Der ausgelagerte Relativsatz

Frage

In einem italienischen Sprachengymnasium bin ich folgender Regel begegnet: „Bei Relativsätzen darf das Prädikat nicht geschieden werden.“

Richtig: Ein Passant hat dem Kind geholfen, das von einem großen Hund angegriffen wurde.

Falsch: Ein Passant hat dem Kind, das von einem großen Hund angegriffen wurde, geholfen

Aber gibt es in der deutschen Grammatik eine solche Regel?

Antwort

Guten Tag Frau V.,

die „Regel“, die Sie zitieren, gibt es so nicht. Statt „darf nicht geschieden werden“ müsste stehen, „sollte nicht geschieden werden“ oder „wird heute üblicherweise nicht geschieden“. Für Ihr Beispiel bedeutet dies:

  • Üblich:

Ein Passant hat dem Kind geholfen, das von einem großen Hund angegriffen wurde.

  • Weniger üblich / besser nicht:

Ein Passant hat dem Kind, das von einem großen Hund angegriffen wurde, geholfen.

Der zweite Satz ist also nicht falsch oder ungrammatisch. Er ist im heutigen Sprachgebrauch nur weniger üblich und weniger leicht verständlich. Stilistisch ist der erste Satz besser. Hier noch zwei Beispiele:

  • Üblich / besser:

Ich habe mir endlich das Smartphone gekauft, das ich schon lange wollte.
Ich will darauf neue Applikationen installieren, die ich noch nicht hatte.

Weniger üblich / besser nicht (aber nicht falsch):

Ich habe mir endlich das Smartphone, das ich schon lange wollte, gekauft.
Ich will darauf neue Applikationen, die ich noch nicht hatte, installieren.

Die „Regel“ ist auch aus einem weiteren Grund viel zu generalisierend. Bei nichtrestriktiven (appositiven, explikativen) Relativsätzen ist die Stellung zwischen den Prädikatsteilen sogar üblicher als die Auslagerung an den Schluss:

  • Üblich:

Er hat Max, den er [übrigens] schon lange kennt, bei der Arbeit geholfen.
Sie hat in Boppard, das am Rhein liegt, gewohnt.

Auch möglich, aber nicht bzw. weniger üblich:

Er hat Max bei der Arbeit geholfen, den er [übrigens] schon lange kennt. [?]
Sie hat in Boppard gewohnt, das am Rhein liegt.

Ob der Relativsatz an den Schluss gestellt wird oder nicht, hat oft auch mit seiner Länge zu tun: Je länger er ist, desto stärker die Tendenz, ihn nach hinten auszulagern. Siehe hierzu auch diese Angaben in der LEO-Grammatik.

Für den Sprachunterricht ist dies alles wahrscheinlich etwas zu kompliziert. Sie könnten deshalb erwägen, die „Regel“ abzuschwächen (statt sie ganz zu streichen):

Bei Relativsätzen sollte das Prädikat nicht geschieden werden.
Bei Relativsätzen wird das Prädikat besser nicht geschieden.

Das ergibt in den meisten Fällen stilistisch bessere Sätze. Wo dies nicht der Fall ist (z.B. bei kürzeren nichtrestriktiven Relativsätzen), kann diese Faustregel zu unüblichen Formulierungen führen. Dafür werden Lernende aber nicht verunsichert, wenn sie in deutschen Texten Relativsätzen begegnen, die nicht nach hinten ausgelagert sind. Sie kommen auch vor und sind nicht falsch.

Die deutsche Wortstellung hat es auch hier in sich: Es gibt keine oder kaum feste Regeln, nur mehr oder weniger starke Tendenzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn (es) jemanden nach etwas verlangt

Frage

Ich habe nirgends im Internet die reflexive Form des Verbs „verlangen“ gefunden. Beispiel: „Es verlangt mich nach Liebe“. […]

Ich las jetzt den Satz: „Sie nahmen sich, wonach ihnen verlangte.“ Richtig müsste es doch heißen: „… wonach es sie verlangte.“ Aber warum? Mit welcher Begründung?

Antwort

Guten Tag Frau B.,

im Satz Es verlangt mich nach Liebe steht nicht eine reflexive Verwendung von verlangen (nicht *sich verlangen), sondern eine unpersönliche Verwendung des Verbs mit einem Akkusativ:

jemanden verlangt (es) nach jemandem/etwas

Die Bedeutung dieser Wendung ist: jemand sehnt sich nach jemandem/etwas, jemand hat ein Bedürfnis nach etwas.

Beispiele:

Es verlangt mich nach Liebe.
Mich verlangt (es) nach Liebe.

Es verlangt mich nach dir.
Mich verlangt (es) nach dir.

Es verlangte ihn nach Ruhe.
Ihn verlangte (es) nach Ruhe.

Es verlangt sie nicht danach, dieses Risiko einzugehen.
Sie verlangt es nicht danach, dieses Risiko einzugehen.

Siehe auch die Angaben im DWDS (Bedeutung 5).

Wie die Beispiele zeigen, gehört diese Verwendung von verlangen eher zum gehobenen Sprachgebrauch. Ich verwende diese Konstruktion jedenfalls in meinem „normalen“ Leben nie.

Der Satz, den Sie zitieren, müsste also tatsächlich mit dem Akkusativ und nicht mit dem Dativ stehen:

Sie nahmen sich, wonach es sie verlangte.

Dieser Satz steht übrigens besser mit es, weil ohne es undeutlich wird, ob es sich bei sie um einen Akkusativ Plural oder um einen Nominativ Singular handelt (das könnte sich nur aus dem weiteren Kontext ergeben).

Wenn man sich weniger gehoben ausdrücken möchte, gibt es andere Möglichkeiten wie zum Beispiel

Ich sehne mich nach dir.
Er verlangte nach Ruhe.
Sie nahmen sich, wonach sie sich sehnten.1

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 Bei dieser Umformung kommt die Vermutung auf, dass mit „Sie nahmen sich, wonach ihnen verlangte“ etwas anderes gemeint war: „Sie nahmen sich (alles), was sie wollten/begehrten.“ Wenn dies tatsächlich zutrifft, ist nicht nur ihnen, sondern die ganze Wendung jemanden sehnt es nach etwas nicht richtig gewählt.

Rezepte (zu) kurz formuliert: „… und verrührst es mit einem Löffel“

Frage

In Rezepten liest man gelegentlich:

Du gibst 100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel und verrührst es mit einem Löffel.
Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt es 10 Minuten kochen.

Ich störe mich in beiden Fällen an dem „es“. Müsste es im ersten Satz statt „es“ nicht eher heißen „die Zutaten“ und im zweiten Satz „sie“ (die Mandeln) oder „die Masse“?

Antwort

Guten Tag Herr S.,

Sie haben recht. Die Formulierung mit es ist schön kurz und bündig, wie man es in Rezepten gerne sieht, aber sie ist nicht korrekt. Das Wörtchen es kann sehr viele Funktionen haben – so viele, dass es fast erstaunt, dass es nicht immer richtig ist (was natürlich eine grobe Übertreibung ist).

Hier ist es ein stellvertretendes Fürwort. Als stellvertretendes Fürwort kann es vieles sein:

  • Stellvertreter für ein sächliches Substantiv im Singular als Subjekt oder Akkusativobjekt,
  • Stellvertreter für ein Substantiv oder Adjektiv als Prädikativ,
  • Stellvertreter für ein Substantiv als Subjekt in einem Gleichsetzungssatz,
  • Stellvertreter für einen Infinitiv oder einen ganzen Satz.
    (Für mehr Details und Beispiele siehe die LEO-Grammatik)

In den beiden Beispielen ist es Akkusativobjekt (Wen oder was verrührst du / lässt du kochen?). Es kann sich dann also nur auf ein sächliches Substantiv im Singular beziehen. Das ist in diesen Beispielen der Fall:

Du schlägst das Ei in eine Schüssel und verrührst es mit einer Gabel.
Du verrührst das Mus und lässt es 10 Minuten kochen.

Es kann sich nicht wie im ersten Beispielsatz auf mehrere Substantive oder wie im zweiten Satz auf ein Substantiv im Plural beziehen. Es bleibt deshalb nur, anders zu formulieren. Zum Beispiel:

Du gibst 100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel und verrührst die Zutaten mit einem Löffel.
Du gibst 100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel und verrührst alles mit einem Löffel.

Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt sie 10 Minuten kochen.
Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt die Masse 10 Minuten kochen.
Du verrührst die Mandeln mit dem Honig und lässt die Mischung 10 Minuten kochen.

In der Kürze liegt die Würze, aber bei Ihren Beispielsätzen mit es ist die Kürze etwas zu würzig geraten. Wenn es wirklich kurz sein soll, ist die in der Rezeptsprache sehr übliche Formulierung mit Infinitiven zu empfehlen:

100 g Zucker, 200 g saure Sahne und eine Prise Salz in eine Schüssel geben und mit einem Löffel verrühren.
Mandeln mit dem Honig verrühren und 10 Minuten kochen lassen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Was ist „einen Euro“ in „Der Wert beträgt einen Euro“?

Frage

Im Duden steht, dass der adverbiale Akkusativ verwendet wird bei: Zeitdauer, Strecke, Gewicht. Alter kommt dazu. Wie ist es mit Wert? Beispiel: „Der Wert beträgt ungefähr einen Euro“.

Antwort

Guten Tag Frau K.,

bei Verben wie dauern, kosten, betragen, messen und wiegen, deren Ergänzung eine Zeit- oder Maßangabe ist, handelt es sich bei der Ergänzung um einen Adverbialakkusativ (= eine Wortgruppe mit einem Substantiv im Akkusativ als Kern, die die Funktion einer Adverbialbestimmung hat):

Die Sitzung dauerte einen halben Tag.
Ein einfaches Ticket kostet einen Euro zwanzig.
Der Wert beträgt einen Euro.
Die Strecke misst einen Kilometer.
Ein Sack Kohlen wiegt einen Zentner.

Die Maßangabe ist obligatorisch und sie steht im Akkusativ, sie gilt aber „trotzdem“ nicht als Akkusativobjekt, sondern als Adverbialbestimmung. Das liegt daran, dass man diese Angaben anders als ein Akkusativobjekt nicht durch ein Personalpronomen ersetzen kann:

nicht: Die Sitzung dauerte ihn.
nicht: Ein einfaches Ticket kostet ihn.
nicht: Der Wert beträgt ihn.
nicht: Die Strecke misst ihn.
nicht: Ein Sack Kohlen wiegt ihn.

Es ist auch nicht möglich, Formulierungen dieser Art in eine Konstruktion mit einem als Adjektiv verwendeten Partizip umzuformen:

nicht: Die einen Tag gedauerte Sitzung.
nicht: Ein einen Euro zwanzig gekostetes einfaches Ticket.
nicht: Der einen Euro betragene Wert.
nicht: Die einen Kilometer gemessene Strecke.
nicht: Ein einen Zentner gewogene Sack Kohlen.

Es ist aber möglich, wie bei anderen Adverbialbestimmungen mit wie … zu fragen:

Wie lange dauerte die Sitzung?
Wie viel kostet ein einfaches Ticket?
Wie viel beträgt der Wert?
Wie viel misst die Strecke?
Wie viel wiegt ein Sack Kohle?

Dasselbe gilt übrigens auch für Verbindungen wie alt sein oder wert sein, die auch mit einer obligatorischen Ergänzung im Akkusativ stehen. Auch hier handelt es sich um einen Adverbialakkusativ (vgl. hier)

Unsere Küken sind schon einen Monat alt.
Das Bild ist diesen großen Betrag nicht wert.

Nicht alles, was im Akkusativ steht und (obligatorisch oder fakultativ) zu einem Verb gehört, ist also ein Akkusativobjekt. Manchmal ist es auch ein adverbialer Akkusativ. Das gilt vor allem für Zeit-, Maß-, Mengen- und – als abschließende Antwort auf Ihre Frage – auch für Wertangaben.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Dativ „wem“ in „Ich helfe, wem ich will“

Frage

Ich habe neulich den Satz gelesen: „Ich helfe, wem ich will.“ Dieser kam mir falsch vor, da „helfen“ den Dativ verlangt und „wollen“ den Akkusativ. Umgangssprachlich hört man aber oft solche Sätze. Gelten sie als richtig?

Antwort

Guten Tag Frau N.,

Sätze wie diese hört man nicht nur umgangssprachlich:

Ich helfe, wem ich will.
Wir helfen, wem wir können.
Sie sprachen, wo sie wollten und mit wem sie wollten.

Man findet sie auch zum Beispiel in der Bibel und bei Schiller:

Und er [der Teufel] sagte zu ihm [Jesus]: All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will.1

Gefalle dieser Gedanke, wem er will.2

Die mit wem eingeleiteten Nebensätze sind Objektsätze. Sie sind das Dativobjekt (bzw Präpositionalobjekt) des Verbs im übergeordneten Satz:

Wem helfen wir? – Wem wir wollen.

Dabei ist der Dativ wem im Nebensatz nicht von wollen oder können abhängig (diese Verben stehen ja nicht mit dem Dativ), sondern vom Verb des übergeordneten Satzes. Dieses Verb wird im Nebensatz einfach nicht wiederholt:

Ich helfe, wem ich (helfen) will.
Wir helfen, wem wir (helfen) können.
Gefalle dieser Gedanke, wem er (gefallen) will.

Es ist recht schwierig, diese Satzkonstruktionen zu analysieren, wenn man die „klassische“ Rollenverteilung im Satz vor Augen hat. Dann müsste nämlich etwas wie das Folgende herauskommen:

Ich helfe denen, denen ich helfen will.
Wir helfen (all) denen, denen wir helfen können
Gefalle dieser Gedanken denjenigen, denen er gefallen will.

Sie sind aber zum Glück gar nicht so schwer zu verstehen, wenn man nicht alles bis ins Detail analysieren will oder muss. Die meisten wissen – bewusst oder unbewusst – die „Kurzversion“ mit wem als elegantere Formulierung zu schätzen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

1 Lukasevangelium 4,6; Einheitsübersetzung 2016
2 Friedrich Schiller: Über Egmont, Trauerspiel von Goethe. Anonym erschienen in der „Jenaischen Allgemeinen Literaturzeitung“, September 1788, zit. n. Friedrich Schillers Werke. Nationalausgabe, 22. Band. Hrsg. v. Herbert Meyer, Weimar: Hermann Böhlmanns Nachfolger 1958, S. 104, Auszüge

Schöne Feiertage wünschen mit und ohne „zu“

Frage

In der Zeitung lese ich:

Mit dem neuen Format verfolgen wir zwei Ziele: zum einen Ihnen einen noch tieferen Einblick in das Berliner Leben geben und zum anderen Sie so gut und objektiv wie möglich über die komplexen Verflechtungen unserer Welt informieren.

Sollte oder muss da nicht ein „zu“ vor „geben“ und „informieren“ stehen?

Antwort

Guten Tag Herr T.,

ob die Infinitive in diesem Satz mit zu stehen sollten oder nicht, ist vor allem eine stilistische Frage. Möglich ist beides.

Mit zu wird das, was nach dem Doppelpunkt folgt, in den Satz integriert. Die Infinitivgruppen sind von Ziel abhängig:

Wie verfolgen zwei Ziele, nämlich [das Ziel] dies zu tun und [das Ziel] das zu tun.

Wir verfolgen zwei Ziele: Ihnen einen Einblick zu geben und Sie über die komplexen Verflechtungen zu informieren.

Mit dem neuen Format verfolgen wir zwei Ziele: zum einen Ihnen einen noch tieferen Einblick in das Berliner Leben zu geben und zum anderen Sie so gut und objektiv wie möglich über die komplexen Verflechtungen unserer Welt zu informieren.

Ohne zu folgen nach dem Doppelpunkt unabhängige erweiterte Infinitive, die zum Beispiel auch mit Strichen, Nummerierungszeichen o. Ä. stehen könnten:

Wie verfolgen zwei Ziele: 1) dies tun, 2) das tun.

Wir verfolgen zwei Ziele: Ihnen einen Einblick geben und Sie über die komplexen Verflechtungen informieren.

Mit dem neuen Format verfolgen wir zwei Ziele: zum einen Ihnen einen noch tieferen Einblick in das Berliner Leben geben und zum anderen Sie so gut und objektiv wie möglich über die komplexen Verflechtungen unserer Welt informieren.

Zur Verbindung zum einen – zum anderen passt meiner Meinung nach die Einbindung mit zu besser. Das ist aber ein stilistisches, kein grammatisches Urteil.

Es bleibt mir nun nur noch etwas: Ihnen schöne und angenehme Feiertage (zu) wünschen.

Dr. Bopp

Die Adjektivendung, wenn Fische auf andere unter bestimmten Oberflächen versteckte(n?) Objekte zielen

Frage

Ich habe eine Frage zur Wortgruppenflexion. Welche der beiden Versionen ist richtig („versteckte“ vs. „versteckten“):

Die Fische zielen auf Flaschen und andere unter bestimmten Oberflächen versteckte Objekte.
Die Fische zielen auf Flaschen und andere unter bestimmten Oberflächen versteckten Objekte.

Kann man den Einschub „unter der Oberfläche“ ausklammern? Nach was richtet sich die Flexion von „versteckte“? Bei der Flexion von Adjektiven in solchen komplexeren Gruppen komme ich jedes Mal an meine Grenzen. […] Über ein paar allgemeine Tipps oder eine Art Bauplan für solche Wortgruppen wär ich sehr dankbar!

Antwort

Guten Tag Frau R.,

richtig ist hier zweimal die starke Endung e:

Die Fische zielen auf Flaschen und andere unter bestimmten Oberflächen versteckte Objekte.

Vor einem Substantiv wird andere gleich gebeugt wie ein Adjektiv. Ein auf ander- folgendes Adjektiv hat in der Regel die gleiche Endung wie ander-. Dies gilt in einfachen wie in (sehr) komplexen Wortgruppen:

Die Fische zielen auf andere Objekte.

Die Fische zielen auf versteckte Objekte.

Die Fische zielen auf unter bestimmten Oberflächen versteckte Objekte.

Die Fische zielen auf andere versteckte Objekte.

Die Fische zielen auf andere unter bestimmten Oberflächen versteckte Objekte.

Wenn Sie unsicher sind, wie Adjektive bzw. adjektivisch verwendete Partizipien in komplexen Wortgruppen gebeugt werden sollten, können Sie einfach alle vom Partizip abhängigen Erweiterungen weglassen. Sie sehen dann meist besser, welche Endung stehen sollte. Dabei muss übrigens nicht unbedingt ein wirklich sinnvoller Satz entstehen.

In Ihrem Beispielsatz ist die Erweiterung unter bestimmten Oberflächen von versteckt abhängig (wo versteckt?). Um die Beugung von versteckt zu testen, lassen Sie diese Erweiterung weg. Das Wort versteckt wird in der komplexen Formulierung  gleich gebeugt wie in der vereinfachten Variante:

auf andere unter bestimmten Oberflächen versteckte Objekte (zielen)
auf andere versteckte Objekte (zielen)

Verunsichernde Wortgruppen dieser Art finden sich vor allem bei adjektivisch verwendeten Partizipien. Hier noch ein paar Beispiele:

Die Reaktion vieler nach der uninteressanten Vorstellung sehr enttäuschter Zuschauerinnen und Zuschauer war äußerst negativ.
(Die Reaktion vieler enttäuschter Zuschauerinnen und Zuschauer …)

Die Reaktion dieser nach der uninteressanten Vorstellung sehr enttäuschten Zuschauerinnen und Zuschauer war äußerst negativ.
(Die Reaktion dieser enttäuschten Zuschauerinnen und Zuschauer …)

Die Feuerwehr räumte zwei durch einen Unfall, der sich im Nebel ereignet hatte, ineinander verkeilte Fahrzeuge von der Kreuzung.
(Die Feuerwehr räumte zwei verkeilte Fahrzeuge von der Kreuzung.)

Die Feuerwehr räumte alle durch einen Unfall, der sich im Nebel ereignet hatte, ineinander verkeilten Fahrzeuge von der Kreuzung.
(Die Feuerwehr räumte alle verkeilten Fahrzeuge von der Kreuzung.)

Kurz gesagt: Ein adjektivisch verwendetes Partizip wird in einer komplexen Wortgruppe gleich gebeugt, wie wenn es ohne eine von im abhängige Erweiterung steht. Wenn Sie diese Erweiterung(en) weglassen, sehen Sie besser, welche Endung gewählt werden sollte. Ich hoffe, dass dieser „Trick“ Ihnen in vielen Fällen weiterhelfen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Nominativ in „als strategischer Fehler bezeichnet werden“

Frage

Welche der beiden Varianten ist richtig und warum?

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischer Fehler bezeichnet werden.
Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischen Fehler bezeichnet werden.

Der erste Satz klingt für mich richtig. Wenn ich den Satz umformuliere, tauchen jedoch Zweifel auf:

Ich muss ihre Kandidatur als strategischen Fehler bezeichnen.

Antwort

Guten Tag Herr J.,

richtig ist hier, was für Sie richtig klingt:

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss als strategischer Fehler bezeichnet werden.

Warum steht hier der Nominativ und nicht wie in Ihrem dritten Beispielsatz der Akkusativ? – Das liegt daran, dass als nicht mit einem festen Fall steht. Die als-Gruppe steht im gleichen Fall wie das Wort, auf das sie sich bezieht. Hier steht Kandidatur (der Kern der Wortgruppe ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium) im Nominativ. Die als-Gruppe bezieht sich auf das Subjekt des Satzes:

Wer oder was muss als strategischer Fehler bezeichnet werden?

Wenn man den Satz vom Passiv ins Aktiv umsetzt, lautet er so:

Ihre Kandidatur für das Stadtpräsidium muss man als strategischen Fehler bezeichnen.

Die als-Gruppe steht dann wie „Kandidatur“ im Akkusativ. Sie bezieht sich auf das Akkusativobjekt:

Wen oder was muss man als strategischen Fehler bezeichnen?

Dies gilt auch für Verben wie (an)sehen als, auszeichnen als, empfehlen als, darstellen als, empfinden als, hinstellen als, legitimieren als, präsentieren als, preisen als, rühmen als, werten als. Zum Beispiel:

Man sieht ihn als ehrlichen Mann an.
Er wird als ehrlicher Mann angesehen.

Man empfindet das als großen Einbruch in die Privatsphäre.
Das wird als großer Einbruch in die Privatsphäre empfunden.

Man bezeichnet das Buch als ihren größten Erfolg.
Das Buch wird als ihr größter Erfolg bezeichnet.

Diese Verben haben noch eine Gemeinsamkeit: Wenn sie reflexiv verwendet werden, steht die als-Gruppe heute meistens im Nominativ. Sie bezieht sich auf das Subjekt und nicht auf das Reflexivpronomen:

Er sieht sich als ehrlicher Mensch an.
Napoleon empfand sich als der wiedergekehrte Karl der Große.
Der Betrieb bezeichnet sich als deutscher Marktführer.

Wie „meistens“ oben angibt, ist der Akkusativ selten, aber nicht falsch. Wer sich als eherlichen Menschen ansieht und nicht als ehrlicher Mensch, macht also zumindest sprachlich gesehen keinen Fehler. (Die Beispiele stehen übrigens alle im männlichen Singular, weil die Formen des Nominativs und des Akkusativs sich im weiblichen und sächlichen Singular und im Plural nicht voneinander unterscheiden. Dann stellt sich die Frage der Übereinstimmung nur theoretisch.)

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

„Das rührt daher, dass“ – oder
„Das rührt davon her, dass“?

Frage

Heute habe ich eine Frage zum Verb „herrühren“ bzw. zum Adverb „davon“ mit dem Verbzusatz „her“. Wie muss es richtig heißen:

a) Das rührt daher, dass der Kanzler sich in Schweigen hüllt.
b) Das rührt davon her, dass der Kanzler sich in Schweigen hüllt.

Ich bin mir einigermaßen sicher, dass a) falsch ist. Das Verb heißt ja nicht „daherrühren“ oder „rühren“ (Letzteres gibt es zwar, bedeutet aber etwas anderes). Trotzdem ist dies wohl die gängigste Schreibweise. […]

Antwort

Guten Tag Herr K.,

die Wendung lautet tatsächlich von etwas herrühren (seine Ursache in etwas haben):

Der üble Geruch rührte von verdorbenen Lebensmitteln her.
Diese Verletzungen können nicht von einem Sturz herrühren.

Es müsste entsprechend auch heißen:

Wovon rührte der üble Geruch her?
Diese Verletzungen rühren nicht davon her, dass das Kind gestürzt ist.

Und bei der Formulierung in Ihrer Frage:

Das rührt davon her, dass der Kanzler sich in schweigen hüllt.

Das ist zwar korrekt, aber so wird dennoch verhälnismäßig selten formuliert. Warum?

Das einfache Verb rühren hat nicht immer eine andere Bedeutung. In der gehobenen Sprache kann es ebenfalls seine Ursache haben bedeuten:

Ihre Beschwerden rühren von einer Erkältung.
Die Aufregung rührt von einem Missverständnis.

Dieses einfache rühren klingt nicht mehr so gehoben, wenn Fragen formuliert oder Nebensätze angeschlossen werden:

Woher rührte der üble Geruch?
Die Aufregung rührt daher, dass es ein Missverständnis gegeben hat.

Das gilt auch für die allgemein gebräuchliche Wendung das rührt daher, dass:

Das rührt daher, dass der Kanzler sich in Schweigen hüllt.

Man könnte also sagen, dass das einfache rühren in Verbindung mit woher und daher an die Stelle des sonst üblichen herrühren tritt, wenn eher schwerfälliges  wovon … her oder davon her vermieden werden soll. Das ist hier sehr einfach und unauffällig, weil ja gewissermaßen ein her erhalten bleibt.

Die Formulierung das rührt daher, dass ist gebräuchlich und korrekt. Das rührt daher, dass wir manchmal mühelos von der einen zur anderen Konstruktion wechseln können, wenn dies einfacher ist oder besser klingt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Im Namen meiner Geschwister und mir?

Frage

In einem Dankschreiben lass ich neulich: „Im Namen meiner Geschwister und mir möchte ich mich für … bedanken.“ Frage: Ist das Personalpronomen im Dativ hier richtig?

Antwort

Guten Tag Herr H.,

der Satz ist so nicht korrekt. Die Formulierung im Namen meiner Geschwister und in meinem Namen kann nicht in dieser Weise zusammengezogen werden. Der einfache Dativ mir passt nicht, denn es steht dann eigentlich: im Namen meiner Geschwister und [im Namen] mir.

Die einfachste Lösung ist, mir einfach wegzulassen. Im Prinzip gibt mich in mich bedanken schon an, dass der Dank auch von mir ausgeht:

Im Namen meiner Geschwister möchte ich mich für … bedanken.

Auch ich hätte aber die Neigung, stärker zu betonen, dass meine Geschwister und ich uns gemeinsam bedanken. Dann gibt es verschiedene andere Möglichkeiten. Man kann zum Beispiel alles ausformulieren:

Im Namen meiner Geschwister und in meinem Namen möchte ich mich für … bedanken.

Die Formulierung mich in meinem Namen bedanken wirkt auf mich hier allerdings etwas seltsam und wortreich.

Man kann auch statt des Genitivattributs meiner Geschwister ein Formulierung mit von wählen. Dann passt auch das einfache mir, weil ein weggelassenes von dazugedacht werden kann:

Im Namen von meinen Geschwistern und mir möchte ich mich für … bedanken.

Ich halte dies für eine gut vertretbare Formulierung, aber nicht allen gefällt der Ersatz des Genitivattributs durch ein von-Attribut. Eine bessere Lösung könnte dann ein einfaches auch sein:

Auch im Namen meiner Geschwister möchte ich mich für … bedanken.
Ich möchte mich auch im Namen meiner Geschwister für … bedanken.

Nicht alles lässt sich einfach kurz und bündig zusammenziehen. Dann muss man flexibel nach anderen Formulierungen Ausschau halten.

Mir freundlichen Grüßen

Dr. Bopp