Ist die Sache die oder der Mühe wert?

Frage

Ist es der Mühe wert? Oder ist es vielleicht die Mühe wert? Ich weiß es nicht…

Wie Sie sehen, bin ich im Zweifel befangen, und um mich nicht zu verhaspeln, frage ich lieber gleich einen Gstudierten: Wenn es der Mühe wert ist, müsste es auch eines Versuches wert sein. Ebenso sollte Rom einer Reise wert sein. Viel gebräuchlicher hingegen scheint mir, dass Rom eine Reise und es einen Versuch wert ist. Ich vermute einmal, dass wohl beide Varianten vertretbar sind, allein welche ist die richtigere?

Antwort

Sehr geehrter Herr H.,

auch der „Gstudierte“ wusste nicht gleich die Antwort auf diese Frage. Zum Glück gibt es aber „gscheite“ Bücher, die einem wieder auf die Sprünge helfen. Der Ausdruck wert sein kann mit dem Akkusativ und mit dem Genitiv stehen. Mit dem Akkusativ (etwas wert sein) bedeutet er einen bestimmten Wert haben oder den Aufwand, die Mühe lohnen:

Das ist viel Geld wert.
Das ist keinen Cent wert.

Rom ist eine Reise wert
Das ist einen Versuch wert.

Mit dem Genitiv (einer Sache wert sein) ist die Bedeutung würdig sein, verdienen:

Sie sind unseres Vertrauens wert.
Ihr Verhalten ist größter Bewunderung wert.
Das ist nicht der Rede wert. (= Das ist es nicht würdig, erwähnt zu werden.)

Unsere Unsicherheit ist wohl darauf zurückzuführen, dass man viele Wörter mit beiden Bedeutungen von wert sein verwenden kann und dass die Bedeutungen die Mühe lohnen und würdig sein manchmal gar nicht so weit auseinanderliegen:

Diese Sache ist die Mühe wert. = Es lohnt sich, sich für diese Sache Mühe zu geben.
Diese Sache ist der Mühe wert. = Diese Sache verdient es, dass man sich Mühe gibt.

Je nachdem, welche dieser beiden Bedeutungen Sie eher meinen, verwenden Sie also den Akkusativ (die Mühe wert sein) oder den Genitiv (der Mühe wert sein).

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Mein Mitarbeiter oder ich stehe, stehen, steht …?

Frage

Heißt es bei dem Satz: Für Rückfragen stehe(n) ich oder mein Mitarbeiter Ihnen gerne zur Verfügung. Heißt es hier stehe oder stehen? Wie lautet die Regel ?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

es gibt leider (oder je nach Einstellung zur Grammatik: zum Glück) keine allgemeingültige Regel zu dieser Frage. Es gibt allerdings eine starke allgemeine Tendenz, die auf der unten erwähnten Grammatikseite aufgezeigt wird.

Kurz zusammengefasst lautet die Tendenz, dass bei mit oder verbundenen Subjektteilen, die sich in Person und/oder Anzahl voneinander unterscheiden, das Verb sich nach dem ihm am nächsten stehenden Subjektteil richtet. In Ihrem Beispielsatz sind die Subjektteile erste Person Einzahl (ich) und dritte Person Einzahl (mein Mitarbeiter). Das Verb steht am nächsten bei ich und wird deshalb am ehesten in der ersten Person Einzahl verwendet:

Für Rückfragen stehe ich oder mein Mitarbeiter Ihnen gern zur Verfügung.
oder „umgekehrt“:
Für Rückfragen steht mein Mitarbeiter oder ich Ihnen gern zur Verfügung.

Am besten vermeidet man solche Konstruktionen, denn sie klingen für viele Deutschsprachige irgendwie unbefriedigend. Beispiele für mögliche Umschreibungen sind:

Für Rückfragen stehen ich und mein Mitarbeiter Ihnen gerne zur Verfügung.
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an mich oder meinen Mitarbeiter.

Weiter Informationen finden sie auf dieser Grammatikseite, insbesondere unter

  • Problemfälle: Zwei verschiedene Personen mit oder
  • Problemfälle; 1. Person und 3. Person

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Jeder Onkel und jede Tante hat/haben nette Verwandte?

Frage

Nach mehrtägigem „Streit“ an meiner Schule und einer Wette um eine Flasche Champagner wende ich mich nun an Sie in der Hoffnung, dass Sie bei folgenden Sätzen weiterhelfen können. Es geht in den Beispielsätzen um die Verbbildung (Singular oder Plural):

Vater und Mutter geht/gehen ins Kino.
Fritz und Hans läuft/laufen Marathon.
Der Turner und die Turnerin übt/üben ihre Kür.
Jeder Schüler und jede Schülerin hat/haben ein Recht auf Unterricht.
Jede Frau und jeder Mann läuft/laufen lange Strecken.
Jeder Onkel und jede Tante hat/haben nette Verwandte.

Diese Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Mir geht es darum: Gibt es bei solchen Satzbildungen feste Regeln (welche?) oder kann man die Singular- oder Pluralform nach eigenem Ermessen bzw. Empfinden ausdrücken.

Antwort

Sehr geehter Herr M.,

in Ihren Beispielsätzen geht es immer um ein mehrteiliges Subjekt, dessen Teile mit und verbunden sind. Die Grundregel lautet, dass das Verb dann im Plural steht:

Vater und Mutter gehen ins Kino.
Fritz und Hans laufen Marathon.
Der Turner und die Turnerin üben ihre Kür.

Es gibt allerdings Ausnahmen, bei denen von dieser Regel abgewichen wird. Eine Ausnahmeregel lautet, dass das Verb im Singular steht, wenn beide Subjektteile in der Einzahl stehen und kein, jeder oder mancher vor ihnen steht.

Jeder Schüler und jede Schülerin hat Recht auf Unterricht.
Jede Pflanze und jedes Tier ist schützenswert.
Jeder Onkel und jede Tante hat nette Verwandte.
Kein Onkel und keine Tante hat nette Verwandte.
Mancher Onkel und manche Tante hat nette Verwandte.

Ebenso:

Jede und jeder hat Recht auf Unterricht.

Weshalb wird hier der Singular gewählt? Im Gegensatz zu alle, das sich auf sämtliche Individuen einer Gruppe bezieht, gibt jeder an, dass immer jeweils ein einzelnes Individuum aus einer Gruppe gemeint ist. Deshalb steht das Verb in der Einzahl:

Jede Schülerin hat …
= Jedes Individuum aus der Gruppe “Schülerinnen” hat …

Bei jedes A und jedes B fasst das und die beiden Gruppen A und B zusammen. Obwohl jedes zweimal vorkommt, ist der Nachdruck auf einzelnes Individuum aus der Gesamtgruppe A und B so stark, dass das Verb in der Einzahl bleibt:

Jeder Schüler und jede Schülerin hat
= Jedes Individuum aus der Gesamtgruppe “Schüler und Schülerinnen” hat

Wenn Sie mich zum Schiedsrichter machen würden, hätten also diejenigen, die auf den Plural in allen Beispielsätzen gewettet haben, die Flasche Champagner – so leid es mir tut – verloren. Mögen die Sieger den Verlierern auch ein Gläschen gönnen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ich fahre zu oder nach …?

Sagt man nach oder zu? Das ist eine Frage, die schon an verschiedenen Orten behandelt worden ist. Da sie aber immer wieder auftaucht, kann ich es nicht lassen, hier auch einmal meine Antwort zu veröffentlichen.

Frage

Wir streiten uns ob es heissen muss:

Ich fahre zu OBI oder
Ich fahre nach OBI

(OBI ist ein Baumarkt)

Antwort

Sehr geehrter Herr G.,

es lohnt sich meistens nicht, über Sprachfragen zu streiten. Sehr oft haben nämlich beide Seiten irgendwie recht. So auch in diesem Fall.

Im Standarddeutschen sagt man:

Ich fahre zu Obi.

Man verwendet nach in diesem Zusammenhang nur bei geographischen Namen (Länder, Regionen, Ortschaften, Inseln), die keinen Artikel haben:

Ich fahre nach Österreich.
Ich fahre nach Bayern.
Ich fahre nach Barcelona.
Ich fliege nach Hawaii.

Außerdem verwendet man nach noch in nach Hause und bei den Himmelsrichtungen (zum Beispiel nach Norden).

Bei geographischen Namen mit Artikel verwendet man in – außer bei Inseln:

Ich fahre in den Schwarzwald.
Ich fahre in die Tschechische Republik.
Ich fliege in die Vereinigten Staaten.
Ich fliege auf die Hawaii-Inseln.

Sonst verwendet man meistens zu:

Ich fahre zum Bäcker.
Ich fahre zum Bahnhof.
Ich fahre zum Standesamt.
Ich fahre zur Kirche.

Bei Personen- und Firmennamen:

Ich fahre zu meiner Schwester.
Ich fahre zu Herrn G.
Ich fahre zu Bauhaus/Globus/Hellweg/Hornbach/Toom/…
Ich fahre zu Obi.

Soweit die Standardsprache. In der Umgangssprache hält man sich nicht überall an diese Regeln. So verwendet man zum Beispiel im nördlichen/nordwestlichen deutschen Sprachraum oft nach statt zu: Ich fahre nach Obi. Und im süddeutschen Sprachraum, wo ich herkomme und wo man Namen meisten mit Artikel verwendet, wundert sich niemand, wenn Sie sagen: Ich fahre zum Obi.

Standardsprachlich korrekt ist nur Ich fahre zu Obi. Zu Obi fährt man aber meistens in einer Situation, in der man sich in der Umgangssprache unterhält. Wenn Sie also in Norddeutschland sind oder norddeutsche Wurzeln haben, können Sie ohne Weiteres auch Ich fahre nach Obi sagen. In einer informellen Situation kann Ihnen das niemand übelnehmen. Wenn Sie allerdings zum Beispiel einen formellen Brief schreiben, ein offizielles Interview geben oder einen Prospekt für Obi gestalten, sollten Sie nur das im der Standardsprache übliche zu verwenden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

sich einer Sache sicher sein

Frage

Heute in der deutschen Tagesschau: „… wenn sich die SPD dem grünen Partner nicht mehr sicher sein kann.“ (http://www.tagesschau.de/inland/hamburgwahl104.html). Ich bin mir (sic!) nicht sicher, ob das stimmt… 😉

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

Sie können sich dessen sicher sein, dass der deutschen Tagesschau hier ein Fehler unterlaufen ist. Der Ausdruck lautet sich jemandes/einer Sache sicher sein. Er verlangt den Genitiv. Richtig ist somit „… wenn sich die SPD des grünen Partners nicht mehr sicher sein kann.“ Sehen Sie hierzu auch diese Grammatikseite.

Normalerweise bin ich nicht so streng, wenn es darum geht, dass „der Dativ dem Genitiv sein Tod“ sein soll. In diesem Fall handelt es sich aber um einen Ausdruck der eher gehobenen Sprache, den man in einer Sendung wie der Tagesschau – wennschon, dennschon – korrekt verwenden sollte. Wir machen allerdings alle Fehler. Die Tagesschau sei in diesem Sinne nicht allzu harsch verurteilt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Ich war zum Fußball?

Frage

Ist es grammatikalisch richtig zu sagen Ich war zum Fußball? Unsere Studenten-WG streitet sich seit Wochen darüber. Ich bin der Meinung, dass das grammatikalisch vollkommen falsch ist.

Antwort

Sehr geehrter Herr W.,

ganz persönlich finde ich den Satz insofern schon falsch, als ich nie und nimmer so etwas sagen würde. Ich mag nämlich Fußball schlichtweg nicht. Doch das ist natürlich kein grammatikalisch stichhaltiges Argument. Aber auch sonst befürchte ich, dass Ihre Studenten-WG auch nach dieser Antwort das Streitbeil nicht ganz begraben wird. Die Streitfrage wird dann sein, ob Sie nur die Standardsprache oder auch die Umgangssprache als richtig akzeptieren. In der Sprache kann man sich nämlich verschiedener Register bedienen.

Standardsprachlich korrekt sind wohl u. a. diese Formulierungen:

Ich war Fußball spielen.
Ich bin zum Fußballspielen (weg)gegangen.

Umgangssprachlich lässt sich dies je nach Sprachregion zu der folgenden Aussage verkürzen:

Ich war zum Fußball.

Dabei ist mit Fußball nicht das runde Ding Fußball sondern die Handlung, das Geschehen Fußballspielen gemeint. In der gleichen Art kann man umgangssprachlich auch sagen: Ich war zum Einkaufen/Friseur/…

Wenn Sie mit „grammatikalisch richtig“ meinen, dass es gemäß der deutschen Standardsprache korrekt sein muss, ist Ihr Beispielsatz nicht richtig. Als Deutschlehrer würde ich ihn als umgangssprachlich anstreichen.

Wenn Sie aber akzeptieren, dass die Umgangssprache auch so ihre eigene Grammatik hat, dann ist der Satz nicht ungrammatisch. In formelleren Briefen, Aufsätzen, Gesprächen usw. sollte er – wie gesagt – nicht verwendet werden, aber als Aussage unter Freunden in der WG ist er durchaus akzeptabel.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sie müssen mir noch einmal kommen

Frage

Kürzlich überraschte mich eine Äußerung einer Optikerin. Sie passte mir neue Linsen an und da alles problemlos ablief, dachte ich, damit hätte es sich. Sie aber meinte: „Sie müssen mir nochmals kommen!“ Ich fragte sie sogleich, warum ich ihr nochmals kommen müsse, worauf sie für mich nur einen schrägen Blick übrig hatte… Gibt es irgendeine grammatische Erklärung, warum man kommen mit einem Dativ verwenden kann?

Antwort

Sehr geehrte Frau R.,

Das ist mir eine schöne Frage! Ihre Optikerin hat einen sogenannten freien Dativ verwendet. Näheres dazu finden Sie hier. Sie hat dabei wohl einen Dativus ethicus verwendet, d.h. einen Dativ, der ausdrückt, dass die Sprecherin nur gefühlsmäßig an der im Satz ausgedrückten Handlung beteiligt ist. Sie müssen ja kommen, nicht die Optikerin, doch diese ist freundlich aber bestimmt auffordernd und besorgt an Ihrem Kommen beteiligt. Ungefähr so könnte das mir gemeint gewesen sein.

Der Satz lässt sich nicht umdrehen, weil Sie der Optikerin eigentlich nicht eine gefühlsmäßige Beteiligung „unterstellen“ können. „Warum muss ich Ihnen noch einmal kommen?“ klingt deshalb verwunderlich und ist eventuell sogar eines schrägen Blickes würdig.

Vielleicht war es auch eher ein höflich gemeinter Dativus commodi, d.h. dass Sie sich der Optikerin zuliebe noch einmal bei ihr melden sollten.

Andere Beispiele für freie Dative sind:

Das ist mir eine schöne Bescherung!
Nehmen Sie mir diese Tabletten bitte regelmäßig ein.
Du musst uns schnell wieder gesund werden.

Die Formulierung Ihrer Optikerin klingt vielleicht etwas gar nach altmodischer Tante Doktor, aber grammatisch ist sie einwandfrei.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

In dem Laden, wo …?

Frage

Zumindest umgangssprachlich lässt sich ja zum Beispiel sagen: In dem Laden, wo ich gerade war, … Ist das korrekt oder muss es unbedingt heißen In dem Laden, in dem ich gerade war, …?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

die Unsicherheit bei der Verwendung von wo in solchen Sätzen rührt wahrscheinlich daher, dass im (südlichen) deutschen Sprachraum in vielen Dialekten dort wo steht, wo wo in der Standardsprache nicht stehen darf. Das lernt man in der Schule und traut sich dann gar nicht mehr, wo noch zu verwenden.

Standardsprachlich darf wo nicht verwendet werden, wenn es sich auf ein Nomen bezieht, das nicht als Ortsbezeichnung verwendet wird. Nicht korrekt sind also zum Beispiel:

Der Mann, wo das gesagt hat.
Der Mann, der wo das gesagt hat.
Der Laden, wo Konkurs gemacht hat.
Der Laden, der wo Konkurs gemacht hat.

Das Wörtchen wo darf aber in anderen Fällen auch in der Standardsprache für die Einleitung von Relativsätzen verwendet werden. Dies gilt vor allem in den folgenden Fällen:

wo steht nach da und dort:

Die Schlüssel liegen da/dort, wo du sie hingelegt hast.

wo kann allgemein nach Nomen stehen, die die Funktion einer Ortsbezeichnungen haben:

Sie wohnt in der Stadt, wo sie auch arbeitet.
Das ist der Ort, wo wir uns treffen werden.

Und auch Goethe dichtete über Italien:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn?

Diese Sätze können auch wie folgt eingeleitet werden (Präposition + der/die/das):

Sie wohnt in der Stadt, in der sie auch arbeitet.
Das ist der Ort, an dem wir uns treffen werden.
Kennst du das Land, in dem die Zitronen blühen? (Das ist dann aber nicht mehr von Goethe.)

Ihr Beispiel ist also auch standardsprachlich sowohl mit wo also auch mit in dem korrekt, denn hier ist Laden eine Ortsbezeichnung:

In dem Laden, wo ich gerade war, …
In dem Laden, in dem ich gerade war …

Schließlich kann wo auch nach Zeitangaben stehen:

Ich will dich jetzt, wo du so beschäftigt bist, nicht belästigen.
Ich freue mich auf den Tag, wo wir uns wiedersehen werden.

Sehen Sie hierzu die beiden letzten Abschnitte unter “Wahl des Einleitewortes” auf dieser Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

sein und dessen

Frage

Ist der folgende Satz korrekt?

So liegt zum Beispiel die Outperformance des XYZ-Fonds seit dessen Markteinführung bei x% im Vergleich zu seiner Benchmark.

dessen? Müsste hier nicht heißen seit seiner (der Fonds) Markteinführung?

Antwort

Sehr geehrte Frau E.,

in Ihrem Beispielsatz sind sowohl dessen also auch seiner korrekt. Die Form dessen ist die männliche Genitivform des Demonstrativpronomens der/die/das. Diese Form kann auch vor einem Nomen stehen:

Ich sehe Herrn Müller und dessen Schwester.
= Ich sehe Herrn Müller und Herrn Müllers Schwester.

Ich kannte das Rätsel und dessen Lösung.
= Ich kannte das Rätsel und die Lösung des Rätsels.

Dieser Genitiv drückt ein Besitzverhältnis im weitesten Sinne aus. Ein solches Besitzverhältnis kann auch mit dem besitzanzeigenden Fürwort sein ausgedrückt werden:

Ich sehe Herrn Müller und seine Schwester.
Ich kannte das Rätsel und seine Lösung.

Aus diesem Grund können in Ihrem Beispielsatz sowohl dessen als auch seiner stehen. Beide im weitesten Sinne besitzanzeigenden Pronomen sind männliche Singularformen und beziehen sich auf das im Singular stehende männliche Nomen XYZ-Fonds.

Das Folgende trifft nicht mehr auf ihr Beispiel zu. Es sei der Vollständigkeit halber doch noch erwähnt:

Das Pronomen dessen kann nicht in dieser Art verwendet werden, wenn es sich auf das Subjekt des Satzes beziehen soll. Im Satz

Herr Müller geht mit dessen Schwester weg.

kann dessen sich nicht auf Herrn Müller beziehen. Dank dieser Eigenschaft kann es zur Vermeidung von Missverständnissen verwendet werden:

Herr Müller geht mit dem Nachbarn und seiner Schwester weg.

Hier ist nicht eindeutig, um wessen Schwester es sich handelt. Wenn angeben werden soll, dass die Schwester des Nachbarn gemeint ist, kann man dessen verwenden:

Herr Müller geht mit dem Nachbarn und dessen Schwester weg.

Das Ganze funktioniert übrigens auch mit umgedrehten Geschlechterrollen und in der Mehrzahl:

zweideutig: Frau Müller geht mit der Nachbarin und ihrem Bruder weg.
eindeutig: Frau Müller geht mit der Nachbarin und deren Bruder weg.

zweideutig: Die Müllers gehen mit den Nachbarn und ihren Kindern weg.
eindeutig: Die Müllers gehen mit den Nachbarn und deren Kindern weg.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

gefolgt von

Frage

Meine Deutschlehrerin erklärte 1975, dass die Formulierung gefolgt von nicht korrekt sei. Mir leuchtete das ein und tut es nach wie vor. Heute wird diese Form jedoch immer häufiger gebraucht – und das nicht nur von Sportreportern, sondern auch z.B. im Feuilleton der NZZ oder in inhaltlich hochstehenden Referaten etc.

Die Violinistin aus QR gewann den ersten Preis gefolgt von ihrer Kollegin aus XY.
Die Feinstaubkonzentration in Neudorf ist sehr hoch, gefolgt von der in Altdorf.

Falls das korrekt wäre, müsste doch auch gelten: Ich werde von meinem Kind gefolgt. Oder nicht? Was meinen Sie dazu?

Antwort

Sehr geehrte Frau F.,

Sie stellen eine Frage, die mir einiges Kopfzerbrechen bereitet hat. Damit Sie dies nicht als Vorwurf auffassen, sei Folgendes gleich hinzugefügt: Solche Fragen habe ich eigentlich am liebsten.

gefolgt von

Den Ausdruck gefolgt von finde ich korrekt. Er steht zum Beispiel auch in den Beispielsätzen zum Verb folgen in Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache:

Gefolgt von verschiedenen Würdenträgern, betrat er den Saal.

Er hat vor allem die Bedeutung im Gefolge begleitet von. Im modernen Sprachgebrauch wird gefolgt von immer mehr auch in einem weiteren Sinne verwendet. So zum Beispiel auch in Ihren Beispielsätzen. Ich bin geneigt, diese Verwendung auch als korrekt anzuschauen (ich bin eben nicht so ein strenger Grammatiker). Der Ausdruck gefolgt von hat sich gewissermaßen vom Verb folgen gelöst und die Funktion einer eigenständigen Präposition erhalten.

gefolgt werden von

Erstaunlicher fand ich, dass auch immer mehr die Wendung gefolgt werden von verwendet wird. Zum Beispiel:

Jeder Zahlenwert wird gefolgt von einer Erläuterung.
Die Wiederbelebung der Wirtschaft wurde gefolgt von einer politischen Wiederbelebung.

Diese Formen erachte ich als falsch, auch wenn sie relativ häufig vorzukommen scheinen. Es handelt sich um eine Passivkonstruktion, die ein Verb jemanden folgen voraussetzt. Im Deutschen heißt es aber jemandem folgen. Die richtige Formulierung wäre also:

Jedem Zahlenwert folgt eine Erläuterung.
Der Wiederbelebung der Wirtschaft folgte eine politische Wiederbelebung.

Woher diese Form gefolgt werden von kommt, kann ich leider nicht erklären. Dafür wären genauere Untersuchungen notwendig. Es kann sein, dass sie in Analogie mit Verben wie begleiten (begleitet werden von) gebildet wird. Ebenfalls nicht unwahrscheinlich sind Einflüsse von etwas zu wörtlichen Übersetzungen aus dem Englischen, wo solche Passivsätze korrekt sind: to be followed by. Aber dies sind natürlich nur einige unfundierte „Schnellschüsse“.

Vielleicht wird auch die Passivkonstruktion gefolgt werden von einmal korrektes Deutsch sein. Vorläufig würde ich sie aber im Standarddeutschen nicht verwendet. Ich halte deshalb Ihren Beispielsatz Ich werde von meinem Kind gefolgt für falsch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp