Reinbekommen und rein bekommen

Frage

Es geht um das Verb „reinbekommen“: Ich stolpere über die Tore, die ich reinbekommen habe und meine Frau über die Wäsche, die sie nicht reinbekommen hat. Oder müssen wir das jeweils getrennt schreiben?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

für die Rechtschreibung ist hier die Bedeutung von rein nicht unwichtig, denn rein ist nicht gleich rein.

Bälle, die nicht vor dem Tor abgefangen worden sind, hat die Mannschaft reinbekommen. Hier steht rein für herein. Die (umgangssprachlich) verkürzten Formen rein, raus, rauf, rüber und runter werden immer mit dem Verb zusammengeschrieben: rausgehen, raufsteigen, rüberschicken, runterfallen und entsprechend auch reinbekommen.

Wäsche, die nicht sauber geworden ist, hat die Waschmaschine nicht rein bekommen. Man schreibt hier getrennt, weil rein eine eigenständige konkrete Bedeutung hat und es nicht das Resultat einer Verbhandlung bekommen ist (vgl. unten):

Also:

reinbekommen = hereinbekommen
rein bekommen = sauber bekommen

Ganz so einfach ist es nicht: Ein Adjektiv kann dann mit dem nachfolgenden Verb zusammengeschrieben werden, wenn es das Resultat der Verbhandlung bezeichnet (hier: bewirken, dass etwas rein wird):

die Wäsche rein waschen / reinwaschen
das Zimmer rein machen / reinmachen

Und dann noch dies: Immer zusammen schreibt man, wenn die Verbindung eine übertragene Bedeutung hat:

einen Text reinschreiben = ins Reine schreiben
sich reinwaschen = seine Unschuld beweisen

Es kann also ziemlich komplex werden: Ein Ball wird reingemacht, wenn er ins Tor geschossen wird. Dann hat man ihn reinbekommen. Ein Ball wird rein gemacht oder reingemacht, wenn man in putzt. Und wenn er nicht sauber geworden ist, hat man ihn nicht rein bekommen. Da diese Verben (eher) umgangssprachlich sind, ist es aber nicht so schlimm, wenn man sich einmal bei der Schreibung täuscht. In formelleren Texten kommen sie ohnehin nicht vor.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Zusammen oder getrennt: Muss man den richtigen Gang drinhaben oder drin haben?

Frage

Ich habe eine Frage zur Zusammen- und Getrenntschreibung:

Beim Überholen sollte man immer den richtigen Gang drinhaben.

oder

Beim Überholen sollte man immer den richtigen Gang drin haben.

Gibt es eine linguistische Methode, mit der man solche Fälle selbstständig lösen kann?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

die Methode ist recht einfach, man muss „nur“ auf die Betonung achten:

Die umgangssprachlichen Formen dran, drauf, drin, drein, drüber, drunter werden mit dem Verb zusammengeschrieben, wenn sie in der Verbindung die Hauptbetonung tragen:

dranbleiben, dranmachen
draufhauen, drauflegen
drinliegen, dreinfahren
drüberstülpen, drunterlegen

Eine Ausnahme bilden wie immer die Verbindungen mit dem Verb sein:

dran sein
gut drauf sein
drin sein
drunter und drüber sein

Wenn die Hauptbetonung nicht auf dran, drauf, drin, drein, drüber, drunter liegt, schreibt man getrennt:

dran arbeiten
drauf aufpassen
drüber meckern
drunter leiden

Man schreibt in Ihrem Satz also gemäß der Betonung zusammen:

Beim Überholen sollte man den richtigen Gang drinhaben.

Für die umgangssprachlichen Formen dran, drauf, drin usw. gilt somit §33(1.2 u. E1) der Rechtschreibregelung, der auch für daran, darauf, darin, durch, gegen, abwärts, heraus, wieder, zusammen u.v.a.m. gilt (siehe hier).

Und hier noch ein paar Beispiele:

Vielleicht kannst du etwas Schweres drauflegen (= darauflegen)
Vielleicht kannst du noch 10 Euro drauflegen (= zusätzlich zahlen)

Können Sie bitte dranbleiben (= am Telefon bleiben)
Können Sie bitte an der Sache dranbleiben (= sich weiter darum kümmern)

eine Tüte drüberstülpen (= darüberstülpen)

einen Eimer drunterhalten (= darunterhalten)

Getrenntschreibung bei anderer Betonung:

Man muss drauf achten, nichts zu verschütten (= darauf achten)

Du solltest mehr dran arbeiten (= daran arbeiten)

weil sie sich zu sehr drüber ärgert (= darüber ärgert)

Niemand darf drunter leiden (= darunter leiden)

Wie die Angaben in Klammern zeigen, geht man bei den umgangssprachlichen Kurzformen gleich vor wie bei den nicht verkürzten Formen. Und wenn man es einmal nicht ganz richtig macht, ist das sicher bei den umgangssprachlichen Äußerungen nicht so schlimm. Man wird Ihnen nicht gleich eins draufhauen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Fremdsprachliche Rechtschreibhürden: vom Smalltownroman zum Enemies-to-Lovers-Liebesroman

Frage

Mich irritieren die vielen unterschiedlichen Schreibweisen von englischen Wörtern, die in Verlagsanzeigen und auf Social Media inzwischen üblich geworden sind. Insbesondere die sogenannten Tropes und die unterschiedlichsten Genres. Welche Regeln kann ich wann anwenden? Beispiele:

ein Enemies-to-Lovers-Lieberoman
eine Fake-Dating-Romanze oder Fake Dating Romanze
Forbidden-Love-Story oder Forbidden Love Story
ein Second-Chance-Buch oder Second Chance Buch
One-Night-Stand (wird lt. Duden gekoppelt)

Wie ist es, wenn lediglich zwei Wörter stehen? Beispiele:

Small-Town oder Small Town (Small-Town-Roman)
Coming-Soon oder Coming Soon oder coming soon
Out-Now oder Out Now oder out now
Cover-Release oder Cover Release
Reverse-Harem oder Reverse Harem

Können Sie mir einen roten Faden geben, an dem ich mich entlanghangeln kann? Welche Regeln finden Anwendung?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

bei der Schreibung von Begriffen, die aus dem Englischen übernommen werden, klaffen die regelkonforme Schreibung und die Praxis oft weit auseinander. Im Prinzip kommen die folgenden Regeln häufig zum Zug:

  1. Substantiv-Substantiv-Zusammensetzungen mit Wörtern aus dem Englischen werden zusammen- oder mit Bindestrich geschrieben.
    § 45(E1)
  2. Adjektiv-Substantiv-Zusammensetzungen aus dem Englischen werden getrennt geschrieben – wenn sie auf dem Adjektiv betont sind, auch zusammen.
    §37(E4)
  3. Zusammensetzungen mit einer Wortgruppe oder einem Wort mit Bindestrich werden mit Bindestrichen geschrieben.
    §44(1)
  4. In Mehrwortausdrücken und Verbindungen mit Bindestrich werden Substantive großgeschrieben.
    § 55(3)
  5. Adjektive und andere Nichtsubstantive werden am Anfang einer substantivischen Zusammensetzung oder Verbindung großgeschrieben.
    § 55(1) und § 55(3)

Wie genau geschrieben werden muss, hängt also davon ab, wie man die Struktur der Zusammensetzung analysieren kann oder muss.

Hier ein paar Beispiele mit Angabe der Regeln, die eine Rolle spielen:

enemies to lovers + Liebesroman → Enemies-to-Lovers-Liebesroman [c, d]

fake dating → Fake Dating / (Fakedating) [b, d, e]
Fake Dating + Romanze → Fake-Dating-Romanze [c, d, e]

forbidden love + Story → Forbidden-Love-Story [c, d, e]

second chance + Buch → Second-Chance-Buch [c, d, e]

one night + stand → One-Night-Stand [c, d, e]

Weiter gilt:

small  town → Small Town / Smalltown [b, d, e]
Small Town + Roman → Small-Town-Roman [c, d, e]
Smalltown + Roman → Smalltown-Roman / Smalltownroman [a, d]

cover release → Cover-Release / Coverrelease [a, d]

reverse harem → Reverse Harem [b, d, e]

In den folgenden beiden Fällen handelt es sich nicht um Zusammensetzungen, sondern um adjektivische bzw. adverbiale Wendungen, die (wenn überhaupt) auch als solche ins Deutsche übernommen werden:

coming soon → coming soon
out now → out now

Das sieht jetzt alles ganz kompliziert aus, aber wenn man sich die Grundprinzipien einmal zu eigen gemacht hat, ist es gar nicht so schwierig. Sie sollten sich aber dessen bewusst sein, dass die regelkonformen Schreibungen häufig von dem abweichen, was man „in der freien Wildbahn“ alles zu sehen bekommt. Was ist zu tun?

Als strenger Spelling-Master bleiben Sie bei der korrekten Schreibung. Wenn sie flexibler und easygoing sind, können Sie auch die vorherrschende nicht regelkonforme Schreibung verwenden. Und falls Sie die Wahlfreiheit haben, könnten Sie auch einfach einen Ausdruck mit deutschen Wörtern erwägen wie zum Beispiel Aus-Feinden-werden-Geliebte-Romanze, Kleinstadtroman oder umgekehrter Harem. Das klingt vielleicht wenig up to date, aber den Lesespaß verdirbt es sicher nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Erweiterte Due Diligence und die Rechtschreibung

Frage

Heute mal wieder ein Problem mit Bindestrichen (bei englischen Begriffen). Die Textstelle lautet:

Schwerpunkte liegen auf […] der ESG- und Technical-Due-Diligence.

M. E. sind die Bindestriche falsch, da man „Due Diligence“ ohne Bindestrich schreibt und „Technical“ ein Eigenschaftswort ist, nach welchem man (wie bei „High Society“) keinen Bindestrich setzt.

Antwort

Guten Tag Herr A.,

vielleicht ist hier eine Schreibweise die beste Lösung, die daran anlehnt, was im Englischen üblich ist. Das legt schon die Verwendung von Technical statt technische nahe:

die ESG und Technical Due Diligence
= die ESG Due Diligence und die Technical Due Diligence

Für Laien ist so vielleicht nicht allzu deutlich, was gemeint ist, aber das liegt mehr an der Wortwahl als an der Rechtschreibung.

Wenn man das Ganze nach den deutschen Rechtschreibregeln für fremdwörtliche Verbindungen aufschreiben will, wird es kompliziert bis unmöglich. Hier werden zwei Verbindungen mit Due Diligence zusammengezogen, die nach den deutschen Regeln unterschiedlich geschrieben werden müssten.

Bei der ersten Verbindung werden dem Substantiv Diligence Adjektive vorangestellt:

die Due Diligence
die Technical Due Diligence

Adjektiv-Substantiv-Verbindungen aus dem Englischen werden getrennt geschrieben, außer wenn sie übersichtlich sind und der Hauptakzent auf dem Adjektiv liegt (zum Beispiel Small Talk o. Smalltalk, Hot Dog o. Hotdog; siehe §37(E4) der Rechtschreibregelung).

Bei der zweiten Verbindung wird der Zusammensetzung Due Diligence eine Abkürzung vorangestellt. Das führt zu einer Schreibung mit Bindestrichen:

die ESG-Due-Diligence

Die Bindestrichschreibung ergibt sich aus §44(1) der Rechtschreibregelung. Sie besagt, dass Zusammensetzungen, in denen eine Wortgruppe auftritt, mit Bindestrichen geschrieben werden (Wasch-Eau-de-Cologne, Lieblings-Top-Ten, das CS-Private-Banking).

Wenn man diese beiden Verbindungen zusammenzieht, ergibt sich nach §98 der Rechtschreibregelung (am ehesten …) diese Schreibung:

die ESG- und Technical Due Diligence
= die ESG-Due-Diligence und die Technical Due Diligence

Für wirklich befriedigend halte ich keine der Schreibweisen. Das kommt bei der Häufung von englischen Fachbegriffen in deutschen Texten häufiger vor.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Für diejenigen, die sich wie ich bei diesen Fachbegriffen nicht so auskennen:

Due Diligence = sorgfältige Prüfung eines Unternehmens, die durch einen potenziellen Käufer eines Unternehmens vorgenommen wird

ESG = Environmental, Social and Corporate Governance = Umwelt-, Sozial- und Regierungs-, Amts- oder Unternehmensführung; siehe hier.

Aber ob das für uns Laien wirklich mehr Deutlichkeit schafft, wage ich zu bezweifeln.

Autofrei Wohnen, autofrei wohnen, autofreies Wohnen

Frage

Immer wieder sehe ich die Formulierung „autofrei Wohnen“ oder „verkehrsarm Wohnen“. Mir ist klar, dass man […] „autofrei wohnen“ oder „autofreies Wohnen“ schreiben müsste. Nun gibt es aber (gemäß Internet) diverse Veranstaltungen, Studien etc. mit dem Titel „autofrei Wohnen“. Habe ich irgendeine Erklärung verpasst, die erklärt, warum man trotzdem großschreiben kann/soll/darf?

Antwort

Guten Tag Frau W.,

Sie haben nichts verpasst. Nach der Rechtschreibregelung schreibt man:

autofreies Wohnen
Wir sind für autofreies Wohnen.

autofrei wohnen
Wir wollen autofrei wohnen.

Auch Titel von Veranstaltungen u. Ä. müssen so geschrieben werden:

Autofreies Wohnen – eine Herausforderung
Autofrei wohnen – eine Herausforderung

Das liegt daran, dass ein ungebeugtes, als Adverb verwendetes Adjektiv nur bei einem Verb, nicht aber bei einem Substantiv stehen kann – auch nicht bei einem substantivierten Verb. Vor einem Substantiv wird ein Adjektiv gebeugt:

preisgünstig einkaufen
preisgünstiges Einkaufen

schnell schreiben
das schnelle Schreiben

autofrei wohnen
autofreies Wohnen

Für die nicht korrekte Großschreibung von Wohnen bei Autofrei Wohnen in Titeln, Namen von Veranstaltungen usw. könnte es verschiedene Erklärungen geben. Vielleicht hat die englische Großschreibung in Titeln und Überschriften einen Einfluss. Vielleicht geschieht es auch in Anlehnung an Fachbegriffe, in denen das Adjektiv großgeschrieben werden kann (z.B. das Schwarze Loch, der Letzte Wille).

Vielleicht ist es aber auch einfach einer der Schreibfehler, die recht häufig bei substantivierten Infinitiven mit einem Adverb bzw. ungebeugten Adjektiv vorkommen. Zum Beispiel:

*das Früh Aufstehen  / *das früh Aufstehen / das *Früh aufstehen
statt korrekt: das Frühaufstehen (das Früh-Aufstehen)

*das Rechts Überholen / *das rechts Überholen / *das Rechts überholen
statt korrekt: das Rechtsüberholen (das Rechts-Überholen)

*das Miteinander Reden / *das miteinander Reden / *das Miteinander reden
statt korrekt: das Miteinanderreden (das Miteinander-Reden)

Wenn man autofrei wohnen substantivieren möchte (stilistisch nicht zu empfehlen), müsste so geschrieben werden:

das Autofreiwohnen (das Autofrei-Wohnen )
nicht: *das autofrei Wohnen / *das Autofrei Wohnen

Es gibt also zumindest rechtschreiblich einen Unterschied zwischen verkehrsarm wohnen, dem Verkehrsarmen Wohnen und dem Verkehrsarmwohnen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Kann man sie überall hintransportieren, überallhin transportieren oder überall hin transportieren?

Frage

Ich frage mich gerade, welche Schreibvariante richtig ist:

a) Die Duschkabine kann problemlos überall hintransportiert werden.
b) Die Duschkabine kann problemlos überallhin transportiert werden.
c) Die Duschkabine kann problemlos überall hin transportiert werden.

[…] Im Netz finde ich sehr viele Fundstelle, die der Schreibvariante c) entsprechen. Wie könnte man das erklären?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

hier sollten Sie diese Schreibweise wählen:

b) Die Duschkabine wird flach verpackt geliefert und kann problemlos überallhin transportiert werden.

Adverbien wie woher, wohin, irgendwoher, irgendwohin, nirgendwoher, nirgendwohin, überallher und überallhin werden in Verbindung mit einem Verb in der (gesprochenen) Alltagssprache oft getrennt:

Wo kommst du her?
Alle sind willkommen, wo sie auch herkommen mögen.
Wo gehst du hin?
Ich weiß nicht, wo sie hingefahren ist.

Insbesondere in der geschriebenen Standardsprache sollten diese Adverbien jedoch ungetrennt bleiben:

Woher kommst du?
Alle sind willkommen, woher sie auch kommen mögen.
Wohin gehst du?
Ich weiß nicht, wohin sie gefahren ist.

Entsprechend schreibt man auch besser:

Sie ist irgendwohin gegangen (statt irgendwo hingegangen)
Sie könnten überallher kommen (statt überall herkommen)
Sie können überallhin transportiert werden (statt überall hintransportiert)

Vgl. diesen älteren Blogartikel.

Die dritte Schreibweise, überall hin transportieren, ist nicht richtig. Dass Sie ihr offenbar so oft begegnen, könnte unter anderem an der automatischen Rechtschreibkorrektur liegen. Das Korrekturprogramm meines Textverarbeitungsprogramms akzeptiert korrekt überallhin transportieren und fälschlich auch überall hin transportieren als richtig geschrieben. Nicht akzeptiert wird überall hintransportieren. Als Korrekturvorschlag erscheint dort das eigentlich falsche überall hin transportieren, aber leider nicht das korrekte überallhin transportieren. Korrekturprogramme sind hilfreich, aber – wie man sieht – nicht „allwissend“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ein „zu jung“ oder „zu alt“?

Frage

Wieder einmal geht’s um Groß- und Kleinschreibung. Ich habe neulich folgen Satz gefunden:  „Ein zu jung oder zu alt gibt es nicht“ (Es ist egal, wie jung oder alt jemand ist). Ich kann mir zwar nicht recht vorstellen, dass man hier „jung“ oder „alt“ großschreibt, aber das „ein“ am Satzanfang irritiert mich. Wissen Sie Rat?

Antwort

Guten Tag Herr A.,

wir haben hier wieder einmal einen Fall, in dem die übliche Schreibweise und die am ehesten regelkonforme Schreibung nicht übereinstimmen. Es geht um eine besondere Art der Substantivierung.

Durch den Artikel ein sind die Wortgruppen zu jung und zu alt substantiviert. Substantivierte Wortgruppen schreibt man mit Bindestrichen. In der amtlichen Regelung stehen dafür als Beispiele hauptsächlich a) substantivierte mehrteilige Konjunktionen und b) substantivierte Infinitivgruppen (siehe hier):

a) das Entweder-oder, das Sowohl-als-auch
b) das An-den-Haaren-Herbeiziehen

Man kann diese Regel auf andere substantivierte Gruppen ausweiten. Dies tut zum Beispiel auch Duden mit Substantivierungen wie das Gewusst‑wie oder kein Weiter‑so (vgl. hier).

Für Ihr Beispiel bedeutet dies, dass man wie folgt schreiben sollte:

Ein Zu-jung oder Zu-alt gibt es nicht.
Es gibt kein Zu-klein oder Zu-groß.

Diese Schreibungen sind gut vertretbar, sie wirken aber sehr ungewohnt.

Man könnte auch  erwägen, wie beim gut eingebürgerten und übersichtlichen das Zuviel zusammenzuschreiben:

Ein Zujung oder Zualt gibt es nicht. [?]
Es gibt kein Zuklein oder Zugroß. [?]

Da diese Begriffe aber nicht eingebürgert und entsprechend auch weniger übersichtlich sind, ist die Zusammenschreibung vor allem theoretisch eine Lösung.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Wendungen als eine Art Zitate in Anführungszeichen zu setzen:

Ein „zu jung“ oder „zu alt“ gibt es nicht.
Es gibt kein „zu klein“ oder „zu groß“.

Die am häufigsten vorkommende Schreibweise (ein zu jung oder zu alt; kein zu klein oder zu groß) ist streng nach der Rechtschreibregelung nicht korrekt. Die alle überzeugende Ideallösung gibt es hier also nicht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Variantenvielfalt: zu Hause Gebliebene, zuhause Gebliebene und Zuhausegebliebene

Frage

Welche der folgenden Schreibweisen „zu Grunde liegend / zugrunde liegend / zugrundeliegend“ sind mangelhaft?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

manchmal ist mehr möglich, als uns vielleicht lieb ist. Nach der geltenden Rechtschreibregelung sind nämlich alle Schreibweisen korrekt. Das liegt an zu Grunde, das man in Verbindung mit gehen, legen, liegen und richten auch als zugrunde schreiben kann: zu Grunde liegen oder zugrunde liegen.

Zu zu Grunde liegen gehört die Partizipgruppe zu Grunde liegend:

der Bericht, der zu Grunde liegt
→ der zu Grunde liegende Bericht

Wählt man zugrunde liegen als Basis, gibt es zwei korrekt Schreibungen für das Partizip, weil man dann nach § 36(2.1) getrennt oder zusammenschreiben kann:

der Bericht, der zugrunde liegt
→ der zugrunde liegende Bericht
→ der zugrundeliegende Bericht

Das gilt auch in zum Beispiel diesen Fällen:

die Wirtschaft geht zu Grunde / zugrunde
→ die zu Grunde gehende Wirtschaft
→ die zugrunde gehende Wirtschaft
→ die zugrundegehende Wirtschaft

eine Firma zu Grunde / zugrunde richten
→ eine zu Grunde gerichtete Firma
→ eine zugrunde gerichtete Firma
→ eine zugrundegerichtete Firma

Auch bei adverbialen Ausdrücken wie in Frage / infrage, zu Hause / zuhause, zu Rande / zurande und zu Rate / zurate gibt es diese Vielfalt an Schreibvarianten:

eine Machtfülle, die kaum in Frage / infrage gestellt wird
→ eine kaum in Frage gestellte Machtfülle
→ eine kaum infrage gestellte Machtfülle
→ eine kaum infragegestellte Machtfülle

Angehörige, die mit dem Verlust nicht zu Rande / zurande kommen
→ nicht mit mit dem Verlust zu Rande kommende Angehörige
→ nicht mit mit dem Verlust zurande kommende Angehörige
→ nicht mit mit dem Verlust zurandekommende Angehörige

die Ärztin, die zu Rate / zurate gezogen wird
→ die zu Rate gezogene Ärztin
→ die zurate gezogene Ärztin
→ die zurategezogene Ärztin

die Kinder, die zu Hause / zuhause geblieben sind
→ die zu Hause gebliebenen Kinder
→ die  zuhause gebliebenen Kinder
→ die zuhausegebliebenen Kinder

Und substantiviert:

diejenigen, die zu Hause / zuhause geblieben sind
→ die zu Hause Gebliebenen
→ die  zuhause Gebliebenen
→ die Zuhausegebliebenen

Wirklich schwierig ist es nicht, aber diese Partizpien bzw. Partizipgruppen gehörten zu den Dingen, die man nicht allzu häufig verwendet und die durchschnittlich Rechtschreibinteressierte auch bald wieder vergessen. Häufig sieht es ohnehin ein bisschen natürlicher aus, wenn man Formulierungen wie die nicht zu Rande Kommenden oder die zurate gezogenen Fachleute vermeidet. Die Formulierung die zu Hause Gebliebenen / zuhause Gebliebenen / Zuhausegebliebenen kommt allerdings häufiger vor und klingt eigentlich auch ganz alltäglich. Nur beim Schreiben kann man auch hier ins Stutzen kommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Komischerweise wird „komischer Weise“ zusammengeschrieben

Frage

Bei den Beispielen in Ihrem Wörterbucheintrag „Weise“ erwähnen Sie, komischer Weise, das Beispiel „komischer Weise“ nicht. Es stehen nur Beispiele mit „in“ und „auf“.

Antwort

Guten Tag Herr W.,

Sie finden das Beispiel komischer Weise nicht beim Wörterbucheintrag Weise, weil man komischerweise in einem Wort schreibt (siehe hier):

komischerweise

Adverbien der Form  -erweise werden immer in einem Wort geschrieben (siehe auch hier):

bedauerlicherweise, bemerkenswerterweise, dummerweise, fairerweise, freundlicherweise, gerechterweise, klugerweise, komischerweise, leichtsinnigerweise, logischerweise, natürlicherweise, richtigerweise, schlauerweise, seltsamerweise, unbegreiflicherweise, vorsichtigerweise, wunderbarerweise u.v.a.m. (auch spontane Neubildungen)

Das war nicht immer so. Die Bildungen auf -erweise waren ursprünglich adverbiale Genitive (wie eines Tages, meines Erachtens, stehenden Fußes usw.): Man verband das Substantiv Weise mit einem Adjektiv und verwendete diese Wortgruppe im Genitiv, um anzugeben, in welcher Weise etwas geschieht oder zu verstehen ist. Solche Bildungen kamen sehr häufig vor. Es folgen nur ein paar Beispiele illustrer Autoren aus früheren Zeiten.

Goethe schrieb im Gedicht Zahme Xenien I (Ausgabe letzter Hand, 1827):

Hab ich gerechter Weise verschuldet
diese Strafe in alten Tagen?

In Schillers Die Jungfrau von Orleans (4. Aufzug, 10. Auftritt, 1801) sagt der König:

Von Gott allein, dem höchsten Herrschenden,
Empfangen Frankreichs Könige die Krone.
Wir aber haben sie sichtbarer Weise
Aus seiner Hand empfangen.

Und in Johann Gottfried Herders Abhandlung Über den Ursprung der Sprache (1770) liest man:

Die ganze rousseausche Hypothese von Ungleichheit der Menschen ist, bekannter Weise, auf solche Fälle der Abartung gebaut

In neuerer Zeit wurden diese attributiven Genitive als formelhaft empfunden und in der Schrift zu einem Wort zusammengerückt. Heute werden diese Bildungen als Ableitungen mit einem Suffix -erweise (oder mit Fuge er und -weise) empfunden und immer zusammengeschrieben. In Neuausgaben älterer Werke mit angepasster Rechtschreibung findet man deshalb zum Beispiel gerechterweise statt gerechter Weise und bekannterweise statt bekannter Weise.

Man schreibt also komischerweise und nicht komischer Weise, weil Bildungen dieser Art nicht mehr als Wortgruppen, sondern als Ableitungen empfunden und entsprechend zusammengeschrieben werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Das oben Gesagte gilt nur, wenn die Verbindung ohne auf oder in steht. Adverbiale Wendungen mit auf oder in und Weise werden getrennt geschrieben:

auf ähnliche Weise
in gleicher Weise
in komischer Weise

Wendungen dieser Art sind deshalb im Wörterbuch – wenn überhaupt – unter Weise zu finden.

Komme ich hier her oder komme ich hierher?

Frage

Momentan beschäftige ich mich mit diesem Satz, den ich in einem Forum gelesen habe: „Wie komme ich hier her?“

Da stellt sich die Frage, ob „hierher“ ein Verbzusatz ist, der deshalb mit dem Verb „kommen“ zusammengeschrieben wird („hierherkommen“). Oder haben wir es mit dem Infinitiv „herkommen“ zu tun zusammen mit dem selbstständigen Adverb „hier“ („hier herkommen“)? Im ersten Fall hätten wir dann dieses Ergebnis:

Wie komme ich hierher?

Im zweiten dann eben dieses:

Wie komme ich hier her?

Welches davon ist nun richtig?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

nach der standardsprachlichen Schreibung sollte es sein:

hierherkommen = an diesen Ort kommen
Wie komme ich hierher? = Wie komme ich an diesen Ort?

Man schreibt hierher (an diesen Ort) in Verbindung mit einem einfachen Verb mit dem Verb zusammen:

hierherbringen, hierherführen, hierherholen, hierherkommen, hierherlegen, hierherlocken, hierherschaffen, hierherschleppen, hierhersetzen, hierherstellen, hierhertragen usw.

In getrennter Stellung im Hauptsatz:

bringe hierher, führe hierher, hole hierher, komme hierher, lege hierher usw.

Umgangssprachlich und in der gesprochenen Alltagssprache wird hierher allerdings auch getrennt verwendet:

Hier kommt man her, um Kaffe zu trinken.
Ich komme hier nicht gerne her.

Entsprechend könnte man umgangssprachlich eventuell auch schreiben:

Warum kommt man hier her?
Wie komme ich hier her?

Standardsprachlich wählt man aber besser hierherkommen / komme hierher / hierhergekommen:

Hierher kommt man, um Kaffe zu trinken.
Ich komme nicht gerne hierher.
Viele bekannte Leute sind hierhergekommen, um sich behandeln zu lassen.
Weißt du, wie man hierherkommt?
Kommen Sie hierher und genießen Sie die Aussicht!

Und wie eingangs schon gesagt:

Wie komme ich hierher?

Ähnliches gilt übrigens u. A. auch für dahin und dorthin und woher und wohin (neu ist das Thema also nicht).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp