Warum Rotkäppchen zu seiner Großmutter ging

Wie wir wahrscheinlich alle wissen, ging Rotkäppchen zur Großmutter, um ihr ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein zu bringen. Mit der Frage im Titel ist dann auch nicht gemeint, aus welchem Grund die junge Dame den gefährlichen Fußmarsch durch den Wald unternahm, sondern warum Rotkäppchen zu seiner und nicht zu ihrer Großmutter ging.

Frage

Warum heißt es zum Beispiel: „Rotkäppchen ging nach Hause, und niemand tat ihm etwas zuleid“? Verlangt Rotkäppchen nicht eigentlich die Form: „… und niemand tat ihr etwas zuleid“?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

Rotkäppchen ist grammatisch gesehen ein sächliches Nomen (das Rotkäppchen), auch wenn das natürliche Geschlecht weiblich ist. Bei der grammatischen Übereinstimmung richtet man sich im Deutschen in der Regel nach dem grammatischen und nicht nach dem natürlichen Geschlecht. Deshalb geht Rotkäppchen zu seiner Großmutter, nicht zu ihrer Großmutter. Dieser Besuch wird ihm beinahe fatal, weil es den Wolf für seine Großmutter hält, aber glücklicherweise rettet der wackere Jäger das Mädchen, das sonst sein Leben als Wolfsmahl hätte lassen müssen.

Wie man sieht, gilt diese Regel der grammatischen Übereinstimmung auch für  Mädchen. Ein weiteres Beispiel:

Das Mädchen, das seinen Namen verloren hatte.

Bei diesem Wort wird allerdings immer häufiger auch die weibliche Form verwendet. Dies geschieht insbesondere dann, wenn der Abstand zwischen Mädchen und dem Pronomen größer ist:

Aber Tom konnte das Mädchen nicht vergessen. Er durfte nicht mehr durch die verborgene Tür gehen, aber er musste doch versuchen, hinter ihren Namen zu kommen.

Die Formulierung „hinter seinen Namen zu kommen“ ist hier aber mindestens ebenso korrekt. Wörter wie Rotkäppchen, Mädchen und Kind bleiben eben in der Regel grammatisch sächlich, auch wenn sie weibliche Personen bezeichnen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der Esel kommt zuerst

Eine Frage, die in einem Kommentar (statt hier) gestellt wurde:

Frage

Ist irgendwo verankert, dass man sich bei Aufzählungen nicht zuerst nennen darf, oder ist es nur eine „Anstandsregel“? Zum Beispiel: ich und meine Kinder oder
 meine Kinder und ich?

Antwort

Sehr geehrter Herr P.,

die Grammatik des Deutschen verbietet es nicht, in Aufzählungen sich selbst an erster Stelle zu nennen. Es ist eine reine Anstandsregel. Die Formulierung ich und mein Bruder, die man mich früher häufig sagen hörte, ist grammatisch völlig korrekt. Dennoch brachte sie mir – wie vielen anderen auch – meist ein ermahnendes „Der Esel kommt zuerst“ ein. (Auch „Der Esel nennt sich selbst zuerst“ hört man oft, doch das war bei uns nicht die übliche Variante.) Es ist also keine Frage der Grammatik, sondern eine Frage des Stils.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sie ist jemand, die – oder der?

Frage

Ich frage mich, ob auf jemand ein weibliches Relativpronomen folgen kann oder ob jemand stets als männliches Wort behandelt wird. Wie ist es zum Beispiel bei „Ich kenne jemanden, die ein gelbes Auto hat“? Ist diese Formulierung nur ungewohnt oder grammatisch falsch? Falls letzteres, wie kann ich der Tatsache Ausdruck verleihen, dass es eine Frau ist, die das gelbe Auto hat? Kann jemand dies je ausdrücken?

Antwort

Sehr geehrte Frau M.,

das Wort jemand ist eigentlich weder männlich noch weiblich, sondern unbestimmt. In der Regel nimmt man aber mit einem männlichen Pronomen Bezug auf jemand, sogar wenn die mit jemand bezeichnete Person eine Frau ist:

Ich kenne jemanden, der ein gelbes Auto hat: Hannelore.
Sie ist jemand, der sich gut zu helfen weiß.

Die männliche Form ist hier die „neutrale“ Form, die bei unbestimmten Ausdrücken verwendet wird. Im Prinzip steht jemand ja für eine unbestimmte Person. Ähnliches gilt zum Beispiel auch für man und niemand:

Man weiß gar nicht, was man mit seiner Zeit anfangen soll.
Ich kenne niemanden, der

Gelegentlich wird aber bei jemand anstelle der „neutralen“, männlichen Form die dem natürlichen Geschlecht entsprechende weibliche Form verwendet:

Ich kenne jemanden, die ein gelbes Auto hat.
Sie ist jemand, die sich gut zu helfen weiß.

Die weiblichen Formen sind hier nicht falsch, aber eher unüblich. Andere mögliche Formulierungen, wenn man sich nicht mit männlichen Pronomen auf weibliche Personen beziehen will, sind zum Beispiel:

Ich kenne eine Frau, die ein gelbes Auto hat.
Sie ist eine Person, die sich gut zu helfen weiß.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Eher wie eine Katze als wie ein Hund aussehen

Frage

Stimmt dieser Satz: „Er sieht eher aus wie eine Katze als wie ein Hund.“? Mir ist leider kein besseres Beispiel eingefallen, aber mich interessiert eigentlich nur, ob als wie richtig ist oder ob es anders geschrieben werden muss.

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

der Satz ist richtig:

Er sieht eher aus wie eine Katze als wie ein Hund.

Der so bezeichnete Hund wird sich, sofern er es versteht, zwar beleidigt fühlen, aber grammatisch ist die Aussage korrekt. Das Vergleichswort als kann auch vor wie stehen, wenn mit einer mit wie anfangenden Wortgruppe verglichen wird:

Er benimmt sich eher wie ein Rüpel als wie ein Gentleman.
Du solltest besser ganz ruhig als wie ein Formel-1-Pilot fahren.

Dies gilt auch für als vor als:

Sie sieht sich eher als Performerin als als klassische Schauspielerin.
Man verdient als Chef mehr als als Hilfsarbeiter.

Hier kann zur Vermeidung von doppeltem als auf denn ausgewichen werden:

Sie sieht sich eher als Performerin denn als klassische Schauspielerin.

Das ist aber nicht zwingend. In meinen Ohren klingt es auch ein bisschen veraltet oder sehr gehoben. Wenn einen das doppelte als stört, kann man oft auch einfach eine andere Formulierung verwenden. Zum Beispiel:

Ein Chef verdient mehr als ein Hilfsarbeiter.

Standardsprachlich nicht korrekt ist es allerdings, das Vergleichswort als durch wie zu ersetzen!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

In oder im Abschnitt B.2?

Frage

Ich habe eine Frage im Zusammenhang mit einer Formulierung für eine wissenschaftliche Arbeit. An einigen Stellen verweise ich auf andere Abschnitte. Wann muss ich in und wann im verwenden? Gibt es für die Verwendung einen eindeutigen Anhaltspunkt? Hier einige Beispiele:

Auf…wird in/im Abschnitt B.2 eingegangen.
Die…sind in/im Abschnitt B.2 dargestellt.
Die…werden in/im Abschnitt B.2 beschrieben.

Antwort

Sehr geehrt Frau B.,

Verweisungen auf Stellen in Büchern, Artikeln usw. mit nachgestellter Nummerierung (zum Beipsiel: Seite 23, Kapitel 5, Paragraph 7bis) können mit oder ohne Artikel stehen. Wenn sie ohne Artikel verwendet werden, bleiben sie ungebeugt. Zum Beispiel:

… ist auf Seite 23 oder auf der Seite 23 zu finden.
… steht in Kapitel 5–7 oder in den Kapiteln 5–7.
… wird in Paragraph 7bis oder im Paragraphen 7bis erläutert.

Das Gleiche gilt für Abschnitt, Gliederungspunkt usw. Sie können also sowohl in Abschnitt B.2 als auch im Abschnitt B.2 schreiben. Ebenso: in Abschnitt B.2–B.5 oder in den Abschnitten B.2–B.5.

Dies gilt übrigens nur bei nachgestellter Nummerierung. In anderen Fällen kann der Artikel in der Regel nicht weggelassen werden. Zum Beispiel:

im nächsten Abschnitt
im 11. Abschnitt

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der angekommene Urlaub und die beschwipste Konsulin

Es gibt seit kurzem die Möglichkeit, Fragen auch mit Hilfe eines Kontaktformulars zu stellen. Diese Fragen kann ich aber nur dann beantworten, wenn Sie Ihre korrekte E-Mail-Adresse angeben. Alle Fragesteller und Fragestellerinnen erhalten nämlich immer eine persönlich an sie gerichtete Antwort. Canoonet verspricht Ihnen, dass wir Ihren Namen und Ihre E-Mail-Adresse weder veröffentlichen noch an Dritte weitergeben. Wie belästigen Sie noch nicht einmal mit Post von uns.

Diese Einleitung richtet sich auch an Frau H., deren Frage ich wegen einer wahrscheinlich falsch eingegebenen E-Mail-Adresse nicht beantworten konnte. Hier dann also ausnahmsweise eine „unpersönliche“ Antwort direkt im Blog:

Frage:

Wie ist die Kommasetzung bei diesem Satz:

In Kuba angekommen, beginnt sein Urlaub.

Oder:

In Kuba angekommen beginnt sein Urlaub.

Antwort

Guten Tag Frau H.,

der Satz kann sowohl mit als auch ohne Komma geschrieben werden. In Kuba angekommen ist eine Partizipgruppe (Partizipialkonstruktion), die zur Verdeutlichung oder zur Hervorhebung durch ein Komma abgetrennt werden kann.

Es gibt aber ein anderes Problem: Partizipialkonstruktionen haben kein Subjekt. Normalerweise ist das Subjekt des Partizips dasselbe wie das Subjekt des Hauptsatzes. Das bedeutet – wenn man streng sein will –, dass in Ihrem Beispiel nicht er, sondern sein Urlaub in Kuba angekommen ist. Das Subjekt des Hauptsatzes ist nämlich sein Urlaub (Wer oder was begann?).

Am besten formulieren Sie deshalb den Satz wie folgt um:

In Kuba angekommen beginnt er seinen Urlaub.

Oder mit Komma:

In Kuba angekommen, beginnt er seinen Urlaub.

In dieser Weise ist das Subjekt zu angekommen identisch mit dem Subjekt des Hauptsatzes, nämlich er.

Ein vielleicht noch aussagekräftigereres Beispiel ist das folgende:

Mit Wein gefüllt[,] überreichte die Konsulin ihrem Gatten das Glas.

Hier wird nicht, wie es wahrscheinlich beabsichtigt ist, ausgedrückt, dass das Glas mit Wein gefüllt war. Wegen der oben beschriebenen Subjektigleichheit unterstellt dieser Satz vielmehr, dass die Konsulin schon ziemlich beschwipst gewesen sein muss.

Hier noch die Angaben zu den entsprechenden Regeln:
Rechtschreibung
Grammatik

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Drehen unsere Vorfahren sich in ihrem Grab oder in ihren Gräbern um?

Frage

Ich zweifle gerade bei folgendem Satz:

Es wurde der Beschluss gefasst, dass das Grab der nachstehenden verstorbenen Personen in absehbarer Zeit umgegraben und neu belegt wird.

Oder:

Es wurde der Beschluss gefasst, dass die Gräber der nachstehenden verstorbenen Personen in absehbarer Zeit umgegraben und neu belegt werden.

Meine Frage: Welche der beiden Versionen ist sprachlich besser bzw. korrekter? Gibt es einen Anwendungs- und/oder Bedeutungsunterschied?

Antwort

Sehr geehrter Herr M.

Wenn ein Gegenstand, ein Element usw. pro Person nur einmal vorhanden ist oder pro Person nur einmal betroffen ist, dann kann der Singular verwendet werden, auch wenn es um mehrere Personen geht. Die Singularform ist dann als pro Person zu verstehen:

Sie zündeten sich eine Zigarette an.
oder: Sie zündeten sich Zigaretten an.

Alle parkten ihr Auto hinter dem Haus.
oder: Alle parkten ihre Autos hinter dem Haus.

Wenn Sie von dieser Schande wüssten, würden seine Vorfahren …
… sich in ihrem Grab umdrehen.
oder: … sich in ihren Gräbern umdrehen.

Auch in Ihrem Satz sind beide Varianten möglich. Es ist mir nicht bekannt, dass hier eine Form üblicher oder stilistisch besser wäre.

das Grab der nachstehenden verstorbenen Personen
oder: die Gräber der nachstehenden verstorbenen Personen

Interessant ist, dass bei Körperteilen und zum Beispiel auch bei Leben nur der Singular üblich ist:

Er schüttelt allen die Hand.
nicht: Er schüttelt allen die Hände;
außer wenn er allen beide Hände schüttelt.

Sie haben beide die Nase gebrochen.
nicht: Sie haben beide die Nasen gebrochen.

Viele verloren dabei ihr Leben.
nicht: Viele verloren dabei ihre Leben.

Wie sich das genau erklären lässt, ist mir nicht deutlich. Es können nicht nur rein logische Gründe sein, denn ich glaube mich aus meinem (weit zurückliegenden) Englischunterricht erinnern zu können, dass gerade hier im Englischen vor allem der Plural üblich ist:

They both broke their noses.
Many lost their lives.

Wie stark diese Tendenz im Englischen ist, kann ich an dieser Stelle leider nicht überprüfen. Es scheint aber auch hier so zu sein, dass es nicht nur eine einzige logische Ausdrucksart gibt, sondern dass man in verschiedenen Sprachen verschiedenen Logiken“ folgt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gebührt oder gebühren ihm Respekt und Anerkennung?

Frage

Wie muss es richtig heißen: „dafür gebührt ihm Respekt und Anerkennung“ oder „dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung“?

Antwort

Sehr geehrter Herr S.,

wenn das Subjekt aus mit und verbundenen Teilen besteht, muss das Verb im Prinzip im Plural stehen. Das Subjekt ist hier Respekt und Anerkennung.

Dafür gebühren ihm Respekt und Anerkennung.

Bei Wortpaaren, die ohne Artikel stehen und die als eine Einheit aufgefasst werden, kann das Verb aber auch im Singular verwendet werden. Zum Beispiel:

Freund und Feind war eingeladen. Essen und Trinken wurde draußen serviert, während im Saal Musik und Tanz die Gäste erfreute.

oder

Freund und Feind waren eingeladen. Essen und Trinken wurden draußen serviert, während im Saal Musik und Tanz die Gäste erfreuten.

Wenn ein solcher Empfang ein voller Erfolg war, lässt sich über den Organisator sagen:

Dafür gebührt im Respekt und Anerkennung.

Beide Formulierungen sind also möglich. Wenn man die Singularform gebührt verwendet, wird Respekt und Anerkennung als eine zusammengehörende Einheit aufgefasst. Nimmt man die Pluralform gebühren, sind Respekt und Anerkennung zwei selbstständige Einheiten. Sehen Sie auch die entsprechende Grammatikseite.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Jemanden oder jemandem das Leben kosten?

Frage

Ich bin irritiert. Ich habe mir vor einigen Tagen ein Magazin gekauft. Die Artikel sind toll, leider habe ich einige grammatische Fehler gefunden. Ein Beispiel:

Dass die Archäologen etwas übersehen hatten, kam erst Monate später ans Licht, als es mehrere Menschen das Leben kostete.

Muss es nicht vielmehr folgendermaßen lauten:

Dass die Archäologen etwas übersehen hatten, kam erst Monate später ans Licht, als es mehreren Menschen das Leben kostete.

Google findet zum Suchbegriff „mehrere Menschen das Leben kostete“ vier Ergebnisse und zum Suchbegriff „mehreren Menschen das Leben kostete“ vierundzwanzig Ergebnisse. Die Ergebnisse sind eindeutig: Die Mehrheit ist für „mehreren Menschen das Leben kostete“.

Antwort

Sehr geehrter Herr P.,

ich weiß nicht, ob Ihr Magazin an anderer Stelle grammatikalische Fehler enthält, aber in diesem Fall stimmt die Formulierung. Das Verb kosten gehört zu den wenigen Verben, die mit einem doppelten Akkusativ stehen:

Das kostet dich einen Euro.
Das kostet mich nur eine kleine Mühe.
Die Umfrage kostet Sie höchstens fünf Minuten Zeit.

In diesen Fällen kann die Bedeutung von kosten wie folgt umschrieben werden: „von jemandem einen bestimmten Preis fordern”. Das Verb kosten kann auch „jemanden um etwas bringen“ bedeuten. Auch dann steht es mit zwei Akkusativen:

Es kostete mehrere Menschen das Leben.
Das kostete das Team den Sieg.

In dieser zweiten Bedeutung wird aber – wie Sie ja auch festgestellt haben – häufig auch der Dativ verwendet:

Es kostet mehreren Menschen das Leben.
Das kostete dem Team den Sieg.

Achtung: Strengere Grammatiker behaupten, diese Konstruktion sei falsch. Sie kommt aber recht häufig vor und wird zum Beispiel auch im Duden und im DWDS erwähnt. Ich finde deshalb, dass auch die Formulierungen mit dem Dativ als korrekt anzuschauen sind. Sehen Sie hierzu auch die entsprechende Grammatikseite auf Canoonet.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Die indirekte Rede und der Konjunktiv

Frage

Ich habe eine Frage zur indirekten Rede: Wenn ich die Ausführungen im aktuellen Duden richtig verstehe, muss man in den Fällen, bei denen der eigentlich zu verwendende Konjunktiv Präsens mit dem Indikativ Präsens identisch ist, den Konjunktiv Präteritum verwenden. Stimmt das? Dieses ständige hätten stört mein Sprachgefühl, aber vielleicht liege ich da ja falsch und meine Kollegen, die das haben stört, richtig.

Beispiel:
Er sagte: „Wir haben uns getroffen.“
Er sagte, sie haben sich getroffen. ODER Er sagte, sie hätten sich getroffen.

Antwort

Sehr geehrte Frau F.,

die indirekte Rede wird mit Hilfe von zwei Mitteln ausgedrückt:

  • Konjunktiv
  • Nebensatz

In der indirekten Rede verwendet man im Prinzip den Konjunktiv I (Konjunktiv Präsens). Der Satz Er sagt: Ich habe sie getroffen“ wird dann in der indirekten Rede zu:

Er sagte, er habe sie getroffen.
Er sagte, dass er sie getroffen habe.

Der Konjunktiv gibt an, dass es sich nicht um die eigenen, sondern um die Worte von jemand anders handelt. Wenn nach Verben wie sagen, behaupten, erklären, erzählen, fragen usw. ein mit dass, ob oder einem Fragewort eingeleiteter Nebensatz folgt, kann das darin Ausgedrückte eigentlich nichts anderes als indirekte Rede sein. Deshalb ist der Konjunktiv nicht mehr unbedingt notwendig und wird in einem solchen Nebensatz auch der Indikativ verwendet:

Er sagte, dass er sie getroffen hat.

Einige strengere Grammatiker, bezeichnen die die Verwendung des Indikativs auch im Nebensatz als falsch oder umgangssprachlich. Diese Meinung teile ich nicht. In einem nicht eingeleiteten Nebensatz ist allerdings von der Verwendung des Indikativs abzuraten. Also nicht: Er sagte, er hat sie getroffen, denn das stimmt mit der direkten Rede überein: Er sagte: „Er hat sie getroffen.“

Wenn der Konjunktiv I mit dem Indikativ Präsens zusammenfällt, ist die Kennzeichnung der indirekten Rede durch den Konjunktiv nicht mehr möglich:

Nicht: Er sagte, sie haben einander getroffen

Sie müssen dann wie vom Duden angegeben auf den Konjunktiv II (oder in bestimmten Fällen auf die würde-Form) ausweichen.

Er sagte, sie hätten einander getroffen.
Er sagte, dass sie einander getroffen hätten.

Im Nebensatz ist dieses hätten allerdings nicht unbedingt notwendig, denn dort ist ja – wie oben erwähnt – auch der Indikativ möglich:

Er sagte, dass sie einander getroffen haben.

Ein weiteres Beispiel:

nicht: Sie sagten, sie verlieren die Geduld.
sondern: Sie sagten, sie verlören die Geduld
dafür gebräuchlicher: Sie sagten, sie würden die Geduld verlieren.

Oder mit einem Nebensatz:

Sie sagten, dass sie die Geduld verlören/verlieren würden.
Sie sagten, dass sie die Geduld verlieren.

Wenn Sie Ihrem Sprachgefühl folgend in solchen Fällen lieber nicht den Konjunktiv II (Konjunktiv Präteritum) oder die würde-Form verwenden, können Sie also immer erwägen, die indirekte Rede in einem Nebensatz auszudrücken.

Mehr Angaben finden Sie hier:
Indirekte Rede
insbesondere:
Indirekte Rede und Konjunktiv
Stilistische Kriterien

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp