Variantenvielfalt: zu Hause Gebliebene, zuhause Gebliebene und Zuhausegebliebene

Frage

Welche der folgenden Schreibweisen „zu Grunde liegend / zugrunde liegend / zugrundeliegend“ sind mangelhaft?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

manchmal ist mehr möglich, als uns vielleicht lieb ist. Nach der geltenden Rechtschreibregelung sind nämlich alle Schreibweisen korrekt. Das liegt an zu Grunde, das man in Verbindung mit gehen, legen, liegen und richten auch als zugrunde schreiben kann: zu Grunde liegen oder zugrunde liegen.

Zu zu Grunde liegen gehört die Partizipgruppe zu Grunde liegend:

der Bericht, der zu Grunde liegt
→ der zu Grunde liegende Bericht

Wählt man zugrunde liegen als Basis, gibt es zwei korrekt Schreibungen für das Partizip, weil man dann nach § 36(2.1) getrennt oder zusammenschreiben kann:

der Bericht, der zugrunde liegt
→ der zugrunde liegende Bericht
→ der zugrundeliegende Bericht

Das gilt auch in zum Beispiel diesen Fällen:

die Wirtschaft geht zu Grunde / zugrunde
→ die zu Grunde gehende Wirtschaft
→ die zugrunde gehende Wirtschaft
→ die zugrundegehende Wirtschaft

eine Firma zu Grunde / zugrunde richten
→ eine zu Grunde gerichtete Firma
→ eine zugrunde gerichtete Firma
→ eine zugrundegerichtete Firma

Auch bei adverbialen Ausdrücken wie in Frage / infrage, zu Hause / zuhause, zu Rande / zurande und zu Rate / zurate gibt es diese Vielfalt an Schreibvarianten:

eine Machtfülle, die kaum in Frage / infrage gestellt wird
→ eine kaum in Frage gestellte Machtfülle
→ eine kaum infrage gestellte Machtfülle
→ eine kaum infragegestellte Machtfülle

Angehörige, die mit dem Verlust nicht zu Rande / zurande kommen
→ nicht mit mit dem Verlust zu Rande kommende Angehörige
→ nicht mit mit dem Verlust zurande kommende Angehörige
→ nicht mit mit dem Verlust zurandekommende Angehörige

die Ärztin, die zu Rate / zurate gezogen wird
→ die zu Rate gezogene Ärztin
→ die zurate gezogene Ärztin
→ die zurategezogene Ärztin

die Kinder, die zu Hause / zuhause geblieben sind
→ die zu Hause gebliebenen Kinder
→ die  zuhause gebliebenen Kinder
→ die zuhausegebliebenen Kinder

Und substantiviert:

diejenigen, die zu Hause / zuhause geblieben sind
→ die zu Hause Gebliebenen
→ die  zuhause Gebliebenen
→ die Zuhausegebliebenen

Wirklich schwierig ist es nicht, aber diese Partizpien bzw. Partizipgruppen gehörten zu den Dingen, die man nicht allzu häufig verwendet und die durchschnittlich Rechtschreibinteressierte auch bald wieder vergessen. Häufig sieht es ohnehin ein bisschen natürlicher aus, wenn man Formulierungen wie die nicht zu Rande Kommenden oder die zurate gezogenen Fachleute vermeidet. Die Formulierung die zu Hause Gebliebenen / zuhause Gebliebenen / Zuhausegebliebenen kommt allerdings häufiger vor und klingt eigentlich auch ganz alltäglich. Nur beim Schreiben kann man auch hier ins Stutzen kommen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Komischerweise wird „komischer Weise“ zusammengeschrieben

Frage

Bei den Beispielen in Ihrem Wörterbucheintrag „Weise“ erwähnen Sie, komischer Weise, das Beispiel „komischer Weise“ nicht. Es stehen nur Beispiele mit „in“ und „auf“.

Antwort

Guten Tag Herr W.,

Sie finden das Beispiel komischer Weise nicht beim Wörterbucheintrag Weise, weil man komischerweise in einem Wort schreibt (siehe hier):

komischerweise

Adverbien der Form  -erweise werden immer in einem Wort geschrieben (siehe auch hier):

bedauerlicherweise, bemerkenswerterweise, dummerweise, fairerweise, freundlicherweise, gerechterweise, klugerweise, komischerweise, leichtsinnigerweise, logischerweise, natürlicherweise, richtigerweise, schlauerweise, seltsamerweise, unbegreiflicherweise, vorsichtigerweise, wunderbarerweise u.v.a.m. (auch spontane Neubildungen)

Das war nicht immer so. Die Bildungen auf -erweise waren ursprünglich adverbiale Genitive (wie eines Tages, meines Erachtens, stehenden Fußes usw.): Man verband das Substantiv Weise mit einem Adjektiv und verwendete diese Wortgruppe im Genitiv, um anzugeben, in welcher Weise etwas geschieht oder zu verstehen ist. Solche Bildungen kamen sehr häufig vor. Es folgen nur ein paar Beispiele illustrer Autoren aus früheren Zeiten.

Goethe schrieb im Gedicht Zahme Xenien I (Ausgabe letzter Hand, 1827):

Hab ich gerechter Weise verschuldet
diese Strafe in alten Tagen?

In Schillers Die Jungfrau von Orleans (4. Aufzug, 10. Auftritt, 1801) sagt der König:

Von Gott allein, dem höchsten Herrschenden,
Empfangen Frankreichs Könige die Krone.
Wir aber haben sie sichtbarer Weise
Aus seiner Hand empfangen.

Und in Johann Gottfried Herders Abhandlung Über den Ursprung der Sprache (1770) liest man:

Die ganze rousseausche Hypothese von Ungleichheit der Menschen ist, bekannter Weise, auf solche Fälle der Abartung gebaut

In neuerer Zeit wurden diese attributiven Genitive als formelhaft empfunden und in der Schrift zu einem Wort zusammengerückt. Heute werden diese Bildungen als Ableitungen mit einem Suffix -erweise (oder mit Fuge er und -weise) empfunden und immer zusammengeschrieben. In Neuausgaben älterer Werke mit angepasster Rechtschreibung findet man deshalb zum Beispiel gerechterweise statt gerechter Weise und bekannterweise statt bekannter Weise.

Man schreibt also komischerweise und nicht komischer Weise, weil Bildungen dieser Art nicht mehr als Wortgruppen, sondern als Ableitungen empfunden und entsprechend zusammengeschrieben werden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Das oben Gesagte gilt nur, wenn die Verbindung ohne auf oder in steht. Adverbiale Wendungen mit auf oder in und Weise werden getrennt geschrieben:

auf ähnliche Weise
in gleicher Weise
in komischer Weise

Wendungen dieser Art sind deshalb im Wörterbuch – wenn überhaupt – unter Weise zu finden.

Komme ich hier her oder komme ich hierher?

Frage

Momentan beschäftige ich mich mit diesem Satz, den ich in einem Forum gelesen habe: „Wie komme ich hier her?“

Da stellt sich die Frage, ob „hierher“ ein Verbzusatz ist, der deshalb mit dem Verb „kommen“ zusammengeschrieben wird („hierherkommen“). Oder haben wir es mit dem Infinitiv „herkommen“ zu tun zusammen mit dem selbstständigen Adverb „hier“ („hier herkommen“)? Im ersten Fall hätten wir dann dieses Ergebnis:

Wie komme ich hierher?

Im zweiten dann eben dieses:

Wie komme ich hier her?

Welches davon ist nun richtig?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

nach der standardsprachlichen Schreibung sollte es sein:

hierherkommen = an diesen Ort kommen
Wie komme ich hierher? = Wie komme ich an diesen Ort?

Man schreibt hierher (an diesen Ort) in Verbindung mit einem einfachen Verb mit dem Verb zusammen:

hierherbringen, hierherführen, hierherholen, hierherkommen, hierherlegen, hierherlocken, hierherschaffen, hierherschleppen, hierhersetzen, hierherstellen, hierhertragen usw.

In getrennter Stellung im Hauptsatz:

bringe hierher, führe hierher, hole hierher, komme hierher, lege hierher usw.

Umgangssprachlich und in der gesprochenen Alltagssprache wird hierher allerdings auch getrennt verwendet:

Hier kommt man her, um Kaffe zu trinken.
Ich komme hier nicht gerne her.

Entsprechend könnte man umgangssprachlich eventuell auch schreiben:

Warum kommt man hier her?
Wie komme ich hier her?

Standardsprachlich wählt man aber besser hierherkommen / komme hierher / hierhergekommen:

Hierher kommt man, um Kaffe zu trinken.
Ich komme nicht gerne hierher.
Viele bekannte Leute sind hierhergekommen, um sich behandeln zu lassen.
Weißt du, wie man hierherkommt?
Kommen Sie hierher und genießen Sie die Aussicht!

Und wie eingangs schon gesagt:

Wie komme ich hierher?

Ähnliches gilt übrigens u. A. auch für dahin und dorthin und woher und wohin (neu ist das Thema also nicht).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Immergleiche oder das immer Gleiche?

Frage

In der Zeitung lese ich folgenden Satz:

Das Ekelgefühl umfasst etwa den Widerwillen gegen das Immergleiche, das Schamlose, Schwülstige und Verlogene.

Wie schreibt sich die substantivierte Form von „immer gleich“: „das Immergleiche“ oder „das immer Gleiche“? Und wo hätte ich nachschlagen können, um diese Frage selbst beantworten zu können?

Antwort

Guten Tag Herr B.

wenn etwas immer gleich ist, ist es etwas immer Gleiches. Wenn etwas immergleich ist, ist es etwas Immergleiches. Bei immer gleich und das immer Gleiche liegt die Hauptbetonung auf gleich. Bei immergleich und das Immergleiche liegt die Hauptbetonung auf imm. Dabei ist immergleich unüblich, aber unter Berufung auf die dichterische Freiheit und in Anlehnung an immergrün nicht unmöglich. Ich hätte im Zeitungsartikel das immer Gleiche gewählt, aber ich bin nicht der Autor.

Zurück zu das immer Gleiche: Es handelt sich um die Substantivierung der Adjektivgruppe immer gleich. Dass man bei substantivierten Adjektivgruppen nur das Kernadjektiv großschreibt, wird eigentlich nirgendwo explizit erwähnt. Man kann es unter anderem aus dem Beispiel das einzig Richtige in §57(1) der Rechtschreibregelung ableiten. Außerdem gibt es anders als bei den substantivierten Infinitivgruppen keine Regel, die die Zusammenschreibung oder die Bindestrichschreibung rechtfertigen würde. Das ist eine Art „indirekter Beweis“. Hier weitere Beispiele substantivierter Adektivgruppen:

sehr interessant → nichts sehr Interessantes
viel größer → etwas viel Größeres
weitaus am besten → das weitaus Beste
niemandem verständlich → etwas niemandem Verständliches
sonst nie zufrieden → die sonst nie Zufriedenen
chronisch krank → die Behandlung chronisch Kranker
immer gleich → das immer Gleiche

Die Schreibung substantivierter Adjektivgruppen ist etwas nicht allzu Einfaches, aber wenn man es einmal weiß, ist es dennoch nichts völlig Unverständliches.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Grünreden und das Graubauen

Frage

In der Zeitung habe ich neulich diese interessante Zwitterform von einerseits Kompositum und andererseits Attribut + substantiviertem Infinitiv gefunden: „Die Angewohnheit des grün Redens und grau Bauens“. Ich wüsste zwar nicht, dass unsere Grammatikregeln so etwas hergeben, aber die erlaubten Alternativen „Grünredens” bzw. „grünen Redens“ würden hier ja eine andere Bedeutung haben, weswegen ich „das grün Reden“(beides gleich betont) eigentlich ganz gut finde und gelten lassen würde. Wie sehen Sie das.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

man kann so formulieren, wenn man will, aber beim Schreiben wird es ungewöhnlich oder sogar unpraktisch. Es geht hier um eine substantivierte Infinitivgruppe, die aus zwei Teilen besteht. Solche Substantivierungen schreibt man gem. der Rechtschreibregelung zusammen:

die Angewohnheit, schnell zu fahren
→ die Angewohnheit des Schnellfahrens

die Tugend, pünktlich zu sein
→ die Tugend des Pünktlichseins

wenn man nicht erscheint
→ bei Nichterscheinen

üben, aufeinander zu hören
→ das Aufeinanderhören üben

die Gabe, sich zu wundern
→ die Gabe des Sichwunderns

Die beiden letzen Beispiele zeigen, dass auch dann zusammengeschrieben wird, wenn nicht das erste Wort die Hauptbetonung trägt. Für Ihr Beispiel bedeutet dies:

die Angewohnheit, grün zu reden und grau zu bauen
→ die Angewohnheit des Grünredens und Graubauens

Vor allem bei Grünreden könnte unklar sein, was genau gemeint ist (grün reden = grün [umweltbewusst] argumentieren oder etw. grünreden = etwas beschönigend als grün [umweltfreundlich] darstellen, was nicht grün ist). Gemeint ist hier die erste Bedeutung: in Worten umweltbewusst argumentieren, dann aber nicht umweltgerecht bauen.

Wenn man sich an die Rechtschreibregeln halten will oder muss, kann die Schreibweise das grün Reden aber (leider) nicht die Lösung sein. Man schreibt entweder doch zusammen und lässt den Kontext Klarheit schaffen, oder man formuliert um:

die Angewohnheit des Grünredens und des Graubauens
die Angewohnheit des grünen Redens und des grauen Bauens [auch missverständlich]
die Angewohnheit, grün zu reden und grau zu bauen [m. M. n. am deutlichsten]

Die Rechtschreibung ist nicht immer dazu geeignet, Bedeutungsunterschiede eindeutig zu machen. Das gilt auch bei einer ähnlichen Formulierung: die Kunst des Schönredens. Das kann (a) die Kunst, schön zu reden sein oder (b) die Kunst, Dinge schönzureden. Das Schönreden (a) ist die angenehmen Gabe, gut sprechen zu können. Das Schönreden (b) hingegen ist eine weniger angenehme Unart. Dabei wird mit beschönigenden Worten etwas als besser dargestellt, als es in Wirklichkeit ist. Beide Substantivierungen werden gleich geschrieben, auch wenn sie keineswegs dasselbe bezeichnen. Wie beim Grünreden muss auch beim Schönreden der Kontext oder eine Umformulierung Klarheit schaffen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Bin ich ein Content Creator, ein Content-Creator oder ein Contentcreator?

Frage

Der (Online-)Duden kennt „Content-Management“ und „Contentprovider“. Ich frage mich nun, wie man den heute im deutschen Sprachraum geläufigen und gerade bei deutschen Jugendlichen beliebten Anglizismus „Content Creator“ richtig schreibt:

Content Creator
Content-Creator
Contentcreator

Antwort

Guten Tag Herr B.,

am einfachsten wäre es, wenn man die deutschen Entsprechungen Inhaltsschöpfer oder Inhaltsentwicklerin verwenden würde. Dabei sollte die Zusammenschreibung bei den meisten einprogrammiert sein. Ich verstehe aber, dass Inhaltsschöpfer für moderne Kreative zu sehr wie Suppenkelle klingen könnte, und bei Inhaltsentwicklerin sieht man vielleicht besser als bei Content Creator, dass es „nur“ darum geht, Inhalte zu kreieren. Aber ich schweife ab und will hier keineswegs den Anglizismen den Kampf ansagen. Also zurück zur Rechtschreibung:

Nach § 45 (E1) der amtl. Rechtschreibregelung gilt Folgendes:

Aus anderen Sprachen stammende Verbindungen aus Substantiv + Substantiv, die sich im Deutschen grammatisch wie Zusammensetzungen verhalten, werden zusammengeschrieben; ebenso ist die verdeutlichende Schreibung mit Bindestrich möglich.
Sexappeal (Sex-Appeal), Sciencefiction (Science-Fiction), Shoppingcenter (Shopping-Center), Desktoppublishing (Desktop-Publishing), Midlifecrisis (Midlife-Crisis) 

Richtig ist demnach entweder die Zusammenschreibung oder die Schreibung mit Bindestrich:

Contentmanagement / Content-Managment
Contentprovider / Content-Provider
Contentcreator / Content-Creator

Der Duden legt offenbar die „Grenze der Deutlichkeit“, bei deren Überschreiten ein Bindestrich gesetzt wird, irgendwo zwischen Contentprovider und Content-Management (die zusammengeschrieben Variante Contentmanagement steht allerdings auch im Online-Duden). Richtig ist nach § 45 (E1) beides.

Die Getrenntschreibung Content Creator ist nach der Rechtschreibregelung nicht korrekt. Sie ist aber die weitaus am häufigsten vorkommende Schreibweise. Dieser rechtschreiblichen Kluft zwischen regelkonform und üblich begegnet man bei aus dem Englischen übernommenen Zusammensetzungen sehr oft. Mehr zu diesem Thema und weitere Beispiele finden Sie in diesem schon etwas älteren Blogartikel. Neu ist das Problem, wenn es überhaupt eines ist, also nicht. Der für diesen Blog verantworliche Content-Creator hat es schon mehr als einmal behandelt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nichtvegansein oder Nicht-vegan-Sein, das ist hier die Frage

Frage

Könnten Sie mir bitte beim folgenden Beispiel weiterhelfen. Muss hier groß- oder kleingeschrieben werden:

Ist (das) Nicht-Vegansein nicht okay?

Antwort

die Schreibung das Nicht-Vegansein ist nicht zu empfehlen. Weshalb? – Beim Wort, um das es in Ihrer Frage geht, spielen zwei Rechtschreibregeln eine Rolle:

  • Verbindungen von nicht mit einem Adjektiv können getrennt oder zusammengeschrieben werden:

nicht öffentlich / nichtöffentlich
nicht europäisch / nichteuropäisch
nicht vegan / nichtvegan

Man kann also nicht vegan sein oder nichtvegan sein. Das hat auch Auswirkungen auf die Schreibung, wenn man diese Infinitivgruppe substantiviert.

  • Substantivierte Infinitivgruppen, die aus zwei Teilen bestehen, werden zusammengeschrieben. Bei substantivierten Infinitivgruppen, die aus mehr als zwei Teilen bestehen, setzt man in der Regel Bindestriche zwischen alle Teile der Infinitivgruppe (vgl. hier):

Tee trinken → das Teetrinken
Walzer tanzen → beim Walzertanzen
schnell fahren → das Schnellfahren

miteinander Tee trinken → das Miteinander-Tee-Trinken
Wiener Walzer tanzen → beim Wiener-Walzer-Tanzen
zu schnell Fahren → das Zu-schnell-Fahren

Das führt zu diesen möglichen Schreibungen der substantivierten Infinitivgruppe:

vegan sein → das Vegansein
nichtvegan sein → das Nichtvegansein
nicht vegan sein → das Nicht-vegan-Sein

Ihr Satz kann also auf zwei verschiedene Arten geschrieben werden:

Ist das Nichtvegansein nicht okay?
Ist das Nicht-vegan-Sein nicht okay?

Mehr dazu finden Sie in diesem Blogartikel älteren Datums.

Wer es noch komplizierter mag, lässt den Artikel weg. Dann gibt es nämlich noch zwei weitere mögliche Schreibweisen:

Ist Nichtvegansein nicht okay?
Ist Nicht-vegan-Sein nicht okay?

Ist nichtvegan sein nicht okay?
Ist nicht vegan sein nicht okay?

Wer nun vor lauter nicht und Bindestrichen nicht mehr klarsieht, formuliert am besten um:

Ist es nicht okay, nicht vegan zu sein?
Ist es nicht okay, nichtvegan zu sein?

Nichtvegansein oder Nicht-vegan-Sein, das ist hier die Frage. Es geht hier nämlich nur um die Rechtschreibung. Die Frage nach dem eigentlichen Vegansein oder Nichtvegansein/Nicht-vegan-Sein möchte ich an dieser Stelle nicht diskutieren.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum es der Zeichenunterricht, aber das Zeichnenlehren ist

Frage

Ich arbeite an einem Text, in dem die Begriffe Zeichnen lehren und das Zeichnenlehren (jemandem das Zeichnen beibringen) vorkommen. Zum Beispiel:

Wie Zeichnen lehren?
Didaktik des Zeichnenlehrens.

Der Autor des Textes meint, man solle doch besser ZeichENlehren schreiben, weil es auch ZeichENunterrich, ZeichENlehrer oder ZeichENkohle heißt.

Antwort

Guten Tag Frau W.,

beim ersten Zitat, gibt es zwei Möglichkeiten. Man kann klein zeichnen (vgl. zu zeichnen lehren) oder groß Zeichnen (vgl. das Zeichnen lehren) schreiben:

Wie zeichnen Lehren?
Wie Zeichnen Lehren?

Sie haben sich offenbar entschieden, hier die großgeschriebene Variante zu wählen (Wie Zeichnen lehren?). Das ist richtig, allerdings für die Beantwortung Ihrer eigentlichen Frage gar nicht wichtig.

Beim zweiten Untertitel handelt es sich um die Substantivierung der Infinitivgruppe zeichnen lehren oder eben Zeichnen lehren. Dann wird zusammen und mit großem Anfangsbuchstaben geschrieben:

das Zeichnenlehren

Es ist hier anders als bei Zusammensetzungen wie Zeichenlehrer oder Zeichenunterricht nicht zu empfehlen, an erster Stelle Zeichen- zu verwenden. Warum nicht?

Bei einer Zusammensetzung mit einem Verb an erster Stelle wird nicht der Infinitiv, sondern „nur“ der Stamm des Verbs verwendet:

schwimm[en] + Lehrer → Schwimmlehrer
mal[en] + Unterricht → Malunterricht
press[en] + Kohle → Presskohle

Bei Verben wie zeichnen und rechnen wird dabei im Stamm ein e eingefügt, das im Laufe der Wortgeschichte weggefallen ist1. Das geschieht, weil sonst Verbindungen wie *Zeichnlehrerin oder *Rechnunterricht entstehen würden. Also:

zeichn[en] + Lehrerin → Zeichenlehrerin
rechn[en] + Unterricht → Rechenunterricht
zeichn[en] + Kohle → Zeichenkohle

Bei den substantivierten Infinitivgruppen der Art, um die es hier geht, steht der ganze Infinitiv an erster Stelle. Dann wird nichts eingefügt und nichts weggelassen:

rechnen + lernen → das Rechnenlernen
zeichnen + lehren → des Zeichnenlehrens

Sie können also guten Gewissens und mit einem Verweis auf die deutschen Wortbildungsregeln darauf bestehen, dass es des Zeichnenlehrens sein sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 mittelhochdeutsch rechenen, zeichenen; althochdeutsch: rehhanōn, zeihhanen

Netto-Null-Emissionen, Netto-null-Emissionen, Nettonullemissionen

Frage

Wieder einmal plagt mich die Groß-/Kleinschreibung. Es geht um das Wort „Null/null“: „Netto-Null-Emissionen“ oder „Netto-null-Emissionen“? Ich meine, die zweite Variante ist richtig, sie sieht aber so ungewohnt aus.

Antwort

Guten Tag Herr A.,

wie man nach den Regeln am besten schreibt und und wie üblicherweise geschrieben wird, ist nicht immer dasselbe. Wie in diesem Fall geschrieben werden sollte, hängt davon ab, wie man die Struktur der Zusammensetzung interpretiert. Man kann die drei Teile der Verbindung in unterschiedlicher Weise miteinander in Verbindung bringen:

Wenn gesagt wird, dass die Emissionen netto berechnet null sind, schreibt man:

Netto-null-Emissionen

Wenn gemeint ist, dass die Null-Emissionen (besser: Nullemissionen) netto berechnet werden, ist es:

Netto-Null-Emissionen (o. Netto-Nullemissionen)

Beide Interpretationen sind für Nichtfachleute (und Fachleute?) vertretbar. In beiden Fällen kann auch ohne Bindestriche geschrieben werden. Das ist übrigens mein persönlicher Favorit:

Nettonullemissionen

Mit der Zusammenschreibung Nettonullemissionen umgeht man die verzwickte Frage, welche der beiden Bindestrichschreibungen besser zutrifft, aber diese Schreibweise ist ziemlich ungebräuchlich. Am häufigsten trifft man Netto-Null-Emissionen an. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass Netto-Null sich verselbstständigt hat und als eine Art Fachwort ganz ohne weiteren Zusatz auskommt:

Umstellung auf Netto-Null
Das Ziel ist Netto-Null.

Auch hier zeigt sich der Unterschied zwischen dem, was nach den Regeln am besten wäre, und dem, was üblich ist. Nach der Rechtschreibregelung schreibt man nämlich:

Umstellung auf netto null
Das Ziel ist netto null.

Erst wenn man den Begriff zu einem eigenständigen substantivischen Fachbegriff macht, ist die Schreibung Netto-Null vertretbar.

Zusammenfassend:

Sicher richtig ist:

Nettonullemissionen
netto null

Gut vertretbar finde ich:

Netto-null-Emissionen

Mit etwas gutem Willen sind auch die am häufigsten vorkommenden Schreibungen mit den Rechtschreibregeln vereinbar:

Netto-Null-Emissionen
Netto-Null

Nach den Rechtschreibregeln gar nicht zu empfehlen sind Lösungen wie NettoNullEmissionen, denen man auch hin und wieder begegnet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nicht und der Bindestrich

Letzte Woche ging es um den Bindestrich bei Präfigierungen mit anti-. Heute geht es gleich weiter mit dem Bindestrich bei Zusammensetzungen mit nicht. Wegen der vielen Beispiele sieht der Artikel nach mehr Leseaufwand aus, als er erfordert.

Frage

Soweit ich weiß, wird gemäß der deutschen Rechtschreibregeln bei Adjektiven bzw. adjektivisch gebrauchten Partizipien mit vorangestelltem „nicht“ entweder getrennt oder zusammengeschrieben. Die Schreibung mit Bindestrich trifft man zwar tagtäglich an, sie gilt aber meines Wissens als nicht regelkonform, also zum Beispiel:

nicht standardisiert/nichtstandardisiert (*nicht-standardisiert)
nicht infektiös/nichtinfektiös (*nicht-infektiös)
nicht immunisiert/nichtimmunisiert (*nicht-immunisiert)
usw.

Was ist im Falle von Substantivierungen zulässig oder zu empfehlen (Getrenntschreibung, Zusammenschreibung, Bindestrichschreibung)? Zum  Beispiel:

die Nichtimmunisierten/nicht Immunisierten/Nicht-Immunisierten
das Nichtnormierte/nicht Normierte/Nicht-Normierte
das Nichtoffensichtliche/nicht Offensichtliche/Nicht-Offensichtliche
das Nichtthematisierte/nicht Thematisierte/Nicht-Thematisierte

Antwort

Guten Tag Herr K.,

Sie haben recht: Verbindungen von nicht mit einem Adjektiv bzw. adjektivischen Partizip kann man zusammen- oder getrennt schreiben. Die Schreibung mit Bindestrich ist gemäß der Rechtschreibregelung nicht vorgesehen. Das gilt auch dann, wenn solche Verbindungen substantiviert werden. Die folgenden Schreibweisen sind regelkonform:

nicht standardisiert / das nicht Standardisierte
nichtstandardisiert / das Nichtstandardisierte

nicht infektiös / etwas nicht Infektiöses
nichtinfektiös / etwas Nichtinfektiöses

nicht immunisiert / die nicht Immunisierten
nichtimmunisiert / die Nichtimmunisierten

nicht nominiert / das nicht Normierte
nichtnominiert / das Nichtnormierte

nicht offensichtlich / das nicht Offensichtliche
nichtoffensichtlich / das Nichtoffensichtliche

nicht gewünscht / das nicht Gewünschte
nichtgewünscht / das Nichtgewünschte

Vgl.

allein erziehend / die allein Erziehenden
alleinerziehend / die Alleinerziehenden

klein gedruckt / das klein Gedruckte
kleingedruckt / das Kleingedruckte

Substantivierungen dieser Art werden in der Rechtschreibung anders behandelt als Verbindungen von nicht mit einem „normalen“ Substantiv. Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv werden im Prinzip zusammengeschrieben:

die Nichtbeachtung
ein Nichtmetall
alle Nichtmütter
ein Nichteuropäer / eine Nichteuropäerin
die Nichtfachleute
der Nichttänzer / die Nichttänzerin
der Nichtmuttersprachler / die Nichtmuttersprachlerin

Anders als die substantivierten Adjektiv- und Partizipverbindungen oben können diese Substantivzusammensetzungen nicht getrennt geschrieben werden (nicht *die nicht Beachtung, nicht *die nicht Fachleute). Dafür ist hier die Schreibung mit „verdeutlichendem“ Bindestrich möglich. Sie kommt auch relativ häufig vor:

die Nicht-Beachtung
ein Nicht-Metall
alle Nicht-Mütter
ein Nicht-Europäer / eine Nicht-Europäerin
die Nicht-Fachleute
der Nicht-Tänzer / die Nicht-Tänzerin
der Nicht-Muttersprachler / die Nicht-Muttersprachlerin

Bei nicht und dem Bindestrich muss also zwischen (substantivierten) Adjektiv- und Partizipverbindungen mit nicht und Zusammensetzungen von nicht mit einem Substantiv unterschieden werden. So viel zur Setzung und Nichtsetzung / Nicht‑Setzung des Bindestrichs. Ich hoffe, dass hier nicht zu viel nicht Nachvollziehbares / Nichtnachvollziehbares steht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp