Mit oder ohne „es“: Sie konnte [es] sich aussuchen, wem …

Frage

Trotz intensiver Suche finde ich Internet keine Lösung. Ich schreibe:

Elisabeth konnte es sich aussuchen, wem sie ihre Gunst schenkt.

Verbessert wird der Satz:

Elisabeth konnte sich aussuchen, wem sie ihre Gunst schenkt.

Doch das klingt mir im Fluss des Satzes (und der Geschichte) nicht elegant, eher holprig. Habe ich Unrecht?

Antwort

Guten Tag Frau R.,

man kann hier sowohl mit als auch ohne es formulieren. Der mit wem beginnende Nebensatz ist ein Objektsatz, das heißt, er hat im Gesamtsatz die Funktion des Akkusativobjektes (wen oder was aussuchen?). Objektsätze können im übergeordneten Satz häufig fakultativ durch es vertreten sein (Korrelat). Damit ist gemeint, dass im übergeordneten Satz ein es steht, das den Objektnebensatz sozusagen ankündigt. Dieses es ist häufig fakultativ. Es kann, aber es muss nicht stehen (mehr dazu hier ).

Ein paar Beispiele:

Ich verstehe [es] gut, dass du heute keine Zeit hast.
Die meisten Menschen mögen [es] nicht, dass ihre Daten verkauft werden.
Wir bedauern [es], Sie enttäuschen zu müssen.
Ich weiß [es] nicht mehr, was sie genau gesagt hat.
Er konnte [es] nie vergessen, wie schlecht man ihn im Heim behandelt hatte.

Das gilt aber nicht immer. Manchmal kann kein Korrelat stehen. Zum Beispiel:

nicht: Die Polizei vermutet *es, dass der Dieb durch ein Fenster eingestiegen ist.
nicht: Wir beschlossen *es, noch nicht nach Hause zu gehen.

Ob ein Korrelat möglich ist, hängt vom Verb und seiner Bedeutung ab. Feste Regeln gibt es kaum, außer dass bei indirekter Rede und bei indirekten Fragen kein Korrelat stehen kann:

nicht: Er sagt *es, du habest das Geld gestohlen.
nicht: Sie fragt *es, wann ihr kommt.

Zurück zu Ihrer Frage: Das Verb sich aussuchen gehört zu den Verben, die mit einem Korrelat stehen können:

Nur die wenigsten Arbeitnehmenden können [es] sich aussuchen, ob sie länger arbeiten oder nicht.
Elisabeth konnte [es] sich aussuchen, wem sie ihre Gunst schenkt.

Siehe die Angaben im Wörterbuch zur Verbvalenz des IDS Mannheim, Stichwort aussuchen, Beispielsätze 8–11.

Beide Varianten sind korrekt. Wofür man sich entscheidet, ist vor allem eine Geschmacksfrage. Sie können in Ihrem Satz also wählen, was Ihnen besser zusagt. Ich hätte spontan ohne es formuliert, aber das ist, wie gesagt, Geschmackssache.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das ist es[?] nicht würdig, erwähnt zu werden

Auch Dr. Bopp ist nicht unfehlbar (das wussten Sie natürlich schon):

Frage

Bitte erläutern Sie mir die Satzkonstruktion Ihres Satzes

Das ist es nicht würdig, erwähnt zu werden

in diesem Artikel.

Das „es“ ist abhängig von „würdig“ und Akkusativ […], aber „würdig“ wird normalerweise mit dem Genitiv kombiniert. Der Genitiv von „es“ ist „seiner“ (was aber merkwürdig klingen würde). Kann „es“ auch der Genitiv von „es“ sein oder wird „würdig“ auch mit einem Akkusativ kombiniert? […]

Antwort

Guten Tag Herr S.,

das „es“ in „Das ist es nicht würdig, erwähnt zu werden“ ist ein Korrelat, das heißt, es ist ein Wort, das im übergeordneten Satz stellvertretend für die Infinitivgruppe „erwähnt zu werden“ steht. Die Wendung „würdig sein“ verlangt, wie Sie richtig bemerken, den Genitiv („jemandes/einer Sache würdig sein“). Das Korrelat für einen Nebensatz oder eine Infinitivgruppe mit der Funktion eines Genitivobjekts ist eigentlich „dessen“. Es müsste also heißen:

Das ist dessen nicht würdig, erwähnt zu werden.

Ein solches Korrelat im Genitiv ist aber sehr selten, denn es klingt sehr gehoben. Häufig wird deshalb statt a) einer Formulierung mit „dessen“ b) eine Konstruktion mit einem anderen Korrelat oder c) eine Konstruktion ohne ein Korrelat gewählt:

a) mit Korrelat „dessen“
b) mit anderem Korrelat
c) ohne Korrelat

a) Ich schäme mich dessen, dich nicht erkannt zu haben.
b) Ich schäme mich dafür, dich nicht erkannt zu haben.
c) Ich schäme mich, dich nicht erkannt zu haben.

a) Sie vergewisserte sich dessen, dass die Fenster geschlossen waren.
b) Sie vergewisserte sich davon, dass die Fenster geschlossen waren.
c) Sie vergewisserte sich, dass die Fenster geschlossen waren.

a) Das ist dessen nicht wert, erwähnt zu werden.
b) Das ist es nicht wert, erwähnt zu werden.
c) Das ist nicht wert, erwähnt zu werden.

Die Alternativen b) mit einem anderen Korrelat sind dann gut möglich, wenn es für die Konstruktion mit dem Genitiv auch standardsprachlich akzeptierte Varianten gibt. Das ist bei den Beispielen oben der Fall:

sich einer Sache schämen (dessen)
sich für etwas schämen (dafür)

sich einer Sache vergewissern (dessen)
sich von etwas vergewissern (davon)

einer Sache wert sein (dessen)
etwas wert sein (es)

Wie ist es nun beim Satz, den Sie zitieren?

a) Das ist dessen nicht würdig, erwähnt zu werden.
b) Das ist es nicht würdig, erwähnt zu werden. [?]
c) Das ist nicht würdig, erwähnt zu werden.

Während „etwas wert sein“ standardsprachlich akzeptiert ist, gilt dies für „etwas würdig sein“ (noch?) nicht. Deshalb hätte ich in einer Sprachrubrik besser nicht die Variante b) mit „es“, sondern die Variante c) ohne Korrelat verwendet. Obwohl ein schneller Blick in die Korpora zeigt, dass „es (nicht) würdig sein + Infinitivgruppe o. dass-Satz“ heute hin und wieder auch in standardsprachlichen Kontexten vorkommt, ist diese Konstruktion nicht oder noch nicht allgemein akzeptiert. Und warum nicht die Variante a) mit „dessen“? – Weil sie mir einfach zu gehoben oder veraltend klingt.

Bevor Sie nun vermuten, ich wolle mich mit vielen Worten herausreden, hier noch eine kurze Antwort: Die Formulierung mit „es“ ist bei „würdig“ standardsprachlich (noch?) nicht akzeptiert. Ich hätte besser „Das ist nicht würdig, erwähnt zu werden“ oder eine andere Formulierung verwendet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp