Getrenntes Subjekt? – „Tobias ist da und Sven“

Frage

Eine Grundregel in der Grammatik sagt, dass man Satzglieder nicht trennen kann. Wie ist die folgende Konstruktion vor diesem Hintergrund zu bewerten?  Sind die Sätze standardsprachlich nicht korrekt, da das Subjekt nicht zusammensteht? Ist „und Sven“ kein Teil des Subjekts, sondern ein Nachtrag?

Tobias ist da und Sven.
Tobias und Andreas sind da und Sven.

Antwort

Guten Tag Herr R.,

Satzglieder kann man tatsächlich nicht trennen. Ein Satzglied kann nur als Ganzes im Satz verschoben werden. Dennoch sind Ihre Bespielsätze nicht grundsätzlich falsch, auch wenn sie eher ungewöhnlich sind. Weshalb?

Schauen wir uns zuerst einmal den „gewöhnlichen“ Satz an:

Tobias und Sven sind da.

Die Wortgruppe Tobias und Sven ist ein mehrteiliges Subjekt, das nicht getrennt werden kann:

nicht: Tobias sind da und Sven.

Und nun zu Ihrem ersten Satz:

Tobias ist da und Sven.

Hier handelt es sich um die Zusammenziehung zweier mit und verbundener Teilsätze, von denen der zweite verkürzt ist (Ellipse):

Tobias ist da und Sven [ist da].

„Tobias“ und „Sven“ sind zwei eigenständige Subjekte in zwei separaten Teilsätzen.

Den Unterschied sieht man hier vor allem an der Verbform. Ein mehrteiliges Subjekt verlangt den Plural (Tobias und Sven sind). Bei der Zusammenziehung bleibt die nicht weggelassene Verbform unverändert (Tobias ist … und Sven [ist]).

Das gilt auch für den zweiten Beispielsatz. Auch hier haben wir es mit zusammengezogenen Teilsätzen mit je einem eigenen Subjekt zu tun.

Tobias und Andreas sind da und Sven [ist da].
Sven ist da und Tobias und Andreas [sind da].

Wenn ein betonter Nachtrag (mit Pause) gemeint ist, kann man dies am besten mit einem Gedankenstrich kennzeichnen:

Tobias ist da – und Sven.
Tobias und Andreas sind da – und Sven.

Wie dem grammatisch und orthografisch auch sei, Hauptsache ist, dass Sven auch da ist und es allen gefällt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mehrere solche(r) Berichte – Genitiv oder gleicher Fall?

Frage

Ist der folgende Satz korrekt?

Demnach konnte er sich auf mehrere solcher schriftlicher Berichte stützen.

Die Präposition „auf“ verlangt hier den Akkusativ, aber „solcher“ und „schriftlicher“ stehen im Genitiv. Müsste es nicht heißen: „Demnach konnte er sich auf mehrere solche schriftliche Berichte stützen“?

Antwort

Guten Tag Herr F.,

die einfache Antwort lautet: Beides ist hier möglich.

mehrere solche schriftliche Berichte
mehrere solcher schriftlicher Berichte
auch: mehrere solcher schriftlichen Berichte1

Komplizierter wird es, wenn man erklären möchte, warum das so ist.

Wenn auf mehrere direkt ein Adjektiv folgt, ist mehrere ein Artikelwort, das zur nachfolgenden Wortgruppe gehört. Artikelwort und Wortgruppe stehen im gleichen Fall:

Er ist mit mehreren guten Freunden verreist.
Der Text enthält mehrere kleine Fehler.
Er konnte sich auf mehrere schriftliche Berichte stützen.

Wenn nach mehrere eine Wortgruppe mit einem „eigenen“ Artikelwort folgt, ist mehrere ein Pronomen und die Wortgruppe steht im Genitiv:

Er ist mir mehreren seiner Freunde verreist.
Der Text enthält mehrere dieser kleinen Fehler.
Er konnte sich auch mehrere der genannten schriftlichen Berichte stützen.

Das „Problem“ bei solche ist, dass es sich nicht einfach einer Wortklasse zuordnen lässt. Es hat die Eigenschaften eines Adjektivs, aber auch die Eigenschaften eines Pronomens und Artikelwortes.

So kann solch- zum Beispiel wie ein Adjektiv nach unbestimmten Artikelwörtern wie ein, kein, einige, mehrere stehen:

ein solcher Freund
keine solchen Fehler
einige/mehrere solche Berichte

Anders als ein Adjektiv kann solch- aber nur nach unbestimmten Artikelwörtern stehen, also:

nicht: *der solche Freund
nicht: *meine solchen Fehler
nicht: *diese solchen Berichte

Dann verhält es sich also wie ein „gewöhnliches“ Artikelwort.

Je nachdem ob man solche nun a) als Adjektiv oder b) als Artikelwort empfindet, seht die Wortgruppe, die es einleitet a) im gleichen Fall wie das unbestimmte Artikelwort vor ihm oder b) im Genitiv:

a) mehrere solche schriftliche Berichte
b) mehrere solcher schriftlicher Berichte
b) auch: mehrere solcher schriftlichen Berichte1

Ich ziehe hier die Übereinstimmung im Kasus vor, aber der Genitiv kommt ebenfalls häufig vor.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Zur Deklination des Adjektivs nach solch- siehe Kommentare.

Nicht unbedingt falsch: eine Grammatikübung, wo …

Frage

Bei einem der Beiträge hieß es in der Fragestellung: „Es handelt sich um eine Grammatikübung, wo jeweils das Adjektiv zu deklinieren ist.“ Wo wird also als Relativpronomen verwendet. Von einem Lehrer ganz offensichtlich. Nehmen Sie daran keinen Anstoß?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

der Relativanschluss wo ist standardsprachlich nicht richtig, wenn wo anstelle des einfachen Relativpronomens verwendet wird:

nicht: das Buch, *wo ich gelesen habe
sondern nur: das Buch, das ich gelesen habe

nicht: die Grammatikübung, *wo ich gemacht habe
sondern nur: die Grammatikübung, die ich gemacht habe

Man kann aber wo dann relativisch verwenden, wenn eine Ortsangabe gemacht wird. Dann steht wo für eine Verbindung von Präposition und Relativpronomen:

der Ort, wo ich sie getroffen habe
oder: der Ort, an dem ich sie getroffen habe

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühen?
oder: Kennst du das Land, in dem die Zitronen blühen?

Das ist die Stelle im Text, wo das Rätsel gelöst wird.
oder: Das ist die Stelle im Text, an der das Rätsel gelöst wird.

Das gilt auch dann, wenn die Ortsangabe in übertragenem Sinne zu verstehen ist:

ein fester Freundeskreis, wo neue Gesichter nicht gerne gesehen werden
oder: ein fester Freundeskreis, in dem neue Gesichter nicht gerne gesehen werden

eine Grammatikübung, wo das Adjektiv zu deklinieren ist
oder: eine Grammatikübung, in der das Adjektiv zu deklinieren ist

Anders und etwas vereinfacht gesagt: Wenn man mit wo fragen kann, ist wo auch als Relativpronomen möglich.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Öffnen Theater am Tag der offenen Tür ihre Tür oder ihre Türen?

Frage

Hier stolpere ich immer wieder drüber – wie ist es richtig mit den Türen?:

Über 100 Theater öffnen ihre Tür für das Publikum.
Über 100 Theater öffnen ihre Türen für das Publikum.

Oder geht einfach beides?

Antwort

Guten Tag Frau P.,

eine enttäuschende Antwort für alle, die denken, dass Deutsch eine so schön logische Sprache sei: Beides ist richtig.

Es sei vorausgeschickt, dass ein Theater wörtlich seine Türen in der Mehrzahl oder im übertragenen Sinne seine Tür in der Einzahl öffnen kann. Die meisten Theater sind so groß, dass sie mehr als eine Tür haben, die geöffnet wird. An einem Tag der offenen Tür kann aber einfach bildlich „die Tür“ als Zugang gemeint sein.

Das Stadttheater öffnet seine Türen für Neugierige.
Das Stadttheater öffnet seine Tür für Neugierige.

Wie sieht es nun aus, wenn mehrere Theater jeweils eine (sprichwörtliche) Tür öffnen? – Auch dann geht beides.

Es gibt im Deutschen den sogenannten distributiven Singular, den man verwendet, wenn mehrere Einheiten oder vor allem mehrere Personen jeweils eine Sache haben:

Alle hatten eine Mütze auf.
Viele Eltern tendieren dazu, ihr Einzelkind zu verwöhnen.
Bei mehreren Hütten hatte der Sturm das Dach abgedeckt.

Es ist aber nicht falsch, hier den Plural zu verwenden:

Alle hatten Mützen auf.
Viele Eltern tendieren dazu, ihre Einzelkinder zu verwöhnen.
Bei mehreren Hütten hatte der Sturm die Dächer abgedeckt.

Das gilt auch für Theater, die ihre Tür(en) öffnen, selbst wenn die eine sprichwörtliche Tür gemeint ist:

Über hundert Theater öffnen ihre Tür für das Publikum.
Über hundert Theater öffnen ihre Türen für das Publikum.

Nur dann, wenn gesagt werden soll, dass alle beteiligten Theater jeweils mehr als eine Tür öffnen, nur dann muss der Plural ihre Türen stehen.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in zwei älteren Artikeln (Fragen dieser Art tauchen immer wieder auf): Der erste behandelt die Frage, ob sich unsere Vorfahren in ihrem Grab oder in ihren Gräbern umdrehen würden. Der zweite beschäftigt sich mit dem „Problem“, wie viele Häuser ein Popstar hat, der Häuser in drei Ländern besitzt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wortstellung: „außer du hast keine Zeit“

Frage

in LEOs deutsche Grammatik: 3.6.3.3.3 Modalsatz findet sich dieser Satz als Variante zu den Subjunktionen „außer dass“ und „außer wenn“:

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.

Beim Lesen dieses Satzes stutzte ich, denn der außer-Satz ist aufgrund der Verbstellung kein Nebensatz, sondern ein nebengeordneter Hauptsatz […] Aber in dieser Funktion wird sie in keiner mir vorliegenden Grammatik erwähnt. Die Konstruktion erinnert mich an ähnliche mit „weil“, die als umgangssprachlich gelten: „Wir sollten jetzt reingehen, weil es regnet ziemlich stark.“ […] Also scheint mir Ihr Beispielsatz eher aus dem umgangssprachlichen Bereich zu sein.

Antwort

Guten Tag Herr H.,

für weil gilt tatsächlich, dass es standardsprachlich nur unterordnend verwendet werden sollte:

… weil es ziemlich stark regnet.
besser nicht: … weil es regnet ziemlich stark.

Das gilt nicht für außer. So schrieb zum Beispiel Erich Kästner diesen berühmten Satz:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Aber auch zum Beispiel in Grammis oder in den Wörterbüchern und der Grammatik von Duden finden sich Beispielsätze wie die folgenden (wobei keine stilistischen Angaben wie umgangssprachlich oder Ähnliches gemachtwerden):

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Morgen fahre ich in die Berge, außer das Wetter spielt nicht mit.

ich komme, außer es regnet, außer wenn es regnet;
Er muss zu dem Termin erscheinen, außer er ist wirklich krank.
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.

Die Verwendung von außer mit dieser Wortstellung kommt also nicht nur in unserer Grammatik vor.

Es gibt somit vier verschiedene Möglichkeiten, mit Hilfe von außer Teilsätze miteinander zu verbinden:

außer dass
außer zu
außer wenn
außer

Dabei haben außer dass und außer zu die gleiche Bedeutung: ausgenommen dass.

Ich habe nichts erfahren können, außer dass sie abgereist ist.

Es gibt keinen Ausweg, außer dass wir ihn um Hilfe bitten.
Es gibt keinen Ausweg, außer ihn um Hilfe zu bitten.

Und das allein stehende außer hat die gleiche Bedeutung wie außer wenn: ausgenommen wenn.

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.
Es gibt nichts Gutes, außer wenn man es tut.

Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer der Richter entscheidet anders.
Im Falle einer Scheidung bekommt das Sorgerecht die Mutter, außer wenn der Richter anders entscheidet.

Wir kommen zu dir, außer du hast keine Zeit.
Wir kommen zu dir, außer wenn du keine Zeit hast.

Bei außer haben wir es also mit einem recht flexibel einsetzbaren Wörtchen zu tun. Und was hier beschrieben wird, ist noch nicht alles, wie dieser ältere Blogartikel zeigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was ist besser: „mit nach Hause nehmen“ oder „nach Hause mitnehmen“?

Frage

Neulich wurde mir folgender Satz gesagt: „Ich nehme das Buch nach Hause mit.“ Ich würde in diesem Fall sagen: „Ich nehme das Buch mit nach Hause.“ Welcher der beiden Sätze wäre zu bevorzugen?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

beide Formulierungen sind möglich und richtig. Was ist der Unterschied? Es geht hier rein grammatisch betrachtet um zwei unterschiedliche Konstruktionen, die (fast) die gleiche Bedeutung haben.

Die erste Konstruktion wird mit dem Verb mitnehmen und der Adverbialbestimmung nach Hause gebildet:

nach Hause mitnehmen
Ich nehme das Buch nach Hause mit.
Ich will das Buch nach Hause mitnehmen.
Ich habe das Buch nach Hause mitgenommen.

Die zweite Konstruktion wird mit dem Verb nehmen und der komplexen Adverbialbestimmung mit nach Hause gebildet:

mit nach Hause nehmen
Ich nehme das Buch mit nach Hause.
Ich will das Buch mit nach Hause nehmen.
Ich habe das Buch mit nach Hause genommen.

Ähnlich zum Beispiel auch:

in seine Heimat zurückfahren
zurück in seine Heimat fahren

auf den Turm hinaufsteigen
hinauf auf den Turm steigen

ins Tal hinunterführen
hinunter ins Tal führen

Die beiden Konstruktionen sind jeweils eng miteinander verwandt. Genaueres dazu kann ich so schnell nicht finden (eine gründlichere Untersuchung wäre bestimmt interessant). Sie scheinen dann möglich zu sein, wenn eine Richtung angegeben wird und ein selbständiges Adverb beteiligt ist, das auch Teil eines trennbaren Verbs sein kann (hinauf, hinunter, mit, zurück u.a.m.).

Und nun endlich zu Ihrer eigentlichen Frage: Beide Formulierungen sind korrekt. Es gibt keine Richtlinie, was zu bevorzugen ist. Sie können also wählen, was Ihnen im jeweils gegebenen Zusammenhang besser zusagt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wusste der Onkel nicht mehr, wo er war oder wo er ist?

Frage

Mich quält seit einiger Zeit die Frage, wie der folgende Satz eigentlich richtig lautet:

Mein Onkel war verwirrt, er wusste gestern nicht mehr, wo er war.

Oder müsste es wie folgt heißen:

Mein Onkel war verwirrt, er wusste gestern nicht mehr, wo er ist.

Ich denke, ich würde es spontan vielleicht sogar richtig sagen, doch sobald man anfängt über etwas nachzudenken, geht es nicht mehr.

Antwort

Guten Tag Herr B.,

es gibt im Deutschen kaum feste Regeln zur Abfolge der Zeiten. Vieles ist möglich. Welche Zeitform man in Ihrem Beispiel wählt, hängt unter anderem davon ab, ob ein Gegenwartsbezug besteht oder nicht.

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er ist.

Hier wird ein deutlicher Gegenwartsbezug hergestellt. Der Onkel ist zum Sprechzeitpunkt immer noch an demselben Ort, an dem er auch gestern war (und normalerweise ist).

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er war.

Hier wird kein Gegenwartsbezug hergestellt. Es wird nichts darüber ausgesagt, ob der Onkel zum Sprechzeitpunkt noch am gleichen Ort wie gestern ist oder ob er jetzt an einem anderen Ort ist. Was zutrifft, ergibt sich (wenn es überhaupt wichtig ist) aus dem weiteren Zusammenhang. Zum Beispiel:

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er war, aber jetzt ist er wieder zu Hause und nicht mehr verwirrt.

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er ist/war, aber jetzt erkennt er sein Zimmer wieder.

Das Präteritum wusste im Hauptsatz und das Verb sein in Nebensatz machen die Wahl für war in diesem Satz wahrscheinlicher. Falsch ist ist aber nicht. Vgl. zum Beispiel:

Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er wohnt.
Mein Onkel wusste gestern nicht mehr, wo er wohnte.

Hier sind sogar noch weitere Zeitverhältnisse denkbar. Welche Zeitform man in solchen Fällen wählt, ist also eine Frage, die sich oft nicht so einfach und eindeutig beantworten lässt. Wichtig für das genaue Verständnis ist nicht unbedingt die gewählte Zeitform, sondern – wie so oft – der engere und weitere Zusammenhang.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Vorteil, seinem Herzen zu folgen?

Frage

Ist die Kommasetzung bei diesem Infinitivsatz korrekt: „Ein großer Vorteil, seinem Herzen zu folgen, ist die Leidenschaft im Beruf.“ Müssen die Beistriche hier so gesetzt werden?

Antwort

Wenn man den Satz so formuliert, müssen die Kommas vor und nach der Infinitivgruppe gesetzt werden. Es handelt sich um einen Infinitivsatz, der vor einem Substantiv abhängig ist und der als solcher durch Kommas abgetrennt werden muss:

Ein großer Vorteil, seinem Herzen zu folgen, ist ein erfüllteres Leben.

Ich finde allerdings, dass der Satz so „klemmt“. Woran liegt das? – Wenn ein Infinitivsatz (oder dass-Satz) von Vorteil oder Nachteil abhängig ist, drückt er aus, was der Vorteil bzw. Nachteil ist:

Die Firma hat damit den Vorteil, sich ein gutes Bild von zukünftigen Auszubildenden machen zu können.
Die Apple-Geräte haben den Vorteil, dass sie miteinander kommunizieren.

In Ihrem Satz ist aber seinem Herzen zu folgen nicht der Vorteil selbst, sondern das, was einen Vorteil hat. Der eigentliche Vorteil ist ein erfüllteres Leben. Man kann deshalb besser anders formulieren:

Ein großer Vorteil dessen/davon, seinem Herzen zu folgen, ist ein erfüllteres Leben.
Ein großer Vorteil dessen/davon, dass man seinem Herzen folgt, ist ein erfüllteres Leben.
Ein großer Vorteil, wenn man seinem Herzen folgt, ist ein erfüllteres Leben.
Seinem Herzen zu folgen bringt den Vorteil, ein erfüllteres Leben zu haben.

Nochmals: Der Vorteil ist nicht, dass man seinem Herzen folgt, sondern ein erfüllteres Leben. Vielleicht ist das ein bisschen spitzfindig, aber wenn Sie mit mir einig sind, dass der Satz „klemmt“, wissen Sie nun warum.

Ein Nachteil, so zu formulieren, ist ein seltsamer Satz.
Ein Vorteil, wenn man so formuliert, ist ein besser formulierter Satz.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Braucht man diese Form: Konjunktiv II Futur II Zustandspassiv („würde geöffnet gewesen sein“)?

Falls Sie komplizierte Verbformen mögen, hier noch einmal das Passiv im Futur, aber diesmal das Zustandspassiv im Konjunktiv II.

Frage

Ist es richtig, dass Konjunktiv II-Formen im Futur beim Zustandspassiv aus semantischer Sicht nicht unbedingt Sinn machen?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

wenn ich Sie richtig verstehe geht es um die die Formen des Konjunktivs II Futur I und Futur II im Zustandspassiv. Für die Beispielverben öffnen und erledigen sehen diese Formen so aus:

Futur I Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet sein
würde erledigt sein

Futur II Konjunktiv II Zustandspassiv:

würde geöffnet gewesen sein
würde erledigt gewesen sein

Die Frage ist nun nicht so sehr, ob die diese Konjunktivs-II-Formen Sinn machen oder nicht. Der Konjunktiv II hat in der Regel keine ganz bestimmte Bedeutung. Er ist vielmehr an bestimmte Satzarten gebunden (siehe hier). So hat der Konjunktiv II Futur meist nichts mit Zukunft zu tun. Die Frage lautet deshalb meiner Meinung nach eher, ob solche Formen verwendet werden.

In vielen Fällen sind die Formen, um die es hier geht, stilistisch zweifelhaft. Man verwendet in der Regel nicht die würde-Formen, sondern die einfachen Konjunktiv-II-Formen.

Also besser nicht:

Wenn die Tür geöffnet sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt sein würde

Wenn die Tür geöffnet gewesen sein würde, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen sein würde

Ach, wenn die Tür nur geöffnet sein würde!

Würde die Aufgabe nur schon erledigt gewesen sein!

sondern:

Wenn die Tür geöffnet wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt wäre

Wenn die Tür geöffnet gewesen wäre, …
…, wenn die Aufgabe erledigt gewesen wäre

Ach, wenn die Tür nur geöffnet wäre!

Wäre die Aufabe nur schon erledigt gewesen!

Ausgeschlossen sind die Formen aber nicht, zum Beispiel als Zukunft in der Vergangenheit:

Noch war die Tür geschlossen, aber bald würde sie geöffnet sein.
Ich glaubte damals nicht, dass die Aufgabe bald erledigt sein würde.

Noch war der Eingang offen, aber bald würde die Tür [nicht mehr geöffnet sein, sondern] geöffnet gewesen sein.
Wir hatten erwartet, dass die Aufgabe bei der nachträglichen Kontrolle bereits erledigt gewesen sein würde.

Inwieweit vor allem die letzten Formen (Konjunktiv II Futur II) in der Sprachrealität wirklich häufig vorkommen, sei hier dahingestellt. Nicht alles was möglich ist, kommt auch regelmäßig vor. Das Risiko, dass man bei solchen komplexen Formen den Faden verliert, ist sehr groß. Außerden ergibt sich die konkrete Bedeutung im Deutschen oft stärker aus dem Kontext als aus den verwendeten Verbformen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Feste Zeiten, an/in/während/zu denen …“ – manchmal ist vieles möglich

Frage

Eine Frage zu einer Präposition: „Ich möchte feste Zeiten einführen, in denen ich online bin.“ Die Präposition „in“ scheint mir fragwürdig. Wäre „zu“ nicht besser?

Antwort

Guten Tag Herr L.,

Die Antwort auf diese Frage ist wahrscheinlich unbefriedigend für diejenigen, die eindeutige und klare Verhältnisse mögen. Für alle anderen mag es schön sein, zu sehen, wie viel Freiheit uns die Sprache lässt. Für diese Formulierungen kommen nämlich (mindestens) vier Formulierungen in Frage:

feste Zeiten, in denen ich online bin
feste Zeiten, zu denen ich online bin
feste Zeiten, an denen ich online bin

Bei der vierten Variante sollte man allerdings standarsprachlich nicht (wie es oben im Titel der Einfachheit halber geschehen ist) den Dativ denen, sondern den Genitiv derer wählen:

feste Zeiten, während derer ich online bin

Gibt es dabei Unterschiede? Eigentlich nur Folgendes: Wenn es um einen Zeitpunkt oder verschieden Zeitpunkte geht, drängt sich eher an oder zu auf als in:

feste Zeiten, an denen sie aufstehen
feste Zeiten, zu denen sie aufstehen
(feste Zeiten, in denen sie aufstehen)

Wirklich ausgeschlossen ist in aber nicht. Die Präposition während hingegen ist nur bei Angaben einer Zeitdauer möglich. Sie klingt (wegen des Genitivs?) auch ein bisschen gehobener also an, in und zu.

Im Übrigen werden diese Präpositionen bei Angaben dieser Art bunt gemischt, ohne dass dabei wesentliche Anwendungs- oder Bedeutungsunterschiede zu erkennen sind. Dazu, ob es eventuell regionale Unterschiede gibt, konnte ich so schnell nichts finden. Im persönlichen Sprachgebrauch gibt es aber bestimmt Vorlieben und Abneigungen, wie Ihre Frage zeigt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp