Auch wenn der Titel irgendwie wie „respektloses Handeln“ klingt, ist nichts Negatives gemeint. Ich bin indirekt über eine Frage von Herrn B. auf etwas gestoßen, das ich noch nicht kannte: Sätze mit lassen ohne ein Subjekt. Es ging in der Frage um den Satz
Über Geschmack lässt sich nicht streiten
der offensichtlich ohne ein Subjekt auskommt. Er enthält kein Satzglied, nach dem mit wer oder was? gefragt werden könnte.
Es gibt im Deutschen nur wenige strenge Regeln wie zum Beispiel:
- In einem Aussagehauptsatz steht die konjugierte Verbform immer an zweiter Stelle (Zweitstellung der finiten Verbform)
- Ein vollständiger Satz hat immer ein Subjekt.
Vor allem bei der zweiten Regel werden aber immer ein paar Ausnahmen angegeben. Die bekanntesten sind:
- Imperativsätze in der 2. Person sind subjektlos:
Komm!
Mach nicht so viel Lärm!
Helft mir, bitte!
- Einige unpersönliche Verben können ohne Subjekt stehen.
Mir ist langweilig/schlecht/übel …
Schon jetzt graut uns vor ihrem nächsten Besuch.
Auf dem Karussell wird ihm immer schwindlig.
- Das Passiv intransitiver oder intransitiv verwendeter Verben hat kein Subjekt:
Dem armen Tropf kann geholfen werden.
Davon wird viel gesprochen.
Den ganzen Abend wurde viel gegessen und getrunken.
Mit der letzten Gruppe sind die folgenden Beispiele verwandt:
- Passivähnliche Formulierungen mit einem intransitiven Verb können ohne Subjekt stehen:
Dir ist nicht zu helfen.
Mit Verlusten war zu rechnen.
Daran lässt sich kaum zweifeln.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Dieses subjektlose lassen kannte ich noch nicht – jedenfalls nicht bewusst. Unbewusst habe ich wie die meisten den Satz Über Geschmack lässt sich nicht streiten ohne Subjekt verwendet, ohne dass mir das aufgefallen wäre.
Hier spielt auch die erste Regel, die ich oben erwähnt habe, eine Rolle: In vielen der oben stehenden Sätze kommt ein sogenanntes Platzhalter-es zum Zug, wenn kein anderes Satzglied an erster Stelle vor der konjugierten Verbform steht:
Es ist mir langweilig.
Es wird viel davon gesprochen.
Es war mit Verlusten zu rechnen.
Es lässt sich kaum daran zweifeln.
Dieses es sieht wie ein unpersönliches Subjekt aus, es hat aber vor allem die Funktion, die Zweitstellung des Verbs aufrechtzuerhalten. Sobald ein anderes Satzglied an die erste Stelle tritt, fällt es weg. Die Regel der Verbzweitstellung scheint also noch stärker zu sein als die Regel, dass ein vollständiger Satz immer ein Subjekt hat.
Ist eine Regel mit relativ vielen Ausnahmen immer noch eine Regel? Darüber lässt sich diskutieren.