Das unsystematische „welches“

Regelmäßige Besucher und Besucherinnen wissen, dass ich Sie immer wieder bitte, bei Fragen darauf zu achten, Ihre E-Mail-Adresse richtig anzugeben. Ich kann Ihnen nämlich sonst nicht antworten. Das ist gestern wieder zweimal vorgekommen. Einmal bei Andreas Frage nach dem Fall, der bei analog steht. (Andrea, wenn Sie an der Antwort interessiert sind, schicken Sie bitte eine E-Mail an die auf dieser Seite angegebene E-Mail-Adresse.)

Die zweite „unbeantwortbare“ Frage kam vermutlich aus Russland (.ru). Sie zeigt, dass wir im Deutschen manchmal etwas eigenartig mit der Übereinstimmung in Genus und Numerus umgehen:

Frage

In einem Kinderbuch habe ich folgenden Satz gelesen: „Welches sind die größten Schiffe?“ Dann habe ich noch mehrere ähnliche Fragen entdeckt. Worauf bezieht sich die Endung -s im Wort „welches“?

Antwort

Guten Tag!

Die Form welches ist die sächliche Einzahlform des Fragepronomens welch-. Sie kann sich trotz ihrer sächlichen Einzahl auf alle Genera und sogar auf den Plural beziehen, wenn sie allein steht und über das Verb sein mit einem Substantiv im Nominativ verbunden ist:

Welches ist der richtige Lösungsweg?
Welches war die beste Limonade.
Welches sind die neuen Aufträge und welches die alten?

Man kann hier ohne Bedeutungsunterschied auch die Formen von welch- verwenden, die sich – wie man es eigentlich von einem rechtschaffenen Pronomen erwarten dürfte – nach Geschlecht und Numerus des Wortes richten, auf das sie sich beziehen:

Welcher ist der richtige Lösungsweg?
Welche war die beste Limonade.
Welche sind die neuen Aufträge und welche die alten?

Mehr zu welches finden Sie hier.

Etwas Entsprechendes ist bei den Antwortmöglichkeiten der Fall: Die sächlichen Einzahlformen das, dies und jenes können sich unter den gleichen Voraussetzungen (sein und Substantiv im Nominativ) auch auf alle Genera und den Plural beziehen:

Das/dies/jenes ist der richtige Lösungsweg.
Das/dies/jenes war die beste Limonade.
Das/dies sind die neuen Aufträge und das/jenes die alten.

Das Deutsche ist hier also immerhin noch so konsequent, dass es bei Frage und Antwort gleich inkonsequent ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Weder sie noch er ist – ähm – sind …

Frage

Ich hätte eine Frage zu „weder … noch“. Zum Beispiel: „Weder sie noch er ist besonders darüber erfreut, dass …“

Inwiefern ist hier der Singular richtig? Ich habe ein wenig im Internet nach Beispielen gesucht und dabei entdecken müssen, dass sehr oft Plural gewählt wird, also: „Weder sie noch er sind besonders darüber erfreut, dass …“

Nach meiner Einschätzung müsste aber auf alle Fälle der Singular richtig sein, da dies ja im Prinzip nur eine vereinfachte Kurzform des folgenden Satzes ist: „Weder sie ist besonders darüber erfreut noch er ist besonders darüber erfreut, dass …“

Wie verhält es sich denn?

Antwort

Sehr geehrter Herr B.,

es verhält sich eigentlich ganz einfach: Wenn eine mit weder … noch verbundene Wortgruppe das Subjekt des Satzes ist, kann das Verb sowohl im Singular als auch im Plural stehen. Beides ist üblich und richtig:

Weder sie noch er ist besonders darüber erfreut, dass …
Weder sie noch er sind besonders darüber erfreut, dass …

Ihre Argumentation für die Verwendung des Singulars ist zwar richtig, aber nicht die einzig richtige. Man kann tatsächlich sagen, dass es sich um die Zusammenziehung von zwei Sätzen handelt:

Weder sie [ist besonders erfreut] noch er ist besonders erfreut.
Weder sie noch er ist besonders erfreut.

Man kann aber auch sagen, dass weder … noch wie und zwei Subjektteile verbindet. Dadurch entsteht ein mehrteiliges Subjekt, das den Plural verlangt:

Er und sie sind besonders erfreut.
Weder er noch sie sind besonders erfreut.

Das Deutsche lässt bei weder … noch beide Sichtweisen zu.

Wenn einer der beiden mit weder … noch verbundenen Teile im Plural steht, wird das Verb im Allgemeinen im Plural verwendet.

Weder sein Geld noch seine guten Beziehungen helfen ihm weiter.
Weder seine guten Beziehungen noch sein Geld helfen ihm weiter.
(Selten: Weder seine guten Beziehungen noch sein Geld hilft ihm weiter.)
(Nicht: *Weder sein Geld noch seine guten Beziehungen hilft ihm weiter.)

Mehr dazu finden Sie hier.

Man kann also sagen, dass weder sie noch er darüber erfreut ist oder sind, dass weder Geld noch gute Beziehungen ihnen weiterhelfen. Dabei geht es wohl nicht um Fragen zu Grammatik und Rechtschreibung, denn dabei hilft einem Canoonet auch ohne Geld und gute Beziehungen weiter!

Wenn man großen Wert auf etwas legt, wird großer Wert darauf gelegt

Frage

Ganz oft lese ich, dass auf eine bestimmte Sache „großen Wert gelegt wird“. Ich bin der Meinung, es müsste „großer Wert“ heißen – schließlich steht es doch im Nominativ.

Antwort

Guten Tag K.,

Sie haben recht. Es muss heißen:

Auf eine bestimmte Sache wird großer Wert gelegt.

Im Satz „Man legt großen Wert auf höfliche Umgangsformen“ ist großen Wert das Akkusativobjekt. Wenn man diesen Satz dann ins Passiv setzt, wird das Akkusativobjekt zum Subjekt, das – wie Sie richtig sagen – im Nominativ steht: „Auf höfliche Umgangsformen wird großer Wert gelegt.“

– Wen oder was legt man auf höfliche Umgangsformen?
– Man legt großen Wert auf höfliche Umgangsformen.

– Wer oder was wird auf höfliche Umgangsformen gelegt?
– Großer Wert wird auf höfliche Umgangsformen gelegt.

Man hört und liest tatsächlich so häufig Formulierungen der Art „Auf diese Sache wird großen Wert gelegt“, dass man schon fast meinen könnte, auch der Akkusativ sei hier korrekt. Das ist er aber nicht. Wenn jemand großen Wert auf eine Sache legt, wird großer Wert darauf gelegt.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Aus Freude oder vor Freude? – Wenn die Freude einen hüpfen lässt

Frage

Welcher Unterschied besteht zwischen den kausalen Präpositionen „aus“ und „vor“? Wann sage ich : „aus Freude“ oder „vor lauter Angst“?

Antwort

Sehr geehrte Frau H.,

die Wörterbücher helfen einem bei dieser Frage leider nicht viel weiter. Sie vermelden bei beiden Präpositionen, dass sie bei dieser Verwendung einen Grund, einen Beweggrund oder eine Ursache angeben. Außerdem steht im Duden, dass vor nur in festen Wendungen vorkomme. Ich denke, dass die Wahl zwischen aus und vor tatsächlich oft etwas mit festen Wendungen und Ausdrücken zu tun hat. Ich glaube aber doch, einen gewissen Unterschied erkennen zu können:

  • Mit aus wird der Grund angeben, der zu einer kontrollierten, willkürlichen (vom eigenen Willen gesteuerten) Handlung führt:

aus Freude hüpfen
aus Leidenschaft morden
aus Zorn etwas demolieren
aus Angst nicht zum Zahnarzt gehen
aus Überzeugung handeln

  • Mit vor wird die Ursache eines unkontrollierten, unwillkürlichen (nicht vom eigenen Willen gesteuerten) Geschehens angegeben:

vor Freude zittern
vor Leidenschaft vergehen
vor Zorn erröten
vor Angst nicht klar denken können
vor Anstrengung schwitzen

Dabei können eigentlich willkürliche Handlungen im übertragenen Sinne unwillkürlich werden: So kann man zum Beispiel sagen, dass man vor Freude hüpft, obwohl das Hüpfen in der Regel eine durch den eigenen Willen gesteuerte Handlung ist. Man ruft dann das Bild auf, dass die Freude einen hüpfen lässt, ob man nun hüpfen will oder nicht. Wenn man aus Freude hüpft, hüpft man sozusagen auf eigene Veranlassung, weil man sich freut. Das Ergebnis ist dasselbe: Jemand hüpft erfreut herum. Bei vor lauter Angst wegrennen und aus lauter Angst wegrennen besteht der gleiche Unterschied zwischen bildlichem und wörtlichem „Träger“ der Handlung.

In Fällen wie diesen sind sowohl aus als auch vor möglich. Ich würde den genannten Unterschied bei der Verwendung von aus und vor deshalb nicht eine strenge Regel, sondern eine mehr oder weniger starke Tendenz nennen, die nicht in allen Fällen und nicht von allen in gleicher Weise befolgt wird.

Ich finde, dass diese Erklärung recht einleuchtend klingt. (Das ist nicht erstaunlich, denn ich habe sie ja soeben selbst verfasst.) Sie ist aber mit einiger Vorsicht zu genießen. Um wirklich fundierte Aussagen machen zu können, müsste man genauere Untersuchungen anhand einer großen Anzahl von Textbeispielen anstellen. Bis es vielleicht einmal so weit ist – und eigentlich auch danach –, folgen Sie am besten Ihrem Sprachgefühl.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Wenn nach „für“ der Dativ steht

Dass Anderssprachige es mit der deutschen Sprache und ihren Fällen nicht immer einfach haben, wusste ich schon. Aber manchmal wundere ich mich immer noch, mit welchen Tücken sich Deutschlernende herumschlagen müssen. Man lernt die einfache Regel, dass nach für immer der Akkusativ steht (für wen oder was?), freut sich über seine Grammatikkenntnisse und dann begegnen einem plötzlich Sätze, in denen nach für ein Nominativ oder ein Dativ steht! In den letzten Tagen erreichten mich gleich zwei Fragen zu diesem Thema.

Fragen

  • „Was für ein fauler Tag!“ Warum steht hier nach „für“ ein Nominativ und nicht ein Akkusativ?
  • Wie kann man erklären, dass nach „für“ in dem Ausdruck „was für“ kein Akkusativ steht? Wieso heißt es: „Was für ein schöner Tag!“, und nicht: „Was für einen schönen Tag!“?

Antwort

Die Präposition für verlangt tatsächlich den Akkusativ: für wen oder was? Hier geht es aber nicht um die allein stehende Präposition für, sondern um die Wendung was für (ein). Sie leitet eine Frage oder einen Ausruf ein und kann mit allen vier Fällen stehen:

Was für ein schöner Tag!
Was für einen Eindruck macht er?
In was für einem Land leben wir eigentlich?
Anhand was für eines Beispiels lässt sich das Problem am besten beschreiben?

Das ist noch nicht alles, was man zu was für ein lernen muss: Mit was für ein fragt man nach einer Beschaffenheit, einer Eigenschaft, einem Merkmal usw.:

Mit was für einem Wagen fährt sie weg? – Mit einem Sportwagen.
Was für einen Pullover trug er? – Einen roten.

Dadurch unterscheidet sich was für ein von welcher, das eine „auswählende“ Bedeutung hat. Mit welcher fragt man nach einem einzelnen Wesen, einem einzelnen Ding aus einer Gruppe, einer Klasse, einer Gattung usw

Mit welchem Wagen fährt sie weg? – Mit dem Sportwagen.
Welchen Pullover trug er? – Den  roten.

Die Beispielsätze in den Fragen zeigen weiter, dass was für ein auch einen Ausruf einleiten kann:

Was für ein schöner Tag!
Was für ein Dummkopf!

Und wenn Sie nun denken, das sei schon alles, lesen Sie auf dieser Seite, dass man das ein in gewissen Fällen weglässt:

Was für Papier brauchst du?
Mit was für Leuten verkehrt er?

und dass man besser nicht sagt:

Was für welches Papier brauchst du?
Mit was für welchen Leuten verkehrt er?

An dieser Stelle möchte ich nämlich nichts mehr dazu schreiben, damit nicht auch noch die wenigen geduldigen Leser und Leserinnen, die bis hierher durchgedrungen sind, folgenden Stoßseufzer von sich geben:

Was für ein langweiliger Blogeintrag!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Gebietsweise Schnee und stellenweise Glätte

Ich greife auf  eine in der letzten Woche gestellte Frage zurück, weil mir heute eine ähnlich zweifelhafte Formulierung mit stellenweise und Glätte aufgefallen ist wie der Fragestellerin. Bei so viel Schnee und Glätte, wie wir sie hier zurzeit erleben dürfen, ist es wohl nicht verwunderlich, dass es hin und wieder auch zu sprachlichen Ausrutschern kommt.

Frage

Da meine Kinder in letzter Zeit ständig darüber informiert sein wollen, ob vielleicht die Schule ausfällt, informiere ich mich laufend auf der Website des NDR. Dort las ich Folgendes: „Heute wolkig mit einigen Auflockerungen und gebietsweise Schneeschauer mit STELLENWEISER Glätte.“ Darf man das so formulieren, oder müßte es nicht korrekt heißen: „mit stellenweise auftretender Glätte“?

Antwort

Sehr geehrte Frau S.,

Sie haben recht: Die Formulierung Schneeschauer mit stellenweiser Glätte ist standardsprachlich nicht richtig. Man kann zum Beispiel sagen:

Schneeschauer mit stellenweise auftretender Glätte
Schneeschauer, stellenweise mit Glätte

Das liegt daran, dass stellenweise und auch gebietsweise keine Adjektive, sondern wie zum Beispiel überall oder nirgends Adverbien sind. Man fragt mit wo? nach ihnen. Sie können in der Regel nicht direkt ein Substantiv bestimmen. Man sagt deshalb NICHT:

*Es ist mit gebietsweisem Schnee zu rechnen.
*die stellenweise Glätte
*bei der Einführung gebietsweiser gebührenpflichtiger Kurzparkzonen

sondern:

Es ist gebietsweise mit Schnee zu rechnen.
die stellenweise auftretende Glätte

Und jetzt kommt natürlich unvermeidlich die Ausnahme, ohne die es nie geht: Gewisse Adverbien, zu denen auch gebietsweise und stellenweise gehören, können trotz des bisher Gesagten wie Adjektive ein Substantiv bestimmen. Es muss sich dabei aber um den Infinitiv oder um eine Ableitung des Verbs handeln, auf das sich das Adverb bezieht:

bei der gebietsweisen Einführung gebührenpflichtiger Kurzparkzonen

etwas gebietsweise einführen
Kurzparkzonen werden gebietsweise eingeführt
beim gebietsweisen Einführen von Kurzparkzonen
bei der gebietsweisen Einführung von Kurzparkzonen

Ganz gleich ob Sie nun gebietsweise und stellenweise standardsprachlich immer richtig oder auch einmal an der falschen Stelle als Adjektive verwenden: Genießen Sie den Schnee und seien Sie bei Glätte besonders vorsichtig!

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sind Sie sich dessen bewusst oder ist Ihnen bewusst, dass nur noch wenig Zeit bleibt?

Frage

Unlängst hatte ich eine kleine Meinungsverschiedenheit mit einem Kumpel. Es ging um die korrekte Verwendung von Pronomen beim Wörtchen bewusst. Ich bin mir dessen bewusst, so meine Meinung, ist einzig und allein richtig, denn bewusst regiert in dem Fall ganz klar den Genitiv. Er hielt dagegen, er könne schreiben und sagen: Nadja ist dies durchaus bewusst. Und nun bin ich ganz unsicher. Kann er das tatsächlich grammatikalisch richtig sagen und schreiben?

Antwort

Guten Tag M.,

Sie haben recht, Ihr Kumpel aber auch: bewusst steht zwar mit dem Genitiv, aber nur in der Wendung sich einer Sache bewusst sein:

Nadja war sich dessen durchaus bewusst.
Sie war sich dessen durchaus bewusst.

Im Satz Nadja ist dies durchaus bewusst steht eine andere Wendung. Wenn man sich einer Sache bewusst ist, ist diese Sache einem bewusst:

Dies war Nadja durchaus bewusst.
Dies war ihr durchaus bewusst.

Bei sich einer Sache bewusst sein ist das Subjekt des Satzes die Person, die weiß. Bei jemandem bewusst sein ist das Subjekt des Satzes dasjenige, was gewusst wird.

Er war sich der Folgen seiner Tat nicht bewusst.
Ihm war nicht bewusst, welche Folgen seine Tat hatte.

Das Wörtchen bewusst kann in mehr als nur einer Satzkonstruktion verwendet werden: einmal stilvoll mit sich und dem Genitiv und einmal ganz „banal“ mit dem Dativ. Beide Wendungen sind den strengen Genitivverfechtern zum Trotz korrektes Deutsch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

An alle Blogbesucher und -besucherinnen:

Wenn Sie jetzt noch Zeit haben, dies hier zu lesen, haben Sie Ihre Weihnachtseinkäufe und sonstigen Feiertagsvorbereitungen bestimmt schon bis ins vorletzte Detail geregelt. Wenn dem nicht so sein sollte, sputen Sie sich! Es bleibt Ihnen nur noch wenig Zeit.

Frohe Weihnachten!

Du und er, sie und ihr sind oder seid?

Frage

Es macht mir immer wieder Kopfzerbrechen, wie die richtige Personalendung lautet, die eine Kombination aus unterschiedlichen Personen, die mit „und“ verbunden sind, bezeichnet. Zum Beispiel: „Du und deine Freunde seid …“ oder „Du und deine Freunde sind …“?

Ich bekenne, gelesen zu haben, dass hier eigentlich die 2. Person Plural eingesetzt wird, aber mein Sprachgefühl verwirrt dies jedes Mal. Deshalb rette ich mich in eine Umformulierung: „Du und deine Freunde, ihr seid …“ Das ist jedoch nur eine Umgehung und keine eindeutige Antwort.

Antwort

Sehr geehrte Frau S.,

diese Frage bereitet nicht nur Ihnen Kopfzerbrechen. Deshalb ist ihr in unserer Grammatik sogar ein eigener Abschnitt gewidmet. Dort steht, dass Sie in diesem Fall so formulieren sollten:

Du und deine Freunde seid herzlich eingeladen.

Bei einem mehrteiligen Subjekt, das aus Teilen mit unterschiedlichen grammatischen Personen besteht, befolgt man im Allgemeinen die folgenden Regeln:

  • Eine erste und eine zweite Person werden zur ersten Person Plural:

Du und ich sollten wieder einmal etwas zusammen unternehmen.
Wir und ihr haben nicht viel gemeinsam.

  • Eine erste und dritte Person werden ebenfalls zu einer ersten Person Plural:

Er und ich sollten wieder einmal etwas zusammen unternehmen.
Die Nachbarn und ich haben unseren Streit beigelegt.

  • Eine zweite und eine dritte Person werden zu einer zweiten Person Plural:

Du und deine Schwester werdet euch noch wundern!
Ihr und eure Freunde seid herzlich eingeladen.

Das liegt daran, dass ich und du zusammen wir sind. Auch ich und er/sie ergeben zusammen wir. Du und er/sie hingegen umschreibt man zusammenfassend mit ihr.

Wenn Formulierungen wie die oben stehenden Beispielsätze in Ihren Ohren irgendwie „holpern“, können Sie in den meisten Fällen stilistisch einwandfrei das tun, was Sie eine Umgehung nennen:

Du und ich, wir sollten wieder einmal etwas zusammen unternehmen.
Die Nachbarn und ich, wir haben unseren Streit beigelegt.
Du und deine Freunde, ihr seid herzlich eingeladen.

Solche Umschreibungen sind sogar besser, wenn das Bindewort nicht und, sondern oder ist. Ohne Umschreibung richtet sich das Verb meistens nach dem Subjektteil, der ihm am nächsten steht:

Du oder ich muss nachgeben.
Meine Nachbarin oder ich habe recht.
Ich oder meine Nachbarin hat recht.
Du oder deine Freunde sind eingeladen.

Keine dieser Formulierungen ist aber wirklich befriedigend. Deshalb besser:

Du oder ich, eine(r ) von uns muss nachgeben.
Nur eine(r) hat recht, meine Nachbarin oder ich.
Man lädt dich oder deine Freunde ein.

Das klingt alles ziemlich kompliziert. Verlassen Sie sich aber einfach auf Ihr Sprachgefühl, dann geht es meistens automatisch gut. Wenn Sie einmal unsicher sind oder eine Formulierung Ihnen einfach nicht gefallen will, bedenken Sie Folgendes: Umschreibungen und Umformulierungen sind keine „Kapitulationen“, sondern ein Beweis dafür, dass man die Sprache wendig beherrscht.

Der Witz mit den Broten und den Eiern

Frage:

Ich bekam folgenden Witz:

Ein Softwareingenieur (Programmierer) und seine Frau.

Sie: „Schatz, wir haben kein Brot mehr, könntest du bitte zum Supermarkt gehen und eins holen? Und wenn sie Eier haben, bring 6 Stück mit.“

Er: „Klar Schatz, mach ich!“

Nach kurzer Zeit kommt er wieder zurück und hat 6 Brote dabei.

Sie: „Warum nur hast du 6 Brote gekauft?!?“

Er: „Sie hatten Eier.“

Eins ist sicher. Er hat alles richtig gemacht …

Ich bin mir da nicht so sicher. Ich denke, dass sich eine Aussage immer auf das letzte Substantiv bezieht. Also „Eier“. Was stimmt?

Antwort

Sehr geehrter Herr F.,

auch ich bin mir hier gar nicht sicher, ob der Programmierer es tatsächlich richtig gemacht hat. Ich bin kein Programmierer und auch kein Logiker, aber ich glaube, dass ein echter Programmierer hätte nachfragen müssen. Das Wort Stück ist eine Art Platzhalter, das heißt ein Wort, für das ein anderes Wort eingesetzt werden muss. Was genau eingesetzt werden muss, ist aber nirgendwo eindeutig definiert. Ein Computerprogramm könnte deshalb nicht „wissen“, was mit Stück gemeint ist. Theoretisch könnte sich Stück sogar auch auf Supermarkt beziehen. Es gibt nämlich keine logische, grammatische oder andere Regel, die sagt, dass für den Platzhalter Stück das zuerst genannte Nomen (oder das gleiche Wort wie für den ebenfalls im Text vorkommende Platzhalter eins) eingesetzt werden muss.

Welches Wort für Stück eingesetzt werden muss, das heißt, ob sechs Brote, sechs Supermärkte oder sechs Eier gemeint sind, sagt uns nicht eine Regel, sondern unser Weltwissen. Es ist nämlich auch nicht so, dass ein Platzhalter wie Stück oder eins sich automatisch auf das zuletzt genannte Wort beziehen muss:

Wir haben kein Brot mehr. Gehe bitte in ein Geschäft und hole eines!

Hier ist mit eines grammatisch korrekt ein Brot gemeint.

Wir haben kein Brot mehr. Gehe bitte in ein Geschäft, falls es hier eines gibt!

Hier ist mit eines grammatisch korrekt ein Geschäft gemeint.

Es ist allerdings sehr oft so, dass sich Wörter wie eines oder Stück auf das zuletzt genannte Wort beziehen, wenn es mehr als ein Wort gibt, das in sinnvoller Weise eingesetzt werden kann. Bei Stück ist dies in unserem Witz das Wort Eier. Ein weiteres Indiz, das für Eier spricht, ist, dass Eier sehr oft im halben Dutzend verkauft werden, während dies bei Broten eher weniger der Fall ist. Wichtig ist weiter, dass die Tatsache, ob der Supermarkt Eier hat, für den Kauf von Eiern relevant ist, nicht aber für den Kauf von Brot. Eier gewinnt also 3:0. Das Wort Supermarkt kommt nur schon deshalb nicht in Frage, weil es äußerst unwahrscheinlich ist, dass man jemanden bittet, sechs Supermärkte mitzubringen.

Wenn sich der Programmierer an die Regeln des Progammierens gehalten hätte, hätte er also nicht gewusst, was er holen soll. Wenn er sich an die Regeln der menschlichen Kommunikation gehalten hätte, hätte er sechs Eier gebracht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Das nennt man übrigens einen Witz zu Tode analysieren.

Warum die Katze nicht gewöhnt ist, Trockenfutter zu fressen

Hinweis für Tierliebhaber: Das ist an dieser Stelle keine Frage der Tierhaltung, sondern der Grammatik. Die standardsprachliche Katze ist nämlich gegebenenfalls [es] gewohnt oder daran gewöhnt, Trockenfutter zu erhalten.

Frage

Sind die beiden Sätze „Ich bin es gewöhnt“ und „Ich bin es gewohnt“ ihrer Meinung nach korrekt und gleichbedeutend? […] Könnte man sagen: „Ich bin das Klima gewöhnt/gewohnt“?

Antwort

Sehr geehrter Herr C.,

die beiden Wörter gewohnt und gewöhnt haben tatsächlich eine sehr ähnliche Bedeutung. Sie werden aber im Satz unterschiedlich verwendet. Standardsprachlich sind diese Formulierungen üblich:

etwas gewohnt sein
an etwas gewöhnt sein

Daraus ergeben sich für Ihr Beispiel die folgenden Möglichkeiten:

Ich bin das Klima gewohnt.
Ich bin an das Klima gewöhnt.

Ich bin es gewohnt.
Ich bin daran gewöhnt.

Die Formulierung Ich bin das Klima gewöhnt gilt standardsprachlich als nicht korrekt.

Auch in Verbindung mit einer Infinitivkonstruktion (zu+Infinitiv) formuliert man unterschiedlich, wobei gewohnt mit oder ohne es stehen kann:

Die Katze ist [es] gewohnt, Trockenfutter zu fressen.
Die Katze ist daran gewöhnt, Trockenfutter zu fressen.

Auch hier gilt, dass man standardsprachlich nicht sagt: Die Katze ist [es] gewöhnt, Trockenfutter zu fressen.

Mit gewöhnt drückt man aus, dass etwas das Resultat einer Gewöhnung ist. Mit gewohnt sagt man, dass etwas eine Gewohnheit ist, dass etwas als Selbstverständlichkeit empfunden wird, weil es immer so ist. Die beiden Bedeutungen liegen nicht sehr weit auseinander, so dass es öfter möglich ist, sowohl eine Sache gewohnt sein als auch an eine Sache gewöhnt sein zu sagen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp