Wortstellung: „außer du hast keine Zeit“

Frage

in LEOs deutsche Grammatik: 3.6.3.3.3 Modalsatz findet sich dieser Satz als Variante zu den Subjunktionen „außer dass“ und „außer wenn“:

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.

Beim Lesen dieses Satzes stutzte ich, denn der außer-Satz ist aufgrund der Verbstellung kein Nebensatz, sondern ein nebengeordneter Hauptsatz […] Aber in dieser Funktion wird sie in keiner mir vorliegenden Grammatik erwähnt. Die Konstruktion erinnert mich an ähnliche mit „weil“, die als umgangssprachlich gelten: „Wir sollten jetzt reingehen, weil es regnet ziemlich stark.“ […] Also scheint mir Ihr Beispielsatz eher aus dem umgangssprachlichen Bereich zu sein.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

für weil gilt tatsächlich, dass es standardsprachlich nur unterordnend verwendet werden sollte:

… weil es ziemlich stark regnet.
besser nicht: … weil es regnet ziemlich stark.

Das gilt nicht für außer. So schrieb zum Beispiel Erich Kästner diesen berühmten Satz:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Aber auch zum Beispiel in Grammis oder in den Wörterbüchern und der Grammatik von Duden finden sich Beispielsätze wie die folgenden (wobei keine stilistischen Angaben wie umgangssprachlich oder Ähnliches gemachtwerden):

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Morgen fahre ich in die Berge, außer das Wetter spielt nicht mit.

ich komme, außer es regnet, außer wenn es regnet;
Er muss zu dem Termin erscheinen, außer er ist wirklich krank.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Die Verwendung von außer mit dieser Wortstellung kommt also nicht nur in unserer Grammatik vor.

Es gibt somit vier verschiedene Möglichkeiten, mit Hilfe von außer Teilsätze miteinander zu verbinden:

außer dass
außer zu
außer wenn
außer

Dabei haben außer dass und außer zu die gleiche Bedeutung: ausgenommen dass.

Ich habe nichts erfahren können, außer dass sie abgereist ist.

Es gibt keinen Ausweg, außer dass wir ihn um Hilfe bitten.
Es gibt keinen Ausweg, außer ihn um Hilfe zu bitten.

Und das allein stehende außer hat die gleiche Bedeutung wie außer wenn: ausgenommen wenn.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Es gibt nichts Gutes, außer wenn man es tut.

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer wenn der Richter anders entscheidet.

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.
Wir kommen zu dir, außer wenn du keine Zeit hast.

Bei außer haben wir es also mit einem recht flexibel einsetzbaren Wörtchen zu tun. Und was hier beschrieben wird, ist noch nicht alles, wie dieser ältere Blogartikel zeigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was ist besser: „mit nach Hause nehmen“ oder „nach Hause mitnehmen“?

Frage

Neulich wurde mir folgender Satz gesagt: „Ich nehme das Buch nach Hause mit.“ Ich würde in diesem Fall sagen: „Ich nehme das Buch mit nach Hause.“ Welcher der beiden Sätze wäre zu bevorzugen?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

beide Formulierungen sind möglich und richtig. Was ist der Unterschied? Es geht hier rein grammatisch betrachtet um zwei unterschiedliche Konstruktionen, die (fast) die gleiche Bedeutung haben.

Die erste Konstruktion wird mit dem Verb mitnehmen und der Adverbialbestimmung nach Hause gebildet:

nach Hause mitnehmen
Ich nehme das Buch nach Hause mit.
Ich will das Buch nach Hause mitnehmen.
Ich habe das Buch nach Hause mitgenommen.

Die zweite Konstruktion wird mit dem Verb nehmen und der komplexen Adverbialbestimmung mit nach Hause gebildet:

mit nach Hause nehmen
Ich nehme das Buch mit nach Hause.
Ich will das Buch mit nach Hause nehmen.
Ich habe das Buch mit nach Hause genommen.

Ähnlich zum Beispiel auch:

in seine Heimat zurückfahren
zurück in seine Heimat fahren

auf den Turm hinaufsteigen
hinauf auf den Turm steigen

ins Tal hinunterführen
hinunter ins Tal führen

Die beiden Konstruktionen sind jeweils eng miteinander verwandt. Genaueres dazu kann ich so schnell nicht finden (eine gründlichere Untersuchung wäre bestimmt interessant). Sie scheinen dann möglich zu sein, wenn eine Richtung angegeben wird und ein selbständiges Adverb beteiligt ist, das auch Teil eines trennbaren Verbs sein kann (hinauf, hinunter, mit, zurück u.a.m.).

Und nun endlich zu Ihrer eigentlichen Frage: Beide Formulierungen sind korrekt. Es gibt keine Richtlinie, was zu bevorzugen ist. Sie können also wählen, was Ihnen im jeweils gegebenen Zusammenhang besser zusagt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wusste der Onkel nicht mehr, wo er war oder wo er ist?

Frage

Mich quält seit einiger Zeit die Frage, wie der folgende Satz eigentlich richtig lautet:

Mein Onkel war verwirrt, er wusste gestern nicht mehr, wo er war.

Oder müsste es wie folgt heißen:

Mein Onkel war verwirrt, er wusste gestern nicht mehr, wo er ist.

Ich denke, ich würde es spontan vielleicht sogar richtig sagen, doch sobald man anfängt über etwas nachzudenken, geht es nicht mehr.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

es gibt im Deutschen kaum feste Regeln zur Abfolge der Zeiten. Vieles ist möglich. Welche Zeitform man in Ihrem Beispiel wählt, hängt unter anderem davon ab, ob ein Gegenwartsbezug besteht oder nicht.

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er ist.

Hier wird ein deutlicher Gegenwartsbezug hergestellt. Der Onkel ist zum Sprechzeitpunkt immer noch an demselben Ort, an dem er auch gestern war (und normalerweise ist).

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er war.

Hier wird kein Gegenwartsbezug hergestellt. Es wird nichts darüber ausgesagt, ob der Onkel zum Sprechzeitpunkt noch am gleichen Ort wie gestern ist oder ob er jetzt an einem anderen Ort ist. Was zutrifft, ergibt sich (wenn es überhaupt wichtig ist) aus dem weiteren Zusammenhang. Zum Beispiel:

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er war, aber jetzt ist er wieder zu Hause und nicht mehr verwirrt.

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er ist/war, aber jetzt erkennt er sein Zimmer wieder.

Das Präteritum wusste im Hauptsatz und das Verb sein in Nebensatz machen die Wahl für war in diesem Satz wahrscheinlicher. Falsch ist ist aber nicht. Vgl. zum Beispiel:

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er wohnt.
Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er wohnte.

Hier sind sogar noch weitere Zeitverhältnisse denkbar. Welche Zeitform man in solchen Fällen wählt, ist also eine Frage, die sich oft nicht so einfach und eindeutig beantworten lässt. Wichtig für das genaue Verständnis ist nicht unbedingt die gewählte Zeitform, sondern – wie so oft – der engere und weitere Zusammenhang.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Vorteil, seinem Herzen zu folgen?

Frage

Ist die Kommasetzung bei diesem Infinitivsatz korrekt: „Ein großer Vorteil, seinem Herzen zu folgen, ist die Leidenschaft im Beruf.“ Müssen die Beistriche hier so gesetzt werden?

Antwort

Wenn man den Satz so formuliert, müssen die Kommas vor und nach der Infinitivgruppe gesetzt werden. Es handelt sich um einen Infinitivsatz, der vor einem Substantiv abhängig ist und der als solcher durch Kommas abgetrennt werden muss:

Ein großer Vorteil, seinem Herzen zu folgen, ist ein erfüllteres Leben.

Ich finde allerdings, dass der Satz so „klemmt“. Woran liegt das? – Wenn ein Infinitivsatz (oder dass-Satz) von Vorteil oder Nachteil abhängig ist, drückt er aus, was der Vorteil bzw. Nachteil ist:

Die Firma hat damit den Vorteil, sich ein gutes Bild von zukünftigen Auszubildenden machen zu können.
Die Apple-Geräte haben den Vorteil, dass sie miteinander kommunizieren.

In Ihrem Satz ist aber seinem Herzen zu folgen nicht der Vorteil selbst, sondern das, was einen Vorteil hat. Der eigentliche Vorteil ist ein erfüllteres Leben. Man kann deshalb besser anders formulieren:

Ein großer Vorteil dessen/davon, seinem Herzen zu folgen, ist ein erfüllteres Leben.
Ein großer Vorteil dessen/davon, dass man seinem Herzen folgt, ist ein erfüllteres Leben.
Ein großer Vorteil, wenn man seinem Herzen folgt, ist ein erfüllteres Leben.
Seinem Herzen zu folgen bringt den Vorteil, ein erfüllteres Leben zu haben.

Nochmals: Der Vorteil ist nicht, dass man seinem Herzen folgt, sondern ein erfüllteres Leben. Vielleicht ist das ein bisschen spitzfindig, aber wenn Sie mit mir einig sind, dass der Satz „klemmt“, wissen Sie nun warum.

Ein Nachteil, so zu formulieren, ist ein seltsamer Satz.
Ein Vorteil, wenn man so formuliert, ist ein besser formulierter Satz.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Braucht man diese Form: Konjunktiv II Futur II Zustandspassiv („würde geöffnet gewesen sein“)?

Falls Sie komplizierte Verbformen mögen, hier noch einmal das Passiv im Futur, aber diesmal das Zustandspassiv im Konjunktiv II.

Frage

Ist es richtig, dass Konjunktiv II-Formen im Futur beim Zustandspassiv aus semantischer Sicht nicht unbedingt Sinn machen?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

wenn ich Sie richtig verstehe geht es um die die Formen des Konjunktivs II Futur I und Futur II im Zustandspassiv. Für die Beispielverben öffnen und erledigen sehen diese Formen so aus:

Futur I Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet sein
würde erledigt sein

Futur II Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet gewesen sein
würde erledigt gewesen sein

Die Frage ist nun nicht so sehr, ob die diese Konjunktivs-II-Formen Sinn machen oder nicht. Der Konjunktiv II hat in der Regel keine ganz bestimmte Bedeutung. Er ist vielmehr an bestimmte Satzarten gebunden (siehe hier). So hat der Konjunktiv II Futur meist nichts mit Zukunft zu tun. Die Frage lautet deshalb meiner Meinung nach eher, ob solche Formen verwendet werden.

In vielen Fällen sind die Formen, um die es hier geht, stilistisch zweifelhaft. Man verwendet in der Regel nicht die würde-Formen, sondern die einfachen Konjunktiv-II-Formen.

Also besser nicht:

Wenn die Tür geöffnet sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt sein würde

Wenn die Tür geöffnet gewesen sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen sein würde

Ach, wenn die Tür nur geöffnet sein würde!

Würde die Aufgabe nur schon erledigt gewesen sein!

sondern:

Wenn die Tür geöffnet wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt wäre

Wenn die Tür geöffnet gewesen wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen wäre

Ach, wenn die Tür nur geöffnet wäre!

Wäre die Aufabe nur schon erledigt gewesen!

Ausgeschlossen sind die Formen aber nicht, zum Beispiel als Zukunft in der Vergangenheit:

Noch war die Tür geschlossen, aber bald würde sie geöffnet sein.
Ich glaubte damals nicht, dass die Aufgabe bald erledigt sein würde.

Noch war der Eingang offen, aber bald würde die Tür [nicht mehr geöffnet sein, sondern] geöffnet gewesen sein.
Wir hatten erwartet, dass die Aufgabe bei der nachträglichen Kontrolle bereits erledigt gewesen sein würde.

Inwieweit vor allem die letzten Formen (Konjunktiv II Futur II) in der Sprachrealität wirklich häufig vorkommen, sei hier dahingestellt. Nicht alles was möglich ist, kommt auch regelmäßig vor. Das Risiko, dass man bei solchen komplexen Formen den Faden verliert, ist sehr groß. Außerden ergibt sich die konkrete Bedeutung im Deutschen oft stärker aus dem Kontext als aus den verwendeten Verbformen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Feste Zeiten, an/in/während/zu denen …“ – manchmal ist vieles möglich

Frage

Eine Frage zu einer Präposition: „Ich möchte feste Zeiten einführen, in denen ich online bin.“ Die Präposition „in“ scheint mir fragwürdig. Wäre „zu“ nicht besser?

Antwort

Guten Tag Herr L.,

Die Antwort auf diese Frage ist wahrscheinlich unbefriedigend für diejenigen, die eindeutige und klare Verhältnisse mögen. Für alle anderen mag es schön sein, zu sehen, wie viel Freiheit uns die Sprache lässt. Für diese Formulierungen kommen nämlich (mindestens) vier Formulierungen in Frage:

feste Zeiten, in denen ich online bin
feste Zeiten, zu denen ich online bin
feste Zeiten, an denen ich online bin

Bei der vierten Variante sollte man allerdings standarsprachlich nicht (wie es oben im Titel der Einfachheit halber geschehen ist) den Dativ denen, sondern den Genitiv derer wählen:

feste Zeiten, während derer ich online bin

Gibt es dabei Unterschiede? Eigentlich nur Folgendes: Wenn es um einen Zeitpunkt oder verschieden Zeitpunkte geht, drängt sich eher an oder zu auf als in:

feste Zeiten, an denen sie aufstehen
feste Zeiten, zu denen sie aufstehen
(feste Zeiten, in denen sie aufstehen)

Wirklich ausgeschlossen ist in aber nicht. Die Präposition während hingegen ist nur bei Angaben einer Zeitdauer möglich. Sie klingt (wegen des Genitivs?) auch ein bisschen gehobener also an, in und zu.

Im Übrigen werden diese Präpositionen bei Angaben dieser Art bunt gemischt, ohne dass dabei wesentliche Anwendungs- oder Bedeutungsunterschiede zu erkennen sind. Dazu, ob es eventuell regionale Unterschiede gibt, konnte ich so schnell nichts finden. Im persönlichen Sprachgebrauch gibt es aber bestimmt Vorlieben und Abneigungen, wie Ihre Frage zeigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Schließt die Hexe Rapunzel im Turm oder in den Turm ein?

Frage

Schreibt man: „Der Turm , in dem die Hexe Rapunzel einsperrt, liegt im Wald“, oder: „Der Turm, in den die Hexe Rapunzel einsperrt, liegt im Wald“? Ist die Standortangabe statisch oder dynamisch zu betrachten – oder ist vielleicht beides möglich?

Antwort

Guten Tag Herr J.,

bei einsperren kann nach in sowohl der Dativ als auch der Akkusativ stehen.

im Turm einsperren
in den Turm einsperren

Im Prinzip verbindet man die sogenannten Wechselpräpositionen mit dem Dativ, wenn etwas Statisches gemeint ist, und mit dem Akkusativ, wenn etwas Dynamisches gemeint ist:

Ich liege in der Sonne.
Ich lege mich in die Sonne.

Ganz so einfach, wie diese Grundregel es beschreibt, ist es allerdings nicht immer. Bei vielen Verben ist nämlich sowohl eine „statische“ als auch eine „dynamische“ Sichtweise üblich. Zu diesen Verben gehört das Verb einsperren. Man kann angeben, wo das Einsperren stattfindet, und den Dativ nehmen. Man kann auch angeben, wohin der, die oder das Einzusperrende gebracht wird, und den Akkusativ wählen. Beide Sichtweisen sind hier üblich:

Die Hexe sperrt Rapunzel in einem Turm ein.
Die Hexe sperrt Rapunzel in einen Turm ein.

der Turm, in dem die Hexe Rapunzel einsperrt
der Turm, in den die Hexe Rapunzel einsperrt

Hier noch ein paar Verben, bei denen beide Sichtweisen gebräuchlich sind:

Schließen Sie Ihre Wertsachen im Safe ein!
Schließen Sie Ihre Wertsachen in den Safe ein!

alle Namen in der Liste eintragen
alle Namen in die Liste eintragen

den Fernseher an der Wand montieren
den Fernseher an die Wand montieren

Ziemlich abstrakt gesagt geht es hier um Verben, bei denen der Ort, an dem die Handlung stattfindet, und der Ort, der das Ziel der Handlung ist, derselbe Ort ist.

Wo ist Rapunzel, wenn sie eingesperrt wird? – Im Turm.
Wohin wird Rapunzel gebracht, um sie einzusperren? – In den Turm.

Es gibt (leider?) keine feste Regel, bei welchen Verben beide Sichtweisen üblich sind, das heißt, bei welchen Verben der Anschluss mit sowohl dem Dativ als auch dem Akkusativ möglich ist.

Mehr zu diesem Thema und weitere Beispiele finden Sie in einem anderen, schon ziemlich in die Jahre gekommenen → Blogartikel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Vergleiche mit „als“ und „wie“ im Nachfeld

Frage

Was ist richtig?

Ich finde, dass Kinder mehr als Eltern fernsehen.
Ich finde, dass Kinder mehr fernsehen als Eltern.

Antwort

Guten Tag Frau D.,

beide Sätze sind korrekt. Im Prinzip steht in einem Nebensatz die konjugierte (finite) Verbform ganz am Schluss. Das ist in diesem Satz fernsehen:

dass Kinder fernsehen.
dass Kinder viel zu viel fernsehen.
dass Kinder zusammen mit ihren Eltern fernsehen.

Zu dieser an und für sich sehr starken Regel gibt es – wie könnte es auch anders sein! – ein paar Ausnahmen. Eine davon betrifft Ihren Beispielsatz.

In Vergleichen wird der mit als oder wie eingeleitete Satzteil sehr häufig ganz an den Schluss ins sogenannte Nachfeld gesestzt:

Ich finde, dass Kinder mehr fernsehen als Eltern.
Sie ist gestern schneller gelaufen als je zuvor.
Hast du die Aufgabe gleich gelöst wie ich?
… weil die Firma doppelt so viel Gewinn gemacht hat wie im letzten Jahr.

Die Stellung im Mittelfeld ist allerdings auch möglich:

Ich finde, dass Kinder mehr als Eltern fernsehen.
Sie ist gestern schneller als je zuvor gelaufen.
Hast du die Aufgabe gleich wie ich gelöst?
… weil die Firma doppelt so viel Gewinn wie im letzten Jahr gemacht hat.

Siehe auch die Angaben zum sogenannten Nachfeld in der LEO-Grammatik.

Die Vergleichsgruppe mit als oder wie wird häufig deshalb ins Nachfeld gestellt, weil der Satz so leichter verständlich ist. Das sieht man vor allem bei längeren Sätzen. Vgl.:

Dieser Artikel soll zeigen, dass Vergleichsgruppen mit als und wie häufiger im Nachfeld als vor der rechten, abschließenden Satzklammer stehen.

Dieser Artikel soll zeigen, dass Vergleichsgruppen mit als und wie häufiger im Nachfeld stehen als vor der rechten, abschließenden Satzklammer.

Es lässt sich allerdings meistens darüber diskutieren, welche Variante wirklich leichter verständlich ist…

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wie man es zu tun hat und wie es zu tun ist: haben oder sein + zu + Infinitiv

Frage

Ich hätte eine Frage zu diesen Sätzen:

Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.
Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.

Warum steht im zweiten Satz „haben + zu + Inf.“ und nicht „sein + zu + Inf.“? Ich habe noch andere Beispielsätze gefunden für dieses „haben + zu + Inf.“:

Jedes Hantieren an Einrichtungen des Bades hat zu unterbleiben.
Die Besucher haben für alle Schäden und Verunreinigungen aufzukommen.

Antwort

Guten Tag Herr T.,

die Konstruktionen ‚haben + zu + Infinitiv‘ und ‚sein + zu + Infinitiv‘ haben sehr ähnliche Bedeutungen. Es geht je nach Kontext um müssen, nicht dürfen oder können. Wann steht aber haben und wann sein? Der Unterschied hat nichts mit der Bedeutung müssen, nicht dürfen oder können zu tun. Wenn man es einmal weiß, ist es aber trotzdem einfach:

Die Konstruktion ‚haben + zu + Inf.‘ wird mit einem Satz im Aktiv umschrieben:

Die Kündigung hat schriftlich zu erfolgen.
= Die Kündigung muss schriftlich erfolgen.

Jedes Hantieren […] hat zu unterbleiben
= Jedes Hantieren […] muss unterbleiben.

Die Besucher haben für die Schäden aufzukommen.
= Die Besucher müssen für die Schäden aufkommen.

Sie haben sich hier nicht aufzuhalten.
= Sie dürfen sich hier nicht aufhalten

Ich habe meiner Aussage nichts hinzuzufügen.
= Ich kann meiner Aussage nichts hinzufügen.

Die Konstruktion ‚sein + zu + Inf.‘ wird mit einem Satz im Passiv umschrieben:

Die Kündigung ist schriftlich einzureichen.
= Die Kündigung muss schriftlich eingereicht werden.

Jedes Hantieren ist zu unterlassen.
= Jedes Hantieren muss unterlassen werden.

Die Schäden sind (von den Besuchern) zu vergüten.
= Die Schäden müssen (von den Besuchern) vergütet werden.

Dieser Aussage ist nichts hinzuzufügen.
Dieser Aussage kann nichts hinzugefügt werden.

Deutschlernende haben zu lernen (= müssen lernen), wie es zu formulieren ist (= formuliert werden muss). Wer Deutsch als Muttersprache spricht, macht es normalerweise automatisch richtig, aber vielen fiele es sicher schwer, wenn sie diesen Unterschied zu erklären hätten.

Siehe hierzu auch diese Seite in der LEO-Grammatik.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn Pronomen sich häufen: „entgegengesetzt zu denen dessen, der …“

Frage

Ich komme in einer Frage einfach nicht weiter. Ich fand folgende Formulierung:

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets entgegengesetzt waren zu denen dessen, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Ich bin eigentlich überzeugt, dass es heißen muss „entgegengesetzt zu denen desjenigen, der“, finde aber beim besten Willen den Grund nicht, warum nicht „dessen“ auch gehen könnte. Können Sie mir helfen?

Antwort

Guten Tag Frau L.,

eine Formulierung mit desjenigen wäre besser verständlich, aber dessen ist hier nicht falsch. Der Zweifel oder die Schwierigkeit entsteht dadurch, dass hier zwei Demonstrativpronomen und ein Relativpronomen aneinandergereiht werden: denen dessen, der. Gemeint ist damit ungefähr dies:

entgegengensetzt zu den Absichten des Menschen, der
entgegengensetzt zu den Absichten dessen, der
entgegengensetzt zu denen dessen, der

Eine solche Abfolge ist stilistisch insofern nicht sehr gelungen, als sie meist schwierig verständlich ist. Sie ist aber nicht ausgeschlossen:

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets entgegengesetzt waren zu denen dessen, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Hier noch ein paar Beispiele solcher Formulierungen:

Weil sich das Wesen des Fußballs weniger in den Geschichten seiner Helden offenbart als in denen derer, die an ihm gescheitert sind.

Im Grunde unterscheiden sich unsere Gefühle nicht stark von denen derer, die uns hier nicht wollen.

Terroir ist also nicht nur der „lokale Fingerabdruck“ in einem Wein, sondern auch der dessen, der ihn zum Ausdruck bringt.

Ein Werk, das uns unseren Tod und den derer, die wir lieben, zeigt

Die zwei Seelen in Liszts Brust – die des musikalischen Visionärs und die dessen, der geistigen Frieden suchte – verschmolzen schon früh einmal.

[E]r hat damit wirklich die Grenzen des musikalisch Möglichen erweitert und auch die dessen, was in einer Oper szenisch für angemessen gehalten wurde

die Geschichten der Menschen, die die Kleider gefertigt haben, und die derer, die sie tragen.

Diese Sätze sind, wie gesagt, nicht falsch. Die Beispiele zeigen aber (falls man die Enerige dafür aufbringen kann, sie zu lesen), dass sie nicht leicht verständlich sind. Es wäre deshalb m.M.n. häufig besser, anders zu formulieren. Zum Beispiel:

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets entgegengesetzt waren zu denen desjenigen, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets denen der Person entgegengesetzt waren, die die Bühne gerade verlassen hatte.

Auf der Bühne präsentierte der Schurke seine Absichten, die stets den Absichten desjenigen entgegengesetzt waren, der die Bühne gerade verlassen hatte.

Wer gerne elegant gehoben formuliert, darf dies natürlich tun. Wer Mitleid mit den Lesenden hat, formuliert besser etwas „umständlicher“.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp