Das höfliche „Sie“ für eine und für mehrere Personen

Frage

Ich habe gelesen, dass die Höflichkeitsform im Plural identisch sei mit der Höflichkeitsform im Singular. Ist das richtig? […]

Singular, zu einer einzelnen Person: „Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?“
Plural, zu einer Personengruppe: „Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?“

Singular, zu einer einzelnen Person: „Ich gebe Ihnen den Schlüssel zu den Gebäuden.“
Plural zu einer Personengruppe: „Ich gebe Ihnen den Schlüssel zu den Gebäuden.“

Folgendes irritiert mich:

Wir können in der Nicht-Höflichkeitsform zwischen Singular und Plural unterscheiden, deshalb gibt es ja den Plural. Ich finde es sehr merkwürdig, dass man in der Höflichkeitsform nicht zwischen Singular und Plural unterscheidet.

Wenn es den Plural in der Höflichkeitsform nicht braucht, wieso den Plural nicht auch in der Nicht-Höflichkeitsform abschaffen?

Weshalb hat man den Plural überhaupt eingeführt? Offenbar geht es auch ohne […]

Antwort

Guten Tag Herr W.,

die Höflichkeitsform ist im Deutschen tatsächlich für eine und für mehrere Personen identisch. Man verwendet in beiden Fällen die dritte Person Plural:

Haben Sie alles gefunden, was Sie brauchen?
Ich gebe Ihnen den Schlüssel zu den Gebäuden.

Was gemeint ist, ergibt sich in der Regel problemlos aus dem Kontext. Wenn dem nicht so ist, hilft in der gesprochenen Sprache meist ein Blick oder man ergänzt zum Beispiel in der folgenden Weise:

Ich gebe Ihnen, Frau M., den Schlüssel zu den Gebäuden.
Ich gebe Ihnen allen den Schlüssel zu den Gebäuden.

Das gleiche „Problem“ gibt es zum Beispiel auch im Französischen mit dem höflichen vous oder ganz allgemein im Englischen mit you. Auch dort ist ohne Kontext nicht erkennbar, ob man sich an eine oder an mehrere Personen richtet.

Zu Ihren Fragen: Man verwendet die Anredepronomen so, weil es sich im Verlauf der Sprachentwicklung so ergeben hat und es im Allgemeinen so funktioniert. Es liegt keine bewusste und „logisch“ begründete Entscheidung zu Grunde. Es ist ja auch nicht logisch, die dritte Person für die Höflichkeitsform zu verwenden. Man kann also nicht sagen, dass der Plural gezielt eingeführt wurde oder umgekehrt abgeschafft werden könnte.

Grob vereinfacht dargestellt sieht die Entwicklung der Höflichkeitsform im Deutschen wie folgt aus: Zuerst gab es als Anrede für eine Person nur du. Ab dem 9. Jahrhundert begann man die Pluralform ihr als höfliche Anrede für eine Person  zu verwenden. Später kam daneben die dritte Person Einzahl er bzw. sie auf, die eine größere Distanz zur angeredeten Person schafft. Noch später wurde diese Einzahl (unter dem Einfluss des Majestätsplurals) auch für nur eine Person langsam durch die Pluralform Sie ersetzt. Seit ca. dem 19. Jahrhundert sind nur noch du und Sie üblich. Letzteres, wie gesagt, für eine und für mehre Personen.

In anderen europäischen Sprachen gibt es andere „Lösungen“ für die höfliche Anrede. Zum Beispiel:

  • Französisch: vous, 2. Pers. Plur. für eine und mehrere Personen
  • Italienisch: Lei, 3. Pers. Sing. für eine Person; voi, 2. Person Plural für mehrere Personen
  • Spanisch: Usted + Verb in der 3. Pers. Sing. für eine Person; Ustedes + Verb in der 3. Pers. Plur. für mehrere Personen
  • Niederländisch: u + Verb in der 2. oder 3. Pers. Sing. für eine und für mehrere Personen

Von einem einheitlichen Prinzip kann hier also nicht die Rede sein – zumal für all diese Sprachen gilt, dass die richtige Verwendung der Höflichkeitsformen in verschiedenen Situationen noch ein bisschen komplizierter sein kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ist „würde wollen“ falsch?

Frage

Mein Deutschlehrer hat mir gesagt, dass man „wollen“ im Konjunktiv II mit „würden“ verwenden kann, da „wollten“ gleich aussieht wie die Präteritumform. Zum Beispiel: „Ich würde das machen wollen“ oder „Das würde ich gar nicht wollen“. Nun frage ich mich, ob das wirklich standardsprachlich ist […].

Antwort

Guten Tag A.,

man kann wollen mit würde verwenden, das kommt aber standardsprachlich nicht allzu häufig vor.

In vielen Fällen steht möchte statt würde wollen:

Das möchte ich machen.
Das möchte ich gar nicht.

Das ist aber von der Bedeutung her nicht immer möglich oder nicht immer gewünscht (würde wollen  hat nicht immer die gleiche Bedeutung wie möchte). Dann stehen häufig die Formen des Konjunktivs II, auch wenn sie mit den Formen des Indikativs Präteritum identisch sind. Die konjunktivische Bedeutung ergibt sich aus dem Zusammenhang:

Wenn du es wirklich finden wolltest, würdest du besser suchen.
Selbst wenn wir es wollten, könnten wir euch nicht helfen.
Er ist zu alt, als dass er sich das noch zumuten wollte.
Die Katze sieht mich an, als wollte sie sagen: „Lass mich in Ruhe!“
Die Arbeitgeber behaupten, sie wollten weiter mit den Gewerkschaften unterhandeln.

In diesen Fällen ist es stilistisch meist besser, nicht wollen würde zu verwenden. Die würde-Formen sind aber nicht grundsätzlich falsch. Zum Beispiel:

Selbst wenn wir es wollen würden, könnten wir euch nicht helfen.
Die Katze sieht mich an, als würde sie sagen wollen: „Lass mich in Ruhe!“

Stilistisch ist es hier aber – wie gesagt – meist besser, nicht die würde-Form zu verwenden.

Manchmal reicht der Zusammenhang allerdings nicht aus, um die konjunktivische Bedeutung vom Indikativ zu unterscheiden. Dann kann man gut auf die würde-Formen ausweichen. Zum Beispiel:

Wie du überall herumreisen, das würde ich nicht wollen (statt: das wollte ich nicht).
Ihr seid die Letzten, denen er helfen wollen würde (statt: helfen wollte).

Zusammenfassend: Die würde-Formen kommen in der Standardsprache bei wollen nicht häufig vor, sie sind aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen und manchmal sogar die beste Lösung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Teilweise trennbare Verben: ich inlineskate, habe inlinegeskatet

Frage

Könnten Sie mir bitte kurz Ihre Meinung zu folgenden Verbformen mitteilen:

ich skate inline
ich habe inlinegeskatet

Bei Duden steht für die 3.Person komischerweise nur die Form:

er/sie/es inlineskatet

Antwort

Guten Tag Frau K.,

das Verb inlineskaten gehört zu einer speziellen Gruppe von Verben, die auch in Hauptsatzstellung untrennbar sind, obwohl die Hauptbetonung nicht auf dem Verb liegt.

Normalerweise sind präfigierte und zusammengesetzte Verben trennbar, wenn sie auf dem ersten Teil betont sind. Sie sind untrennbar, wenn das Verb die Hauptbetonung trägt. Ein bekanntes Beispiel ist umfahren:

úmfahren (fahrend umwerfen): ich fahre um, habe umgefahren
umfáhren (darum herumfahren): ich umfahre, habe umfahren

Wenn man Beulen vermeiden will, ist es also meist besser, ein Hindernis zu umfahren, als es umzufahren.

Ebenso zum Beispiel:

wégfahren, ich fahre weg, bin weggefahren
befáhren, ich befahre, habe befahren

téílnehmen, ich nehme teil, habe teilgenommen
entnéhmen, ich entnehme, habe entnommen

Einige wenige Verben entziehen sich diesem Schema. Sie sind untrennbar, obwohl sie auf dem ersten Teil betont sind. Zum Beispiel:

doppelklicken, ich doppelklicke
missverstehen, ich missverstehe
notlanden, ich notlande
inlineskaten, ich inlineskate

Eine weitere Besonderheit ist, dass diese Verben häufig (aber nicht immer) beim Partizip Perfekt und beim mit zu erweiterten Infinitiv eine Art trennbare Form haben:

doppelgeklickt, doppelzuklicken
(missverstanden), misszuverstehen
notgelandet, notzulanden
inlinegeskatet, inlinezuskaten (auch: zu inlineskaten)

Siehe auch die Angaben in der LEO-Grammatik auf dieser Seite unter Untrennbare Verben mit „getrennten“ Formen.

Außer missverstehen kommen die Verben dieser Art eher selten und vor allem im Infinitiv vor. Es führt deshalb schnell zu Unsicherheit, wenn sie einmal anders als im Infinitiv verwendet werden sollen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die Blumen sind verblüht – Perfekt oder Präsens?

Frage

Ich hätte eine Frage zu folgendem Satz: „Dann war er plötzlich verschwunden und sie wunderte sich, was mit ihm passiert war.“ Hier ist „war verschwunden“ ein Plusquamperfekt. Das Wort „verschwunden“ kann aber auch einfach als Adjektiv verwendet werden. Wie kann ich erkennen, ob „verschwunden“ als Partizip II oder als Adjektiv genutzt wird? Zum Beispiel im folgenden Satz: „Der Kugelschreiber war verschwunden“? […]

Antwort

Guten Tag Herr L.,

bei gewissen intransitiven Verben sieht das Perfekt oder Plusquamperfekt, das mit sein gebildet wird, und das adjektivisch verwendete Partizip mit sein genau gleich aus:

Die Blumen sind verblüht = Perfekt von verblühen
Die Blumen sind verblüht = Präsens von verblüht sein

Das Wasser war gefroren = Plusquamperfekt von gefrieren
Das Wasser war gefroren = Präteritum von gefroren sein

Der Kugelschreiber war verschwunden = Plusquamperfekt von verschwinden
Der Kugelschreiber war verschwunden = Präteritum von verschwunden sein

Ohne Kontext lässt sich nicht entscheiden, ob ein Vorgang im Perfekt bzw. Plusquamperfekt oder ein Zustand im Präsens bzw. Präteritum gemeint ist. Häufig ergibt sich aus dem Zusammenhang, welche Zeitform gemeint ist:

Die Blumen sind vor einiger Zeit verblüht (Vorgang → Perfekt)
Die Blumen sind seit einiger Zeit verblüht (Zustand → Präsens)

Der Teich ist über Nacht gefroren (Vorgang → Perfekt)
Der Teich ist drei Monate lang gefroren (Zustand →Präsens)

Der Kugelschreiben war plötzlich verschwunden (Vorgang → Plusquamperfekt)
Der Kugelschreiber war immer noch verschwunden (Zustand → Präteritum)

Aber auch mit Kontext ist es oft nicht möglich, eine genaue Unterscheidung zu machen:

Es sieht traurig aus, weil alle Blumen verblüht sind.
Es war sehr kalt. Das Wasser war gefroren.

Das ist aber kein großes Problem, denn es ist in solchen Fällen häufig gar nicht wichtig, ob der Vorgang oder dessen Resultat bezeichnet wird. Ob der Kugelschreiber plötzlich verschwunden ist oder schon seit Längerem verschwunden ist, schreiben kann man damit nicht. Und der Zustand verblühter Blumen (sind verblüht) ergibt sich aus dem Vorgang des Verblühens (sind verblüht). Für einen Blumenstrauß taugen sie sowieso nicht mehr.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Braucht man diese Form: Konjunktiv II Futur II Zustandspassiv („würde geöffnet gewesen sein“)?

Falls Sie komplizierte Verbformen mögen, hier noch einmal das Passiv im Futur, aber diesmal das Zustandspassiv im Konjunktiv II.

Frage

Ist es richtig, dass Konjunktiv II-Formen im Futur beim Zustandspassiv aus semantischer Sicht nicht unbedingt Sinn machen?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

wenn ich Sie richtig verstehe geht es um die die Formen des Konjunktivs II Futur I und Futur II im Zustandspassiv. Für die Beispielverben öffnen und erledigen sehen diese Formen so aus:

Futur I Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet sein
würde erledigt sein

Futur II Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet gewesen sein
würde erledigt gewesen sein

Die Frage ist nun nicht so sehr, ob die diese Konjunktivs-II-Formen Sinn machen oder nicht. Der Konjunktiv II hat in der Regel keine ganz bestimmte Bedeutung. Er ist vielmehr an bestimmte Satzarten gebunden (siehe hier). So hat der Konjunktiv II Futur meist nichts mit Zukunft zu tun. Die Frage lautet deshalb meiner Meinung nach eher, ob solche Formen verwendet werden.

In vielen Fällen sind die Formen, um die es hier geht, stilistisch zweifelhaft. Man verwendet in der Regel nicht die würde-Formen, sondern die einfachen Konjunktiv-II-Formen.

Also besser nicht:

Wenn die Tür geöffnet sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt sein würde

Wenn die Tür geöffnet gewesen sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen sein würde

Ach, wenn die Tür nur geöffnet sein würde!

Würde die Aufgabe nur schon erledigt gewesen sein!

sondern:

Wenn die Tür geöffnet wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt wäre

Wenn die Tür geöffnet gewesen wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen wäre

Ach, wenn die Tür nur geöffnet wäre!

Wäre die Aufabe nur schon erledigt gewesen!

Ausgeschlossen sind die Formen aber nicht, zum Beispiel als Zukunft in der Vergangenheit:

Noch war die Tür geschlossen, aber bald würde sie geöffnet sein.
Ich glaubte damals nicht, dass die Aufgabe bald erledigt sein würde.

Noch war der Eingang offen, aber bald würde die Tür [nicht mehr geöffnet sein, sondern] geöffnet gewesen sein.
Wir hatten erwartet, dass die Aufgabe bei der nachträglichen Kontrolle bereits erledigt gewesen sein würde.

Inwieweit vor allem die letzten Formen (Konjunktiv II Futur II) in der Sprachrealität wirklich häufig vorkommen, sei hier dahingestellt. Nicht alles was möglich ist, kommt auch regelmäßig vor. Das Risiko, dass man bei solchen komplexen Formen den Faden verliert, ist sehr groß. Außerden ergibt sich die konkrete Bedeutung im Deutschen oft stärker aus dem Kontext als aus den verwendeten Verbformen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Futur I Passiv: Die Frage, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden (werden?)

Frage

Wie ist das Futur I Passiv Plural im Nebensatz richtig?

Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden werden.
Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden.

Soll man das zweite „werden“ wegfallen lassen? Ich konnte die Antwort nirgendwo finden. Alle Beispiele mit Passiv im Nebensatz waren im Singular.

Antwort

Guten Tag Frau F.,

man muss hier zwischen Futur und Zukünftigem unterscheiden. Zuerst zum Futur:

Das Futur I Passiv sieht wie folgt aus:

Die Wand wird nächste Woche gestrichen werden.
Die Wände werden nächste Woche gestrichen werden.

Er fragt, ob die Wand nächste Woche gestrichen werden wird.
Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden werden.

Und nun zum Zukünftigen: Im Deutschen wird etwas Zukünftiges häufig mit dem Präsens ausgedrückt. Wichtig ist dabei nur, dass durch eine Zeitangabe oder durch den Satzzusammenhang ersichtlich ist, dass es sich um etwas Zukünftiges handelt:

Sie fahren erst morgen in den Urlaub.
Ich habe jetzt keine Zeit. Wir reden später darüber.

Siehe hier unter „Präsens des Zukünftigen“.

Das gilt auch für das Passiv. Auch dann kann für etwas Zukünftiges das Futur I oder das Präsens verwendet werden:

Die Wand wird nächste Woche gestrichen [werden].
Die Wände werden nächste Woche gestrichen [werden].
Er fragt, ob die Wand nächste Woche gestrichen [werden] wird.

Wenn in einem Nebensatz der Infinitiv werden direkt neben der 3. Person Plural werden stehen würde, ist sogar nur das Präsens üblich. Das ist keine grammatische, sondern eine stilistische Wahl:

Er fragt, ob die Wände nächste Woche gestrichen werden.

Die Form gestrichen werden werden wäre hier nicht falsch, nur unüblich und stilistisch unschön. Aber ganz gleich mit wieviel werden, wichtig ist vor allem, ob gestrichen [werden] wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Feuer am Brennen halten

Frage

Kann man das Feuer auch standardsprachlich „am Brennen halten“ oder ist das Umgangssprache? […]

Antwort

Guten Tag Frau S.,

Formulierungen wie am Brennen halten gelten (noch?) als umgangssprachlich. In einem formaleren standardsprachlichen Kontext würde ich deshalb eher Formulierungen wie diese empfehlen:

das Feuer in Gang halten
das Feuer (die ganze Nacht) brennen lassen
das Feuer (mit dürrem Holz) unterhalten

Wie häufig bei stilistischen Fragen sollte man sich allerdings überlegen, ob man wirklich gleich den Rotstift zücken oder den ermahnenden Zeigefinger heben will, wenn einmal jemand etwas am Brennen halten will.

Ich halte in diesen dunklen Tagen die Weihnachtsbeleuchtung noch bis zum Dreikönigstag am Brennen 😉

Ein gutes neues Jahr!

Dr. Bopp

»Damals wie heute« und die Zeitform des Verbs

Frage

Geschwätz gab es damals wie heute.

ist der Satz, bei dem ich ein Problem habe. Nämlich, heute „gab“ es ja kein Geschwätz, es „gibt“ Geschwätz. Oder ist „damals wie heute“ eine stehende Wendung?

Antwort

Guten Tag Frau R.,

es handelt sich hier um einen Vergleich, den man – wie meistens bei Vergleichen – auch als eine Zusammenziehung betrachten kann. Dabei fällt in in einem der beiden zusammengezogenen Teilsätze einiges aus:

Geschwätz gab es damals wie heute.
Geschwätz gab es damals[,] wie [es] heute [Geschwätz gibt].

Geschwätz gibt es heute wie damals.
Geschwätz gibt es heute[,] wie [es] damals [Geschwätz gab].

In Vergleichen wie diesen ist das Weglassen von einer der beiden Verbformen auch dann möglich, wenn die Verbformen sich im Tempus voneinander unterscheiden (gab und gibt).

Ebenso oder ähnlich auch zum Beispiel:

Das gilt heute ebenso wie vor hundert Jahren.
Das galt vor hundert Jahren ebenso wie heute.

Gas kostet aktuell weniger als zu Kriegsbeginn.
Gas kostete zu Kriegsbeginn mehr als jetzt.

Der persönliche Kontakt war damals noch wichtiger als heute.
Der persönliche Kontakt ist heute weniger wichtig als damals.

Ehrenamtliche Arbeit sei heutzutage noch wichtiger als in der Vergangenheit.

Es ist also möglich, Gegenwärtiges und Vergangenes zu vergleichen, ohne ggf. die Verbformen wiederholen zu müssen.

Ich wünsche auch dieses Jahr wie in vergangenen Jahren allen schöne Weihnachtstage!

Dr. Bopp

Gedankenstrich ist nicht gleich Gedankenstrich

Frage

Wie wird im folgenden Satz das finite Verb korrekt konjugiert (man beachte den Gedankenstrich)?

Umso wichtiger ist/sind eine gute Zusammenarbeit – und eine vertrauensvolle Basis.

In diesem Fall komme ich trotz Recherche in Fachliteratur nicht voran.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

die Verunsicherung entsteht tatsächlich durch den Gedankenstrich, der mehr als nur eine Funktion und Bedeutung haben kann. Ohne Gedankenstrich sollte das Verb im Plural stehen:

Umso wichtiger sind eine gute Zusammenarbeit und eine vertrauensvolle Basis.

Mit dem Gedankenstrich vor und kann das Verb in diesem Satz im Plural oder im Singular stehen, je nachdem welche Bedeutung und wie viel Gewicht man dem Gedankenstrich zumisst. Zum Beispiel:

Wenn der Gedankenstrich eine (einfache, effektvolle oder dramatische) Pause angibt, steht er sozusagen innerhalb der Satzstruktur, die danach weitergeführt wird. Das Verb steht entsprechend weiterhin im Plural:

Umso wichtiger sind eine gute Zusammenarbeit – und eine vertrauensvolle Basis.

Wenn der Gedankenstrich angibt, dass ein Nachtrag folgt (zum Beispiel so etwas wie ach ja, und …), kann das Verb auch im Singular stehen. Wählt man den Singular, wird die Satzstruktur nach Zusammenarbeit abgeschlossen. Danach folgt eine Ergänzung, die man, wenn man so will, als unvollständigen Satz interpretieren kann:

Umso wichtiger ist eine gute Zusammenarbeit – und eine vertrauensvolle Basis.

Mit dem Singular ist der Unterbruch, den der Gedankenstrich angibt, anders und stärker als mit dem Plural. An Ihnen die Wahl, was besser passt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Käme bleibt käme und hätte bleibt hätte – Was aus dem Konjunktiv II der direkten Rede in der indirekten Rede wird

Ein häufig wiederkehrendes Thema bei Fragen ist die indirekte Rede, genauer gesagt die Verwendung des Konjunktivs in der indirekten Rede. Eine Übersicht zu den gebräuchlichen Grundregeln und ein paar weiterführende Links sind  in diesem Blogartikel zu finden, der schon einige Jährchen auf dem Buckel hat. Ich nehme Herrn M.s Frage zum Anlass einen Sonderfall zu besprechen: Was passiert, wenn die indirekte Rede im Konjunktiv steht?

Frage

Wie lautet in Bezug auf Satz 1 die indirekte Rede?

Satz 1: Ich sagte: „Ich führe gern nach Portugal.“

Antwort

Guten Tag Herr M.,

in diesem Fall ist es eigentlich ganz einfach: Ein Konjunktiv II in der direkten Rede wird auch in der indirekten Rede als Konjunktiv II wiedergegeben.

Im Folgenden stehen ein paar Beispiele mit jeweils einem Satz d) in der direkten Rede, i1) in der indirekten Rede mit einem uneingeleiteten Nebensatz und i2) in der indirekten Rede mit einem dass-Satz:

d) Er sagte: „Ich käme auch mit, wenn ich Zeit hätte.“
i1) Er sagte, er käme auch mit, wenn er Zeit hätte.
i2) Er sagte, dass er auch mitkäme, wenn er Zeit hätte.

d) Sie behaupten: „Wir wären auch mitgekommen, wenn wir Zeit gehabt hätten.“
i1) Sie behaupten, sie wären auch mitgekommen, wenn sie Zeit gehabt hätten.
i2) Sie behaupten, dass sie auch mitgekommen wären, wenn sie Zeit gehabt hätten.

d) Sie erwidert „Niemand ist so klug, als dass er alles wüsste.“
i1) Sie erwidert, niemand sei so klug, als dass er alles wüsste.
i2) Sie erwidert, dass niemand so klug sei/ist, als dass er alles wüsste.

d) Du bemerktest trocken : „Das würde ich nicht tun.“
i1) Du bemerktest trocken, du würdest das nicht tun.
i2) Du bemerktest trocken, dass du das nicht tun würdest.

Für Ihren Satz heißt das also:

d) Ich sagte: „Ich führe gern nach Portugal“.
i1) Ich sagte, ich führe gern nach Portugal.
i2) Ich sagte, dass ich gern nach Portugal führe.

Da viele die Form führe für etwas veraltet halten, ginge hier auch:

d) Ich sagte: „Ich würde gern nach Portugal fahren“.
i1) Ich sagte, ich würde gern nach Portugal fahren.
i2) Ich sagte, dass ich gern nach Portugal fahren würde.

Es ist also so einfach, dass man kaum je darüber stolpert: Ein Konjunkiv II in der direkten Rede bleibt in der indirekten Rede ein Konjunktiv II. Dennoch gilt – wie meistens, wenn es um die die Verwendung des Konjunktivs im Deutschen geht –, dass sich nicht immer alle an diese „Regel“ halten.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp