegriffen oder einbegriffen mit der Bedeutung einschließlich verwendet wird, sollte es nach dem Substantiv stehen, das eingeschlossen werden soll.

Die Teilnahme kostet 35 Euro, Verpflegung und Unterkunft inbegriffen.

Weiter gilt, dass dieses Substantiv im Nominativ steht, wenn es wie in Ihrem Satz an das Subjekt angebunden wird:

Aus persönlichen Gründen warf fast der gesamte Vorstand, der Vorsitzende inbegriffen, das Handtuch.
Die ganze Familie, mein Hund inbegriffen, wird mich begleiten.
Der größte Teil der Büroeinrichtung, ein ergonomischer Sessel inbegriffen, wird zum Kauf angeboten.

Wie die Beispiele zeigen, wird eine solche Wortgruppe vorn und hinten durch Komas abgetrennt.

Für Ihren Satz bedeutet dies alles, dass wie folgt formuliert und geschrieben werden sollte:

Sie erreichte, dass die Angelegenheit, die Voruntersuchung inbegriffen, ruhte, bis ihre Schwester in Irland war.

Man verwendet also inbegriffen anders als die Präpositionen einschließlich und inklusive, die beide mit dem Genitiv stehen:

Sie erreichte, dass die Angelegenheit, einschließlich/inklusive der Testamentseröffnung, ruhte, bis ihre Schwester in Irland war.

Auch ohne Kommas:

Sie erreichte, dass die Angelegenheit einschließlich/inklusive der Voruntersuchung ruhte, bis ihre Schwester in Irland war.

Es ist verständlich, dass inbegriffen bzw. einbegriffen manchmal wie einschließlich verwendet wird, denn große Bedeutungsunterschiede gibt es nicht. Vorangestelltes inbegriffen oder einbegriffen mit Genitiv gilt aber trotzdem nicht als richtig.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Wohlergehen eines Knirpses wie mir / wie meiner / wie ich?

Frage

Ich hätte wieder einmal eine (zumindest für mich grad sehr) knifflige Frage. Der Satz lautet:

Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses wie mir interessierte.

Hier tönt „wie mir“ für mich seltsam, aber „wie ich“ irgendwie auch. Was ist richtig?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

Die Frage ist nicht nur für Sie knifflig, sie tauch immer wieder auf. Auch ich habe keine einfache Antwort, die ich mit voller Überzeugung präsentieren kann.

In Formulierungen dieser Art kommt der Dativ wie mir zwar vor und er klingt auch gar nicht so falsch, aber er gilt hier standardsprachlich als nicht korrekt. In einer wie-Gruppe wie dieser gilt im Prinzip die Übereinstimmung im Kasus:

ein Knirps wie der kleine Schlingel
einen Knirps wie den kleinen Schlingel
einem Knirps wie dem kleinen Schlingel
eines Knirpses wie des kleinen Schlingels

ein Knirps wie ich/du/er/sie
einen Knirps wie mich/dich/ihn/sie
einem Knirps wie mir/dir/ihm/ihr

Und wie steht es in der zweiten Beispielgruppe mit dem Genitiv? – Wenn die wie-Gruppe sich auf ein Genitivattribut bezieht und kein Artikelwort enthält, steht sie im Nominativ, nicht im Genitiv. Das ist u. a. bei Eigennamen und Pronomen der Fall:

das Leben eines Knirpses wie ich (nicht: wie meiner, wie mir)

das Leben eines Bengels wie du (nicht: wie deiner, wie dir)
das Leben eines Mannes wie er (nicht: wie seiner, wie ihm)
das Leben einer Frau wie sie (nicht: wie ihrer, wie ihr)

das Leben eines Knirpses wie Leon (nicht: wie Leons)
das Leben einer Politikerin wie Thatcher (nicht: wie Thatchers)

Demnach muss es ist hier also heißen:

Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses wie ich interessierte.

Das klingt tatsächlich ein bisschen ungewohnt. Wenn Sie das „stört“, können Sie auf eine andere Formulierung ausweichen (das würde ich auch tun). Je nachdem was genau gemeint ist, ginge zum Beispiel:

Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses, wie ich es war, interessierte.
Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen des Knirpses, der ich war, interessierte.

Manche Fragen übersteigen auch das Sprachgefühl eines Linguisten wie ich – oder eben eines Linguisten, wie ich es bin.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Aufgrund einer Erkältung oder etwas Ähnlichem?

Frage

Ich bin unsicher, welcher  Kasus in diesem Satz bei „etwas Ähnliches“ verwendet wird:

Das Kind fühlt sich sich aufgrund einer Erkältung oder etwas Ähnlichem unwohl.

Spontan würde ich hier den Dativ „etwas Ähnlichem“ für richtig halten. Müsste aber nicht der Genitiv stehen, weil Grippe ja auch Genitiv ist?

Das Kind fühlt sich sich aufgrund einer Erkältung oder etwas Ähnlichen unwohl.

Was ist hier richtig?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

der zweite Satz ist nicht möglich. Wir stoßen hier wieder einmal an die Grenzen dessen, was im Deutschen mit dem Genitiv möglich ist. Im Genitiv kann nämlich nicht etwas Ähnlichen stehen. Als Begründung kann hier diese „Genitivregel“ genannt werden:

Eine Nominalgruppe kann nur dann im Genitiv stehen, wenn sie von einem gebeugten Artikelwort oder Adjektiv begleitet wird und mindestens ein Wort mit der Genitivendung er oder (e)s enthält (Ausnahmen: u. A. Eigennamen).

Die Wortgruppe etwas Ähnlichen enthält kein Wort mit einer Genitivendung er oder (e)s. Die Formulierung aufgrund etwas Ähnlichen ist deshalb nicht möglich.

Der erste Satz ist – zumindest standardsprachlich – auch nicht zu empfehlen, weil aufgrund den Genitiv oder eine von-Gruppe verlangt. Die von-Gruppe steht dann, wenn der Genitiv nicht möglich bzw. nicht ersichtlich ist.

mit Genitiv: aufgrund einer Krankheit
mit von-Gruppe: aufgrund von etwas Ähnlichem

Für Ihren Beispielsatz müssen Sie also auf eine andere Formulierung ausweichen. Am einfachsten ist es, einfach von zu ergänzen:

Das Kind fühlt sich sich aufgrund einer Erkältung oder von etwas Ähnlichem unwohl.
Das Kind fühlt sich sich aufgrund von einer Erkältung oder etwas Ähnlichem unwohl.
Das Kind fühlt sich sich aufgrund von Erkältung oder etwas Ähnlichem unwohl.

Da dies nicht immer zu stilistischen Meisterwerken führt, kann es oft auch helfen, ganz anders zu formulieren:

Das Kind fühlt sich unwohl, weil es eine Erkältung oder etwas Ähnliches hat.

Noch ein Beispiel, wie man besser nicht formuliert:

nicht: die Verlosung eines Geschenks oder etwas Ähnlichem

Sondern:

die Verlosung eines Geschenks oder von etwas Ähnlichem
die Verlosung von einem Geschenk oder etwas Ähnlichem
verlosen wir ein Geschenk oder etwas Ähnliches
wird ein Geschenk oder etwas Ähnliches verlost

Natürlich ist oder etwas Ähnlichem nicht immer falsch. Es kann oder muss stehen, wenn die Konstruktion den Dativ verlangt:

an einer Erkältung oder etwas Ähnlichem leiden
den Nagel mit einem Hammer oder etwas Ähnlichem einschlagen
Sie standen vor einem Eisentor oder etwas Ähnlichem.

Mit freundlichen Grüßen (oder etwas Ähnlichem)

Dr. Bopp

Des Öfteren?

Frage

Bei dem Mehrwortausdruck „des Öfteren“ hat mein Analysierer Probleme mit dem Wort „Öfteren“. Mir persönlich kam es nicht unvertraut vor, ich konnte aber auf Anhieb keine Erklärung für diese Wortform finden. […] Bei „des Weiteren“ hat mein Tool kein Problem, „Weiteren“ als substantiviertes Adjektiv im Komparativ mit der Flexionsendung „-en“ zu erkennen. Aber „oft“ ist ein Adverb und Adverbien gelten doch als unflektierbar? […]

Antwort

Guten Tag Herr H.,

die Form öfteren in des Öfteren kann wie weiteren in des Weiteren als Genitivform analysiert werden (es sind Adverbialgenitive). Bei des Öfteren handelt es sich um eine feste Wendung, die auf die Verwendung des Komparativs öfter als Adjektiv zurückgeht. Standardsprachlich ist diese Verwendung nicht mehr gebräuchlich, in der Umgangssprache kommt sie aber noch vor:

ihre öfteren Besuche
nach öfterer Wiederholung

Auch die heute nur selten vorkommende Superlativform öftesten geht auf die adjektivische Verwendung von oft bzw. öfter zurück:

die am öftesten gehörte Antwort
So tituliert er sich am liebsten und am öftesten.

Im heutigen Standarddeutschen werden oft und öfter nur als Adverbien und entsprechend ungebeugt verwendet. Die Superlativform am öftesten kommt – wie gesagt – nur selten vor. Normalerweise wird hierfür am häufigsten verwendet.

Daneben kam und kommt manchmal noch die Form öfterer (statt öfter) vor. Dieser doppelte Komparativ lässt sich dadurch erklären, dass öfter häufig nicht vergleichend, sondern verstärkend verwendet wird und dann (fast) die gleiche Bedeutung hat wie einfaches oft:

Das haben wir schon oft / öfter gehört.
Sie war oft / öfter in Talkshows zu sehen.

Zu dem so als Positiv empfundenen öfter wurde eine Komparativform öfterer und eine Superlativform öfterst gebildet.

Die Männchen schreien stärker, volltönender und öfterer als die Weibchen
und dieses ist der öfterste Fall

Diese Formen gelten standardsprachlich als nicht korrekt.

Im heutigen Standarddeutschen gibt es also nur das Adverb oft mit seiner Komparativform öfter (und dem Superlativ am häufigsten). Adjektivisch gebeugte Formen trifft man auch an, aber sie sind veraltet oder gelten als umgangssprachlich. Ausnahme: des Öfteren.

Ihr Analysierer hat wahrscheinlich deshalb Mühe mit mit der Form Öfteren, weil sie nicht nach heute geltenden Regeln gebildet wurde. Sie setzt ein Adjektiv oft voraus, das es in der heutigen Standardsprache nicht gibt.

Viel mehr zur Geschichte von oft und seinen Steigerungsformen finden Sie hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Auch standardsprachlich passt oft ein »von« statt des Genitivs

Frage

Ich habe eine Frage zu folgendem Satz:

Er hatte einer Bemerkung von(?) Elisabeths Kollegen entnommen, dass seine Frau …

oder nur:

Er hatte einer Bemerkung Elisabeths Kollegen entnommen, dass seine Frau …

Letzteres klingt irgendwie falsch. Umgangssprachlich ist „von Elisabeths Kollegen“ heute sicher ok, aber in der Schriftsprache? Natürlich könnte ich auch „der Kollegen Elisabeths“ schreiben, aber vielleicht würden viele das heute als altmodisch und geschwollen ansehen.

Antwort

Guten Tag Frau G.,

Sie können hier am besten Ihrem Sprachempfinden folgen. Formulierungen mit von anstelle des Genitivs sind nämlich lange nicht immer nur umgangssprachlich.

Nicht möglich ist diese Formulierung:

NICHT: eine Bemerkung Elisabeths Kollegen

Eine Substantivgruppe kann u. a. nur dann im Genitiv stehen, wenn sie mindestens ein gebeugtes Artikelwort oder Adjektiv enthält (Teil der Genitivregel).

die Reparatur der Fahrräder
NICHT:
die Reparatur Fahrräder

der Preis natürlichen Mineralwassers
NICHT: der Preis Mineralwassers

Auch die Substantivgruppe Elisabeths Kollegen enthält kein Artikelwort oder Adjektiv. Man weicht in solchen Fällen auch in der Standardsprache häufig auf eine Formulierung mit von aus:

die Reparatur von Fahrrädern
der Preis von Mineralwasser

Entsprechend auch:

eine Bemerkung von Elisabeths Kollegen

Bei dieser Formulierung ist allerdings nicht deutlich, ob es um eine Bemerkung eines Kollegen oder um eine Bemerkung mehrerer Kollegen geht.

Ihr weiterer Vorschlag ist möglich, weil die Substantivgruppe ein gebeugtes Artikelwort enthält:

eine Bemerkung der Kollegen Elisabeths

Es ist klar, dass es sich um mehrere Kollegen handelt. Es klingt aber tatsächlich ein bisschen gehoben.

Sie haben also vorerst zwei Möglichkeiten:

Er hatte einer Bemerkung von Elisabeths Kollegen entnommen … (nicht eindeutig)

Er hatte einer Bemerkung der Kollegen Elisabeths entnommen … (vielleicht ein bisschen gehoben/veraltend)

Damit sind wir aber noch nicht am Ende unserer Möglichkeiten. Es gibt noch weitere Formulierungen, die eindeutig und auch standardsprachlich vertretbar sind:

Er hatte einer Bemerkung der Kollegen von Elisabeth entnommen …

Er hatte einer Bemerkung von Elisabeths Mitarbeitern entnommen …

Nicht jede Wortgruppe mit von, die anstelle eines Genitivs steht, ist umgangssprachlich. Siehe auch hier.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum es zu unser aller Bestem und nicht zu unser aller Besten ist

Frage

Eine Freundin und ich sind uns unsicher, wie es richtig heißen muss: „Das ist zu unser aller Bestem“ oder „Das ist zu unser aller Besten“? Unser Tipp ist, dass „unser aller Bestem“ korrekt ist, da man hier ja […] den Dativ verwendet.

Antwort

Guten Tag Herr U.,

richtig ist hier tatsächlich:

zu unser aller Bestem

Ein (substantiviertes) Adjektiv wird schwach gebeugt, wenn ein Artikelwort vor ihm steht, dessen Endung den Fall schon angibt:

das Beste für uns alle
zum (= zu dem) Besten der Kinder
zu unserem Besten

Ein (substantiviertes) Adjektiv wird stark gebeugt, wenn kein Artikelwort vor ihm steht, dessen Endung den Fall schon angibt:

nichts Bestes
für dein Bestes
zu Susannes Bestem

Das bringt uns zum Unterschied zwischen zu unserem Besten und zu unser aller Bestem:

Im Gegensatz zu unserem ist die Wendung unser aller kein Possessivartikel. Es ist der Genitiv von wir alle:

Nom.: wir alle
Akk.: uns alle
Dat.: uns allen
Gen.: unser aller

Als solches ist es ein Genitivattribut zum substantivierten Adjektiv Bestes:

zu wessen Bestem?
zum Besten aller
zum Besten unser aller

Wenn ein Genitivattribut vorangestellt wird, fällt der Artikel weg (hier: zum → zu). Es steht dann kein gebeugtes Artikelwort mehr vor dem substantivierten Adjektiv, so dass die starken Endungen zum Zug kommen:

unser aller Bestes
für unser aller Bestes

Also auch im Dativ:

zu unser aller Bestem

wie zum Beispiel auch:

zu Susannes Bestem
zu Herrn U.s Bestem

Mehr zu unser aller und unser beider finden Sie in diesem (nicht mehr ganz taufrischen) Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Café Huber im Genitiv und im Plural

Frage

Ich möchte „Café Huber“ deklinieren, und zwar Genitiv und Plural. Kann man beim Gesamtbegriff das -s weglassen?

Antwort

Guten Tag Frau W.,

der Genitiv des Namens Café Huber kann mit und ohne Genitiv-s gebildet werden (vgl. hier und hier):

des Cafés Huber
des Café Huber

Ebenso zum Beispiel:

des Hotels Central
des Hotel Central

des Bahnhofs Altona
des Bahnhof Altona

des Theaters an der Wien
des Theater an der Wien

Ich halte allgemein die Varianten mit Genitiv-s für besser und entsprechend für empfehlenswert. Da aber die Tendenz, bei Eigennamen mit Artikel die Genitivendung wegzulassen, sehr stark ist, kann man die endungslose Variante nicht mehr als falsch bezeichnen.

Nicht richtig ist es, bei Namen dieser Art das Genitiv-s ganz am Ende anzuhängen:

nicht: *des Café Hubers
nicht: *des Hotel Centrals
nicht: *des Bahnhof Altonas

So viel zum Genitiv. Bei der Pluralbildung bin ich eigentlich überfragt, denn ohne Kontext ist es nur schwer vorstellbar, was gemeint ist. Ein Beispiel könnte sein, dass es irgendwo zwei Cafés mit demselben Namen gibt. Dann könnte man wie folgt formulieren (auch hier mit und ohne Endung, aber der Fall ist so selten, dass es weder Regeln noch allgemeine Tendenzen gibt):

die beiden Cafés Huber
die beiden Café Huber

Meist ist es wahrscheinlich besser, je nach Kontext anders zu formulieren. Zum Beispiel:

die Lokale/Cafés mit dem Namen »Café Huber«
die Cafés der Huber-Kette

Man kann also jemanden zu einem Besuch des Cafés Huber oder des Café Huber einladen. Und wenn es deren zwei gibt, sollte man angeben, in welches der beiden Cafés Huber, der beiden Café Huber oder der beiden Cafés mit dem Namen Huber man einlädt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Direktor des Amsterdamer Rijksmuseum(s): (fremdsprachige) Eigennamen mit Artikel im Genitiv

Frage

Es geht um die Beugung von Eigennamen, und zwar im Speziellen solchen, die aus anderen Sprachen stammen wie dem Englischen etwa oder dem Niederländischen. Würden Sie bei „Direktor des Amsterdamer Rijksmuseum(s)“ ein Genitiv-s verwenden oder nicht? Oder bei „Musik des (fiktiven) Westminster Trio(s)“? […] „Museum“ und „Trio“ sind auch deutsche Wörter, weswegen es mir wehtut, diese nicht zu beugen, nur weil sie zu einem nichtdeutschen Eigennamen gehören. Wie sehen Sie das? Oder gibt es gar eine Duden-Regel, die mir entgangen ist?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

es gibt im Deutschen eine Tendenz, Eigennamen im Genitiv ungebeugt zu lassen, wenn sie mit einem Artikel o. Ä. stehen. Das gilt für alle Namen, nicht nur für solche, die aus einer anderen Sprache kommen.

Im heutigen Deutschen gilt dies praktisch immer für Personennamen:

die Werke des jungen Goethe
das Spielzeug des kleinen Mark
die Liebe des Otto Weidt

Bei geografischen Namen kommen häufig sowohl die gebeugte als auch die ungebeugte Form vor:

die Hauptstadt des Irans / des Iran
die Berge des Engadins / des Engadin
die Geschichte des modernen Europas / des modernen Europa
die Sehenswürdigkeiten des kaiserlichen Wiens / des kaiserlichen Wien

Dies gilt allerdings nicht für alle geografischen Namen. Nach der Art eines kleinen gallischen Dorfes widerstehen einige männliche und sächliche Namen noch tapfer der Endungslosigkeit. Praktisch immer mit einer Genitivendung stehen zum Beispiel:

die Mündung des Rheins
die Hauptstadt des Baskenlandes
die größte Insel des Mittelmeers

Auch für viele Namen anderer Art gilt, dass sie im Genitiv mit oder ohne Endung verwendet werden:

Besuch des Praters / des Prater in Wien
der Eingang des Kopenhagener Tivolis / des Kopenhagener Tivoli
die Gäste des Hiltons / des Hilton in Malta
die Filialleiterein des Aldis / des Aldi in unserer Stadt

Das erstreckt sich auch auf Namen mit „gewöhnlichen“ Wörtern:

die Direktorin des Frankfurter Zoos / des Frankfurter Zoo
die Besucher des Nationalparks Hohe Tauern / des Nationalpark Hohe Tauern
der Neubau des Kunsthauses Zürich / des Kunsthaus Zürich

Bei der letzten Gruppe halte ich die gebeugte Version für besser. Ich kann aber die ungebeugte Version nicht (mehr) als grundsätzlich falsch bezeichnen (siehe auch hier).

Das gilt ähnlich auch für anderssprachige Namen, die deutschen Namen gleichen und (fast) wie deutsche Namen ausgesprochen werden:

der Direktor des Amsterdamer Rijksmuseums / des Amsterdamer Rijksmuseum
die Musik des Westminster Trios / des Westminster Trio

Namen, die eindeutig nur fremdsprachig sind, werden häufig nicht gebeugt, sie können aber auch mit Genitiv-s stehen:

die Direktion des Louvre / des Louvres
die Gemäldesammlung des Prado / des Prados
das Atrium des New Yorker MoMA / des New Yorker MoMAs

Wie Sie sehen, geht es hier mehr um Tendenzen als um Regeln. Daran kann oder könnte auch der Duden nichts ändern.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ist der doppelte Genitiv hier wirklich falsch: nach dem Tod dessen Bruders?

Frage

Leider habe ich wieder einmal ein Problem. Es geht um den Genitiv im Zusammenhang mit „dessen“. Zum Beispiel:

Leider muss ich Dir mitteilen, dass Hanna drei Wochen nach dem Tod ihres Mannes und zwei Monate nach dem Tod dessen Bruders Johann gestorben ist.

Irgendwo im Netz stieß ich auf diesen Satz: „Der Vorsitzende D. Theato dankte A. Nennstil im Beisein dessen Nachfolgers T. Lochner.“ In der Erklärung hieß es, dass der doppelte Genitiv falsch sei. Stimmt das? Ich frage lieber Sie.

Antwort

Guten Tag Frau G.,

diese Formulierungen klingen für mich nicht wirklich falsch. Es gibt zwei Gründe, dennoch skeptisch zu sein:

(1) Ein nachgestelltes Genitivattribut, das selbst ein vorangestelltes Genitivattribut enthält, sollte vermieden werden:

besser nicht: im Haus Sandras Großvaters
sondern: im Haus des Großvaters von Sandra, im Haus von Sandras Großvater

besser nicht: im Beisein A. Nennstils Nachfolgers
sondern: im Beisein des Nachfolgers von A. Nennstil, im Beisein von A. Nennstils Nachfolger

Die Frage ist nun, ob dies auch für dessen gilt. Wenn man dessen als normales Genitivattribut sieht, sollten diese Formulierungen vermieden werden:

besser nicht: im Beisein dessen Nachfolgers
sondern: im Beisein von dessen Nachfolger, in dessen Nachfolgers Beisein

besser nicht: nach dem Tod dessen Bruders
sondern: nach dem Tod von dessen Bruder, nach dessen Bruders Tod

Wenn man aber dessen als Artikelwort (ähnlich wie „seines“) interpretiert, könnten Formulierungen dieser Art möglich sein. Es gibt aber noch einen zweiten Stolperstein:

(2) Eine Wortgruppe kann nur dann im Genitiv stehen, wenn sie von einem gebeugten Artikelwort oder Adjektiv begleitet wird und mindestens ein Wort mit der Genitivendung er oder (e)s enthält (Genitivregel; Ausnahmen: u. A. Eigennamen).

der Einbaus moderner Wärmepumpen
aber nicht: der Einbau Wärmepumpen
sondern: der Einbau von Wärmepumpen

im Leben jeden Kindes / jedes Kindes
aber nicht: im Leben jeden Menschen
sondern nur: im Leben jedes Menschen

Das Wort dessen kann als Artikelwort interpretiert werden, aber es ist unveränderlich. Die Wortgruppen dessen Nachfolgers und dessen Bruders verstoßen also gegen den ersten Teil der Genitivregel: Sie enthalten kein gebeugtes Artikelwort oder Adjektiv. Auch das spricht somit gegen Formulierungen dieser Art.

ABER: Wie einige Beispiele unter  (1) oben zeigen, verstoßen diese Wortgruppen offenbar nicht stark genug gegen die Genitivregel. Vorangestellt ist ihre Verwendung zwar eher gehoben/veraltend, aber viel weniger umstritten, obwohl sie kein gebeugtes Artikelwort oder Adjektiv enthalten:

in dessen Nachfolgers Beisein
nach dessen Bruders Tod

Zusammenfassend: Formulierungen dieser Art sind umstritten. Ich bezweifle aber, ob man sie wirklich als falsch bezeichnen kann. Die Schwierigkeit oder Unsicherheit entsteht dadurch, dass vorangestelltes dessen irgendwo zwischen einem Genitivattribut und einem Artikelwort angesiedelt werden kann.

So genau wollten Sie es wahrscheinlich gar nicht wissen. Deshalb hier noch der langen Rede kurzer Sinn: Formulierungen wie nach dem Tod dessen Bruders und im Beisein dessen Nachfolgers sind – auch wenn sie regelmäßig vorkommen – zumindest umstritten. Ich würde deshalb empfehlen, sie zu vermeiden und auf zum Beispiel nach dem Tod von dessen Bruder und im Beisein von dessen Nachfolger auszuweichen. Hier ist die Formulierung mit von anstelle des (umstrittenen) Genitivs auch standardsprachlich gut vertretbar.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine Genitivkonstruktion besonderer Art

Frage

Könnten Sie mir erklären, warum es „Ihr Anliegen war rein beruflicher Natur“ und nicht „berufliche Natur“ heißt?

Antwort

Guten Tag F.,

es gibt im Deutschen eine Reihe von mehr oder weniger festen Wendungen, in denen das Verb sein mit einem Genitiv steht. Je nach Grammatik und Beschreibung werden sie „adverbialer Genitiv“,„prädikativer Genitiv“ oder noch anders genannt. Ich beschränke mich hier darauf, die Konstruktion „sein mit einer Genitivergänzung“ zu nennen. Die Diskussion über die genaue Einteilung und Benennung überlasse ich den Grammatiktreibenden.

Ein paar Beispiele:

der Meinung sein, dass …
Ich bin nicht deiner Meinung.
anderer Ansicht sein
der gleichen Überzeugung sein
natürlichen/ausländischen/römischen Ursprungs sein
männlichen/weiblichen Geschlechts sein
christlichen/islamischen/jüdischen Glaubens sein
guten/frohen/erwartungsvollen Mutes sein
guter/bester/schlechter Laune sein

Es ist nicht möglich, eine vollständige Liste aller Formulierungen dieser Art aufzustellen. Es geht nicht nur um ein paar wenige feste Wendungen, sondern um relativ viele „mehr oder weniger feste“ Ausdrücke. Die folgenden Substantive stehen häufiger in einer solchen Genitivkonstruktion:

Abkunft, Abstammung, Alter, Ansicht, Art, Auffassung, Blut, Charakter, Datum, Geschlecht, Format, Glauben, Herkunft, Herzen, Hoffnung, Jahrgang, Laune, Meinung, Mut, Natur, Sinn, Stand, Überzeugung, Ursprung, Willen, Zuschnitt

Wie die Beispiele oben zeigen, werden die Substantive in dieser Konstruktion meistens mit einem Adjektiv oder Artikelwort kombiniert. Während zum Beispiel Hoffnung praktisch nur mit gut erscheint (guter Hoffnung sein), können andere wie Abstammung und Herkunft mit Adjektiven aller Art stehen, die eine Herkunft angeben (italienischer, bayerischer, asiatischer, lokaler, jüdischer, einfacher, gutbürgerlicher, adliger, unbekannter u.v.a.m. Herkunft sein). Noch breiter ist die Palette der möglichen Ergänzungen bei Substantiven wie Art und Natur.

In Ihrem Beispiel handelt es sich ebenfalls um eine solche Konstruktion:

beruflicher Natur sein
Ihr Anliegen war rein beruflicher Natur.

Es ist nicht möglich, hier den Nominativ berufliche Natur zu verwenden. Es wird nicht angegeben, was das Anliegen ist, sondern wie das Anliegen ist:

– Was ist ihr Anliegen?
– Ihr Anliegen ist eine gesunde Natur.
= Sie wollen eine gesunde Natur.

– Wie ist ihr Anliegen?
– Ihr Anliegen ist beruflicher Natur
= Ihr Anliegen hat mit dem Beruf zu tun.

Mit Genitivkonstruktionen wie rein beruflicher Natur sein wird angegeben, wie jemand oder etwas ist. Sie sind nur mit gewissen Substantiven in Kombination mit gewissen Artikelwörtern, Adjektiven oder Gruppen von Adjektiven möglich. Dennoch kann man nicht genau angeben, welche oder wie viele Konstruktionen dieser Art verwendet werden. Diese Frage ist nicht nur grammatischer, sondern auch stilistischer Natur.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp