Konjunktiv II: Bräuchte es auch „wöllte“ und „söllte“?

Frage

Ich höre immer mehr die Verbform „wöllte“ statt „wollte“ (als Konjunktiv). Dies scheint mir eine Analogie-Bildung zu „könnte“ zu sein, ist aber wohl (noch?) nicht korrekt. Wann kommt dann „söllte“? Was meinen Sie?

Antwort

Guten Tag Herr D.,

es ist tatsächlich anzunehmen, dass die Form wöllte eine Analogiebildung zu könnte, dürfte, müsste und wüsste ist. Durch den Umlaut unterscheiden sich diese Konjunktivformen deutlich vom Indikativ konnte, durfte, musste und wusste. Bei wollen und sollen hingegen wird nicht umgelautet (die Antwort auf die Frage nach dem Warum muss ich Ihnen an dieser Stelle schuldig bleiben). Dadurch gibt es bei wollen und sollen wie bei den regelmäßig konjugierten Verben keinen Unterschied zwischen dem Indikativ Präteritum und dem Konjunktiv II (Konjunktiv Präteritum): Die Form lautet in beiden Fällen wollte bzw. sollte.

Indikativ Präteritum Konjunktiv II (Präteritum)
durfte dürfte
konnte könnte
musste müsste
wusste wüsste
sollte sollte
wollte wollte

Es ist deshalb gar nicht so erstaunlich, dass die Formen wöllte und seltener auch söllte gebildet werden. Sie sind nicht nur in Übereinstimmung mit den entsprechenden Formen der anderen Modalverben (sowie von wissen), sondern auch ganz praktisch, weil sie den Konjunktiv so schön deutlich angeben.

Üblich und akzeptiert sind wöllte und söllte aber dennoch nicht. Ob oder wann es ihnen einmal gelingen wird, in die Standardsprache einzudringen, ist schwierig zu sagen. Vorläufig kommen sie dafür noch nicht häufig genug vor.

Eine andere Form, die mit den Modalverben verwandt ist, hat dies schon geschaft: bräuchte. In vielen Wörterbüchern und Grammatiken gilt bräuchte neben der regelmäßigen Form brauchte als standardsprachlich akzeptierte Konjunktivform.

Indikativ Präteritum Konjunktiv II (Präteritum)
brauchte brauchte/bräuchte

Während also die Verwendung von bräuchte mittlerweile mehr oder weniger problemlos ist (es gibt immer noch strengere Sprachhüter und -hüterinnen, denen diese Form gar nicht zusagt), sollte man die Formen wöllte und söllte (noch?) vermeiden, so praktisch sie auch sein mögen.

Diese Formen zeigen sehr schön, dass vieles, was in der Sprache als richtig gilt, weniger mit Logik und Effizienz als vielmehr mit allgemeinem Gebrauch und Konsens zu tun hat: Wenn es konnte/könnte, durfte/dürfte und musste/müsste heißt (Indikativ/Konjunktiv), müsste es logischerweise und praktischerweise auch wollte/wöllte und sollte/söllte sein. Gebräuchlich und akzeptiert sind aber nur wollte/wollte und sollte/sollte. Bei brauchte/brauchte bzw. brauchte/bräuchte ist heute sogar beides (mehr oder weniger) akzeptiert.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Sich kümmern ohne „um“?

Frage

Braucht „sich kümmern“ unbedingt ein Objekt? Ich höre immer öfter den Satz „Ich kümmere mich“ und vermisse danach ein „um die Kinder/diese Sache/Angelegenheit“ oder wenigstens ein „darum“. Was sagt die deutsche Grammatik dazu?

Antwort

Guten Tag Frau S.,

was sich kümmern genau braucht, hängt von der Sprachebene ab. In der Standardsprache gehört sich kümmern (sorgen für, sich befassen mit) zu den Verben, die obligatorisch mit einem Präpositionalobjekt stehen. Es verlangt ein Objekt mit um oder ein stellvertretendes darum:

sich um jemanden/etwas kümmern

Ich kümmere mich um die Kinder.
Wer kümmert sich um die Verpflegung?
Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten!

Ich kümmere mich um sie.
Wer kümmert sich darum?
Kümmere dich darum!

In der Umgangssprache hingegen (und nicht nur dort) wird sich kümmern manchmal ohne um oder darum verwendet:

Ich kümmere mich.
Wer kümmert sich und an wen kann man sich wenden?

In der Standardsprache ist die Verwendung von sich kümmern ohne um/darum aber, wie gesagt, nicht üblich. Sie erwarten also zu Recht ein um, wenn Sie sich kümmern hören oder lesen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Ohne um kommt das nicht reflexive kümmern (angehen, betreffen) aus, das mit einem Akkusativobjekt steht:

etwas kümmert jemanden
Was kümmert mich ihre Meinung?
Wie wir es organisieren, braucht euch nicht zu kümmern.

Die Unterlagen im Büro (zu) liegen haben – mit oder ohne „zu“?

Frage

Seitdem ich im Osten von Deutschland wohne (ich komme aus Hamburg), höre ich öfter für mich seltsame Konstrukte:

Ich habe hier Herrn Meier zu sitzen.
Die Unterlagen habe ich im Büro zu liegen.

Meiner Meinung nach ist das „zu“ hier falsch. Natürlich gibt es andere Sätze, wo dies korrekt wäre: „Ich habe noch viel zu tun.“

Für mich ist der Unterschied, daß sich das „tun“ auf das Subjekt bezieht, das „sitzen“ oder „liegen“ sich aber auf das Objekt bezieht. Ich konnte eine Begründung bislang aber nicht grammatikalisch einwandfrei auflösen …

Antwort

Guten Tag Herr E.,

es handelt sich bei diesem zu tatsächlich um eine regionalsprachliche Erscheinung bei einer besonderen Konstruktion.

In der Standardsprache steht der Infinitiv der Verben stehen, liegen, hängen u. a. ohne zu, wenn er von haben abhängig ist, wenn eine Ortsangabe gemacht wird und wenn ausgesagt wird, dass jemand oder etwas an diesem Ort in gewisser Weise zur Verfügung steht (vgl. hier). Zum Beispiel:

Ich habe den Wagen vor der Tür stehen.
Sie hat viel Geld auf der Bank liegen.
Ich habe noch ein schwarzes Kleid im Schrank hängen.
Was hast du denn alles in deiner Tasche stecken?
Er hat seine Mutter bei sich wohnen.

Dabei entspricht der Akkusativ hier tatsächlich dem Subjekt des Infinitivs: Wagen ist Subjekt zu stehen, Geld Subjekt zu liegen usw. Wir haben es mit einem Akkusativ mit Infinitiv (a. c. i.) zu tun wie zum Beispiel bei Ich höre ihn kommen und Wir lassen die Kinder draußen spielen.

Entsprechend sollten auch Ihre Beispielsätze standardsprachlich ohne zu stehen:

Ich habe hier Herrn Meier sitzen.
Die Unterlagen habe ich im Büro liegen.

Bei dieser Konstruktion ist in gewissen Regionalsprachen die Verwendung von zu üblich (gemäß den Angaben in der Variantengrammatik vor allem im Osten Deutschlands), sie gilt standardsprachlich aber als nicht korrekt. Es heißt also standardsprachlich besser nicht:

Ich habe hier Herrn Meier zu sitzen.
Die Unterlagen habe ich im Büro zu liegen.

Wer sich in diesen Regionen der örtlichen Umgangssprache statt der Standardsprache bedient, macht hier aber auch mit zu nicht wirklich etwas falsch.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Hop[p] oder top[p]?

Frage

Wie schreibt man „Hopp oder Top“? Der Satz heißt: „Am Ende war es hop oder top“. Ich tendiere zur Großschreibung, aber das ist rein subjektiv.

Antwort

Guten Tag Frau D.,

diesem Ausdruck begegnet man in verschiedener Form. Vor vielen Jahren gab es einmal eine Quizsendung, die den Namen „Hopp oder Top“ trug. Die Sängerin Beatrice Egli singt einen Schlager mit dem Titel „Hopp oder Topp“. Auch die entweder englisch beeinflusste oder aus Analogiegründen gewählte Schreibung „hop oder top“ kommt häufiger vor.

Was ist richtig? Der Ausdruck bedeutet „entweder sehr gut oder sehr schlecht“, „alles oder nichts“ (oder manchmal auch „der Tod oder die Gladiolen“, wie der damalige niederländische FC-Bayern-Trainer Louis van Gaal es vor gut einem Jahrzehnt ausdrückte). Der erste Teil ist die Interjektion „hopp“, mit der unter anderem zum Springen aufgefordert wird. Man kann es hier als eine Art Aufforderung verstehen, im übertragenen Sinne in den Abgrund oder in den Mülleimer zu springen. Der zweite Teil ist das Adektiv „top“, also „hervorragend“, „von höchster Güte“ und nicht etwa „topp“ wie in „topp, die Wette gilt“. Daraus ergibt sich die folgende Schreibweise:

hopp oder top
Am Ende war es hopp oder top.

Häufig auch allein stehend:

Hopp oder top!

Richtig ist also die Schreibung „hopp oder top“.  Sie sieht aber weniger einheitlich und entsprechend weniger griffig aus als „hop oder top“ bzw. „hopp oder topp“. Es ist deshalb auch nicht gleich hopp oder top, wenn man sich bei diesem umgangssprachlichen Ausdruck einmal in der Anzahl p täuscht.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Getrennt oder zusammen: weit weg stehen oder weit wegstehen?

Frage

Nachfolgend ein Satz aus einer Autozeitschrift:

Über die Preisvorstellungen lässt sich gut unterhandeln, zumal Alternativen beim heutigen großen Angebot an Gebrauchtwagen selten weit weg stehen.

Wird das Verb „stehen“ vom Adverb „weg“ getrennt geschrieben, dem wiederum ein Adjektiv (hier: „weit“) vorangeht, oder muss hier die Zusammenschreibung erfolgen?

Antwort

Guten Tag Herr B.,

es gibt hier einen Unterschied zwischen der Standardsprache und der Umgangssprache. Das Verb wegstehen ist eher umgangssprachlich und hat die Bedeutung abstehen:

Haare, die auf allen Seiten vom Kopf wegstehen

ein Haus, das weit von der Straße wegsteht
weit von der Straße wegstehen

Wenn entfernt sein gemeint ist, formuliert man standardsprachlich eher so:

ein Haus, das weit weg von der Straße steht
weit weg von der Straße stehen

Vgl.

das Auto weit weg vom Zentrum parken
weit weg vom Dorf wohnen

Beim Satz, den Sie zitieren, kann nicht entschieden werden, ob gemeint ist, dass die Alternativen standardsprachlich

weit weg [vom vorliegenden Angebot] stehen

oder eher umgangssprachlich

weit [vom vorliegenden Angebot] wegstehen.

Wenn Sie von einer standardsprachlichen Formulierung ausgehen, ist die Getrenntschreibung weit weg stehen richtig.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Zum Unterschied zwischen einer Superidee und einer super Idee

Frage

Ich möchte mich mit einer Frage zur deutschen Sprache an Sie wenden. Und zwar geht es um die Verschriftlichung von Formulierungen, die man vorwiegend in der Umgangssprache antrifft. […] Kürzlich las ich folgenden Dialog, der das Problem, auf das ich hinauswill, aufzeigt:

»Ich schlafe eigentlich immer gut, ich habe nämlich ein super Bett!«
»Du Glückliche! Vielleicht schlafe ich deshalb häufig nicht gut, weil ich kein Superbett habe.«

Sie ahnen es vielleicht schon – es geht um die beiden verschiedenen Schreibweisen von „super Bett“ versus „Superbett“. Mir ist nicht klar, wieso hier überhaupt verschiedene Schreibweisen gewählt wurden – vielleicht einfach eine versehentliche Inkonsistenz? Aber wenn man sich für eine Variante entscheiden müsste, welche wäre die richtige? Ich will im Folgenden einige weitere Beispiele anführen, um die Frage noch besser zu veranschaulichen:

Ich habe eine super Idee!
Ich habe eine Superidee!
Du hast ein klasse Resultat erzielt!
Du hast ein Klasseresultat erzielt!
Das war eine mega Party.
Das war eine Megaparty.
Das ist ein riesen Problem.
Das ist ein Riesenproblem.

Welche Schreibvariante ist die korrekte? Oder hat man freie Wahl? Und falls ja: Gibt es Bedeutungsunterschiede zwischen den Schreibweisen? Und auf welche Rechtschreibregel(n) lässt sich die Entscheidung für die eine oder andere Schreibung zurückführen? […]

Antwort

Guten Tag Frau K.,

bei der Wiedergabe von umgangssprachlichen Äußerungen dieser Art ist vor allem die Betonung wichtig:

Das ist eine Súperidee
Das ist eine super Idéé

ein Súperbett
ein super Bétt

Das Affix „Super-“ trägt die Hauptbetonung in der Verbindung und wird mit dem Substantiv zusammengeschrieben. Wenn „super“ bei neutraler Aussprache nicht die Hauptbetonung trägt, wird es als unveränderliches Adjektiv angesehen und klein und vom Substantiv getrennt geschrieben. Vgl. Unterschied bei Betonung und Schreibung in:

ein Rósenstrauß
ein rosa Stráúß

Es gibt vielleicht einen leichten Bedeutungsunterschied zwischen „Super-“ und „super“: Ein super Bett ist ein großartiges Bett, ein Superbett ist ein Bett das qualitativ oder in anderem Sinne weit über einem normalen Bett steht. Ein super Mann und eine super Frau sind nicht gleich Superman und Superwomen, aber es wäre schwierig oder unmöglich, immer eine genaue Bedeutungsgrenze zwischen „Super-“ und „super“ anzugeben. So gibt es zum Beispiel außer der Betonung kaum einen Unterschied zwischen einer „Superidee” und „super Idee”.

Die Unterscheidung zwischen dem dem Affix „Super-“ und dem unveränderlichen Adjektiv „super“ ist schon so weit eingebürgert, dass sie auch in der Verschriftlichung in dieser Weise üblich geworden ist. Bei anderen Affixen, die umgangssprachlich als unveränderliche Adjektive verwendet werden, ist die Getrenntschreibung gemäß den Wörterbüchern (noch) nicht überall vorgesehen. Sie sollte aber bestimmt in Erwägung gezogen werden, wenn wirkliche Umgangssprache schriftlich wiedergegeben wird.

Es gibt manchmal – also nicht immer – einen mehr oder weniger großen Bedeutungsunterschied zwischen dem betonten Affix (resp. Erstelement einer Komposition) und dem weniger betonten unveränderlichen Adjektiv. Hier einige Beispiele:

ein Klásseresultat
ein klasse Resultát

Kein Bedeutungsunterschied Klasse-/klasse [?]

eine Mégaparty (eine sehr große Party)
eine mega Párty (eine großartige Party)

Bedeutungsunterschied: Mega- = sehr groß / mega = großartig

ein Ríésenproblem
ein riesen Problém

Kein Bedeutungsunterschied Riesen-/riesen

diese Schéíßwurst
diese scheiß Wúrst

Kein Bedeutungsunterschied Scheiß-/scheiß, außer wenn mit Scheiß- nicht schlecht, miserabel, sondern Kot- gemeint ist. Was gemeint ist, ergibt sich dabei in der Regel deutlich aus dem Kontext.

mit extra Käse (mit zusätzlichem Käse)
mit Extrakäse (mit Käse der besonderen Klasse o. Ä.)

Bedeutungsunterschied: Extra- = Sonder- o. zusätzlich / extra = zusätzlich

Die getrennt geschriebenen und entsprechend betonten gesprochenen Varianten gehören der Umgangssprache an. In der Standardsprache kommen die getrennt geschriebenen Varianten also nicht vor. Auch die meisten der oben zusammengeschriebenen Varianten gehören nur der Umgangssprache an. In formellen standardsprachlichen Texten stellt sich das hier behandelte Problem somit kaum – aber man sollte ja auch Umgangssprachliches aufschreiben können.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

PS: Zu dieser Frage gibt es auch einen schon ziemlich alten Blogartikel.

Ist der Anmeldeschluss ein oder einen Monat vor Kursbeginn?

Frage

Ich habe eine Frage bezüglich des richtigen Falles bei „sein“ mit einer Zeitangabe. Was ist richtig: „Der Anmeldeschluss ist spätestens ein Monat vor Kursbeginn“, weil „sein“ zum Nominativ zwingt, oder „Der Anmeldeschluss ist spätestens einen Monat vor Kursbeginn“, weil es eine Zeitangabe im Akkusativ ist?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

hier sollten Sie den Akkusativ wählen, weil es sich um eine Zeitangabe handelt. Zeitangaben ohne Präposition stehen im Akkusativ:

Ich habe sie letzten Freitag gesehen.
Es hat den ganzen Tag geregnet.
Man kann sich frühestens einen Monat vorher anmelden.

Entsprechend auch:

Anmeldeschluss ist spätestens einen Monat vor Kursbeginn.
(Wann ist Anmeldeschluss? – spätestens einen Monat vor Kursbeginn)

Dass es eine Zeitangabe und kein Gleichsetzungsnominativ ist, zeigt sich auch, wenn man „einen Monat“ durch „zwei Monate“ ersetzt. Das Verb bleibt dann in der Einzahl:

Anmeldeschluss ist spätestens zwei Monate vor Kursbeginn.
(nicht: *Anmeldeschluss sind spätestens zwei Monate vor Kursbeginn.)

Hier „gewinnt“ also – zumindest in der Standardsprache** – der Akkusativ.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

**Regional- und umgangssprachlich kommt hier auch „ein Monat“ vor, wahrscheinlich vor allem dort, wo ein Baby „ein Monat alt“ statt wie standardsprachlich üblich „einen Monat alt“ sein kann.

Das Geld überwiesen haben wollen

Die Formulierung im Titel ist zweideutig. Behauptet hier jemand, das Geld überwiesen zu haben, oder will jemand, dass das Geld überwiesen wird? Nur der Kontext kann klären, was gemeint ist.

Frage

In meinem Deutschkurs hat sich mal wieder eine Frage im Zusammenhang mit Modalverben ergeben […] In einem Text stand folgender Satz:

Man möchte die Bonuspunkte ausgezahlt haben.

Um was für eine Verwendungsform handelt es sich hier? Ein subjektiver
Gebrauch von Modalverben ist es ja nicht. Woher kommt das Partizip II?
Ist es vielleicht gar kein Infinitiv Vergangenheit, sondern ein
Adjektiv? Und man könnte es eigentlich ersetzen, zum Beispiel:

Man möchte, dass die Bonuspunkte ausgezahlt werden.

Aber warum würde dann aus einer Passivform eine Aktivform? Können Sie
mir hier weiterhelfen?

Antwort

Guten Tag Frau H.,

diese eher umgangssprachliche Formulierung habe ich noch nie genauer „analysiert“. Ohne weiter in die Tiefe zu gehen, würde ich sie als eine Passivform bezeichnen, die mit dem sogenannten bekommen-Passiv verwandt ist:

Man möchte die Bonuspunkte ausgezahlt bekommen/erhalten/kriegen.

Im Gegensatz zum bekommen-Passiv, drückt die Konstruktion mit haben mehr einen Zustand oder ein Resultat als einen Vorgang aus:

Ich will das Geld überwiesen haben.
Der Beamte möchte den Vorfall ganz genau erklärt haben.
Die Patientin trug einen Verband um den Kopf und hatte das linke Bein eingegipst.

Das ist nicht der einzige Unterschied. Das Passiv mit haben ist stärker als das bekommen-Passiv vom Satzzusammenhang abhängig. Es fällt nämlich formal mit dem „normalen“ Perfekt Aktiv zusammen:

Ich möchte das Geld überwiesen bekommen.
Ich möchte das Geld überwiesen haben.

Während die Formulierung mit bekommen eindeutig ist, könnte die Formulierung mit haben ohne weiteren Zusammenhang auch aktivisch verstanden werden, nämlich dass ich möchte, dass ich das Geld überwiesen habe.

Ohne Modalverb ist der Satz mit haben nur noch aktivisch zu verstehen:

Ich bekomme das Geld überwiesen.
*Ich habe das Geld überwiesen (nicht passivisch, nur als „normales“ Perfekt Aktiv von überweisen).

Ich bekam das Geld überwiesen.
*Ich hatte das Geld überwiesen (nicht passivisch, nur als „normales“ Plusquamperfekt Aktiv von überweisen).

Nur in wenigen Kontexten kommt das haben-Passiv auch ohne Modalverb aus:

Das Pferd lahmt und hat deshalb die Fesseln eingebunden.
Der Patient trug einen Verband um den Kopf und hatte das linke Bein eingegipst.

Ich hoffe, dass Sie diese standardsprachlich etwas zweifelhafte Form nicht genauer erklärt haben möchten, denn viel mehr kann ich an dieser Stelle nicht dazu sagen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Der umgangssprachliche Indikativ: Sie sagt, sie ist glücklich

Frage

Ich hätte eine Frage bezüglich des Konjunktivs I und des Indikativs. Ich weiß in etwa, wann man den Konjunktiv I verwenden soll, doch ist mir aufgefallen, dass man ihn im Alltag und im Fernsehen (außer in den Nachrichten) kaum hört. Außerdem fällt mir auf, dass er in der Umgangssprache häufig durch den Indikativ ersetzt wird. Zum Beispiel:

Sie sagt, sie ist glücklich.
Er denkt, er hat alles falsch gemacht.

Ich weiß, dass der Konjunktiv in Sätzen mit dass weggelassen werden kann, aber häufig wird auch das dass weggelassen. Kann der Konjunktiv I der indirekten Rede in der Umgangssprache durch den Indikativ ersetzt werden?

Antwort

Guten Tag Frau K.,

die Umgangssprache ist, grob gesagt, eine Variante der Sprache, die im informellen täglichen Umgang mit anderen verwendet wird und sich weniger an die Regeln der Standardsprache hält. So gesehen beantworten Sie Ihre Frage eigentlich schon selbst: In der Umgangssprache wird häufig auch in der indirekten Rede ohne dass der Indikativ verwendet. Man kann also in der informellen Umgangssprache den Indikativ anstelle des Konjunktivs verwenden, denn es wird dort ja getan. Standardsprachlich gilt die Verwendung des Indikativs hier aber als nicht korrekt.

Standardsprachlich:

Sie sagt, dass sie glücklich sei.
Er denkt, dass er alles falsch gemacht habe.

Sie sagt, dass sie glücklich ist.
Er denkt, dass er alles falsch gemacht hat.

Sie sagt, sie sei glücklich.
Er denkt, er habe alles falsch gemacht.

Nur umgangssprachlich auch:

Sie sagt, sie ist glücklich.
Er denkt, er hat alles falsch gemacht.

Sich brav an die standardsprachliche Regel haltend schreibt Dr. Bopp, es sei nun Zeit fürs Wochenende, und verabschiedet sich.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp

Das gehört mir oder das ist mein/meins/mir

Frage

Mein Mann sagt „Das ist mir“ oder „Das ist Dein“. Sind das korrekte Sätze? Ich meine, das ist falsch.

Antwort

Sehr geehrte Frau B.,

die Formulierungen, die Sie in Ihrer Frage anführen, sind ein schönes Beispiel dafür, dass es in der Sprache nicht immer nur darum geht, ob etwas richtig oder falsch ist. Die Wendungen, die Ihr Mann verwendet, sind nämlich nicht falsch. Sie gehören einfach zu verschiedenen Sprachniveaus.

Wenn man ausdrücken möchte, dass etwas jemandes Besitz ist, wählt man in der heutigen Standardsprache im Allgemeinen das Verb gehören:

Das Buch gehört mir.
Gehört der Wagen dir?
Das Grundstück gehörte ihm/ihr.

Daneben gibt es noch weitere Möglichkeiten, dasselbe Besitzverhältnis anzugeben. Standardsprachlich akzeptiert ist auch:

Das Buch ist mein.
Ist der Wagen dein?
Das Grundstück ist sein/ihr.

Ich muss dabei aber anmerken, dass diese Wendung auf mich einen sehr gehobenen und eher veraltenden Eindruck macht. Sie passt zu Aussagen wie:

Die Rache ist mein.
Der Sieg ist unser!
Dein ist mein ganzes Herz

Viel häufiger kommen die folgenden, als umgangssprachlich und regionalsprachlich geltenden Wendungen vor:

Das Buch ist meins.
Ist der Wagen deiner?
Das Grundstück ist seins.

Oder mit dem Dativ:

Das Buch ist mir.
Ist der Wagen dir?
Das Grundstück ist ihm.

Es gibt also verschiedene Arten, wie man angeben kann, dass etwas jemandes Besitz ist. Es geht hier nicht darum, ob wirklich all diese Wendungen „richtig“ sind, sondern darum, jeweils die zur Situation und dem Sprachniveau passende zu wählen:

In einem neutralen standardsprachlichen Kontext verwendet man am besten gehören. Die Wendung das ist mein/dein/unser usw. passt eher in einen gehobenen (oder evtl. ironisch-humoristischen) Zusammenhang. In der alltäglichen Umgangssprache können Sie schließlich je nach Region oder Lust und Laune das ist meins oder das ist mir sagen.

Und wem das alles zu kompliziert ist: jemandem gehören passt immer.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Bopp