Wortstellung: „außer du hast keine Zeit“

Frage

in LEOs deutsche Grammatik: 3.6.3.3.3 Modalsatz findet sich dieser Satz als Variante zu den Subjunktionen „außer dass“ und „außer wenn“:

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.

Beim Lesen dieses Satzes stutzte ich, denn der außer-Satz ist aufgrund der Verbstellung kein Nebensatz, sondern ein nebengeordneter Hauptsatz […] Aber in dieser Funktion wird sie in keiner mir vorliegenden Grammatik erwähnt. Die Konstruktion erinnert mich an ähnliche mit „weil“, die als umgangssprachlich gelten: „Wir sollten jetzt reingehen, weil es regnet ziemlich stark.“ […] Also scheint mir Ihr Beispielsatz eher aus dem umgangssprachlichen Bereich zu sein.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

für weil gilt tatsächlich, dass es standardsprachlich nur unterordnend verwendet werden sollte:

… weil es ziemlich stark regnet.
besser nicht: … weil es regnet ziemlich stark.

Das gilt nicht für außer. So schrieb zum Beispiel Erich Kästner diesen berühmten Satz:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Aber auch zum Beispiel in Grammis oder in den Wörterbüchern und der Grammatik von Duden finden sich Beispielsätze wie die folgenden (wobei keine stilistischen Angaben wie umgangssprachlich oder Ähnliches gemachtwerden):

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Morgen fahre ich in die Berge, außer das Wetter spielt nicht mit.

ich komme, außer es regnet, außer wenn es regnet;
Er muss zu dem Termin erscheinen, außer er ist wirklich krank.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Die Verwendung von außer mit dieser Wortstellung kommt also nicht nur in unserer Grammatik vor.

Es gibt somit vier verschiedene Möglichkeiten, mit Hilfe von außer Teilsätze miteinander zu verbinden:

außer dass
außer zu
außer wenn
außer

Dabei haben außer dass und außer zu die gleiche Bedeutung: ausgenommen dass.

Ich habe nichts erfahren können, außer dass sie abgereist ist.

Es gibt keinen Ausweg, außer dass wir ihn um Hilfe bitten.
Es gibt keinen Ausweg, außer ihn um Hilfe zu bitten.

Und das allein stehende außer hat die gleiche Bedeutung wie außer wenn: ausgenommen wenn.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Es gibt nichts Gutes, außer wenn man es tut.

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer wenn der Richter anders entscheidet.

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.
Wir kommen zu dir, außer wenn du keine Zeit hast.

Bei außer haben wir es also mit einem recht flexibel einsetzbaren Wörtchen zu tun. Und was hier beschrieben wird, ist noch nicht alles, wie dieser ältere Blogartikel zeigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gleiche Funktion, andere Wortstellung: denn ich bin / deshalb bin ich

Frage

Ich habe eine Frage zu den Konjunktionen „denn“ und „deshalb“. Die Konjunktion „denn“ leitet einen Hauptsatz ein. In der Regel steht das konjugierte Verb an zweiter Stelle.

Ich gehe schlafen, denn ich bin müde.

Mit „deshalb“ wird ebenfalls einen Hauptsatz eingeleitet. Jedoch folgt nach der Konjunktion das Verb und nicht das Personalpronomen:

Ich bin müde, deshalb gehe ich zu Bett.

Gibt es eine Erklärung, weshalb bei den genannten Konjunktionen die Syntax anders ist?

Antwort

Guten Tag Herr M.,

die beiden Wörter haben die gleiche oder eine ähnliche Funktion. Sie verbinden Sätze miteinander. Sie gehören aber nicht der gleichen Wortklasse an: denn ist eine Konjunktion, deshalb ist ein Konjunktionaladverb.

Nebenordnende Konjunktionen stehen zwischen den Teilsätzen die sie verbinden und gehören zu keinem von ihnen. Sie haben keinen Einfluss auf die Wortstellung des ihnen folgenden Hauptsatzes:

Ich gehe zu Bett.
Ich bin müde
→ Ich gehe zu Bett, denn ich bin müde.

Konjunktionaladverbien verbinden ebenfalls Sätze miteinander. Im Gegensatz zu den Konjunktionen gehören sie aber zu einem der beiden verbundenen Sätze. Wenn sie am Anfang des Satzes stehen, besetzen sie die erste Position im Satz. Unmittelbar darauf folgt dann also das Verb:

Ich bin müde.
Ich gehe zu Bett.
→ Ich bin müde, deshalb gehe ich zu Bett.

Wie andere Adverbien bzw. Adverbialbestimmungen können Konjunktionaladverbien auch im Innern des Teilsatzes stehen:

Ich bin müde.
Ich gehe zu Bett.
→ Ich bin müde; ich gehe deshalb zu Bett.

Sie können „sogar“ zusammen mit einer Konjunktion stehen:

→ Ich bin müde und deshalb gehe ich zu Bett.

Hier noch ein paar Beispiele:

Konjunktion damit:
Hilf mir bitte, damit ich mit der Arbeit fertig werde.

Konjunktionaladverb sonst:
Hilf mir bitte, sonst werde ich nicht mit der Arbeit fertig.
Hilf mir bitte, ich werde sonst nicht mit der Arbeit fertig.
Hilf mir bitte, denn sonst werde ich nicht mit der Arbeit fertig.

Konjunktion jedoch:
Es gibt also einen Unterschied, jedoch man muss ihn kennen.

Konjunktionaladverb jedoch:
Es gibt also einen Unterschied, jedoch muss man ihn kennen.
Es gibt also einen Unterschied, man muss ihn jedoch kennen.

Das letzte Beispiel zeigt, dass es auch Wörter gibt, die beide Rollen erfüllen können. Mehr zu dieser Frage finden Sie auf dieser Seite der LEO-Grammatik.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp