Wenn der Genitiv nicht passt: „mittels welches“

Frage

Ich hätte eine Frage zum Kasus bei Verwendung der Präposition „mittels“ und zur Deklination des Pronomens „welcher“. Der fragliche Satz lautet in etwa:

a) Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels welches der Sitz verstellt werden kann.
b) Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels welchen der Sitz verstellt werden kann.
c) Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels welchem der Sitz verstellt werden kann.

Die Präposition „mittels“ wird normalerweise mit dem Genitiv verwendet. Das wäre dann also „mittels welches“ oder „mittels welchen“ […] Zudem gibt es noch die Regel, dass der Dativ verwendet wird, wenn der Genitiv nicht erkennbar ist. Welche Formulierung ist nach Ihrer Ansicht richtig?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

das Relativpronomen welcher/welche/welches wird je nach der Form nur selten oder gar nicht im Genitiv verwendet. Selten ist die Verwendung der Genitivform welcher (Singular weiblich und Plural):

die Frau, welcher wir gedenken
(üblicher: deren/derer wird gedenken)
die Vorrichtungen, mittels welcher …
(üblicher: mittels deren/derer …)

Nicht gebraucht wird die Genitivform welches (Singular männlich und sächlich). Das gilt auch für die Genitivform welchen. Man weicht dann auf die Genitivform dessen von der/die/das aus:

der Mann, dessen wir gedenken
(nicht: welches o. welchen wir gedenken)
das Instrument, mittels dessen …
(nicht: mittels welches o. welchen …)

Es hier ist standarsprachlich nicht üblich, auf den Dativ auszuweichen (mittels welchem), da es die Möglichkeit gibt, dessen zu verwenden.

Für Ihren Satz bedeutet dies, dass Sie zum Beispiel wie folgt formulieren können:

Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mittels dessen der Sitz verstellt werden kann.
Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mit dem der Sitz verstellt werden kann.
Die Vorrichtung weist einen Hebel auf, mit welchem der Sitz verstellt werden kann

Dasselbe oder Ähnliches gilt auch für andere allein stehende Pronomen wie zum Beispiel dieser, keiner, jeder, alles.

nicht: Ich bediene mich dieses statt jenes.
sondern: Ich bediene mich dieser statt jener Sache.

nicht: Das kommt im Leben jedes vor.
sondern: Das kommt im Leben eines jeden / jedes Menschen vor.

nicht: das Beste alles
sondern: das Beste von allem

Das ist bei weitem nicht alles, was es zu diesem Thema zu sagen gäbe. Eine Schlussfolgerung dieses könnte sein – nein – eine Schlussfolgerung hieraus könnte sein: Wen wundert es, dass der Genitiv es manchmal schwer hat, wenn er sich so „zickig“ verhält!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das Wohlergehen eines Knirpses wie mir / wie meiner / wie ich?

Frage

Ich hätte wieder einmal eine (zumindest für mich grad sehr) knifflige Frage. Der Satz lautet:

Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses wie mir interessierte.

Hier tönt „wie mir“ für mich seltsam, aber „wie ich“ irgendwie auch. Was ist richtig?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

Die Frage ist nicht nur für Sie knifflig, sie tauch immer wieder auf. Auch ich habe keine einfache Antwort, die ich mit voller Überzeugung präsentieren kann.

In Formulierungen dieser Art kommt der Dativ wie mir zwar vor und er klingt auch gar nicht so falsch, aber er gilt hier standardsprachlich als nicht korrekt. In einer wie-Gruppe wie dieser gilt im Prinzip die Übereinstimmung im Kasus:

ein Knirps wie der kleine Schlingel
einen Knirps wie den kleinen Schlingel
einem Knirps wie dem kleinen Schlingel
eines Knirpses wie des kleinen Schlingels

ein Knirps wie ich/du/er/sie
einen Knirps wie mich/dich/ihn/sie
einem Knirps wie mir/dir/ihm/ihr

Und wie steht es in der zweiten Beispielgruppe mit dem Genitiv? – Wenn die wie-Gruppe sich auf ein Genitivattribut bezieht und kein Artikelwort enthält, steht sie im Nominativ, nicht im Genitiv. Das ist u. a. bei Eigennamen und Pronomen der Fall:

das Leben eines Knirpses wie ich (nicht: wie meiner, wie mir)

das Leben eines Bengels wie du (nicht: wie deiner, wie dir)
das Leben eines Mannes wie er (nicht: wie seiner, wie ihm)
das Leben einer Frau wie sie (nicht: wie ihrer, wie ihr)

das Leben eines Knirpses wie Leon (nicht: wie Leons)
das Leben einer Politikerin wie Thatcher (nicht: wie Thatchers)

Demnach muss es ist hier also heißen:

Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses wie ich interessierte.

Das klingt tatsächlich ein bisschen ungewohnt. Wenn Sie das „stört“, können Sie auf eine andere Formulierung ausweichen (das würde ich auch tun). Je nachdem was genau gemeint ist, ginge zum Beispiel:

Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen eines Knirpses, wie ich es war, interessierte.
Es war ein magischer Ort, wo man sich für das Wohlergehen des Knirpses, der ich war, interessierte.

Manche Fragen übersteigen auch das Sprachgefühl eines Linguisten wie ich – oder eben eines Linguisten, wie ich es bin.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wortstellung: „weil’s sich“ oder „weil sich’s“?

Frage

Können Sie mir sagen, warum es zwar eher „ich kann’s mir denken“ als „ich kann mir’s denken“ heißt, die Wortstellung allerdings nicht mehr der ursprünglichen ohne Verkürzung folgt, wenn „sich“ ins Spiel kommt wie in „er kann sich’s denken“? Liegt das nur an der etwas schwierigeren Aussprache oder gibt es hier eine Regel, die ich nur nicht finden konnte? Und wie steht es mit Beispielen, bei denen auf beiden Seiten „s“ zusammenstoßen wie in „besser schläft sich’s so“ bzw. „besser schläft’s sich so“? […]

Antwort

Guten Tag Frau S.,

eine feste Regel hierfür kenne ich nicht. Es ist aber tatsächlich so, dass es und seine Verkürzung ’s nicht ganz denselben Wortstellungsregeln folgen. Für es gilt, dass es als Akkusativobjekt oder als Subjekt vor anderen Objekten steht, wenn alle Wörter Pronomen sind:

Ich kann es mir denken.
Er kann es sich denken.
… weil es mir egal ist.
… weil es sich lohnt.
Besser schläft es sich so.

Die umgekehrte Reihenfolge ist unüblich.

Für die verkürzte Form ’s gilt, dass sie an der gleichen Stelle stehen kann wie es:

Ich kann’s mir denken.
Er kann’s sich denken.
… weil’s mir egal ist.
… weil’s sich lohnt.
Besser schläft’s sich so.

Die verkürzte Form kann auch nach dem Pronomen stehen:

Ich kann mir’s denken.
Er kann sich’s denken.
… weil mir’s egal ist.
… weil sich’s lohnt.
Besser schläft sich’s so.

Nicht alles ist aber gleich üblich. Es gelten die folgenden Tendenzen:

Wenn weder vor noch nach der Verkürzung ’s ein anderes s steht, ist die Wortstellung häufiger, die für es gilt:

Ich kann’s mir denken (vgl. ich kann es mir denken)
… weil’s mir egal ist (vgl. … weil es mir egal ist)

Wenn nach ’s ein anderes s steht, ist die Wortstellung häufiger, die dieses Zusammentreffen von zwei s vermeidet:

Er kann sich’s denken (statt: Er kann’s sich denken)
… weil sich’s lohnt (statt: … weil’s sich lohnt)

Wenn das wie im folgenden Satz nicht möglich ist, ist die Lage sozusagen unentschieden:

Besser schläft sich’s so / Besser schläft’s sich so.

Wenn vor ’s ein anderes s stehen würde, wird das Zusammentreffen von zwei s immer vermieden:

… dass mir’s egal ist. (nicht: dass’s mir egal ist)
… dass sich’s lohnt. (nicht: dass’s sich lohnt)
… dass sich’s so besser schläft (nicht: dass’s sich so besser schläft)

Welche Wortstellung für ’s in Kombination mit anderen Pronomen üblich oder üblicher ist, hängt also von zwei Kriterien ab: von der normalen Wortstellung mit es und – wie Sie richtig gesehen haben – von der unmittelbaren Nähe eines anderen s.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Überall ist auch die Schreibung ohne Apostroph möglich: kanns, weils, mirs, sichs.

Wenn Pronomen sich häufen: „entgegengesetzt zu denen dessen, der …“

Frage

Ich komme in einer Frage einfach nicht weiter. Ich fand folgende Formulierung:

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets entgegengesetzt waren zu denen dessen, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Ich bin eigentlich überzeugt, dass es heißen muss „entgegengesetzt zu denen desjenigen, der“, finde aber beim besten Willen den Grund nicht, warum nicht „dessen“ auch gehen könnte. Können Sie mir helfen?

Antwort

Guten Tag Frau L.,

eine Formulierung mit desjenigen wäre besser verständlich, aber dessen ist hier nicht falsch. Der Zweifel oder die Schwierigkeit entsteht dadurch, dass hier zwei Demonstrativpronomen und ein Relativpronomen aneinandergereiht werden: denen dessen, der. Gemeint ist damit ungefähr dies:

entgegengensetzt zu den Absichten des Menschen, der
entgegengensetzt zu den Absichten dessen, der
entgegengensetzt zu denen dessen, der

Eine solche Abfolge ist stilistisch insofern nicht sehr gelungen, als sie meist schwierig verständlich ist. Sie ist aber nicht ausgeschlossen:

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets entgegengesetzt waren zu denen dessen, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Hier noch ein paar Beispiele solcher Formulierungen:

Weil sich das Wesen des Fußballs weniger in den Geschichten seiner Helden offenbart als in denen derer, die an ihm gescheitert sind.

Im Grunde unterscheiden sich unsere Gefühle nicht stark von denen derer, die uns hier nicht wollen.

Terroir ist also nicht nur der „lokale Fingerabdruck“ in einem Wein, sondern auch der dessen, der ihn zum Ausdruck bringt.

Ein Werk, das uns unseren Tod und den derer, die wir lieben, zeigt

Die zwei Seelen in Liszts Brust – die des musikalischen Visionärs und die dessen, der geistigen Frieden suchte – verschmolzen schon früh einmal.

[E]r hat damit wirklich die Grenzen des musikalisch Möglichen erweitert und auch die dessen, was in einer Oper szenisch für angemessen gehalten wurde

die Geschichten der Menschen, die die Kleider gefertigt haben, und die derer, die sie tragen.

Diese Sätze sind, wie gesagt, nicht falsch. Die Beispiele zeigen aber (falls man die Enerige dafür aufbringen kann, sie zu lesen), dass sie nicht leicht verständlich sind. Es wäre deshalb m.M.n. häufig besser, anders zu formulieren. Zum Beispiel:

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets entgegengesetzt waren zu denen desjenigen, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets denen der Person entgegengesetzt waren, die die Bühne gerade verlassen hatte.

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets den Absichten desjenigen entgegengesetzt waren, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Wer gerne elegant gehoben formuliert, darf dies natürlich tun. Wer Mitleid mit den Lesenden hat, formuliert besser etwas „umständlicher“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn auch „alles“ passt: Und es waren alles/alle harte Taler

Frage

Ich stehe auf dem Schlauch bei einem Satz aus einem Übungsbuch:

Da fielen auf einmal die hellen Sterne vom Himmel und es waren alles harte Taler.

Hier ist „alles“ richtig, aber ich kann nicht erklären, warum es nicht „alle“ heißen muss, denn eigentlich sind es ja „alle Sterne, die sich in Taler verwandelt haben“. Mir hat jemand diese Frage gestellt […]

Antwort

Guten Tag Frau I.,

der sächliche Singular alles kann sich in Verbindung mit dem Verb sein (in Kopulasätzen) nicht nur auf ein sächliches Substantiv im Singular beziehen, sondern auch allgemeiner auf etwas, eine Gruppe usw. von gleich welchem Genus und Numerus. Das ist auch in Ihrem Beispielsatz der Fall:

Und es waren alle harte Taler.
Und alle waren harte Taler.
(= Alle gefallenen Sterne waren harte Taler)

Und es waren alles harte Taler.
Und alles waren harte Taler.
(ungefähr: Die Gesamtheit der gefallenen Sterne waren harte Taler)

Die Umschreibungen sind nicht sehr aussagekräftig und entsprechend auch nicht sehr hilfreich bei der Unterscheidung zwischen alle und alles. Am besten beschränken Sie sich bei der Erklärung darauf, dass die sächliche Form sich in Fällen wie diesen auch auf nicht Sächliches und nicht im Singular Stehendes beziehen kann. Weitere Beispiele:

Wir sind alles Menschen.
Es waren über hundert Personen und fast alles (waren) Deutsche.
Es waren alles schöne Geschäfte, die wir besucht haben.

Dies gilt übrigens auch für beides:

Zwei Sterne fielen vom Himmel und es waren beides harte Taler.
Wie sind beides Thüringer.
Die Corona-Pandemie und die Klimakrise sind beides globale Erscheinungen.

In den meisten Fällen ist auch die „normale“ Form mit Übereinstimmung in Numerus und Genus möglich:

Wir sind alle Menschen.
… und fast alle waren Deutsche.
… und es waren beide harte Taler.
Wir sind beide Thüringer.

Kurzum: In Kopulasätzen mit sein können die sächlichen Formen alles und beides mit Substantiven jeglicher Art kombiniert werden. Deshalb waren die gefallenen Sterne im Märchen ganz korrekt alles harte Taler.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Warum es zu unser aller Bestem und nicht zu unser aller Besten ist

Frage

Eine Freundin und ich sind uns unsicher, wie es richtig heißen muss: „Das ist zu unser aller Bestem“ oder „Das ist zu unser aller Besten“? Unser Tipp ist, dass „unser aller Bestem“ korrekt ist, da man hier ja […] den Dativ verwendet.

Antwort

Guten Tag Herr U.,

richtig ist hier tatsächlich:

zu unser aller Bestem

Ein (substantiviertes) Adjektiv wird schwach gebeugt, wenn ein Artikelwort vor ihm steht, dessen Endung den Fall schon angibt:

das Beste für uns alle
zum (= zu dem) Besten der Kinder
zu unserem Besten

Ein (substantiviertes) Adjektiv wird stark gebeugt, wenn kein Artikelwort vor ihm steht, dessen Endung den Fall schon angibt:

nichts Bestes
für dein Bestes
zu Susannes Bestem

Das bringt uns zum Unterschied zwischen zu unserem Besten und zu unser aller Bestem:

Im Gegensatz zu unserem ist die Wendung unser aller kein Possessivartikel. Es ist der Genitiv von wir alle:

Nom.: wir alle
Akk.: uns alle
Dat.: uns allen
Gen.: unser aller

Als solches ist es ein Genitivattribut zum substantivierten Adjektiv Bestes:

zu wessen Bestem?
zum Besten aller
zum Besten unser aller

Wenn ein Genitivattribut vorangestellt wird, fällt der Artikel weg (hier: zum → zu). Es steht dann kein gebeugtes Artikelwort mehr vor dem substantivierten Adjektiv, so dass die starken Endungen zum Zug kommen:

unser aller Bestes
für unser aller Bestes

Also auch im Dativ:

zu unser aller Bestem

wie zum Beispiel auch:

zu Susannes Bestem
zu Herrn U.s Bestem

Mehr zu unser aller und unser beider finden Sie in diesem (nicht mehr ganz taufrischen) Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Nicht immer kann „es“ am Anfang stehen: *Es machen sie sich gemütlich

Frage

Ich beschäftige mich zurzeit mit der Redewendung „es sich gemütlich machen“. Dabei geht es mir um die Klärung des Pronomens „es“. Welche syntaktische Funktion übt „es“ aus? Und warum kann „es“ nicht das Vorfeld besetzen? Beispielsatz:

Sie machen es sich gemütlich zu Hause.

Aber nicht akzeptabel:

* Es machen sie sich gemütlich zu Hause.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

das Wörtchen es hat einige besondere Eigenschaften, die eine schnelle und einfache Einordnung nicht immer einfach machen. Hier ist es allerdings nicht so kompliziert – wenn man es einmal weiß.

In der Wendung es sich gemütlich machen ist es ein formales Akkusativobjekt, das heißt, es hat im Satz die Funktion eines formalen Akkusativobjekts. Nur formal ist es deshalb, weil es keine eigentliche Bedeutung hat. Diese Funktion hat es auch in anderen festen Wendungen wie zum Beispiel es eilig haben, es jemandem angetan haben, es gut mit jemandem meinen. (Eine Übersicht darüber, was es alles sein kann, finden Sie auf dieser Seite in der LEO-Grammatik.)

Dieses es kann tatsächlich nicht am Satzanfang vor dem Verb (im Vorfeld) stehen. Das gilt immer, wenn es die Funktion eines Akkusativobjekts oder Prädikativs hat:

Siehst du das Haus? – NICHT: *Es haben wir gekauft.
Ich kenne das Spiel gut. – NICHT: *Es spiele ich gern.

Anna ist Anwältin. – NICHT: *Es ist Petra auch.
Ihr seid bestimmt müde. – NICHT: *Es sind wir auch.

Um einen korrekten Satz zu erhalten, muss man entweder das statt es verwenden oder die Wortfolge ändern.

Das Pronomen es kann auch dann nicht im Vorfeld stehen, wenn es ein formales Akkusativobjekt ist:

NICHT: *Es haben wir eilig.
NICHT: *Es machen sie sich gemütlich zu Hause.

Hier kann nicht einmal durch das ersetzt werden, so dass nur die Umstellung möglich ist.

Das Pronomen es kann vor allem als Subjekt, als formales Subjekt oder als sogenanntes Platzhalter-es oder im Vorfeld stehen:

Siehst du das Haus? – Es gehört uns.
Es regnet.
Es freut uns, dass ihr kommen wollt.
Es wurden viele Exemplare verkauft.

Die Erklärung dafür, warum genau es als Akkusativobjekt oder Prädikativ nicht im Vorfeld stehen darf, kann ich so schnell leider nicht finden. Hoffentlich habe ich es abgesehen davon gut erklärt (nicht: *Es habe ich abgesehen davon hoffentlich gut erklärt). Was sonst noch alles im Vorfeld stehen kann oder eben nicht, finden Sie auf dieser Seite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eine bessere Version unser/unserer selbst – unser oder unserer?

Frage

Einerseits heißt es „eine bessere Version von uns selbst werden“. Wenn man andererseits den von-Dativ nicht verwenden möchte, heißt es dann im Genitiv richtig „eine bessere Version unser selbst werden“ oder „eine bessere Version unserer selbst werden“? […]

Antwort

Guten Tag Herr B.,

der Genitiv des Personalpronomens wir ist unser. Der Genitiv von wir selbst lautet enstprechend unser selbst:

eine bessere Version unser selbst werden

Auch die Genitivform euer des Personalpronomens der zweiten Person Mehrzahl führt häufiger zu Zweifeln:

eine bessere Version euer selbst werden

Andere Formulierungen mit den Genitivformen unser bzw. euer:

Wir müssen uns stärker unser selbst bewusst werden.
ein Medium, durch das wir unser selbst gewahr werden können
Werdet ihr euer selbst nicht überdrüssig?

Neben unser und euer kommen auch die Formen unserer/unsrer und euerer/eurer vor:

eine bessere Version uns[e]rer selbst werden
eine bessere Version eu[e]rer selbst werden
Wir müssen uns stärker uns[e]rer selbst bewusst werden.
Werdet ihr eu[e]rer selbst nicht überdrüssig?

Auch ohne selbst:

Erbarmt euch unser/uns[e]rer!
Sie werden sich euer/eu[e]rer annehmen.

Siehe auch die Angaben zur Flexion der Personalpronomen in der LEO-Grammatik.

Die Formen uns[e]rer und eu[e]rer sind eigentlich Genitivformen der Possessive unser und euer; vgl.:

das Haus uns[e]rer Freunde
das Alter eu[e]rer Kinder

Obwohl uns[e]rer und eu[e]rer auch in standardsprachlichen Texten als Personalpronomen vorkommen, werden sie nicht von allen als korrekt akzeptiert. Sie haben sich wahrscheinlich deshalb (beinahe) etablieren können, weil die gebeugten Formen unser und euer des Personalpronomens irgendwie endungslos wirken. Sie sind ja mit den ungebeugten Formen unser und euer des Possesivs identisch; vgl.:

unser Freund
euer Kind

Der vermeintlichen Endungslosigkeit wird dann abgeholfen, indem man wie beim Possessiv eine Genitivendung -er anfügt, obwohl das Personalpronomen bereits eine Genitivendung -er hat:

eine bessere Version uns[e]rer selbst
eine bessere Version eu[e]rer selbst

Die Gentivformen der Personalpronomen wir und ihr kommen selten vor, weil viele zweifeln – oder viele zweifeln, weil die Formen selten vorkommen. Sie klingen auch recht gehoben. Wie dem auch sei, häufig werden Formulierungen dieser Art vermieden. Auch ich verwende die Genitivformen unser und euer nie. Und damit sind wir wieder ganz am Anfang Ihrer Frage:

eine bessere Version von uns selbst werden
Habt Erbarmen mit uns!
Sie werden sich um euch kümmern.

Wahre Anhänger und Anhängerinnen des Genitivs werden hier aber trotz Seltenheit, eventueller Zweifel und formaler Gehobenheit Formulierungen mit unser und euer verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Sie“ und „er“ sind nicht immer eindeutig, aber trotzdem meist verständlich

Frage

In Sidos Song „Augen auf“ gibt es eine Zeile, die wie folgt lautet:

Jenny war so niedlich als sie sechs war. Doch dann bekam Mama ihre kleine Schwester. Jetzt war sie nicht mehr der Mittelpunkt.

Wir haben uns kürzlich gefragt, ob die Pronomen so stimmen. „Jennys Mutter bekam ihre Schwester“ – aus dem Kontext ist klar, was gemeint ist, aber bezieht sich „ihre“ nicht auf „Mutter“ anstatt auf „Schwester“? Wäre „Jennys Mutter bekamen deren kleine Schwester“ korrekt?

Dann auch beim Satzanschluss „Jetzt war sie nicht mehr der Mittelpunkt”: Bezieht sich das „sie“ nicht auch auf die Mutter? Wie könnte man deutlich machen, dass man sich auf Jenny bezieht?

Antwort

Guten Tag Herr F.,

Pronomen wie Personal- und Possessivpronomen beziehen sich auf etwas, das vorher oder seltener nachher genannt wird. Häufig gibt es rein formal mehr als ein mögliches Bezugswort, das heißt, es kann mehr als ein Wort geben, das in Genus und Numerus mit dem Pronomen übereinstimmt. Dann ergibt sich aus dem Kontext oder der Bedeutung der Wörter, auf welches dieser möglichen Bezugswörter sich das Pronomen bezieht. Das Bezugswort muss nicht das am nächsten stehende mögliche Wort sein. Einige Beispiele:

Der Mann suchte seinen Laptop vergebens. Er hatte ihn zu Hause vergessen.
(er = der Mann)

Der Mann suchte seinen Laptop vergebens. Er lag noch zu Hause.
(er = der Laptop)

Die Lehrerin sagte zur Schülerin, sie sei mit ihren Leistungen zufrieden.
(sie = die Lehrerin; ihren = des Mädchens)

Die Lehrerin ermahnte die Schülerin, sie solle ihr besser zuhören.
(sie = die Schülerin; ihr = der Lehrerin)

In den meisten Fällen ergibt sich aus dem Kontext, den Wortbedeutungen und/oder unserer allgemeinen Kenntnis, was gemeint ist. Wenn dem nicht so ist, sollte man umformulieren. Manchmal hilft dabei deren/dessen, sonst muss das Wort wiederholt oder eine Umschreibung gewählt werden (zum Beispiel mit einem Synonym oder einem Oberbegriff).

Den Songtext, um den es Ihnen geht, halte ich für eindeutig. Es ist deutlich, dass Mama nicht ihre eigene kleine Schwester, sondern Jennys kleine Schwester bekam. Dadurch wurde nicht die Mutter, sondern Jenny aus dem Mittelpunkt verdrängt. Das ergibt sich unter anderem daraus, dass wir wissen, dass ein erstes Kind bei der Geburt eines zweiten Kindes häufig so empfindet.

Wenn Sie den Text doch noch präziser formulieren möchten, könnten Sie zum Beispiel wie folgt vorgehen:

Jenny war so niedlich als sie sechs war. Doch dann bekam Mama deren kleine Schwester. Jetzt war Jenny nicht mehr der Mittelpunkt.

Jenny war so niedlich als sie sechs war. Doch dann bekam Mama Jennys kleine Schwester. Jetzt war das Mädchen nicht mehr der Mittelpunkt.

Das führt aber zu einem wenig eleganten Text und ist, wie gesagt, nicht nötig.

Pronomen drücken rein formal nicht immer eindeutige Beziehungen aus. Sie müssen sich nicht zum Beispiel auf das ihnen am nächsten stehende Wort beziehen, das in Genus und Numerus mit ihnen übereinstimmt. Wenn es mehr als ein mögliches Bezugswort gibt, erschließt sich der Bezug meist aus dem Kontext, der Wortbedeutung und/oder unserer Kenntnis der Welt. Nur wenn dies nicht der Fall ist, muss anders formuliert werden.

Ist es nicht erstaunlich, mit wie viel formaler Uneindeutigkeit wir problemlos umgehen können?!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp